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'»•7 ^^^^^
/■? J< iz _
-'"^ S'*^
I
/
JOHANN JOSEF FUX
HOFCOMPOSITOR UND HOFKAPELOffilSTER
DEK KA SEK
LEOPOLD L, JOSEF L UND KARL VL
[ VON 1698 BIS 1740.
NACH URKUNDLICH KN FORSCHUNGEN
VON
De. LUDWIG RITTER VON KÖOHEL.
MIT EINEM BILDNISSE UND ZWEI PACSIMILE.
MIT UM'KRSTÜTZUNO T>EK KAISKRLICHEN AKADEMIK I*KR WISSK^gCHA^TKN IN WIEN.
WIEN.
VLKRED HOLDER (BECK'SCHE ÜNIVERSI'IÄTS-UUCHHANDLUNO
1872.
Verlag von Alfred Holder (Beck'sche Universitäts
Buchhandlung) Wien^ Rothenthurmstrasse 15.
Von demselben Verfasser erschienen bereits früher:
I>i*ei und aolitzig-
neu aufgefundene
Original - Briefe
Ludwig yan Beethoyen's
an den
Erzherzog Rudolph,
Cardinal ' Erzhitchof von Olmüiz, kaia: H.
Preis 1 11. 10 kr.
Die
Kaiserliche Hof -Musikkapelle
in Wien.
Von 1543—1867,
Nach urkundlichen Forschungen,
Frei» 2 11.
Diiuck der k. k. Hof- und Staatsdruckerei in Wien.
Johann Josef Fax.
4
JOHANN JOSEF FUX.
Nioh d«m Olgemllde tm Archive der Oesellsohr^ft der Musikfreunde In Wien.
Zeichniiog tod Lndwlt M&vkt.
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4 •
A Vorwort.
ten Opern und Oratorien, wie der Ejrchenmasik aus jener Periode
gekommen, welche 1826 bis 1829 ans dem Archive der Hofka-
pelle auf Veranlassung des Hofbibliothekpräfecten Grafen Moriz
Dietrichstein übertragen worden *. Dadurch wurde zugleich der
Grund zu dem thematischen Verzeichnisse von mehr als 400 Wer-
ken unseres Fux* gelegt, wozu aber ausserdem die Archive des
Wiener Musik Vereins, der Stifte Schotten in Wien, Gott-
weig in Unterösterreich und Eremsmttnster in Oberöster-
reich, dann der Kirche St. Peter in Wien sowie des Domes
in Salzburg, ferner der kön. Bibliotheken in Dresden und
Berlin bedeutende Beiträge lieferten.
Aus J. Mattheson's Musica critica wurden die Briefe des Fux
ttber Solmisation und die Entgegnungen Mattheson's, da jenes
Werk seltener geworden ist, gleicherweise die Widmungen der
Missa canonica und des Concentus musico-instrumentalis von Fux
in der Beilage IQ abgedruckt.
Nicht unberücksichtigt blieben begreiflich die ürtheile von
Zeitgenossen über Fux, die in Mattheson's Ehrenpforte, in Quantz'
Lebensbeschreibung u. a. niedergelegt sind. In den Briefen des
Apostolo Zeno und Metastasio wird wohl ihrer eigenen Text-
bücher zu den Opern, aber nur im Vorübergehen der Musik dazu
und ihrer Compositoren erwähnt: der Name Fux erscheint nie
darin, wiewohl dieselben Briefe zur Characterisierung Kaiser
Karl VI. manches Brauchbare darbiethen.
Zu einem näheren anschaulichen Bilde des Hof- und Stadt-
lebens in Wien aus jener Zeit mit besonderen Daten, worin des
Hofkapellmeisters Fux ausdrücklich erwähnt wird, diente das
„Wiener Diarium", die früheste politische Wiener Zeitung,
welche von der Ghelenischen Buchdruckerei im Jahre 1 703 be-
1 J. F. Mosel, Gesch. der k. k. Hofbibl. in Wien. p. 260 und 271.
^ Beil. X dieses Werkes.
Vorwart. XI
gründet und von den Erben des Begründers anderthalb Jahrhun-
derte fortgesetzt wurde *. Die Feste bei Hofe sowie die kirch-
liehen Vorgänge wobei der Hof erschien, die geistlichen Oratorien,
die theatralischen Auffllhrung^en, die Jagden und sonstigen Be-
lustigungen sind mit ziemlicher Genauigkeit darin verzeichnet.
Unter den im ganzen spärlichen gedruckten Quellen der
Periode Kaiser Leopold I. ist Job. Joachim Müller's Staats-
Cabinet mit seinen Bemerkungen gelegentlich eines Aufenthaltes
in Wien im Jahre 1660 zu erwähnen; bedeutenderes, besonders
mit Rücksicht auf Musik enthält Bin k 's Geschichte des Kaisers
Leopold I. (1714) ; für eine öpätere Periode des Wiener Stadt- und
Hoflebens geben die Lettres et mämoires du Baron Pöll-
nitz manche bezeichnende Daten, da derselbe 1719 und 1729
längere Zeit in den höheren und mittleren Kreisen der Wiener
Gesellschaft als ein feiner leidenschaftsloser Beobachter sich be-
wegte.
Daran schliessen sich Joh. Georg Keyssler's Beisen
durch Deutschland, Böhmen, Ungarn*, welcher im Jahre 1730
durch vier Monate in Wien sich aufhielt, und vieles fleissig
notierte.
Was noch sonst von untergeordneteren gedruckten und un-
gedruckten Behelfen für diese Zeitperiode aufzutreiben war,
wurde begreiflich nirgends vernachlässigt, wenn auch die Aus-
beute oft nur äusserst kärglich ausfiel.
^ Ein completes Exemplar davon, das jetzt sehr selten vorkommt, ist
in der Bibliothek der Gemeinde Wiens.
2 Sie erschienen, zwei grosse Quartbände, in drei Ausgaben : I. Ausg.
1740-41; IL Ausg. 1751; III. Ausg. 1776. — Den Aufenthalt in Wien
schildert Keyssler im zweiten Bande pag. 1213—1266. — Die Notiz über
die Musik daselbst (p. 1233) ist dürftig, und kein Name der damaligen Kory-
phäen dieser Kunst wird dabei erwähnt.
XII Vorwort.
Meines wärmsten unvergänglichen Dankes mögen hier alle
versichert sein, welche zn dem Zustandekommen dieses Werkes
hilfreiche Hand bothen: sämmtliche Vorstände an den erwähnten
Archiven und Bibliotheken in Wien, Göttweig, KremsmUnster,
Salzburg, Dresden und Berlin, ganz besonders aber die Custoden
und Archivare an der k. k. Hofbibliothek und dem k. k. Oberst-
hofmeister-Amte in Wien, dann JosefLaimeggeramk. k. Lan-
desgerichte daselbst sowie KarlLudwig Sey dl er Domorga-
nist in Gratz, welche niemals ermüdeten, meinen oft wiederholten
Anfragen die bereitwilligste Folge zu geben. Wäre es doch ge-
radezu unmöglich gewesen , ohne ihren freundlichen Beistand zu
irgend einem nennenswerthen Resultate zu gelangen.
Inhalt.
Seite
Vorwort V
I. Johann Josef Fax: Heimatland <-> Geburtsort — Stammbaum —
Lehrjahre — Vermählung — Organist bei den Schotten (1660
bis 1697) 1
II. Wien und seine musicalischen Zustände unter Kaiser Leopold I.
,, . {1660-.170Ö) 12
il^IIL Fox wird kais. Hofcompositor (1698).— Seine Instmmental-Com-
- Positionen 47
IV. Fux unter Kaiser Josef I. (1705—1711) — Die Compositoren
0. Aug. Badia — Marc Antonio und Giovanni Bononcini —
Francesco Tosi 62
V. Fox, Kapellmeister am Dome zu St. Stephan in Wien (1705—1715)
— Reformierung der Hofkapelle — Fux wird Vice -Hofkapell-
meister des Kaisers und Kapellmeister der Kaiserin-Witwe Wil-
helmine Amalia (1713—1718) — Die Compositoren Marc An-
tonio Ziani und Antonio Lotti 71
VI. Kaiser Karl VI und sein Hof (1712—1740) — Fux wird kaiser-
licher Hofkapellmeister (1715) — Seine musicalische Thätigkeit
(1714—1716) — Darstellung seiner Oper Angelica (1716) — An-
tonio Caldara, Vice-Hofkapellmeister (1716—1736) — Die Hof-
compositoren Francesco Conti (1713—1732) — Giuseppe Porsile
(1720—1736) 80
Vn. Chronik (1717—1718) — Fehde mit J. Mattheson wegen der Sol-
misation und Kirchentöne (1717—1718) — Die Opemdichter
Apostolo Zeno (1718—1731) und Pietro Pariati (1713—1733) . 97
VIIL Fux' Kirchenmusik 117
IX. Chronik (1719—1721) — Abfertigung für die eventuelle Witwe
— Seine Oper Costanza e Fortezza in Prag (1723) — Caldara's
OperEuristeo (1724) . 144
X. Der Gradus ad Pamassum (1725) 153
XI. Conflict mit Principe Pio — Die Cäcilien-Congregation — Chro-
nik (1725—1728) — Faustina in Wien 165
XII. Die Oratorien von Fux (1714—1728) — Chronik (1729, 1730)
— Die Oper Elisa — Die Operndichter P. Metastasio (1730—
1740) und Claudio Pasquini (1733— ;742) 174
XrV Inhalt.
Seite
XIII. Die Opern von Fux (1702—1731) — Chronik (1731—1733) —
Gnadengabe für den Neffen Matthäus 191
XIV. Die kaiserliche Hofkapelle unter ihrem Kapellmeister Fux (1715
—1740) 215
XV. Schüler des Fux — Porträte — Wohnungen — Krankheit und
Tod — Seine Verhältnisse zu zeitgenössischen Componisten —
Anhang — [Register] ... 259
Beilagen.
Beilage I. Urkunden: Familien- und Vermügensverhältnisso des
J. J. Fux (n. 1—24) 285
Beilage II. Urkunden : Anstellungen — Beförderungen — Beschwer-
den des J. J. Fux — Reorganisierung der Ilofkapelle (n. 1—34) . 297
Beilage III. J. Mattheson: Solmisationsstreit mit Fux — Beschuldi-
gung des Francesco Conti (n. 1— 11) 326
Beilage IV. Zum Gradus ad Parnassum — Dedicationen (n. 1—6) . 349
Beilage V. Stände der kaiserlichen Hofmusikkapclle von 1680 bis
1740 (n. 1—390). [Mit Register.] a57
Beilage VI. Urkunden: Fux, Gutachten üb r Hofmusiker von 1715
bis 1740 (n. 1—260). (Mit Register.] 376
Beilage VII. Compositionen Kaiser Ferdinand III., Kaiser Leopold I.
und J. J. Fux (n. 1—3) 457
Beilage VIII. Verzeichniss der Opern, Serenaden, Feste teatrali und
Oratorien, welche am kaiserlichen Hofe in Wien von 1631 bis 1740
gegeben wurden (n. 1—791). [Mit Register.] 483
Beilage IX. Kirchentexte (n. 1—20) 573
Beilage X. Thematisches Verzeichniss der Compositionen von J. J.
Fux (n. 1—405). [Mit Register.] (Nach Seite 584 beginnt eine
neue Paginierung.) 1
Johann Josef Fnx.
1660 - 1741.
I. .
Johann Josef Fax: Heimatland ^ Geburtsort — Stammbanm — Lehr-
jahre — Terrnfthliing — Organist bei den Schotten (1660 — 1097).
Von dem weithin gesehenen Sehöckelberge im Gratzerkreise
Steiermarks senkt sich gegen Süden durch mehrere Meilen ein
amnuthiges Hügelland ab, westlich von der Mur, Ostlich von der
Raab begleitet. Wälder, Fluren und Wiesen lösen sich ab, es
gedeiht dort der Mays, das Obst und der Wein in den nach Süden
offenen Lagen. Auf einem dieser Hügel, etwa drei Meilen östlich
von Gratz, liegt Hirtenfeld, nach alter Landesart Gegend (an-
derwärts auch Weiler) genannt, das ist ein Complex von Häusern
und Feldern, welche einen Bestandtheil einer Ortsgemeinde aus-
machen. In Hirtenfeld steht noch das Haus Nr. 50, wo Johann
Josef Fnx geboren ward. Unter Obstbäumen und Wirthschafts-
gebäuden versteckt, war es zu jener Zeit aus Holz gezimmert, mit
einem einzigen Wohnzimmer versehen, während es in neuerer
Zeit in ein stattliches gemauertes Erdgeschoss umgewandelt
wTirde und bis 1868 den Bauer Josef Hartner, Vorstand der
Gemeinde Langegg* beherbergte, von welcher die Gegend
Hirtenfeld ein Theil ist.
Unbestritten ist jetzt Hirtenfeld der früher ganz unbekannte
Geburtsort unseres J. J. Fux. In, der Widmung seines Gradus ad
Parnassum (1725) hatte er seinem Namen „Styrus^ — aus Steier-
mark — aber ohne Angabe seines Geburtsortes beigesetzt. Ganz
bestimmt spricht sich aber die Trauungsmatrikel des Domes von
St. Stephan in Wien aus*, wo er „zu Httrtenfeldt in Steuermarkh"
gebürtig angegeben wird. Ausserdem vermacht J. J. Fux in
seinem Testamente^ im Falle einer Substitution ein Legat dem-
jenigen Bruder des eingesetzten Legatars, welcher „alsdann im
rechtsamben Besitz des Fuxischen Hauses zu Hürtenfeld in Steyer
1 1 4. Dec. 1868. 2 Beil. LI. 3 Beil. 1. 10.
Köekei, J. J. Fax. 1
2 Geburt — Aeltern.
Markh in St. Mareiner Pfar gelegen , sein wttrde^. Auch der noch
(1870) lebende neunzigjährige Greis Johann Fux (Stammb. 24),
ein wohlhabender Bauer in Obergoggitsch, erinnert sich wohl^
dass er vor 60 Jahren aus dem erwähnten Hause seines Vaters
Jacob Fux (Stammb. 14) weggezogen sei.
Nicht so klar konnte das Geburtsjahr unseres J. J. Fux aus-
gemittelt werden. Denn in der Wiener Todtenmatrikel vom
14. Februar 1741 wird Fux 81 Jahre alt^ angeführt, er müsste
demnach um 1660 geboren worden sein, da erstens zu jener
Zeit „81 Jahre alt^ bedeuten konnte, er habe das 81ste Jahr
angetreten — oder auch er habe dasselbe vollendet ; femer aber
aus dem Grunde, dass die Altersangaben dazumal, wie ich mich
mehrfach zu überzeugen Gelegenheit hatte, wenig verlässlich sind.
Also um 1660 war Johann Josef Fux geboren. Leider konnten
auch die Pfarrbttcher in St. Marein bei Pickelbach keinen Auf-
schluss geben, da sie im Jahre 1662 ohne Ausnalune bei einer
Feuersbrunst verbrannt wurden, und die neuen mit^ dem Jahre
1663 anfangen, lieber Feststellung des Geburtstages und Jahres
ist also für jetzt nichts zu erwarten. — Erfreulicher war es, dass
durch die neuen Matrikelbücher in Verbindung mit dem öfter er-
wähnten Testamente möglich geworden war, die Abstammung und
Verwandtschaft des J. J. Fux durchaus sicher aufzustellen. Dies
gelang, ungeachtet der Name Fux mehreren unter einander nicht
verwandten Familien in jener Gegend zukommt, in folgender
Weise. Im Testamente nennt Joh. Jos. Fux die Eva Maria,
den Sebastian und Matthäus Kinder seines (17.31) bereits
verstorbenen Bruders Peter Fux. Nun wiesen die Pfarrbücher
nicht nur einen im Jahre 1724 verstorbenen Peter Fux, Bauer
von Hirtenfeld und dessen eben erwähnte 3 Kinder (nebst an-
deren 9 Sprösslingen) nach, sondern in der Trauungs-Matrikel
vom 6. Februar 1 695 wird auch derselbe Peter Fux „ A n d r e a e
Fux et Ursulae coi^jugis filius'' in Hirtenfeld genannt. Daniit
waren auch die Aeltern unseres Johann Josef Fux aufgeklärt,
während noch überdies in dem TodtenprotokoU vom 16. Februar
1691 „Ursula Fux von Hirtenfeld, bei 50 Jahre alt, und am
1 Beil. I. 6—9.
Familie Fiix
1. Am
geb. ns
3. M
Terra.
gest. 16
bci5(
2. Johann Josef,
3. K
geb. um 1660, gest.
geb. J
■
13. Febr. 1741 (kin-
i
derlos); Term. mit
gest.?
ClaraJaliana Schniz-
1751),
zenbaum 5. Jjini
1696, gest. 8. Juni
1781.
1
5. Maria,
6. Sebastian,
7. Georg,
8. Elisabeth,
9. Johann, 10. Katharina,
Reb. 18.NoTemb.
geb. 29. Decomb.
gob. und gest.
geb. 29. Augast
geb. und gest. geb. 31. August
1696,
1697,
1700.
1701,
1704. 1705,
gest. 6. April
gest. 10. Mai 1759;
gest. 3. Mai 1775,
gest. 22.
Not.
1T73.
verm. aj mit
vorm. Puch-
1785, verm.
I-co-
Barbara Pamer,
müller.
pold.
öj mit Theresia
Pncher.
■A
17. Maria,
geb. 29. April
1739,
gest.? verm.
Nöst.
18. Sebastian,
geb. 9. JKnner
1741,
gest. 4. Juli
17Ä8.
19. Peter,
geb. 23. Jänner
1744,
gest. 24. Sept.
1753.
20. Andreas,
geb. 12. Octob.
1748,
gest. nach 1774.
21. Gottfried,
geb. 8. Novemb.
1751,
gest. 8. Sept.
1753.
22. Johann,
geb. 16. October
1753,
gest. 29. März
1756.
23.1
geb. I
gest.
Zu Seite
nn Hirtenfeld.
:1«10, gest.
.1 iTl* ;
« UrsaU,
Ftbr. 1691,
lfthr«alt.
tharina,
^ <V'ober
ES
,14. Ang.
6«i Tü J.
de
4. Peter,
geb. 7. jQni]672,
gest. 20. Februar
1724; Term. mit
Katharina Steln-
khlelbl (6. Febr.
1J95).
li. Magdalena,
«et. 32. Aagast
1707,
:t$t. nach 1774,
Tena. Wolf.
12. Josef,
geb. 1711,
gest. 1775.
13. Mar. Anna,
geb. 19. April
1713,
geat. naeh 1774,
verm. Orelml.
14. Jakob,
geb. 21. Juli 1715,
gest. 7. December
1797 ; Term. aj mit
Maria, verw. Nöst,
gest. 29. Juni 1775,
kinderlos ; 1>J mit
Mar.Orlesl28.Aag.
1775, gest. 1836,
^erm. als Witwe
1 799 mit J. Hartner.
I
24. Johann,
geb. 85. Decemb.
1776,
lebte Dec. 1870
(kinderlos).
25. Maria,
geb. 8. Jänner
1778,
gest. 1859, Term.
Silberstein.
26.€on8tantia, 27. Theresia,
geb' 18. Decemb. geb. 10. April
1779, 1781,
gest. 24. August gest. vor 1788.
1795.
15. Barbara,
geb. 1717,
gest. 1718.
16. Matthäus,
geb. 16. Septemb.
1719,
gest. nach 1749,
Tor 1771.
28. Stephan,
geb. 24. Decemb.
178-i,
gest 23. Jänner
1783.
29. Theresia,
geb. 10. Juni
1T8S,
gest. Tor 1SC6.
Stammbaum. 3
S. März 1708 Andre ^x von Hirtenfeld ^seines Alters bei etlieh
90 Jahr alt^ begraben vorkommt.
Der Stammbaum der Familie Fux mit seinen 29 Familien-
gliedem bemht nnn vollständig auf den Pfarrbttchem von St.
Marein nnd fand noch später im Jahre 1773 in dem Testamente
der Eva Maria Fux (Stammb. 5) und der Quittung der von der-
selben bedachten Verwandten seine volle Bestätigung ^
Nach diesem Stammbaume hatte Johann Josef Fux zwei
Geschwister, Katharina (Stammb. 3) und Peter (Stammb. 4)^
welcher letzte 12 Nachkommen (Stammb. 5 — 16) hatte , von
denen Sebastian (Stammb. 6) und Jacob (Stammb. 14) das
Geschlecht noch um eine Generation fortsetzten. Von dieser Gene-
ration sind die 7 Kinder Sebastians (Stammb. 17 — 23) längst
gestorben ; von den 6 Kindern Jacobs (Stammb. 24 — 29) lebt nur
noch der erwähnte Greis Johann Fux (Stammb. 24) in Obergog-
gitschy mit welchem, da er kinderlos ist, die ganze Familie des
Johann Josef Fux erloschen sein wird. — Auffallend ist schon beim
ersten Anblicke die lange mittlere Lebensdauer in der Famil\e
Fux, da sie von 1610 bis 1866 also in 256 Jahren nur 4 Gene-
rationen entwickelte, wodurch 64 Jahre auf eine derselben kom-
men : es wiederholt sich auch die Lebensdauer von 80, 90 und
mehr Jahren bei einzelnen Individuen mehrmals.
Der Biograph ist genöthigt zu einem ihm peinlichen Ge-
ständnisse zu schreiten, und doch darf er damit nicht zurückhal-
ten. Ungeachtet vielfacher und angestrengter Bemühungen ist es
durchaus nicht gelungen, Aufklärungen zu erhalten über die
ganze Periode des Lebens unseres Fux von seiner Geburt bis zum
36. Jahre seines Lebens (1696), wo der Bauemjunge aus Steier-
mark plötzlich auftaucht in Wien als ein fertiger Mann, ausgerü-
stet mit tttchtigen musicalischen und anderen Kenntnissen, als
Organist des Stiftes zu den Schotten, der die Tochter eines Be-
gierunssecretäi^ heuratet und seinen Buf als Musiker bereits so
begründet hatte, dass 2 Jahre später Kaiser Leopold I. ihn pro-
prio motu zum Hofcompositor ernannte. Ueber alle so wichtigen
Fragen in der Lebensgeschichte eines bedeutenden Künstlers :
wann brach sein Talent zuerst hervor? wie bildete er es aus?
1 Beil. L 14—18.
1*
4 Bildungsjahre.
wer verschaflte ihm die Mittel dazu? wer waren seine Lehrer?
wie waren seine ersten Versuche in seiner Kunst gea^et? —
und dann noch spedell bei Fux : wann und wie kam er nach
Wien und machte sich da bekannt? — über alle diese Fragen
nur verlegen und mit beredtem Schweigen die Achsel zucken
zu müssen ohne den Gleichmuth zu verlieren, dazu gehört einige
Selbstverläugnung, besonders, wenn es gelungen ist, andere
ganz verhüllte Parthien aufzuhellen. Möge es dem wohlwollen-
den Leser gefallen, wenigstens mit seinem Blicke zu folgen, wie
der Biograph über jene dunkle Klufk auf der schwanken Brücke
von Vermuthungen sich hinüber zu helfen bemüht war, und hie
und da auf Thatsächliches gestützt wenigstens bis zu einiger
vermittelnder Wahrscheinlichkeit zu gelangen, die freilich kei-
nen Anspruch auf Gewissheit machen kann, aber doch das Trost-
lose einer so bedeutenden Lücke zu vermindern geeignet sein
dürfte.
Die Vorfahren und Seitenverwandten unseres Johann Jo-
sef Fux gehörten der Geburt nach sämmtlich dem Bauernstande
an und blieben auch darin mit Ausnahme des Kapellmeisters
und seiner zwei Bruderskinder Eva Maria und Matthäus, die
er nach Wien kommen und denen er eine bessere Erziehung
angedeihen Hess. Der Vater des Kapellmeisters, Andreas Fux,
hatte erst in späteren Jahren geheuratet und mochte bei der
Geburt seines Sohnes Johann Josef (1660) 50 Jahre alt gewe-
sen sein, während die Mutter Ursula kaum das 208te Jahr er-
reicht haben konnte K Welche Bildung die Kinder in Hirtenfeld er-
halten haben konnten, das mehr als eine Wegstunde von der näch-
sten Pfarrschule in St. Marein entfernt war, lässt sich aus den
Leistungen der übrigen Verwandten entnehmen, welche noch 100
Jahre später (1773) wie bereits erwähnt, ihren Namen unter eine
Quittung zu fertigen nicht vermochten*. Wenn die Dinge ihren
gewöhnlichen Verlauf nahmen, so musste der ältere Bauerssohn
Johann Josef wieder Bauer werden und seiner Zeit die kleine
Wirthschaft in Hirtenfeld übernehmen. Das geschah aber nicht,
da sein jüngerer Bruder Peter succedierte ; es musste daher
ein bestimmender ausserordentlicher Umstand eingetreten sein,
1 Vergl. Stammbaum. » Beil. 1. 17.
Bildun^sjahre. 5
der die gewöhntiehe Nachfolge gestört haben mochte. Diese stö-
rende Ursache dürfte am uatttrlichsten in dem frühzeitig hervortre-
tenden bedeutenden Talente des ältesten Sohnes Johann Josef zur
Mnsik zu suchen sein, welcher zu der Beschäftigung des Acker-
mannes sich nicht verstehen wollte und alles von sich wies,
was nicht auf Befriedigung der Forderungen seines Kunstdran-
ges hinzielte. Mit dieser Annahme steht wenigstens das im Ein-
klänge was Fux in seinem Oradus ad parnassum (pag. 43) auf
die Frage des Lehrers , ob sein Schüler auch wahren Beruf zur
Mnsik in sich ftthle^ diesen antworten lässt. Er sagt : ,,Zur Zeit,
als ich noch nicht im vollen Gebrauche meiner Vernunft war,
wurde ich durch die Heftigkeit ich weiss nicht welchen Triebes
hingerissen, es richtete sich all mein Sinnen und Trachten auf
die Musik, und auch jetzt bin ich von einer beinahe wunderbaren
Begierde sie zu erlernen durchglüht und wie willenlos dahin ge-
drängt ; Tag und Nacht scheinen meine Ohren von süssen Klän-
gen umtönt zu werden, so dass ich an der Wahrheit meines Be-
rufes durchaus keinen Grund zu zweifeln habe'^. Und wenn spä-
ter der Meister versichert, „es freue ihn ungemein, einen Schüler
nach seinem Sinne gefunden zu haben^ — kann man da nicht
mit Grund annehmen, dass Fux in den lebenswannen Aeusserun-
gen des Schülers — die wirklichen Empfindungen seiner
eigenen Jugend zum Ausdruck gebracht habe? Vielfache Er-
fahrungen bezeugen es, dass der unwiderstehlich treibenden
Jngendkraft eines grossen Talentes auch die entgegenstehenden
widrigen Verhältnisse weichen müssen; das Talent bricht sich
Bahn und arbeitet sich empor. Dass Fux seinen unbezwingbaren
Lemtrieb weder für Musik noch andere Fächer des Wissens in
Hirtenfeld oder St. Marein befriedigen konnte, ist einleuchtend,
es ist aber auch keine Schule weder in der ganzen Obersteier-
mark in einem Kloster wie zum Beispiel Renn, oder auch in
Gratz bekannt, wo ein Musiktalent sieh hätte bilden können. Dia-
bad ^ hatte zwar die öfter nachgeschriebene Fabel in Umlauf
gesetzt, Johann Josef Fux sei in Böhmen gebildet wor-
den und habe die besten Kapelle^n in Deutschland, Italien
und Frankreich besucht'', allein das ist eine durch gar nichts
1 Histor. Künstlerlexicon für Böhmen. I. p. 486.
6 Bildung in Wien.
begründete Unterstellung, die jede Kraft durch die Betrachtang-
verliert, dass zu jener Zeit gar kein bedeutender Musiklehrer in
Prag lebte, und ausserdem gibt Dlabaö eine Probe seiner Glaub-
würdigkeit durch die an einem anderen Orte ^ keck hingestellte
Behauptung, ,,die Mnsik^ (der 1723 in Prag aufgefllhrten Oper
Costanza e Fortezza) „sei von dem berühmten Kapellmeister I>^x,
der eben ein B 5 h m e (! !) war und zuvor mehr als 20 Jahre (! !)
in Prag lebte" ; während in Wirklichkeit der Steiermärker Fux
27 Jahre (und gewiss viel länger) vor 1723 von Wien sich nicht
entfernte. — Unter den Verhältnissen jener Zeit war für Fux
keine Stadt, wo er alles finden konnte, was er zur Befriedigung
seines Bildungstriebes benöthigte, als die Residenzstadt Wien.
Dort war ein Kaiser (Leopold L), der die Musik leidenschaftlich
liebte und fürstlich beförderte, ein Orchester, welches das Stau-
nen Europa's erregte, und Kapellmeister, welche zugleich als Leh-
rer des verdientesten Rufes genossen ! Ungeachtet es den For-
schungen nicht gelingen wollte, einen weltlichen oder geistlichen
Gönner nennen zu können, welcher auf das Talent des jungen
Menschen auftnerksam geworden denselben nach Wien gebracht
haben konnte, so bedarf es eines solchen Dens ex machina nicht ;
es genügt, dass der Ruf der Musik von Wien, der weit über die
Grenzen des Reiches sich verbreitet hatte, auch in die viel nähe-
ren Gebirge Obersteiermarks gedrungen war, und die Verbindung
•eines kleinen Schulmeisters mit irgend einer, wenn auch obscu-
ren Persönlichkeit in Wien konnte hinreichen, dass der Musen-
Jüngling den Wanderstab ergriflf — und, wie viele andere vor
ihm und nach ihm — ohne besondere Unterstützung getrost dem
Eldorado seiner Wünsche zusteuerte.
Eine Bestätigung der Annahme, dass Fux nirgend anders
als in Wien seine Kunstbildung erhalten habe, finde ich in einer
Stelle der Dedication des Gradus ad Parnassum. Darin sagt Fux
dem Kaiser Karl VI. : „Hoc opusculum [Gradus ad parnassum]
. . . Tuum est origine, quia Inclytorum Antecessorum Tuorum sub
Auspiciis Musica mea initium sumpsit et incrementum traxit^.
Sollte der Sinn dieser Worte nicht dahin gehen : „Dieses Werk
1 Abh. der kön. böhm. Ges. der Wissenschaften. 4. Prag 1798. Bd. a
p. 132.
Lehrer. 7
ist das Deinige, dem Ursprünge nacb^ weil dnrch die UnterstUz-
znng Deiner erlanchten Vorfahren (Kaiser Leopold I. und Kaiser
Josef I.) meine Rnnstkenntniss in der Musik ihren Anfang ge-
nommen, nnd ihr Emporkommen erhalten hat^, — und ohne diese
allgemein gehaltene Fassung etwas anderes bedeuten, als: ich
habe meinen ersten Kunstunterricht auf Kosten des Kaisers Leo-
pold erhalten? Dies konnte entweder in irtther Jugend als
Cantoreisinger oder in reiferem Alter als Hofscholar — vielleicht
sogar beides — stattgehabt haben. Der Bedarf an musieaUschen
Kräften war in den Jahren 1670 — 1680 nicht gering; man
brauchte, um die Zahl von 12 — 16 Kapellsängerknaben voll zu
haben wegen des frtthen Mutierens der Knabenstimme einen be-
deutenden jährlichen Ersatz und gute jugendliche Stimmen waren
gewiss wie noch heute immer' willkommen. Damit war auch nach
dem Mutieren die Fortsetzung der wissenschaftlichen Studien, und
bei hervorragenden allgemeinen musieaUschen Anlagen, die Auf-
nahme zum Hofscholar gewiss nicht mit grossen Schwierigkeiten
verbunden. Aus der 1698 erfolgten Berufung zum Hofcompositor
durch Kaiser Leopold L muss geschlossen werden, dass Fux ge-
rade durch die Entwicklung seines Talentes in der Composition
excelliert habe, und durch die früher gewährte Unterstützung dem
Kaiser bekannt geworden sei. Wenn gefragt wird, bei welchem
Meister der junge Fux seinen Unterricht in der Composition
erhalten haben dürfte, mag zuvörderst die Strenge des Stiles in
seinen Compositionen und die Forderungen die er in seinem Qra-
dns an den Componisten stellt, auf einen deutschen Meister hin-
deuten. In dem eben erwähnten Zeiträume der wahrscheinlichen
Lehrjahre unseres Fux hatten von den bei Hofe angestellten Ka-
pellmeistern und Vicekapellmeistem Antonio Draghi (1674
bis 1700), Antonio Bertali (f 1669) und Marcus Ebner,
Organist (1667 — 1680) keine Hofscholaren; es bleiben daher nur
Feiice Sances (1664 — 1678) und Job. Heinrich Schmel-
zer (1660 — 1679), welche Scholaren in der Composition bilde-
ten. Job. Heinrich Schmelzer stand bei den Kaisem Ferdi-
nand in. und Leopold I. in hohen Ehren \ sowohl wegen seines
1 In seinem bedeutenden Nachlasse (im Wr. Landesgerichtsarchive)
werden 21 Gnadenpfennige und Ketten von verschiedenen Kaisem und
fürstlichen Personen demselben ertheilt, aufgeführt.
8 Lehrer.
Violinspieles, als auch wegen seiner Compositionen, obschon die
grösste Zahl seiner noch vorhandenen Werke Balletmusik enthal-
ten. Sein Ruf war aber so verbreitet, dass man ihm aus.allen Ge-
genden Schüler zuschickte, worunter Abb6 Stadler (in einer hdschr.
Geschichte der Musik) besonders Christian Heinrich Aschenbren-
ner anführt. Dass Fux mit der Familie Schmelzer noch später in
Verbindung stand, davon gibt die Trauungsmatrikel von 1696^
einen sicheren Anhaltspunkt, indem unter den Zeugen bei der Ver-
mählung des Johann Josef Fux „Andreas Anton Schmel-
zer, Rom. Kays. Kammermusicus" der Sohn des 1680 verstor-
benen Kapellmeisters Johann Heinrich Schmelzer in erster Reihe
figuriert. Da man die Trauungszeugen zu jeder Zeit aus dem
Kreise der nächsten Freunde zu wählen pflegte , so scheint die
Annahme nicht unbegründet , dass das Freundschaftsverhältniss
des Sohnes aus einer Zeit stammen könne, wo Fux im Hause
des Vaters Musikunterricht genoss.
Denkbar wäre auch, dass Fux von dem berühmten Organi-
sten Kaspar Kerl wenn nicht Unterricht doch mannigfache
Anregung erhalten habe. Kerl hatte vom 1. Jänner 1675 von
Kaiser Leopold I. eine Pension von 600 fl. bezogen, welche in
den Rechnungen unter der Rubrik „Hoipoeten^ erscheint. Am
16. März 1677 wurde er „als alter Diener des Erzhauses Oester-
reich^ zum Hoforganisten mit 50 Thalern Monatgehalt ernannt %
und von dieser Zeit mit erhöhtem Jahresbezug von 900 fl. in
Rechnung gestellt, als Hoforganist aber erst im Jahre 1680 auf-
geführt. Die Anwesenheit Kerl's in Wien fällt daher noch in die
Lehrjahre des jungen Fux und obschon bestimmte Andeutungen
fehlen , könnte inunerhin zwischen dem lernbegierigen Fux und
dem gereiften tüchtigen Meister Kerl ein Verhältniss sich ent-
sponnen haben.
Wie Fux seine Lehrjahre in der Musik verwerthet hat, da-
von geben seine Werke genügendes Zeugniss. Er war nicht nur
mit den Forderungen seiner Zeit, sondern auch in frühere Zei-
, ten zurückgreifend, sowohl mit der Theorie als den Werken der
besten Meister wohl vertraut. Auch in andern Fächern wusste
er sein Wissen zu bereichern, beispielsweise sich die Kenntniss
^ Beil. I. 1, 2. ^ Acten des Oberst -Hofmeisterarates.
Verm&hlang. 9
deB LateiniBchen und Italienischen anzueignen; und wenn auch
seine Ausdrucksweise in deutscher Sprache von einer gewissen
Schwerfälligkeit sieh nicht losmachen kann, so sind seine Gedan-
ken doch immer klar ausgedrückt und verrathen eine allgemeine
Bildung, ja selbst Kenntniss von lateinischen Glassikem, wie
seine gelegentlichen Gitate darthun.
Wann seine Lehrjahre aufgehört und seine selbständige
musicalisch-practische Thätigkeit ihren Anfang genommen, dar-
über fehlt selbst für Vermuthnngen ein thatsächlicher Anhalts-
punkt. Wenn schon urkundlich erwiesen ist, dass ei* 1696 Orga-
nist bei den Schotten war, so spricht doch ein hoher Grad von
Wahrscheinlichkeit dafür, dass Fux nicht erst im 36. Lebensjahre
seine practische Thätigkeit begonnen habe, und vielmehr einige
Jahre früher entweder in seiner Anstellung bei den Schotten oder
irgend anderswo seine musicalische Laufbahn eröffnet habe.
Selbst seine Berufung nach Hof im Jahre 1 698 weist darauf hin,
dass mehrere Jahre verflossen sein mussten, ehe er seine Tüch-
tigkeit zu einer solchen Stelle, und den Ruf davon in den höch-
sten Sphären begründen konnte.
Mit dem Jahre 1696 stehen wir endlich auf dem festen Bo-
den thatsächlicher Verhältnisse, und dürfen bis an das Lebens-
ende unseres Künstlers ihn nicht mehr verlassen.
In dem oftgenannten Jahre 1696 war Johann Josef Fux
36 Jahre alt, „wohlbestellter Organist im Gotteshaus der Pfarre
zu den Schotten ^^, hatte einen Gehalt von 400 fl. ^, wohnte im
Schottenhofe und hatte dort wahrscheinlich auch freie Wohnung,
sowie auch nicht daran zu zweifeln ist, dass er durch Unterricht
oder gleichzeitige andere Musikfunctionen sein Einkommen zu
erhöhen wnsste. Es war begreiflich, dass er daran dachte sich
einen Hausstand zu gründen. Die Trauungsmatrikel ^ verrathen
uns, dass er m' der „Edlen, Ehr- und Tugendreichen Jungfrau
Juliana Clara Schnitzenbaum^ den gleichgestimmten Ge-
genstand seiner Wünsche fand und mit ihr am 4. Juni 1696 in der
Pfarre bei den Schotten getraut wurde. Die ßraut war eine gebo-
rene Wienerin, 21Jahre alt, die Tochter des niederösterreichischen
Regierungssecretarius Johann Josef Schnitzenbaum^, der
1 Beil. I. 1. 2. 2 Beil. IL 3. « Beil. I. 1, 2. * Beil. I. 20—24.
10 Die Familien Fux und Schnitzenbaum.
aber schon am 5. October 1683 geBtorben war, und seine Witwe
Maria Ursula und ausser der erwähnten Jnliana Clara
noch zwei Töchter Maria Anna (t21. Februar 1736), Maria
Theresia (f 19. Mai 1749) und einen Hohn Paul Anton
Schnitzenbaum (f 26. März 1740) zurttckliess. Die Wahr-
scheinlichkeit ob die Familie Schnitzenbaum zum Adel gehörte
wurde iir der Beilage I. 20. erwogen. Jedenfalls gehörte sie einem
angesehenen Geschlechte an, da der Grossvater, Sohn und Enkel
die Stellen von kaiserlichen Regierungsbeamten bekleideten, und
die 2 Töchter Kanmierdienerinen bei Hofe waren.
Die Ehe des Johann Josef Fux mit Clara Julfana
Schnitzenbaum blieb kinderlos, was wohl der Grund sein
mochte, dass Fux zwei Kinder seines Bruders Peter Fux, näm-
lich Eva Maria im Jahre 1700 und Matthäus um 1723 ^ zu
sich ins Haus nahm, sie adoptierte, fUr ihre Erziehung sorgte und
schliesslich zu Erben einsetztet Ungeachtet der Kinderlosig-
keit scheinen die Ehegenossen Fux bis zu dem am 8. Juni 1731 er-
folgten Tode der Frau ' im besten Vernehmen gelebt zu haben.
Denn, wie später näher besprochen werden wird, hatte Fux für
den Fall als sie Witwe wttrde, eine bedeutende Summe vom Kaiser
erwirkt und in dem (besuche darum erwähnt, dass seine Frau
ihm jederzeit „mit sonderbahrer Liebe und Treue alle HttlfFe erzei-
get hat^ ; dann erklärt er in' seinem Testamente, dass er an der
Seite seiner „allerliebsten Eheconsortin^ bestattet sein wolle. Eben
dafttr sprechen die durchaus wohlwollenden Beziehungen der
Familien Fux und Schnitzenbaum auch nach dem Tode der
Frau Clara Juliana Fux ; da im erwähnten Testamente Fux „sei-
nen liebsten^ Herrn Schwager den Hofkammer-Concipisten Paul
Anton Schnitzenbaum, dessen Integrität und Wohlgewo-
genheit gegen seine (des Ywl) Familie von vielen Jahren ihn^
sattsam bekannt ist, zum Vormunde des Neffen Matthäus Fux be-
stimmte ; dann geben die 3 Geschwister Schnitzenbaum nach dem
Tode ihrer Schwester Clara Juliana „ohne einiges Bedenken ihre
Einwilligung, -dass der ganze Nachlass ihrem Schwager Johann
Josef Fux eingeantwortet werde" *. Auf das innige Verhältniss
zwischen den beiden Familien deutet auch der Umstand, dass,
1 Beil. I. 5. « Ebenda. » Beil. I. 3, 4. * Beil. I. 3.
Die Familien Fax und Schnitz enbaum.
11
selbst nach dem Tode des Kapellmeisters die eine der Schwestern
Theresia Schnitzenbaum in ihrem Testamente (f 1749)
die Nichte des Kapellmeisters, Eva Maria Fuxznr Universal-
erbin einsetzte nnd derenBruder Matthäus Theophilus Fux
ein ansehnliches Legat zuwendete K
i Beil. I. 22.
n.
Wien und seine musiealisehen Zustände unter Kaiser Leopold I«
(16eO-1705.)
Es wird an der Zeit sein^ den Ort und die Verhältnisse näher
ins Auge zu fassen, unter und mit denen durch mehr als 40 Jahre
zu wirken Fux bestimmt war. Die Kaiserstadt an der Donau war in
dem letzten Viertel des 17. bis zur Mitte des folgenden Jahrhunderts
noch weit entfernt von der soliden und imponierenden Pracht und
Ausdehnung Wiens mit seinen 600.000 Bewohnern in unseren Tagen,
allein unter den übrigen Grosstädten jener Zeit in Deutschland,
alles in allem genommen, behauptete Wien auch damals einen her-
vorragenden Rang. lN[icht gering waren allerdings die Bedrängnisse,
welche diese Grenzstadt der Gesittung vor und während jener
Periode zu befahren hatte, aber immer hob sie sich wieder aus
innerer Kraft, und dankte das wohl auch der heiteren Character-
anläge seiner Bewohner und ihrem Sinne für Kunst, die das Ueber-
staudene leicht vei-wanden und rasch an den Wiederaufbau der
zertrtlnmierten Wohnstätten die Hand anlegten.
1529 und noch mehr 1683 wurde Wien schwer bedrängt
durch muselmänische Horden: die Festungswerke und innere
Stadt hatten viel gelitten, die meisten der Vorstädte waren dem
Erdboden gleich gemacht worden, allein wie die Erfahrung lehrt,
dass nach pestartigen Krankheiten die entstandenen Lücken in
der Bevölkerung sich verwunderlich rasch erfüllen, so weckte auch
hier die Zerstörung so vieler Bauwerke die Lust zu neuen und
bedeutenderen Bauten.
Obwohl bald nach der letzten türkischen Belagerung die
Baulust in Wien sich regte , so kam sie doch erst zu Anfang des
darauf folgenden Jahrhunderts zu voller Entwicklung und erfolg-
reichen Pflege, so dass man sagen kamt, die Ausbildung des
Palastbaues sei das Element der Zeit Kaiser KarFs VL ge-
wesen. Drei Architecten waren es, Johann Bernhard Fischervon
Die Stadt Wien. 1 3
Erlach (geb. 1650 in Prag), Dominik Martinelli (geb. 1650 in
Innsbruck) nud Lncas von Hildebrandt (geb. 1666 zu Genua),
welche die Stadt mit ihren Prachtbauten schmückten, die noch
heutigen Tages eine Zierde der Residenz sind. Aus diesem Klee-
blatte des Talentes war es vor den übrigen Fischer von Erlach,
der die meisten und bedeutendsten Aufträge erhielt und zu allsei-
tiger Befriedigung ausführte. Von ihm wurden gebaut das kais.
LustBchloss Schönbmnn (1696), die prachtvolle kais. Winter-
reitschule (1716), die Hofbibliothek und Reichskanzlei (1720),
die Paläste des Grafen Trautson, des Prinzen Eugen, der
Fürsten Schwarzenberg, Rtarhemberg, Auersperg
Q. m. a. Den Baumeistern hatte sich auch ein trefflicher Bildhauer
zur Seite gestellt, Georg Raphael Donner (geb. 1695 zu Ess-
lingen im Mardifelde) und nebst anderen gediegenen Werken
sich durch seine schönen Brunnenfiguren am Neuen Markte (1739)
ein Denkmal dauernden Ruhmes gesetzt.
Die Bevölkerung Wiens, welche vor der zweiten Tttrken-
belagerung auf 80.000 Bewohner geschätzt wurde, hatte bis 1 740
sich auf 1 60.000 gehoben ; und mit den mehr geregelten und ge-
schützten Verhältnissen hatte auch der Wohlstand zugenommen.
Ausserdem hatte die bleibende Residenz des ersten Monarchen
der Christenheit mit seinem zahlreichen Hofstaate den altöster-
reichischen , böhmischen und ungarischen Adel veranlasst, in der
Nähe des kaiserlichen Hoflagers sich würdige Wohnsitze zu
gründen und zugleich mit den Gesandten der meisten Höfe und
den reisenden Fremden aus den höchsten Ständen den Glanz des
Hofes zu erhöhen. Die Zahl der Kammerherm, wobei nur der
höhere Adel mit den gehörigen Ahnenproben zugelassen wurde,
beHef sich im Jahre 1705 auf 423 \ darunter befanden sich ausser
den früher erwähnten die Namen Lobkowitz, Waldstein,
Piceolomini, Montecncculi; Taxis, Lamberg,« Stern-
berg, Sinzen^orf, Khevenhüller, Palffy, Kinsky
n. V. a.
Die Künste des Friedens zu pflegen war wohl nicht leicht ein
Fürst begabter als Kaiser Leopold I. (reg. von 1658 — 1705).
Die venetianischen Botschafter , denen zur strengsten Pflicht ge-
1 Rink. p. 216.
1 4 Kaiser L e o p o 1 d I. befördert Wissenschaft.
macht war, der Republik wahrheitsgetreue Berichte zu erstatten,
schildern ihn als den edelsten, wohlwollendsten Monarchen , die
jemals einen Thron geziert haben. Gerechtigkeit, Herzensgute
und Frömmigkeit waren die einzigen Triebfedern seines Handelns.
Leidenschaftlicher Ausbrüche war er ganz unfähig, am meisten
musste man seinen Gleichmuth bewundem, mit welchem er die
Schläge des Schicksals ertrug, die ihn oft in empfindlichster Weise
trafen. Keinem seiner Vorgänger stand er an ausgezeichneten
Greistesgaben nach. Alle die mit ihm zu thun hatten, lobten die
Schärfe seiner Auffassung, die Klarheit seines Urtheils. Mit einer
seltenen Gewandtheit des Ausdruckes in fremden Sprachen war er
in den meisten Zweigen der Wissenschaften auf der Höhe seiner
Zeit K Im Jahre 1 662 berief er Peter L am b e c k von Hamburg zu
seinem Bibliothekpräfecten und Historiographen, folgte der Ord-
nung und Vermehrung seiner Bibliothek mit ängstlicher Sorgfalt,
war deshalb mit seinem Lambecius in ununterbrochenem Ver-
kehr und brachte in den Bäumen der Bibliothek, begleitet
von einigen Männern von Bildung und gelehrten Kenntnissen
viele Stunden zu *.
Schon im Jahre 1669 war der Kaiser auf den zweiundzwan-
zigjährigen Leibnitz aufinerksam geworden, dessen Werk de
Arte combinatoria dem Kaiser wohl bekannt war. Er befahl deshalb
einem seiner Gelehrten, mit L&ibnitz in Correspondenz zu bleiben.
1689 — 1690 wollte er ihn als Historiographen in Wien behalten,
worauf aber Leibnitz, gebunden durch andere Verhältnisse, nicht
eingehen konnte^.
Ueberraschend bei der Milde und Versöhnlichkeit des Charac-
ters Kaiser Leopold I. ist seine Begünstigung des genialen, feurigen
Sitteneiferers, des Pater Abraham a Sancta Clara. Dieser,
vor seinem Eintritte in das Augustiner BarfUsserkloster mit seinem
Tauf- und Familiennamen Johann Ulrich Megerle geheissen,
war am 2. Juli 1644 zu Kreenheinstetten in Schwaben geboren,
wurde 1669 von seinen geistlichen Oberen als Prediger nach Wien
berufen, 1677 von Kaiser Leopold L zum Hofprediger ernannt,
m
1 Alfr. Arneth, Prinz Eugen. I. 189. > Th. Karajan, Kaiser
Leopold I. and Pet. Lambeck. Vortr. vom 30. Mai 1868 in der Acad. der
Wiss. ^ Otto Klopp, Leibnitz, im Archiv f. östr. Gresch. XL. p. 164. f.
Wien's gesellige Verhältnisse. 15
erhielt 1692 die höchste Würde seines Klosters als Definitorprovin-
ciae und blieb von da an bis zu seinem Tode, welcher am 1. Dec.
1709 erfolgte, nnonterbrochen in Wien, wo er durch seine kausti-
schen Predigten und Schriften mit scharfem Geiste und uner-
schrockenem Muthe allen Ständen einen schonungslosen Spiegel
ihrer durch den Einfiuss der Zeit Ludwig's XIV. verlotterten Lebens-
weise entgegenhielt. Kaiser Leopold, welcher den trefflichen Kern
unter der Hülle einer oft scurrilen Form wohl zu wttrdigen wusste,
hemmte niemals den rücksichtslosen Strom seiner Beden und
Schriften, und ehrte sich , indem er den Mann mit seiner Prophe-
tenstrenge frei gewähren liess \
Zu anderen Zwecken liess der Kaiser femer den berühmten
JesuitenP. At hanasius Ki rch er' von Rom nach Wien kommen,
wo er auf kaiserliche Unkosten „sein fähiges Ingenium in Erfindung
rarer Maschinen übte, wie denn in seinen Operibus viele Curiosi-
täten, so er ftir den Kaiser verfertigt, gefunden werden". Besonders
wurde er vom Kaiser in Musik consultiert „um von "Kirchero
die darin befindliche heimliche fundamenta nach der Mathesi zu
erlernen ^^.
Ungeachtet während der beinahe fünfzigjährigen Regierung
Kaiser Leopold's innere Unruhen in Ungarn und Böhmen, so wie
die Kriege mit den Türken und Franzosen niemals völlig aufhörten
und die feindlichen Einfälle oft Wien bedrohten und im Jahre 1683
sogar hart bedrängten , so fand man doch in den minder trüben
Zwischenzeiträumen Lust und Gelegenheit, sich des Lebens in
mannigfacher Weise zu freuen. Nähere Veranlassung dazu bothen
der wechselnde Aufenthalt des Hofes auf dem Lande und in
1 Höchst BchätzeuBwerth sind die rntthevollen Forschungen, die Th.
G. V. Karajan in seinem „Abraham a Sancta Clara'' (Wien 1867}
niedergelegt hat, den sicheren Gnindlagen zu jeder künftigen ausführ-
licheren Würdigung der Bedeutung dieses merkwürdigen, vielverkannten
Mannes.
3 P. Äthan. Kircher, geb. zu Bachlau im Fuldaischen 1602, lebte
in Wttrzburg, Avignon und Born, wo er den 80. Oct. 1680 starb. Sein be-
rühmtes Werk „Musurgia seu ars magna consoni et dissoni'^ Hess er 1650
in Bom drucken: es enthält vorzüglich eine mathematische Begründung
der Musik. — Auch einige musicalische Oompositionen Hess er unter frem-
dem Namen drucken. (Walther.)
0 Rink, Leopold der Grosse, p. 120.
16 Die Musik in Wien vor L e o p o 1 d I.
»
der Stadt, der Cameval, die häufigen Gebnrts- und Namensfeste in
der kaiserlichen Familie und die wiederholten Vermählungen,
welche meistens in Wien vollzogen vnirden. Ausser der Jagdlust
in allen Abstufungen, Scheibenschiessen, Gastmahlen, Maskeraden
nud Bällen, glänzenden Schlittenparthien und den interessanten
Wirthschaften waren aber die meisten dieser Feste mit Musik
in Verbindung gebracht, welche sogar mit Leidenschaft betrieben
wurde und schon als Erbe von mehreren Ahnen her in Kaiser
Leopold ihren Hauptbef[5rderer fand.
Von Kaiser Ferdinand II. (reg. 1619 — 1637) sagte ein
gleichzeitiger, nicht genannter Schriftsteller, der Verfasser des
Status particularis Regiminis S. C. Maj. Ferdinandi II. 1637:
Seine kaiserliche Majestät liebt ausnehmend die Jagd und die
Musik. — Er wendet auch grosse Sorgfalt darauf, sich auser-
lesene Musiker zu verschaffen, und verwendet auf die Leute von
beiden Beschäftigungen,* nämlich auf Musiker und Jäger, gewöhn-
lich viel Geld und macht ihnen auch sehr viele Geschenke^. Seine
Hofkapelle hatte unter dem Kapellmeister Johann Valentini
zu jener Zeit bereits einen Stand von 80 Musikern erreicht K Kai-
ser Leopold's Vater, Kaiser Ferdinand III., hatte noch während des
dreissigjährigen Krieges (1637) die zu Anfang desselben zerstreu-
ten Glieder der Hofkapelle wieder gesammelt, ihre Zahl und Ge-
halte vermehrt und unter den Kapelhneistem Anton Bertali,
Peter Verdina und Feiice Sances nicht blos einen ansehn-
ilchen Sängerchor, sondern auch eine stattliche Zahl von Instrumen-
tisten versammelt, welche letztere schon deshalb besondere Bttck-
sicht verdienen , da bis dahin die Instrumentalmusik der Vocal-
musik weit nachgestanden war; die Namen der Organisten Joh.
Alb. Platzer, Wolfg. Ebner, besonders aber Joh. Jac. Fro-
her g er gelangten nicht blos zu jener Zeit zu grosser Berühmt-
heit. Kaiser Ferdinand IE. war selbst ein nicht unglücklicher
Componist *, ergriff die zu Anfang des 17. Jahrhundertes in Ita-
lien erfundene Oper mit grösster Wärme, und Hess auf dem
Reichstage zu Regensburg 1653 die Oper l' Inganno (Tatnare,
1 K ö c h e 1 , HofmaBik-KapeUe in Wien. p. 130.
2 Die Compositionep desselben in der k. k. Hof bibliothek sind Beil. VII.
n. 1 zusammengestellt.
Förderung der Musik durch Kaiser Leopold I. 17
Text von B. Ferrari, Musik von Antofi. Bertali mit grossem
Glanz zur Darstellung bringen ^
Der mächtige Aufschwung, den die Musik seit dem Beginne
der Regierung Leopold I. nahm, ergibt sich schon durch die ein-
fache Vergleichung der Kümmern von Opern, Theaterfesten und
kirchlichen Oratorien, welche bei Hofe aufgeftlhrt wurden und
von 1630 bis 1657 nach dem Verzeichnisse' kaum die Zahl von
16 erreichten, während dieselben von 1658 bis 1705 die Zahl
von 400 überstiegen. Kaiser Leopold hatte schon vor seiner
Thronbesteigung einen regelmässigen Unterricht in der Musik ge-
nossen und noch bewahrt die k. k. Hofbibliothek seine frühesten
Versuche in der Composition vom Jahre 1655 bis 1657, einfache
kirchliche Mottette und Hymnen, vom Jahre 1660 wagte er sich
schon an das erste Oratorium // sacrifieio ^Ahramo^ denen 12
ähnliche folgten, aus welchen // Transiio dt Giuseppe (von 1681)
nebst mehreren anderen noch unter Kaiser Karl VI. von der
Hofkapelle jährlich wiederholt ward ; femer bethätigten 9 dra-
matische Compositionen, wenn auch von geringerem Umfange,
und eine grosse Zahl von eingelegten Arien in fremde Opern,
seinen Drang, seine musicalische Anlage in verschiedener Weise
zum Ausdruck zu bringen^. Noch bedeutender aber als seine
eigene Productionskraft war der Schutz und die Förderung der
Musik durch Heranziehen bedeutender Componisten und einer
auserlesenen Kapelle.
Bei dem Werthe gleichzeitiger Urtheile und der geringen
Zahl derjenigen, welche zur Zeit Kaiser Leopold I. über die mu-
sicalischen Zustände berichteten, darf kein Beitrag da^u über-
gangen werden. Zuerst ist hier zu erwähnen ein dickleibiges
Buch von 1725 Seiten, das aber für unsere Zwecke nur wenige
Blätter enthält. Der Verfasser hat auf dem Werke selbst seinen
Namen nicht genannt, er ist aber genau bekannt, sein Name ist
Euchar. Gottlieb Rink, gestorben 1746, erst Hauptmann in
kaiserlichen Diensten, seit 1 709 Professor in Altdorf. Der Titel
des Werkes lautet: Leopol d's des Grosseti, Rom. Kaysers wun-
dertoürdiges Leben und Thaten aus geheimen Nachrichten eröff-
1 Beil. VIII. 10. 2 Beil. VUI. > Die musicalischen Compositionen
Kaiser Leopold I. sind Beil. VII. 2 verzeichnet.
Köehtl, J. J. Fux. 2
18 Die Oper m Wien.
neinndm vier Tkeäe geikeUet. 8. Coln. 1707 (Erste AtiflageJ.
1713 (Zweite Auflage) K Dort heisdt es:
;,Wo etwas in der Welt gewesen, so dem Kaiser Vergnttgnng
gemacht, so war es nnfehlbar eine gnte Hnsik. Wie er des
Jahrs viermal seine Wohnung sn wechseln pflegte, nämlich ans
der Burg (in Wien) nach Laxenbnrg, von da in die Favorita
(Jetzt Theresiaiinm in Wien), dann nach Ebersdorf (bei Schwe-
ehat), so war in einem jedweden kaiserlichen Zünmer allzeit ein
kostbares Spinett befindlich, darauf der Kaiser seine Mnssestun-
den zubrachte. Seine Kapelle kann wohl die vollkommenste in
der Welt genannt werden, da der Kaiser allemal selbst das Exa-
men angestellt, und wenn darin einer sollte angenommen werden,
blos nach Meriten, nicht nach Neigungen geurtheilt ward. Der
Kaiser selbst war nicht nur ein Kenner der Musik und Künstler
auf mehreren Instrumenten, sondern er war auch in der Composi-
tion wohlbewandert. Es ist selten in Wien eine Oper gespielt wor-
den, wozu der Kaiser nicht einzelne Nummern componiert hätte. —
In der Oper wendete er nicht leicht das Auge von der Partitur in
seinen Händen und wenn eine Passage kam, die ihm gefiel,
drückte er die Augen zu, um mit mehr Attention zuzuhören. Sein
Gehör war auch so scharf, dass er unter 50 d^enigen merken
konnte, der einen Strich falsch gethan. — Weil die Musiker wuss-
ten, wie hoch der Kaiser sie hielt, übernahmen sie sieh öfter, wie
man auch etliche Exempel hat, dass, wenn sie nicht allzurichtig
sind bezahlt worden *, sie in öfifentlieher HofkapeUe sich weiger-
ten zu musicieren, bis sie nicht ihren rückständigen Sold bekä-
men. Auch dieses war der Kaiser bereit nachzusehen^, (p. 120 ff.)
„Ueber die Massen liebte der Kaiser singende Comödien
oder Opern. An keinem Orte in der Welt sind jemals prächtigere
Opern gegetre»^ worden, als in Wien. Bei den kaiserl. Vermählun-
gen und anderen Solemnitäten sind absonderlich die berühmte
opera // Porno d^oro (1666), // fuoco Vestale (1674) und
La Monarckia laiina (1667) in solcher Pracht vorgestellet
worden, dass man versichert, es habe allein P^mo ^faro über
1 Ans dieser sind die Citate entnommen.
* Unregelmässigkeiten bei den Auszahlungen der Gehalte kamen zo
jener Zeit auch am Dresdner Hofe und wohl anch anderwärts vor. if. /^r*
sietum, Gesch. d. Mus. in Dresden. IL 32.
Die Oper unter Leopol dl. 19
100.000 Rthlr. gekostet. Dieses ist sonst bei kais. Opern nicht ge-
mein, angesehen eine opera, welche gar öfters 10 bis 20.000 Gül-
den consnmieret, nur ein einziges Mal zu sehen war, welches ein
so kostbarer Aufwand, dass kein anderer Potentat in der Welt sol-
ches gleichthnt, znmal da fast bei allen Gkburts- und Namens-
tagen der Herrschaften neue Erfindungen aufgeftthrt worden. Die
Maschinen (von Burnacini) sind mit erstaunenswerther Kunst
vorgestellt, in den Balleten wurden ganze Gefechte geliefert^.
Ueber die durch mehr als ein Jahrhundert in frischem An-
denken gebliebene und immer wieder erwähnte Oper II Porno
4Foro äussert sich Franz Sbarra, kais. Bath, der Verfasser
des Textes der Oper, welche zur Yermählungsfeier Kaiser Leo-
pold L mit Margaretha von Spanien (12. Dec. 1666) in Wien mit
oft gerühmter Pracht gegeben wurde, indem er am Schlüsse des
pompös mit 24 Kupfertafeln ausgestatteten Textbuches (Fol. 1668
Wien, bei Cosmerov) zu dem Leser spricht: „Diesesmal hätte
ich vielmehr gewünscht dich als Zuschauer, denn als Leser des Wer-
kes, das ich dir vorlege .... ich bedaure, es nicht zu vermögen
dir zu schildern die Erlesenheit der Musik, die Pracht des Schau-
platzes, die Noblesse der Scenerie, den Reichthum der Gosttime,
die Zahl der Comparsen, die Mannigfaltigkeit der Maschinen, die
Eigenthttmlichkeit der Tumierkämpfe , die Abwechslung der
Tänze, den Trotz der Gefechte, die militärische Erfahrung bei der
Belagerung und Vertheidignng der festen Werke, nebst anderen
Wundem der Kunst .... leicht gelange ich zu der Ansicht, dass
diese theatralische Festfeier in Pracht und Grossartigkeit alles
bisher Gesehene ttbertroffen habe^. Es wird dann hervorgehoben
die Leitung des Ganzen durch Graf Franz Waldstein, die
unerreichbare Musik des Cav. Cesti, die Maschinen und Co-
stttme des Architecten Ludwig Burnacini, der auch das
Theater erbaute (im innem Burgraum tHr 500 Personen) und
noch andere.
Noch in demselben Jahre 1667 wurden aus gleicher Veran-
lassung zwei andere Pracht-Prpdnctionen in Wien gegeben, von
denen gleichzeitige (1667) Textbücher in Folio mit einer grossen
Zahl von Kupferstichen zum Zeugnisse der Pracht der Ausstat-
tung in der k. k. Hofbibliothek vorhanden sind ^ Diese beiden
1 Beil VIII. 51, 58.
2*
20 Wien'B musicalische Zustände.
Darstellungen waren La contesa delF Aria e deir Acqua , ein Ca-
rousselfest mit Musik, Erfindung von F. Sbarra, Musik von
Bertali und J. H. Schmelzer, — femer: La monarchia la-
tina trionfante^ ein Musikfest, Text von Nie. Minato, Musik von
Ant. Draghi und Balletmusik von J. H. Schmelzer. — Gele-
gentlich sei auch des mit Kupfern ausgeschmttckten Textbuches
von A. Bertali's Oper LHnganno (Tamore erwähnt, welche 1653
Kaiser Ferdinand UI. auf dem Reichstage zu Regensburg auffäh-
ren Hess ^
Johann Joachim Mülle r's entdecktes Siaats-Cabinet^
enthält im zweiten Theile (pag. 83 — 314) das „Reisae-Diarium
bei Knyserlicher Belehnung des Chur- und färstl, Hauases Sach-
sen^ ein ausfllhrliches Reisetagebuch des sächsisch- weimarischen
Cancellisten (Müller? Vater des Johann Joachim Müller), welcher
der Gesandtschaft beigegeben war, und besonders wegen seiner Auf-
zeichnungen während des Aufenthaltes in Wien vom 26. März bis
16. Juni 1660 manches characteristische auch über Musik, in
simpler Auffassung zwar, enthält. Es heisst dort:
„Vom Nonnenkloster S. Jacob, darinnen in die 40 bis 50
Nonnen, meistens fürstlichen, gräflichen und herrlichen Standes
— sie musicierten sowohl vocaliter als instrument-aliter auf Dulcia-
nen^, Violen da gamba, Teorben, Lauten und Violen — Georg
Rakoczy's Schwester singet einen sehr lieblichen Discant, ein gräf-
liches Fräulein von Richili (?) spielet auf der Teorbe, eine Freiin von
Hildebrand auf der Viole und werden in der Wochen zu gewissen
Tagen von den kaiserlichen Musicanten unterrichtet, (p. 132 f.)
— Bei der Einkleidung einer Nonne, wobei die Majestäten zuge-
gen waren, wurde von den kaiserlichen und erzherzoglichen Mu-
sicanten sowohl choraliter, als figuraliter, und unter andern eine
Sonate, so der jetzige Kaiser selbst componiert haben soll, musi-
eieret (p. 153). — Die Kaiserliche Tafel. Die Musicanten
1 Beil. VIII. 10.
sjoh. Joachim Müller (n), entdeckteB Staats-Cabinet, darinnen
sowohl das Jus publicum, feudale und ecclesiasticum nebst dem Ceremonial-
und Curial-Wesen, als auch Kirchen- und politische Historie, sammt der
Genealogie und Literatur durch eztraordinaire Nachrichten und mit bey-
gefügten Diplomatibus illustriret wird. 8. Jena 17U— 1717. VIII Thle.
3 Fagottfthnliche Blasinstrumente.
Wien*8 muBicalische Zustände. 21
deren vor jetzo in die 10 aufgewartet, mnsicierten erstlich mit
2 Violen, 2 Violen da gamba, einer Teorbe und Clave-Cymbel,
dann ein Stück vocaliter in italienischer Sprache von einem Alti-
sten und zwei Capaunen , worin die Teorbe und eine Viol de
gambe gespielet wurde." (p. 176.)
,, In der Burg die darin liegende Kaiserliche Capelle,
allwo unten im Chor die Musicanten, auf die 40 stark, gegen ein-
ander Über Sassen' und stunden, hatten kurz vorher, wie hernach
der berühmte und fast vornehmste Violist in ganz Europa
Johann Heinrich Schmeltzer berichtete, eine Sonate mit
20 Violen musicieret." (p. 178.) — Am 6. Juni wurde bei St. Ste-
phan das Friedeusfest wegen des „zwischen Ihrokais. Majestät,
Schweden und Polen getroffenen Friedens celebriert. Die Musik
so in 6 Chor getheilt, bestand in Dulcianen, Teorben, Lauten,
Flöten, Heerpauken, gemeinen Trommeln und Querpfeifen, wie
auch zwei Chor mit Stimmen." (p. 242.)
„Mittwoch den 30. Mai (9. Juni) haben Ihro Kais. Majestät
Dero Geburtstag, an welchem sie das zwanzigste Jahr zu-
rttckgeleget, celebrirt, deswegen Nachmittage auf Anordnung
Ihro Erzfllrstlichen Durchlaucht Herren Leopold Wilhelms in der
Favorita eine italienische Singcomödie von der verspotteten Zau-
berkunst, nebenst einem Ballet, welches der Erzherzog Carl
Joseph selbst sanmit zwölf Grafen seiner Grösse und Alters un-
gefähr, bracht, gehalten und vorgestellet worden, welches beides
wohl zu sehen war." (p. 244.)
Endlieh soll auch nicht unerwähnt bleiben Dr. E d. B r o w n e ,
ganz sonderbare Reisen durch Niederlande Teutschland etc. 4. Nürn-
berg 1684. Ueber Wien's Zustäiide (p. 220 bis 270) heisst es über
die dortige Musik p. 237 :
„Femer verstehn Ihro Majestät sich wohl auf die Music, sind
ein guter Componist, und schöpfen gross Belieben darinnen, sowol
in Dero Kay serlichen Burg, als in der Kirche: daher es auch
kommt, dass sich so viel Musicanten in Wien befinden, wie dann
schwerlich irgendwo mehr anzutreffen sind als aUhier, und ging
schier nicht ein Abend vorbey , dass Ynr nicht eine Nachtmusic
vor unsem Fenstern auf der Strassen hatten. Und weil Ihro Kays.
Majestät hieran ein solches Belieben tragen, so wenden die Geist-
lichen Personen um so viel desto mehreren Fleiss an, um etwas
22 Theilnahme des Hofes an der Oper.
eonderbahres in ihrer Kirchenmnsic hören zu lassen. Wie denn
Ihro Majestät ofitmals die Kirchen besuchen, und nicht nur allein
einige allein, sondern verschiedene viele: Und fahren dieselbe
sonderlich gerne in die vornehmsten Clösterkirchen. Und werden
offtmals Dero eigne Stttck und Compositionen in Dero Kays. Ca-
pelle gespielt. Auch haben Dieselben ein vortreffliche Music bei
Hofe sowol an Sängern, als auf Instrumenten. Und wird bene-
benst dero eigene Hof-Capelle Überaus wohl bedienet und müssen
daselbst allezeit acht oder zehn kays. Edelknaben so gräfi. Stan-
des, vor dem Altare mit weissen in den Händen habenden Wachs-
kerzen aufwarten. Auch wird die Music daselbst nicht nur ttber
die Massen wol bestellt, sondern es werden auch nach der Art
derital. Fürsten verschiedene Capaunen zum Singen unterhalten.^
Unter den Kirchen, welche Kaiser Leopold I. öflter zu be-
suchen pflegte, war es vor allem die Domkirche von St. Stephan,
dann die Kirche von den Schotten, von St. Peter, von den Augu-
stinern, von den Spaniern vonMontserrat, bei den Jesuiten, sämmt-
lich in Wien, dann aber auch die Kirchen von Hemals, Kloster-
neuburg, heil. Kreuz u. a. Ueberall waren Musikchöre, aus denen
jene von St. Stephan, dann anch jene von den Schotten und
Augustinern die übrigen überragt haben mochten.
Ob auch einzelne Grosse des Reiches eigene Kapellen zu jener
Zeit hielten, ist aus den bisherigen Publicationen nicht zu entneh-
men, aber nicht unwahrscheinlich, denn schon in den nächstfol-
genden Perioden unter Kaiser Karl VI. und Maria Theresia sind
die Privatkapellen der böhmischen Cavaliere etwas ganz gewöhn-
liches. Unbestritten ist aber schon zu Kaiser Leopold's Zeit die
Betheiligung der Damen und Herren des Hofes an den Balleten,
Dramen und Opern des Hofes, wobei der Kaiser selbst, mehrere
Erzherzoge und Erzherzoginen aufzutreten nicht unter ihrer Würde
hielten. In der Periode vom Antritte der Regierung bis zu Ende
des Jahrhundertes setzte sich der K a i s e r selbst im Rh Gelidoro
(1659) an die Spitze eines prachtvollen Zuges von Cavalieren;
1666 tanzten die Erzherzoginen Leonore und Marianne
in Elicey die Erzherzogin Marianne zu wiederholten Malen
von 1670 bis 1677 in Costa Penelope, in Sulpicia, in Nascüa
di Minerva, in Turia Lucrezia, in Chelonida, Rodogone u. a.,
Die italienische MnBik in Wien. 23
«
Cayftlier.e spielten 1684 im Finto ÄBirologo \ Hofdamen 1685
die Didofie coBtante \ desselben Jahres tanzten 7 Grafen im Pal"
ladio in Roma^j nnd ebenso sangen und spielten Hofdamen
das »Singspiel Die Sclamnen auf Samia , mit Musik von Kaiser
Leopold *.
So hatte der Vorgang des Hofes einen lobenswerthen Wett-
eifer nach verschiedenen Richtungen entzündet, welcher gewiss
durch die lebhafte Theilnahme bei mnsicalischen Productionen
auch auf die Künstler von Profession zurückwirken musste,
denn ohne Empfänglichkeit der Zuhörer erlahmt jede Kunst , und
un entgegengesetzten Falle vermag sie den Künstler zu höheren
Leistungen zu b^eistem.
Während der ganzen Regierungsperiode Kaiser Leopold L
und auch geraume Zeit vorher und nachher war es die Musik der
Italiener, welche, sowie in Wien, auch in München, in Dresden,
Hamburg und England unbeschränkt alles beherschte. Die N i e-
derländer, welche durch sie von der Herschaft verdrängt
wurden, hatten in ihren Koryphäen Jos quin des Pros, Hein-
rich Isaak, Ludwig Sennffl im XV. Jahrhunderte, und in
Orlando di Lasso im XVI., die Technik des Gontrapunktes
auf eine nicht geahnte Höhe getrieben und selbst in Italien ver-
dientes Aufsehen und nicht geringen Einfluss errungen. Auch in
Wien waren tüchtige Meister aus dieser Schule thätig , die Hof-
kapellmeister A r n o 1 d u^ de Prugkh (1536 — 1545), Petrus
Maessanus(1543— 1560), Johann Castileti (1563— 1564),
Jakob Vaet (1564—1567), Philippus de Monte (1564—
1603), Alard Gaucquier (1567—1576), Jacob Regnart
(1580 — 1582 und 1598 — 1599), Lambertus de Sayve
(1600 — 1614), u. a.^, welche zugleich eine bedeutende Zahl von
Säugern aus ihren Laudsleuten geworben hatten, konnten zu den
besten zählen. Mit Kaiser Ferdinand U. (1619 — 1637) dran-
gen plötzlich die 1 1 a 1 i e n e r mit ihren KapeUmeistem Giovanni
Prioli (1619—1629), Giov. Valentini (1629—1649) und
PietroVerdina (1634 und 1635) ein und behaupteten das Feld
länger als ein Jahrhundert. Drei Momente schienen die Veranlass
1 Beil. Vm. 213. « Eb. 221. 3 Eb. 224. * Eb. 228. & Koch e^
Hofkapelle. 42—56.
24 Opemtexte.
sung gewesen zu sein , welche den Italienern zu dieser allgemei-
nen Verdrängung ihrer Kivalen verhalfen: die Erfindung der
Oper in Italien zu Anfang des XVII. Jahrhundertes, ihre von
der Natur Yor allen Nationen begünstigten Gesangskünstler
und die für Gesang wie geschaffene und den andern an Bildung
y orangeeilte Sprache. Waren auch die italienischen Dichter
jener Zeit, welche für die Oper speciell für Wien zahlreiche Li-
bretti anfertigten, wie Anrelio Amalteo (1660 — 1669), Fran-
cesco Sbarra (1662—1667), Donato Cupeda (1663?
1689—1704), ApoUonio ApoUoni (1664—1690) und der be-
sonders fruchtbare C 0 n t e NicoloMinato (1667 — 1700) keine
Dichter ersten Ranges und ihre Geistesproducte nicht über das
Niveau der Zeit sich erhebend, gering an Gedankengehalt und
mit mehr Schwulst als Schwung des Ausdrucks, so stehen doch
daneben die gleichzeitigen deutschen Uebersetzungen, welche in
Wien mit den Originalien immer zugleich erschienen, so unbeholfen
und unsangbar neben jenen, dass sie ein trauriges Zeugniss davon
geben, wie tief gesunken, ja verwildert die deutsche Sprache
nach dem dreissigjährigen Kriege besonders in Oesterreich war,
so dass der Ausschlag der Wagschalen der beiden Sprachen nicht
zweifelhaft sein konnte.
Zur Vergleichung mögen ein Paar Scenen des italienischen
Textes und daneben der deutschen Uebersetzung dienen, von den
in der kais. kön. Hofbibliothek noch vorhandenen Pracht-Libroni
mbchte man lieber sagen als Libretti des berühmten Musikfestes
La Monarchia latina irionfante, Festa musicale. Poesia di
Nie. Minato. fol. Vienna Chr. Cosmerov 1678^
Die Stg-prangende Römische Monarchey, Auf der grossen
Schaubühne Gesungener vorgestellt. Fol. Wienn 1678 Christ.
Cosmerov.
Scena I. Erster Eintritt.
Bellona. Bellona. «
Campagne fef*fiii ' Der Felder Trächtigkeit
Flamme distruggano Zehre den Flammen-Brandy
A terra vadano Schönheit, vnd Pracht dess
Land
Pompe e Beltä ; Werd nicht errett,
Fuggano Gut vnd Leuth
Operntexte.
25
Cadano
Papoli
Tempij
Mura e Cittä.
E saggio chi vä
Con falce guerriera
La, dou' aUri hnpera
Mietendo Memorie.
Scena 11.
La Pace.
Tempo /&,
Che ne le Reggie
Albergai con V^irtü,
Tra le Greggie
Cruda hiuidia,
Con Insidia
Mi caccio :
Hör, ch' 1 poueri
Miei ricoueri
Tolti niL ha
Del Regnar VAviditä^
Chefard?
Sommo Giove
Dimmi doue
Dane andrö ?
Werd zur Beuth
In den Rauch
Gehen auch
Kirchen vnd Statt,
Sehr toeisslich im Beth\
Der anff seinen Waffen
Dort ruhig kan schlaffen
Wo andre regieren.
Anderter Eintritt.
Der Friden.
Denck der Zeit,
Dasa mir in Höfen war .
Samt der Tugend platz bereit.
Vnd nun trib mich gar
Auff die Hierten- Weyd
Der Gewalt deas Neid
Listiglich,
Aber nun, dass mir
Die in At^muth hier
Ghabte Ort
Die Regier-Sucht nähme fort
Was thue ich?
Höchster Herr,
Wohin kehre
Ich nur mich ?
Leider sah es aach mit den Originalprodueten in deutscher
Sprache nicht besser aus, von denen Kaiser Leopold mehrere —
gewiss nicht ohne Selbstverläugnung — in Musik gesetzt hatte.
Eines davon führte nach der Partitur die Aufschrift : „Arien zu
der Comödie: Die vermeinte Bruder und Schwester^ * und war zu
Kaiser Leopold's Namensfest 1680 bestimmt. Am Schlüsse singen
die drei Göttinen:
Diana. Juno. Venus.
Heunt glänz das Sonnengold
Den grossen Leopold,
Diana.
Lebe wohl o grosser Kayser
Leb vergnügt bis an das enty
1 Beil. VIU. 167.
26 Operntezte.
Heriche über aUe keuser
Alles Glück sich zu dir wendi.
Diana. Juno. Venus.
Jupiter lass dich geniessen
Was würi mieasen
Alle deine feint vertriessen u. s, w.
Ferner lautet eine der ^Arien zu der Comödi intitulirt:^ y^Der
t hörechte Schäfer^. Im Fasching 1683 von Kaiser Leopold in
Musik gesetzt :
Schäfferin.
Dafne, wo bist du zu finden?
was verbirgt dich?
was thuet dich verheilen ?
Dafhe.
Die Lorber Oeste mich
deinen Augen stellen,
Schäfferin.
>
0 Ufiglickseelige
ist es wohl zu ergrinden?
Ein vnerhörte Gschicht,
Das du zum Stocke wirst
Verlierst der Augen Liecht. u, s, w.
Daphne war nämlich, von Apollo verfolgt, eben daran in
einen Lorberbaum verwandelt zu werden.
Mit welchem Ernste und Nachdruck in Italien die Kunst
des Singens betrieben wurde, davon geben die zahlreichen
berühmten Schulen und die daraus hervorgegangenen weltbe-
rühmten Sänger ein unwiderlegliches Zeugniss. Es ist auch in
keinem Lande die Singekunst zu so hoher Blflthe gelangt als in
Italien^ und nirgend hat eine eigentliche, in nnunterbrochenan
Fortgange sich entwickelnde Gesangschule existiert, als allein bei
den Italienern. In allem was die Grundlage des Gesanges die
richtige Stimm- und Tonbildung betrifft, sind sie inmier die
Meister aller übrigen Nationen gewesen ; denn die Gesetze , nach
Gesangkunst der Italiener. 27
Welchen sie die Tonbildong lehrten, 8in,d bleibend and keiner
Mode unterworfen y da sie aufl der Natnr des Gegenstandes her-
vorgegangen sind.
Der Gesang hielt gleichen Schritt mit der Vocalcomposition
and schon in den dassischen Zeiten des Kirchengesanges waren
die grossen Eapellsänger aach tttchtige Componisten^ so 6 i a 1 i o
Caceini, Virgilio Mazzocchi^ Carissimi, Stradella;
Scarlattiy Pistocchi a. a. in späterer Zeit
Mit welcher Sorgfalt and Rücksicht auf allseitige musicalische
Darchbildang die Gesangschttler zur Zeit Papst Urban VIII. unter
Virgilio Mazzochi um 1636 unterrichtet wurden, erfahren wir
durch dessen Schüler Giov. Andrea Bontempi, der 1647 bis
1651 Componist und Sänger am Hofe zu Dresden war^ Diesem
zufolge waren die Schüler verpflichtet, täglich eine Stunde schwere
Passagen zu üben, um dne Gewandtheit in der Technik zu er-
langen ; eine zweite Stunde verwendeten sie auf Uebung des .
Trillers , eine dritte auf richtige und reine Intonation — alles in
Gegenwart des Meisters und vor dem Spiegel stehend um die
Mundstellung beobachten zu können und jede Verzerrung beim
Singen zu vermeiden. Zwei fernere Stunden widmeten sie dem
Stadium des Ausdruckes und Geschmackes so wie der Litteratur.
Dies waren die Beschäftigungen des Vormittages. Nachmittags
verwendeten sie eine halbe Stunde auf die Theorie des Schalles,
eine andere auf den einfachen Contrapunkt, eine Stunde auf die
Composition , die übrige Zeit des Tages auf Clavierspiel, Verfer-
tigung eines Psalmes oder ähnlicher Arbeiten. Zu Zeiten sangen
sie auch in den Kirchen Roms, oder hörten den Werken der
Meister zu ; giengen häufig zum Monte Mario, um gegen das Echo
zu singen und aus den Antworten ihre Fehler kennen zu lernen.
Solcherlei Studien konnten freilich Resultate liefern , die uns un-
glanblich scheinen wollen. Von dem gefeierten Sänger Baldas-
sare Ferri aus Perugia (1610 — 1680), um dessen Besitz die
HöfeEuropa's sich stritten und welcher von 1655 bis 1680 Sopranist
der Kaiser Ferdinand III. und Leopold I. in Wien war, wird er-
zählt, dass er eine Trillerkette von zwei vollen Octaven chromatisch
auf- und abwärts mit absoluter Reinheit eines jeden Tones in
1 Fürstenau, I. 29.
28 Gesangschulen in Italien.
einem Athem hatte durchlaufen können ^ Daneben war er aber
nicht minder aasgezeichnet in Mannigfaltigkeit characterrollen
Ausdrucks.
Von Born gieng der edlere, stäts mit gründlicher künstlerischen
Durchbildung gepaarte Kammergesang aus, welcher nachher
vorzugsweise in der Bologneser Schule des Pistocchi und
Bernacchi zur höchsten Entfaltung gelangte , und als dessen
ersten Begründer man Carissimi ansehen darf. Hingegen
nahm der nach leidenschaftlichem Ausdruck und glänzender Bra-
vour strebende dramatische Gesang seinen Ursprung zu Florenz
unter GiulioCaccini, der aber von Abkunft ein Römer war.
Nach dem Zeugnisse von De la Valle verdankt man grössten-
theils dem Caccini die angenehme Art zu singen, welche damals
über ganz Italien sich zu verbreiten begann. Weiter entwickelte
sich der Bühnengesang besonders in der Schule des Scarlatti
und der Neapolitaner: vollendete musicalische Bildung gesellte
sich bei den Künstlern allerersten Ranges zu Anfang des XVIII.
Jahrhunderts mit Stärke des Ausdrucks und grosser' Herschaft
über die Technik: die ßesangskunst eri'eichte in ihnen ihren
Gipfel. Zu diesen Künstlern gehörten nebst vielen andern S e n e-
sino, auch Giov. Carestini, der von 1723 bis 1725 der kais.
Hofkapelle in Wien angehörte. WerthvoUe Schriften über die
Singkunst besitzen wir von dem grossen Sopranisten und Sing-
meister Pietro Francesco Tosi aus Bologna (geb. 1650), der
von 1705 bis 1711 Hofcompositor Kaiser Josef L* war; ein an-
deres Werk ^ hat der vSänger Giambattista Mancini, Sing-
meister am kais. Hofe in Wien herausgegeben, und darin Nachrich-
ten der berühmtesten Sänger und Gesangschulen seiner Zeit mit-
getheilt.
Die angesehensten Gesangschulen waren zu Bologna die
des Francesco Antonio Pistocchi (um 1700), dessen Me-
thode noch bis heute die Grundlage für allen guten Gesang ist,
femer die seines Schülers AntonioBernacchi, der wieder den
ebenerwähnten Giambattista Mancini zum Schüler hatte.
ij. J. Rousseau, Dict. de mus. Article Voix.
2 Opinioni de cantori antichi e moderni. Bolog^na 1723.
3 Pensieri e Riflessioni pratiche sopra il Canto figurato. Vienna 1774.
Gesangschuleii in Italien. 29
Weiter gehörten zu den ersten Oesangschulen zu Neapel die des
Scarlatti nndseinerSchüIer, Porpora^Leo undFeo; zu Born
lehrten A m a t o r i und F e d i ; ausserdem waren berühmte Schulen
zu Mailandy Modena, Genua und Florenz. Aus den zahllosen
Namen hochgefeierter »Sänger , die in ganz Europa gesucht und
reichlich belohnt wurden, sollen hier nur einige angeitlhrt werden,
welche eine längere oder kürzere Zeit Mitglieder der kaiserlichen
Hoikapelle in Wien waren. Es blühten dort von 1637 bis 1656
dieBassistenBenedettoRiccioni, Baldassare Pistorini;
die Tenoristen Steffano Bonni, Ant. Massucci, Ludwig
Bartolaia; die Altisten Jac. Fil. Ferrari, Bald. Paggioli,
Aless.Contilli; die Sopranisten Torquato Giordani, Gius.
Bianecchia, Domenico delPane, Domenico Proglio,
Domen. Sarti und der bereits genannte Baldassare Ferri.
Von 1657 bis 1680 werden mit Auszeichnung erwähnt die Bas-
sisten Francesco Cianci^ Ang. Maria Lesma; die Tenori-
sten Nie. Mazzella, Jos. Mar. Donati, Pietro Santi
Garghetti; die Altisten Paolo Castelli, Ant. Pancotti;
die Sopranisten L 0 r. C 0 c c h i , Giul. Ges. Donati, Pompeo
8 a b a t i n i ^ Der Sänger in den folgenden Perioden wird später
gedacht werden.
Wir sind nun an dem dritten Momente der Verbreitung ita-
lienischer Musik in Europa und Gestenreich insbesondere angelangt,
nämlich dem der Erfindung d e r 0 p e r. Fragt man, durch welche
Veranlassung, auf welchem Wege, durch welche Mittelstufen man
zu dieser epochemachenden Erfindung gelangte, äo gibt uns die Ge-
schichte der Entdeckungen zwei analoge Fälle an die Hand, wo
man ein bestimmtes Ziel yerfolgte, dieses schliesslich zwar nicht
wirklich erreichte, aber zugleich etwas ganz anderes und interes-
santes entdeckte. Als Columbus nach Westen ausfuhr, meinte er
einen neuen Weg nach Ostindien zu finden — und entdeckte an
dessen Statt America (Westindien) — ähnlich als die Alchymisten
sich abmühten , Gold zu machen und den Stein der Weisen zu
finden, fanden sie zwar beides nicht, aber sie lernten dabei eine
Menge Stoffe kennen, die zur neuen Chemie den Weg bahnten.
Eben so gieng es bei Erfindung der Oper. Als im XV, und XVI.
1 Köche 1, die kaiB. Hof-Musikkapelle, p. 58 ff.
30 Erfindung der Oper.
Jahrhundert in Italien die Kttnste und Wissenschaften nach langem
Schlafe wieder erwachten und das Studium der elassischen
Sprachen mit unersättlicher Begier getrieben wurde, wollte man
auch die KUnste wieder jener Höhe znftahren y auf welcher sie bei
den Griechen und Körnern in ihrer grösstenBIttthe gestanden hatten.
Man zog die reiche Anschaunng an den Mustern der Rede , der
Dichtung und Plastik zu Rathe und war durch Nachbildung zu
manchem erfreulichen Resultate gelangt. Noch aber fehlte es in
einer Kunst — der Musik — an Vorbildern und didactischen
Werken, um sich eine Vorstellung von der Art und Weise zu
machen, durch welche Mittel besonders die Griechen die wunder-
ähnlichen Erfolge bei der Verbindung des Dramas mit der Musik
erzielt hatten. Was vom Alterthume ttber Musik erhalten war,
konnte eher dazu dienen die Geister zu verwirren, als sie zu er-
hellen ; das hielt aber nicht davon ab, dass man muthig das Ziel
verfolgte, eine dramatische Musik zu erfinden, welche geeig-
net wäre, auf das Gemttth der Zuhörer einen ähnlichen Eindruck
zu machen , als man so oft von den Griechen gehört hatte. Eine
Anzahl solcher vom hellenischen Geiste berauschter Männer hatte
sich im letzten Viertel des XVI. Jahrhunderts in Florenz zosammen-
gesellt , wo die kunstfördemden Medicäer jede Kunstbestrebung
eifrig unterstützten. Man versammelte sich in dem Hause des
Giovanni Bardi ausdergräflichenFamilieder Vernio, derein
vielseitig gebildeter Mann selbst als Dichter und Componist sich
bethätigt hatte. Man erkannte bald , dass man den Weg zu dem
vorgesteckten Ziele sich selbst bahnen mttsse, und vereinigte sich
darüber, dass, um allgemeine und lebhafte Wirkungen bei den
Zuhörern zu erreichen, leichte Verständlichkeit des vorgetragenen
Gedichtes und ein genaues Anschmiegen der Musik an das Wort
die erste Bedingung sei , von der man 'sich Erfolge versprechen
könne. Da nun die bisherige polyphone Behandlung der Musik,
die zuletzt von den Niederländern bis zur Künstelei getrieben
wurde, den Text zerreisse and unverständlich mache , so war der
erste Beschluss, diese Art der Behandlung vor allem von der dra-
matischen Musik ganz entfernt zu halten. Auch darüber einigte
man sich, dass es nicht angemessen sei, die Empfindung des ein-
zelnen durch einen ganzen Chor aussprechen zu lassen, es
wurden daher mehrstimmige Gesänge nnr für geeignete Fälle zu-
Erfindung der Oper — P e r i. 31
gelassen y daftlr aber Einzelgesänge (Monodien) anfangs mit ein*
facher Begleitung eines einzigen Instrumentes, der Lyra oder
Laute, zugelassen. Schon diese ersten Versuche hatten ungeachtet
ihrer Unvollkommenheit Beifall gefunden und zu weiteren Fort-
sehritten ermuntert. Da diese Monodien dem ariosen Stile ange-
h5rten, allerdings noch ohne A r i e n im spätem Sinne zu sein, so
erkannte man doch bald, dass es Gemttthsznstände im Drama
gebe, welche sich nicht so erheben, um damit einen wirklich
gesungenen ariosen Vortrag zu rechtfertigen; es musste eine
Zwischenstufe des Vortrages gefunden werden, welcher zwar nicht
im rhythmisierten, ariosen Stile gehalten war, aber auch nicht
in den einfachen Redeton zurücksank. Dieses zu erfinden war
nun JacopoPeri, einem Florentiner gelungen, der zugleich ein
tüehtiger Sjlnger und Meister auf dem Glavier war; er hiess
der Stile rappresentativo , recitativo oder parlante, womit man
meinte den dramatischen Stil der Alten nun endlich wieder auf-
gefunden zu haben. Peri^ gibt selbst Rechenschaft von den
Gedanken und Wünschen, welche sein Streben nach Herstellung
dieses dramatischen Musikstiles im Geiste der Alten geleitet haben.
Er sei der Meinung gewesen, sagt er, die Griechen und Römer
hätten ftlr die dramatische Poesie einer musicalischen Ausdrucks-
weise sich bedient, welche zwar über die gewöhnliche Sprache
binausgreife, aber doch nicht bis zum eigentlichen Gesänge sich
erhebe, sondern vielmehr zwischen beiden in der Mitte stünde —
sowohl hinsichtlich des Tonfalles als auch der Bewegung ; bezüg-
lich der letzten musste eine solche Ausdrucksweise zwischen der
gedehnten, getragenen Bewegung des Gesanges und der rasch da-
hinströmenden Bede die Mitte halten. Ferner habe er beobachtet,
wie manches in der Declamation einen solchen Nachdruck erhalte,
dass es der Hervorhebung durch eine dazu angeschlagene Har-
monie zugänglich sei, während wieder im freien Verlaufe des
Sprechens vieles vorkomme, das als tonlos sich unterordne,
daher nicht für jeden Ton des Gesangs einen Accord fordere. „So
merkte ich^, fährt er fort, „auf denWechsel in Hebung und Senkung
der Stimme, wie er bei den mannigfachen Gemüthserregungen
der Trauer, Freude u. dgl. erscheint, und liess an solchen Stellen
1 Vorrede za seiner Oper Euridice, Venedig, gedruckt bei Marescotd.
32 Die ersten Opern in Italien.
je nach Massgabe der Stärke der Erregtheit die Unterstimme sich
fortbewegen oder zu con- und dissonierenden Intervallen des Ge-
sanges rnhen , bis die Stimme des Recitierenden durch mehrere
Töne hindurch wieder an eine solche Stelle gelangte, welche in
der gewöhnlichen Kede betont wird und einen neuen Accord
begehrt^. Wie Peri nun zwar nicht behaupten möchte, dass der
dramatische Gesang der Alten genau eben so beschaffen gewesen
sei, so glaubte er doch dass ein solcher Gesang so beschaffen
sein müsse, sobald er der Rede genau sich anzuschliessen trachte.
Damit waren , wenn auch nicht die antike Darstellung des
Dramas , wohl aber die wesentlichen Hauptformen der nacbheri-
gen Oper, der Einzelgesang und mehrstimmige Gesänge
mit Begleitung, die Arie und das Recitativ zugleich ein Drama
mit ununterbrochener Musik zu Stande gebracht und das erste
Dramma per musica, welches Peri nach seinen Ansichten com-
poniert hatte, war ein Gedicht von Ottavio Rinuccini, und
wurde 1594 oder 1595 im Corsischen Hause in Rom aufgeflihrt.
Es hatte den Titel Dafne und behandelte die Mythe ihrer Meta-
morphose in den Oelbaum. Der Beifall war allgemein, und man
war völlig überzeugt, damit das längst Gesuchte und sehnlichst
Erwünschte gefunden zu haben.
Mit noch viel grösserem Beifalle wurde das ^eite Dramma
per musica, das Schäferspiel ^Euridice^ ^ Text von Rinuccini,
Musik von Peri* aufgenommen, welches im Jahre 1600 zur.
Feier der Vermählung Heinrich IV. von Frankreich mit Maria von
Medici am herzoglichen Hofe zu Florenz vor einer glänzenden
Versammlung ausgezeichneter Künstler und angesehener Herren
vom Adel aufgeführt wurde.
Ungeachtet ihrer primitiven Beschaffenheit übte doch die
neue Oper, als ein Kunstwerk, in welchem man die dichtende, tö-
nende und mimische Kunst zu einem Ganzen verbunden gemessen
konnte, allgemeine Anziehungskraft aus. Während durch die dra-
matische Musik das Gefühl erregt wurde, reizten und beschäf-
tigten die Sinne der Aufwand und die Pracht der Aufzüge, Ge-
wänder und Decorationen, wozu schliesslich noch der Tanz trat.
Es war daher begreiflich, dass bei einer leichterregbaren Nation
^ Eine Probe daraus Beil. VII. 4.
Entwicklang der Oper. 33
die Begierde nach dieser nenen Herrlichkeit alsbald zum unglaub-
lichen sich steigerte. Indess erwuchsen damit auch Gegner und
zwar waren es die besseren Componisten, welche mit ganz ande-
ren Kunstgrundsätzen aufgewachsen waren und auf die Beschäf-
tigung mit dem leichtfertigen Musikdrama^ wie auf ein dilettanti-
sches Spiel, beinahe mit Verachtung herabsahen. Allein die Zeit-
strdmung war stärker als der Widerstand und bald (1621) sollte
der Oper die höhere künstlerische Weihe zu Theil werden, indem
ein Tonsetzer von grossem Genie und anerkannter Vortrefflichkeit
als Contrapunktist sich ihr zuwandte. Dies war Claudio Mon-
te verde, geboren zu Cremona 1568, Kapellmeister zu Mantua,
endlich von 1613 bis 1643, in welchem Jahre sein Tod erfolgte,
Kapellmeister an der Marcuskirche in Venedig. Das Streben die-
ses bedeutendsten Tonmeisters seines Zeitalters gieng nun dahin,
leidenschaftlich stark erregten Zuständen den angemessensten
musicalischen Ausdruck zu verleihen und auf diesem Gebiethe liess
er auch alle seine Vorgänger und Mitlebenden weit zurück K Zu
diesem Ende wagte er Intervallenverbindungen, welche ihm von
seinen Zeitgenossen heftige Anfechtungen zuzogen, desunge-
achtet aber in die Praxis der folgenden Zeit ttbei^engen und flir
die Behandlung der Harmonie Epoche machten. Ausserdem führte
er der Oper eine reichlichere Instrumentierung zu und behandelte
sie nicht mehr als blos accordfüllende, sondern als selbständige
darstellende Kraft.
Nachdem Monteverde die Sprache der Leidenschaften ge-
funden hatte, fanden sich bald tüchtige Männer, die sie weiter ent-
wickelten und in grösseren Fluss brachten. Der nächste war Fran-
cesco Colleto genannt Cavalli, geboren zu Venedig um 1600,
1617 unter Claudio Monteverde Sänger der Kapelle von S. Marco,
1638 Organist .an der zweiten Orgel, 1668 zweiter Amtsnachfol-
ger des Monteverde. Seine erste Oper erschien 1639, dieser folg-
ten bis 1669 38 andere. Vor allem war es sein Giaaone, 1649 für
Venedig componiert, der mit dem grössten Erfolge die Bunde über
alle Theater Italiens machte und 1660 in Wien gegeben wurde.
Joh. Ad. Scheibe sagt in seinem werthvoUen „Critischen Mu-
sicus" (1745) von Cavalli: er sei nach damaligen Zeiten unver-
1 Eine Probe aus seiner Ariadne ist Beil. VII. 5 abgedruckt.
KocAel, J. J. Fax. 3
34 Fortbildung der Oper.
gleichlich gewesen. „Sein Recitativ ttbertriflFt alles, was ich in
dieser Schreibart von allen italienischen Meistern jemals gesehen
habe. Er istnen, ktthn, ausdrückend und folgt dem Character
aufs genaueste.^'
Nächst Francesco Cavalli hatte auf die Entwicklung des
dramatischen Musikstiles nach dem Urtheile seiner Zeitgenossen
den grössten Einfluss Giacomo Carissimi, denYi von seinen
dahin gehörigen Werken sind nur Bruchstttcke bekannt. Er war
um 1604 in der Nähe von Rom geboren, war Kapellmeister in der
ApoUinariuskirche in Rom und bltthte hauptsächlich von 1635 bis
1680. Seine Thätigkeit im dramatischen Fache concentrierte sich
in der Cantate und im Oratorium (worauf wir gleich nachher zu-
rttckkommen), allein die Rückwirkung seines Stiles auf die eigent-
liche Oper wurde allgemein anerkannt und von seinen ausgezeich-
netsten Schülern weiter entwickelt. Unter diesen waren ^ dfe
nachmaligen berühmten Namen Alessandro Scarlatti, Bo-
noncini, Bassani, eben so auch Marco Antonio Cesti.
Dieser letzte war 1625 geboren, später Hofkapellmeister Kaiser
Leopold L, und starb zu Venedig um 1670. Er trat 1649 mit
seiner ersten Oper Oronten auf, dieser folgten noch sechs andere,
worunter besonders La Dori in allen bedeutenden Städten Italiens
den grössten Beifall fand und auch 1664 in Wien* gegeben
wurde. Sein vorzügliches Verdienst bestand darin, dass er von
den Formen und Erfahrungen im Dramatischen, welche Carissimi
und er selbst innerhalb der Cantate gewonnen hatten, in der Oper
Grebrauch gemacht und diese dadurch auf eine höhere Stufe ge-
hoben hatte.
Die Oper dieser Periode zeigte im Ganzen bereits ein aus-
drucksvolles, der Rede zwanglos folgendes Recitativ: der ariose
Oesang erscheint seit Carissimi und Cavalli weit entwickelter,
kleine Instrumentenritomelle umschliessen und unterbrechen die
ariosen Gesänge, nur der Chor ist von keinem dramatischen In-
teresse.
Die Periode des Glanzes der italienischen Oper beginnt aber
mit Alessandro Scarlatti, von dessen Lebensverhältnissen
nur wenig bekannt ist. Er war ein geborner Neapolitaner, oder
1 Mattheaon, Ehrenpforte, p. 35. 2 Beil. VIII. 40.
Das Oratorium. 35
wahrscheinlicher ein Sicilianer, der etwa von 1650 bis 1725
biflhte. Seine mnsicalische Thätigkeit begann um 1680, als er
sich von seinem Lehrer Carissimi trennte; er ward bald darauf als
kSniglicher Kapellmeister nach Neapel berufen, wo er bis an sein
Ende verblieb und eine ebenso segensreiche als fast unglaublich
ausgebreitete und vielseitige Kunstthätigkeit entwickelte. Als
Componist versorgte er Eirche^ Kammer und Theater mit seinen
Schöpfungen; neben einer grossen Menge von Mottetten, Psal-
men schrieb er an 200 Messen, 7 Oratorien, über 100 Opern und
am halbes Tausend Cantaten. An Schülern hatte er Zulauf au«
allen Landen Europa's; als Sänger und Singmeister ist er der Be-
grttnder des modernen dramatischen Gesanges ; die von ihm ge-
leitete Kapelle erregte sogar Gorelli's Erstaunen.
In der Musikgeschichte wird Scarlatti der Vermittler des
grossen Stiles Palestrina'« mit dem schönen Stil genannt. In
seinen Kirchensachen gehört er als Vertreter des gelehrten Con-
trapunktes und strengen Stils, gleich Lotti, Fux, Berardi,
d^n älteren Bononcini der alten Schule an, andererseits be-
zeichnen seine dramatischen Werke mit Bttcksicht auf Gesang-
reichthnm, Schönheit der Melodie, FtLlle und sinnliche Unmittel-
barkeit, die Richtung der von ihm begrtlndeten neapolitanischen
Schule. Mit Scarlatti beginnt die moderne italienische Oper ; an
ihn kntlpft sich ihre ganze weitere Entwicklung zu Neapel, Vene-
dig, Bologna, Wien und ihre Hauptvertreter Giov. Bononcini,
Ant Caldara, Franc. Conti, alle drei in Wien thätig, ver-
folgten die von ihm geöffiieten Bahnen, und auch G. Händel
studierte ihn mit dem grössten Eifer. Seine stäts originelle, frische
Melodik war mit lebhaft treffendem Ausdruck gepaart , der auch
im Komischen mitunter ganz unnachahmlich war; seine höhere
Durchgeistigung und knappere, sichere Gestaltung der dramati-
schen Melodie war es besonders, wodurch er auf Zeitgenossen und
•Nachkommen so anregend wirkte.
Als ein Seitenzweig, und mit ihr nahe verwandt, entwickelte
sich neben der dramatischen Musik das Oratorium. Aus un-
scheinbaren Anfängen in der Mitte des XVI. Jahrhunderts hatte in
Rom der Priester Filippo Neri (1551) unter Mitwirkung von
Giovanni Animuccia, Kapellmeister am Dome zu St. Peter
und nach dessen Tode mit Palestrina zur Erbauung der Zu
3*
36 Die italienische Oper in Wien.
hörer in der Fasten eine Art yierstimmiger hynmenmässiger Ge-
sänge eingeführt, wobei hie und da auch einzefaie Stimmen den
Chor ablösten. Diese, Laudi spirüuali genannt, hatten mit dem
nachherigen Oratorium nur eine äussere Aehnlichkeit durch den
volksmässig biblischen Inhalt und durch die Ausschliessung sicht-
barer Darstellung der Handlung, ungeachtet nach und nach das
Oratorium zu einem dramatischen Kunstwerke sich entwickelte.
Zu ihrem Aufschwung ftthrte aber die Kammer-Cantate
(Cantata da camera), wie sie von Carissimi zu einer Art drama-
tischer Scenen mit Recitativen , ariosen und Ensemblesätzen aus-
gebildet wurde. Es ist klar, da jeder auf Sinnenreiz der Augen
gerichtete Btthnenapparat entfernt gehalten wurde, dass die Cän-
tate, um dramatische Wirkungen zu erzielen , durch Reinheit des
Stils, Schönheit der Form, und künstlerische Behandlung der
Stimmen dasjenige durch Musik allein* ersetzen musste, was ihr
durch den Mangel an scenischer Einwirkung entgieng. Der Höhen-
punkt, welchen das Oratorium durch Job. Seb. Bach und Chr.
Händel erreichen sollte, fällt in eine spätere Periode , die uns
hier noch nicht berührt.
Wenn auch die neuentstandene Oper von ihren Hauptpflege-
stätten zu Bologna und Venedig in kürzester Frist über ganz
Oberitalien und hierauf auch später in Unteritalien mit unwider-
X stehlicher Kraft sich nicht verbreitet hätte und eine wahre Sehn-
sucht nach diesem Hochgenüsse nicht erwacht wäre, so genügte
allein der hohe Standpunkt, welchen die Musik im XVI. und XVH.
Jahrhundert schon vor Palestrina in Italien eingenommen hatte,
um den Norden von Europa nach diesen süssen Früchten Auso-
niens lüstern zu machen, und die Regenten waren eifrigst bemüht,
nicht nur die Componisten dieser lieblichen Musik sondern auch
die Künstler an sich zu ziehen, welche allein geeignet waren, die
Compositionen ihrer Stammesverwandten würdig zu Gehör zu
bringen. In Oesterreich hatten schon 1619 unter Kaiser Ferdi-
nand H. die bereits erwähnten italienischen Kapellmeister ihren
Einzug gehalten und eine Anzahl Sänger und Instrumentisten
waren ilmen gefolgt ; allein die alles verheerende Wuth der Reli-
gionskriege in Deutschland (1618 — 1648) Hessen es erst unter
Kaiser Ferdinand IH. (1637—1657) nach mehrfachen Ver-
suchen mit Cantaten und kleineren Theaterfesten dahin kommen.
Opemtezte. 3 7
dass die erste grosse Oper (1653) gegeben werden konnte, worauf
dann, nachdem das Eis gebrochen war, unter EaiserLeopoldl.
(1658 — 1705) die hereindrohende musicalische Fluth aus Italien
alles andere verdrängend sich ausbreiten konnte. Bis zum Schlüsse
des XVn. Jahrhunderts waren bereits (Beil. Vm) 379 Opern, feste
teatraK und Oratorien in Wien zur Aufführung gekommen; und darin
war es wohl nur von Venedig ttbertroffen worden. Von den deut-
schen Residenzstädten rivalisierten München ^ und Dresden * in ihren
musicalischen Leistungen mit Wien, das aber ausser nachhalti-
geren finanziellen Mitteln auch die sorgsame methodische Pflege
d^. Musik durch kunstverständige Begenten und ein empfäng-
liches Publicum vor den beiden andern Städten voraus hatte.
Ehe wir an eine nähere Betrachtung der musicalischen Lei-
stungen in der Oper und dem Oratorium dieser Periode in Wien
gehen, müssen wir den dabei zu Grunde gelegten Textbüchern
(Poesie genannt) und ihrer Einrichtung einige Aufmerksamkeit
schenken.
Aus der damaligen Grundansicht, dass die neuerfundene Oper
sich so nahe als möglich der antiken Tragödie mit ihren Chören
anzuschliessen habe, gieng die natürliche Folge hervor^ dass
man meinte, die Stoffe der Oper könnten nur aus der antiken
Götter- und Heroenmjthe; oder aus der alten griechischen oder
römischen Geschichte genommen werden und höchstens durch
allerlei Zauberspuck an alte Sagen wie der Circo, Ariadne u. dgl.
erinnern. Dass die modernen Anschauungen zu d^ alten HüUen
wenig passten, und sämmtliche dargestellten Personen, ihre
Helden und Götter ebenso wie die herbeigezogenen Persoiiifica-
tionen der Furcht, des Hasses, des Neides u. dgl. leere bedeutungs-
lose Schemen waren, für die sich der Zuschauer nicht entfernt
interessieren konnte, wurde ohne Bedenken hingenonnnen, da man
für diesen unentdeckten Mangel auf so vielfache Weise durch ein-
schmeichelnde Gesänge, durch prachtvolle Auf zUge, überraschende
Maschinerien und Decorationen mit Seetreffen, Schlachten mit
Kämpfern zu Fuss und zu Pferd, und durch das unwidersteh-
liche Ballet in stäter Aufregung erhalten wurde, so dass man
1 F. M. Rudhart, Gesch der Oper in München. 1865.
s FürBtenau, Gesch. der Mus. in DreBden.
38 Operntexte.
darttber weiter nachzugrübeln wenig aufgelegt war. Durch die
Dichter jener Periode wnrde auch auf ganz geschickte Art in ihren
Opemtexten daftlr gesorgt, dass die Sänger in zweckmässiger
Folge Gelegenheit hatten, ihre Kunstfertigkeit zu zeigen, dass die
zu lange Dauer von rein musicalischen Prodnctionen durch Tänze,
militärische Evolutionen u. dgl. unterbrochen und das schaulustige
Publicum durch reichliche Abwechslung in Athem und bei guter
Laune erhalten wurde. Da die ausstoßt kostspielige Oper zu jener
Zeit allein vom Hofe bestritten und die Theilnahme an diesem
Genüsse eine Gtostattung des Hofes war , so fanden Dichter und
Componisten es durchaus angemessen, dass die Oper nur eine
persönliche Unterhaltung und Verherrlichung der Person des Mon-
archen oder deijenigen höchsten Personen sei, welche der Monarch
damit zu feiern wünschte. Die ganze Anlage der Oper war daher
so beschaffen, dass, ungeachtet das Sujet oft weit davon ablag,
doch niemals häufige Anspielungen auf die gefeierte Person fehlen
durften und am Schlüsse in der sogenannten ^Licenza^y einer
förmlichen , gesungenen Ansprache an dieselbe gipfeln mussten.
In der Wahl der Mittel, solche Beziehungen zu finden, waren die
Dichter eben nicht ängstlich, und in der Oper U Porno tforo
lässt der Verfasser, Fr. Sbarra, nach der Zntheilung des un-
heilvollen Apfels die damit beglückte Göttin bei Jupiter sich be-
klagen, dass sie deshalb von den beiden andern Göttinei> ange-
feindet werde, worauf der Vater der Götter den Ausspruch thut»
um diesem Zwiespalt ein Ende zu machen, werde er den Apfel
an sich nehmen und ihn so lange bewahren, bis sich eine irdische
Fürstentochter finden werde, die erhaben wie Juno, weise wie
Minerva, schön wie Venus, die Eigenschaften dieser drei Göttinen
in sich vereinigt. Die Göttinen sind, wie der Dichter versichert,
mit diesem Ausspruche zuftieden, und da sich in der Person der
neuvermählten Kaiserin, Margaretha von Spanien (welcher
dieses Fest galt) diese Eigenschaften vereinigt fanden, so nahmen
die drei Göttinen keinen Anstand, dieser Candidatin in der Licenza
den Apfel zuzuerkennen. An kühnen Allegorien ist in der Mon-
archia latina trionfante bedeutendes geleistet, wo drei Regierungs-
formen sichtlich verkörpert erscheinen. Oft scheint bei diesen
theatralischen Vorstellungen der Tanz oder die prunkhaften Auf-
züge die Hauptsache gewesen zu sein, welchen der Text und
Dichter der Operntexte. 39
die Musik nur zur Umrahmimg dienten^ so in der Contesa deW
aria e deWacqua (1667), welche aufldrttcklich als Festa a cavallo
bezeichnet wird, auch die Partituren mit Text und Gesang, welche
häufig Introduzione ad un ballo heissen.
Ungeachtet der nicht wenigen Gebrechen der Opemtext-
bttcher, zu welchen ausser den ebenerwähnten auch noch die
pbrasenreichen, der Natur und der Situation wenig angemessenen
Dialoge kommen, würde man den Textverfassem Unrecht thun,
ihnen alles Verdienst abzusprechen. Vieles Mangelhafte gehörte
dem Tone der Zeit und der Etiquette der Höfe an ; man fand
nämlich zu jener Zeit auch an andern Höfen ganz natürlich, was
ans jetzt ganz wider die Natur zu sein scheint : es fiel nien^^den
ein, einen griechischen Heros mit Allongeperücke lächerlich zu
finden , und der Schriftsteller, wenn er nicht weit über seine Zeit
sich erhebt, schreibt, wie er hofft, dass es denen gefällt, von
denen er abhängt. Nicht ohne Verdienst ist die durch den massen-
haften Begehr abgedrungeue Auffindung so vieler antiker Stoffe,
ihre Modificationen für Zeit und Verhältnisse, das Geschick, dem
Componisten, wo er es braucht, die abwechselnden Gesangestexte
zn biethen, und in den Betrachtungen des Chors oder Einzelner
etwas Passendes zu sagen. Wenn die Farben in den einzelnen
Situationen stark aufgetragen wurden, so lag wieder die Schuld
nicht an dem Dichter allein; die Zeit vertrug, ja forderte grelle
Farben. Da indessen die italienische Sprache den meisten Zu-
hörern eine fremde war, und die Poeten sie zu jener Zeit so weit
in ihrer Gewalt hatten, als mehrere Jahrhunderte an ihrer Bildung
gearbeitet hatten , so nahm man das wohlklingende und von den
Sängern schön vorgetragene, ohne auf den Inhalt genauer einzu-
geben, willig hin.
Da es von nicht geringer Schwierigkeit sein dürfte, jeden
der Verfasser, welche in der zweiten Hälfte des XVH. Jahrhunderts
Operntexte für Wien schrieben, im einzelnen zu characterisieren,
und dies wenn es gelänge schwerlich allgemeines Interesse er-
regen könnte, so soll hier nur von denjenigen, welche in den Hof-
zahlamts-Rechenbüchem als „Poeten^ erscheinen, Erwähnung
geschehen und zugleich die wenigen Daten über ihr Leben
eingeschaltet werden, welche in den bekannten Werken des
F. S. Quadrio, G. Tiraboschi u. n. über italienische Litterat nr
40 Dichter der Opemtexte.
spärlich genug zu finden waren. — Zu den frühesten Textverfassem
gehört Aurelio Amalteo di Uderzo ^ geboren zu Pordenone *,
(Friaul). Nach den Rechnungen bezog er als Hofpoet von 1661
bis zu seinem Tode im Juli 1690 eine Pension von 300 Gulden.
Er verfasste fllr Wien von 1659 bis 1669 7 Texte fttr Opern und
Oratorien ^. Unter seinen grösseren Werken ist der pompöse R^
Gelidoro (1659), // Ciro crescente (1661), Ä Perseo (1669)
hervortretend.
Mit ihm beinahe gleichzeitig war Francesco Sbarra aus
Lucca(Quadrioin. p. 469.502). 1665—1668 erscheint er als Hof-
poet mit 1000 fl. Gehalt, seit 1667 auch mit dem Titel kaiserlicher
Rath. Fttr Wien schrieb er von 1662 bis 1667 6 Texte für Opern
und Oratorien, darunter den Pomo (Tora (1666), La Cantesa
deir Aria e delV Acqua ein Garoussel (1667), La Schiava fartunata
(1667), wobei er auch dadurcli begünstigt ward, dass mehrere
seiner Texte von dem berühmten A. Gesti in Musik gesetzt
wurden.
Der Conte Niccolö Minato aus Bergamo (Quadrio Stör.
V. 468) war von 1669 bis zu seinem Tode im Jahre 1698 durch
30 Jahre Hofpoet mit 1200 fl. Gehalt und nützte seine Dienstzeit
redlich aus, indem er fttr Wien von 1667 bis an sein Ende
165 Texte fttr Opern und Oratorien schrieb, was fttr jedes Jahr
5 — 6 Nummern gibt.
Während dessen späteren Lebensjahren rttckte Donato
Gupeda ein, der zwar fttr Wien von 1689 bis 1704 26 Texte
lieferte, aber erst von 1696 bis an seinen Tod im Jahre 1704 als
Hofpoet aufgeführt wird.
Sein Nachfolger als Hofpoet (von 1703—1713) war Pier
Antonio Bernardpni, geboren zu Vignola (Modena) 30. Juni
1672, gestorben in Bologna 19. Jänner 1714 (Marzuchelli Scritt.
n. p. 977 — Quadrio H. 336 — Lombardi Storia m. 387). Fttr
Wien schrieb er 1701 — 1710 28 Nummern, von denen einige auch
J. J. Fux in Musik setzte, wie La Clemenza di Augusto (1702)
— JuloMcanio (llOS) — Pulcheria (1708).
1 Allacci. 3 Marzuchelli, Scritt. dltalia. L 565. ^ Die Zahl der
Opemtexte bezieht sich immer auf das Verzeichniss (Beil. VIII) , wobei es
immerhin geschehen kann, dass unter dem dort angegebenen Autore in-
certo irgend ein bekannter Autor steckt.
Dichter der Opemtezte. 4 1
Der letzte Hofpoet dieser Periode vor Apostolo Zeno war
Silvio Stampiglia, ein Römer (Qnadrio in. 2. p. 484), von
1707 bi8 1713 Hofpoet^ später in Pension bis etwa 1725. Fttr Wien
war er 1697 — 1714 thätig; unter seinen 18 Operntexten war
anch die bertthmte Camäla, regina dei Vohcif welche mit Ant.
BoDoncini's Musik in Italien, Deutschland und England grossen
Erfolg hatte.
Unter diesen genannten „Poeten^ tritt Pier Antonio Ber-
nardoni durch gewandten Ausdruck und durch die glückliche
Anlage mehrerer Stttcke hervor, wodurch sie, wie La Clemenza
di AugustOy besonders aber Pulcheria, auf rein menschliche
Verhältnisse gegründet, die Lösung der Verwicklung ohne Da-
zwiscbenkunft eines Gottes* in der Maschine auf natürliche und
zugleich überraschende Weise herbeiführen.
Ausser diesen ständigen Opemtextverfassem kommen
noch Torttbergehend nach dem Verzeichnisse (Beil. VIII) als
solche vor :
Prospero Bonarelli (1631. 1668) — Giov. Faustini
(1642) — Giac. Bodoaro (1646) — Giac. Andr. Gioognini
(1650. 1657) — Ben. Ferrari (1653) — Giov. B. Maccioni
(1653) — DiamanteGabrielli(1656) — F. GioT.Marcello
(1659) — Ant. Draghi (1660—1668, 16 Nummern) — Conte
Caldano (1660) — Camillo Serano (1661) — Gav. Xime-
nes (1663—1669) — Apollonio Apolloni (1664) —Don
Remigio (1665) — Domen. Federici (1666) — Giov.
Andr. Moneglia (1667) — Giov. Bernini (1670) —
P. Guadagni (1672) — Ag. Moreto (1673) — Matt. Noris
(1674) — P- Susini (1675) — P. Luigi Ficiani (1678) —
Ben. Pamfili (1678. 1687) — Hanns Albr. Ruprecht
(1679. 1682) — A. Eumaschi (1680) — Paolo Gastelli
(1683) — G. B. Luti (1685. 1687) — Loretto Mattei
(1686) — Ott. Malvezzi (1689) — Adr. Morselli (1689)
L. Orlandini (1690) — Gius- Apolloni (1690) — Michel-
angelo Angelico (1694) — Andr. Zabarela (1696) —
Ferri(1697) — Giul. Gies. Gorradi (1698) — F. Lemene
(1699. 1706)— Rinaldo Ciallis (1700. 1709) — Fr. Passe-
rini (1701) — Fr. Dom. Filipeschi (1701. 1709. 1711) —
Riccardo Rodrano (1701)— Gav. Addimari (1702)— Ant.
42 Operncomponisten in Wien.
MedoUgo (1704) — Ab. Ant. del Negro (1704. 1712) —
G. B. Neri (1705. 1706) — Dom. Mazza (1706) — Alindo
Scirtoniano (1706. 1711) — Bocco M. Boss! (1706) —
Lib. Nicom. Ciini (1707) — Carlo M. Uslenghi (1708) —
Fr. Mar. Daria(1708) — Vinc. Grimani (1709) — Nunzio
Stampiglia (1709—1711) — Giov. B. Ancioni (1710) und
sehr viele nnbekaimte Verfasser.
Wichtige Personen sind in der Oper neben den Poeten zuerst
der Architect, welcher die Scenerien, Verwandlungen und
Costttme anzugeben hatte und in Wien durch den berühmten Lud.
Burnacini Ton 1662 bis 1706 würdig vertreten war. Ihm ziem-
lich ebenbürtig war durch eine Beihe von Jahren der Hofballet-
meister G. Domenico Ventura. •
Wenn wir uns nun zu den Compo nisten wenden, welche als
Kapellmeister und Vice-Kapellmeister am kais. Hofe von der Mitte
des XVII. bis zu Ende desselben Jahrhunderts berufen waren,
ausser der Kirchenmusik die Compositionen zu den Opern,
kleineren Theaterfesten und Oratorien zu liefern, so erscheinen
darunter auch einige, welche in dem Ueberblicke des geschicht-
lichen Ganges , den die dramatische Musik bis dahin genommen
hat, bereits genannt wurden, und deren Thätigkeit am kais. Hofe
hier etwas näher in Betracht gezogen werden soll. Ihre Zahl ist
kleiner, als man in einem so langen Zeitabschnitte von anderthalb
Jahrhunderten erwarten sollte, da mehrere durch ihre längere
Lebensdauer und ihre unglaubliche Fruchtbarkeit die grössere
Zahl ersetzten und auch der Kaiser Leopold selbst einen
namhaften Beitrag zu den Compositionen von Opern und Oratorien
während seiner 47jährigen Begierung produciert hatte.
Zu den frühesten bekannten dramatischen Componisten in
Wien ist in erster Beihe zu nennen :
Antonio Bertali, geboren 1606 zu Verona, gestorben in
Wien 1. April 1669. Er erscheint in den Bechenbüchem von 1637
an als Hofmusicus in Wien, wurde 1649 an Valentini's Stelle Hof-
kapelhneister und starb 64 Jahre alt in seiner Anstellung, nachdem
er von Kaiser Ferdinand III. bereits 1641 mit einer goldenen
Medaille, 1651 mit einer Gnadengabe von 3000 fl. und von Kaiser
Leopold!, mit einer ähnlichen von 1500 fl. ausgezeichnet worden
Componisten in Wien. 43
war^. 1631 und 1646 wurden Cantaten von ihm gegeben, seine
Thätigkeit in dramatischer Musik begann jedoch mit der erwähn-
ten ersten grossen Oper U Inganno iamare (1653), welcher Teti
1656, n Rl Gelidoro 1659, Gli Amari di Apqllo 1660, II Cito
crescente 1661, ÜAlcinde 1665, Cibele e Atti 1666, La Coväesa
dettaria 1667 folgten. Von Oratorien liegen noch zwei von 1663,
und La Strage degli innoeetUi von 1665 vor*.
Ein Zeitgenosse Antonio Bertali's war 6ioT. Feiice San-
ee9, der von Kaiser Ferdinand m. am 1. Oetober 1649 an
Bertali's Seite zun Vice-Kapellmeister und nach dessen Tode
von Kaiser Leopold I. 1669 znm Hofkapellmeister ernannt
wurde. Sances war 1600 in Bom geboren, erscheint bereits 1637
als Tenorist in den Hofrechnongen nnd starb in Wien 24. Not.
1679. Ungeachtet Fox anftthrt, er glaube nicht, dass jemand
mehr geschrieben habe als Sances, so scheint seine Thätigkeit
mehr der Kirche < zugewendet gewesen zn sein, wovon eine gros-
f^ere Zahl von Psalmen, Mottetten und Litaneien in Venedig ge-
drackt erschienen. (Gerber. Neues Lex.) An Cantaten enthält
das Verzeichniss nur 4 Nummern seiner Composition von den
Jahren 1648, 1654, 1655 und 1658; 1 Serenade von 1662,
1 Oper Ari9tomene Messenio von 1670, endlich 4 Oratorien von
1666, 1670, 1671 und 1672 ^
Seine mitstrebenden Componisten in Wien an verdientem
weitverbreiteten Buhme übertreffend war Antonio Cesti,
welchen Kaiser Leopold am 1. Jänner 1666 zum Vice-Kapell-
meister an seinen Hof berief, wo er bis 1669 blieb, dann aber
naeh Venedig zurückkehrte und wahrscheinlich in demselben
Jahre dort starb. A. Cesti war zu Arezzo um 1620 geboren,
ward reformierter Franciscanermönch, 1646 Kapelhneister in
Florenz und kam 1660 als Tenorist in die Kapelle Papst Alexan-
der Vn. Er war ein Schüler des Carissimi und hatte sich zugleich
mit Cavalli um die Ausbildung der Cantata di camera sehr verdient
gemacht, dann gieng er von dieser mit schöpferischem Geiste
znr Oper über. Von meinen Opern , aus denen La Dort auf ihrem
Rnhmeszuge durch halb Europa 1664 in Wien in Scene kam, sind
folgende hier componiert und unter seiner Leitung gegeben worden :
1 Köchel, Hofkap. p. 35. « Beil VIII. 10—57. » Beil. VIII.
44 Componisten in Wien.
11 Principe generoso (1666), die oft erwähnte Prachtoper II Porno
(Toro (1666. 1667), Nettuno e Fiora festeggianti (1666\ beide
zur Verherrlichong der neuvermählten Kaiserin Margaretha
(Prinzessin von Spanien), La Semiramide (1667), Le Disgrazie
iTamare (1667), La Sehiava fortunata (1667)*.*
Von keinem an Leichtigkeit nnd Zahl dramatischer Compo-
sitionen ttberbothen war Antonio Draghi. Er war zti Ferrara
um 1642 geboren und in Wien 18. Jänner 1700 gestorben. Von
1674 bis Ende 1681 war er Kapellmeister der Kaiserin Eleonore
und zugleich Intendant der Theatermusiken des Kaisers, 1. Jänner
1682 wurde er Hofkapellmeister desselben. Das Yerzeichniss *,
auf welches wir hier verweisen, gibt von 1661 bis an sein Ende
jedes Jahr und von 1669 mehrfältige Beweise seiner Unerschöpf-
lichkeit: 190 Compositionen, davon 161 Opern und Theaterfeste
nebst 29 Oratorien hatte der Mann in 38 Jahren, also durch-
schnittlich 5 jährlich zu Stande gebracht. Eine solche Thätigkeit
verdiente es wohl, dass sie Kaiser Leopold I. im Jahre 1690 mit
einer Qnadengabe von 6000 fl. anerkannte '. Besonders hervorzu-
heben sind seine Anfänge der Opera buffa, die Cam^als-
opem: Le Ri$a di Demoerito (1670), Gli Atomi di Epicuro
(1672), GV hicaniesimi disdolH (1673), La LatUema di Diogene
(1674), / Pazzi Abderüi (1675), La Pazienzia di Socrate cou
due moglie (1680), Le Scioccaggini degli Psüli (1686), von
denen mehrere in späteren Jahren Wiederholungen erlebten. Zu-
gleich erscheint er in der Beihe der Textdichter dieser Epoche.
Wenn es Johann Heinrich Schmelzer gelungen ist,
der erste Deutsche die Phalanx der italienischen Hofkapellmeister
zu durchbrechen, so musste er dies mehr seiner Virtuosität im Vio-
linspiel und der Gewandtheit in der Direction des Orchesters zu
verdanken gehabt haben, als seinen hervorragenden Leistungen
in der Composition. Er war ein Oesterreicher*, um 1630 geboren,
gestorben in Wien im Juni 1680. Vom 1. October 1649 erscheint
er als Instrumentist der Hofinusik, begleitete 1658 als Director
der Instrumentalmusik den Kaiser Leopi^ld I. zur Kaiser-
krönung nach Frankfurt a. M., und wurde von demselben Kaiser
1 Beil. Vm. 40—61. « Beil. VIII. 24—371. » Kö chel , Hof-Musikk.
p. 35. * Walther's Lex.
ComponiBten in Wien. 45
1. Jäimer 1671 zum Vioe-Hofkapellmeister^ 1. October 1679 nach
Sances' Tode zum Hofkapellmeister ernannt , starb aber schon
im daranfFolgenden Jahre. Ausser dem gedruckten Sacro-profanus
coneerUus muncus (13 Sonaten) und 12 Sonaten fUr Violine allein,
componierte er die Tänze für die Opern in den Jahren 1666 bis
1678, 2 Seneraden: Le Veglie ossequiose (1679), und Die 7 Alter
iHmben zusammen (1680); endlich 2 Oratorien: Die Stärke der
Liebe beim heiligen Grabe (1677) und Le Memorie dolorose al
nepolcro (1678) ^
Unter den Hofmusikem, welche für die Bühne und das Ora-
torium componierten, war auch Ferdinand Tobias Richter,
geboren 1649, gestorben in Wien 3. November 1711, 62 Jahre
alt (Wr. Ztg.), Mnsiklehrer in der Familie Kaiser L e o p o 1 d L,
wurde 1. Juli 1683 Hoforganist. Von seinen hiehergehörigen Com-
positionen sind nur 2 Serenaden Uhtro osaequioso (1694) und
Le Pramesse degli Dei (1697), ferner 2 Oratorien Altera Betlehem
(1684) und La Morte di S. Ermenegildo (1694) aus den Partituren
der Hof bibliothek bekannt.
Neben den kaiserlichen Kapellmeistern und Hofcompositoren
componierten für die kais. Hofkapelle Opern, Oratorien, feste
teatrali, Cantaten: Franc. Garalli: Egisto (1642), // Giasone
(1650); die Partituren von beiden befinden sich in der k. k.
Hofbibliothek, über die wirkliche Aufführung ist jedoch nichts
bemerkt. — Gius. Zamponi: ülisse errante (1650) — G. Batt.
Maccioni (1653) — G. Giacomo Arrigoni: Gli amori di
Alessandro (1657) — Pietro Andr. Ziani, Kapellmeister
der Kaiserin Eleonore: 5 Oratorien, Cantaten u. dgl. (1660
— 1669) — G. A. Boretti (1661) — Gius. Tricarico
(1661— 1662) — Tychian: 2 Oratorien (1662. 1678)— C. Cap-
pellini, Hoforganist (1665. 1675) — Ant. Maria Abbatia
(1666) — Benigne de Bicilly (1670) — Ant. Sartorio
(1672) — Giov. BonaTentura (1672) — G. M. Pagliardi
(1674) — Alessandro Melani (1678) — J. P. Pederzuoli,
Kapellmeister der Kaiserin Eleonora (1679—1686. 1697): 16
Cantaten und Oratorien — Gius. Gabbrini (1680) — Gius.
Serini (1680) — Ant. Gianettino (1681) — AI. Scarlatti:
1 Beil. Vm. 137. 151. 153. 171.
46 Componisten für die Oper in Wien.
Amor non vuol inganni (1681) — Paolo CaBtelli, k. Alt-
sänger (1683) — Carlo Caproli (1683) — Bern. Pasquini,
Organist (1687) — Franc. Passerini (1687) — G. B. Berna-
bei (1688 — 1691). Es ist fraglich, ob seine Compositionen in
Wien auch ausgeftlhrt wurden — Agost. Steffani (1692) —
Gius. Pacieri (1692) — J. Mich. Zacher (1693) — Andr.
Zarabele (1696) — Dom. Freschi (1697) — und viele
Ungenannte.
ni.
Fox wird kaiserlleher Hofeompositor (1698). — Seine Instmmeiital-
Compositioneii«
Durch das ArchiT des Obersthofmeister-Amtes kommen wir in
Kenntniss der Art und Weise ^ wie Fux zu seiner Anstellung als
kais. Hofeompositor gelangte. In dem Referate vom 16. April
1698* berichtet der Obersthofineister : ^Johannes Josephus
Fnx, Musicus bringt gehorsamst an, dass Euer kaiserliche Maje-
stät ihn wegen seiner Compositionen in die Dienste aufgenommen
haben, bittet daher unterthänigst ihn dem Hofstaat mit einer sol-
chen Besoldung, wie es Euer kais. Majestät geffiUig sein wird,
einzuverleiben" . Darüber berichtet der Hof kapellmeister Antonio
Draghi^ dass er auf dieses Petitum kein anderes Parere geben
könne, als dass Euer kais. Majestät den Supplicanten wegen
Beiner guten Qualitäten bereits in Dero Dienst mit 40 Thaler
monatlicher Besoldung aufgenommen hätten". „Man wird Euer
Majestät Befehl diesfalls erwarten", schliesst der Obersthof-
meister, „ob, wieviel, und von welcher Zeit man ihm seine Besol-
dung ausfertigen soll".
Darunter schrieb Kaiser Leopold mit eigener (schwerleser-
licher) Hand die Resolution :
„Weil ich diesen 8upplicanten als einen guten Virtuoso aus
gewissen Ursachen zu meiner Musik aufzunehmen resolviert habe,
als sollen ihm zur Besoldung monatlich 40 Thaler oder 60 Gulden
vom Anfang dieses Jahres angewiesen werden." Diese Resolution
des Kaisers wurde gleichlautend mit Bescheid vom 16. April 1698
dem Johann Joseph Fux bekannt gegeben und das Hofcontrolor-
amt angewiesen, durch eine gewöhnliche Ordonnanz das Hofzahl-
amt mit der Ausbezahlung des Gehaltes zu beauftragen '.
1 Beil. IL 1. 8 Beil. II. 1.
48 Fuz, Hofcompoeitor.
•
Nach dieser Darstellung hatte sich der Kaiser bewogen ge-
funden, Fax wegen seiner Compositionen in seine Dienste zn
nehmen y nnd zwar proprio motu, ohne vorher die Meinung des
Hofkapellmeisters nnd des Obersthofmeister-Amtes zu vernehmen.
Das Gesuch des Fux und der Bericht darüber hatte nur den
Zweck y die näheren Bestimmungen der Anstellung ttber Gehalts-
anweisung u. dgl. in eine ämtliche Form zu bringen.
So wie es keinem Zweifel unterliegt , dass der Kaiser durch
sein eigenes ürtheil befUhigt war, auch ohne weitem Beirath eines
anderen Kunstverständigen den Werth der Compositionen des Fux
zuerkennen, so gibt die Berufung eines deutschen Talentes
in der mächtigen StrOmung der italienischen Musik der Unbe-
fangenheit des Urtheiles des Kaisers ein voUgiltiges Zeugniss.
Die Frage, auf welchem Wege der Kaiser mit den Compositionen
des Fux bekannt wurde, lässt sich durch beglaubigte Zeugnisse
nicht direct beantworten , allein man könnte beinahe veranlasst
sein, die Frage umzudrehen: wie wäre es möglich gewesen,
dafls ein Freund und Keimer der Musik, wie Kaiser Leopold,
auf ein seltenes Compositionstalent , das eben in seiner eigenen
Residenz zu Wien emporbltlhte, nicht hätte bekannt sein können?
Denn, wenn auch die Daten seiner Compositionen, besonders ftür
die Kirche, vor dem Jahre 1700 nicht völlig sicher zu stellen sind,
so lässt sich doch mit einer Wahrscheinlichkeit, die der Gewiss-
heit sehr nahe steht, annehmen, dass Fux am Schlüsse des
XVII. Jahrhunderts in den Jahren seiner Blttthe und Kraft ehrenvolle
Leistungen seines Talentes für sich hatte. Wenn er selbst in der
Vorrede zu seinem Concenius musico-instrumentalis^^ der im
Jahre 1701 erschien, sagt, „er habe nicht mit dieser Art
Composition eine Probe eines grossen Kunstwerkes geben wollen,
die man anderswo suchen müsse^, so lässt sich mit Sicherheit
schliessen, dass er schon damals im Bewusstsein bereits „abge-
legter Proben bedeutende Musikwerke^ diese Zeilen niederge-
schrieben habe. Ist auch die Angabe, dass Fux das Grosse Re-
quiem^ zur Leichenfeier der Erzherzogin Eleonore, verwitweten
Königin von Polen (f 17. December 1697), componiert habe,
nicht ganz zweifellos, so wurden doch gewiss seine Kirchencompo-
1 Beil. X. 352. « Beil. X. 51.
Die kais. Hofcompositoren. 49
sidonen bei den Schotten, wo er Organist war, und wahrscheinlich
anch in andern Kirchen znr Anfitihmng gebracht. Kaiser Leopold,
welcher. des Jahres verschiedene Kirchen, darunter jene von den
Schotten, zu besuchen pflegte, kam dadurch leicht in die Lage,
Compositionen von Fux zu hören, besonders da überall bekannt
war^ dass man dem Kaiser keine grössere Befriedigung, als durch
gute und neue Musik zu verschaffen vermochte. Nimmt man noch
dazu, dass Fux auch unter den Hofmusikem Freunde hatte, wie
den vorzüglichen Violinisten Andreas Anton Schmelzer (1670
bis 1700), den Sohn des 1680 verstorbenen Hofkapellmeisters
Johann Heinrich Schmelzer, ganz abgesehen femer von dem
Umstände, dass zwei Schwestern seiner Frau Anstellungen bei
Hofe hatten ; so dürften in diesen Verhältnissen hinlängliche Ver-
anlassungen gefunden werden , dass Fux dem Kaiser genau be-
kannt wurde, wenn ihm auch keine Partituren vorgelegt worden
waren.
Das Amt der Hof - Compositoren war durch Kaiser
Leopold im Jahre 1696 mit der Anstellung des Componisten
Carlo Aug. Badia geschaffen worden. Es kam zwar in früheren
Zeiten öfter vor, dass verschiedene Künstler zu Compositionen
ftlr den kaiserlichen Hof aufgefordert und dafür entlohnt wurden \
wie noch in letzter Zeit die Brüder Bononcini, sie gehörten
aber darum noch nicht zum Status der Hofmusik, wurden in den
Hofrechnnügen nicht als Mitglieder der Hofkapelle aufgeführt,
bezogen keine Jahresbesoldungen und konnten keine Pension be-
anspruchen, wie dieses, zuerst mit der Anstellung des A. Badia
der Fall war. Die Aufgabe der Compositoren war, wie man aus
ihren Leistungen entninunt, Compositionen jeder Art für die Oper,
das Oratorium , die Kirche und die Kammer zu liefern mit der
natürlichen Beschränkung ihrer Begabung zu sämmtlichen oder
nnr zu einigen Zweigen der Musik. Badia hatte Oratorien und
dramatische Musik, aber so weit es bekannt ist, keine Kammer-
imd Kirchenmusik componiert, derselbe Tall war auch bei Gio-
vanni Bononcini, als dieser nach und neben Fux im Jahre
1 700 zum Hofcompositor ernannt wurde. Es scheint daher, dass
der Kaiser bei der Anstellung des F u x die den übrigen fehlenden
1 Sie nannten sich oft HofcompoBitoren, ohne es wirklich zu sein.
Koekei, J. J. Fqoc. 4
50 Fuz, Hofcompositor.
Anlagen für Kirche nnd Kammer besonders ins Auge gefasst
hatte. Diese Annahme scheint anch darin eine weitere Bestätigung
zu finden, dass der Kapellmeister Ant. Draghi (1682 — 1700)
sehr wenig, der Vice-Kapellmeister Ant P a n c o 1 1 i (1697 — 1 700)
gar nichts mehr in dieser Richtung leistete.
Am 18. Jänner 1700 war der bis an sein Ende unermttdet
thätige Ant. Draghi gestorben, und am 1. April desselben Jahres
der schon hochbetagte Antonio Pancotti an seine Stelle als
Kapellmeister getreten, von dessen Leistungen als Componist und
Kapelhneister keine Spur Übriggeblieben ist; dagegen trat als
Yice-Kapelhneister an demselben 1. April 1700 der energische
Marc Antonio Ziani ein, dessen Thätigkeit in der nächsten
Periode hervortreten wird. Als Kanmiercompositor war zwar
ausserdem der Priester Franz Daniel Thalmann im Jahre
1696 ernannt worden; seine Befähigung scheint aber nach dem
Gutachten des Fux^ nicht über Compositionen untergeordneter
Art gereicht zu haben, weshalb er später mit seinem Gresuche
um Wiederanstellung am Hofe abgewiesen und mit der ihm ver-
liehenen Pfarre befriedigt zu sein angewiesen ward.
Wie sehr es aber Fux schon in den ersten drei Jalu'en seiner
neuen Anstellung gelungen war, den gehegten Erwartungen zu
entsprechen geht aus den Acten des Obersthofmeister* Amtes vom
27. Jänner 1701 hervor ^ Fux hatte ein Gesuch überreicht um
Erhöhung seiner Besoldung von* vierzig Thalem monatlich auf
sechzig, um den andern Compositoren gleichgestellt zu sein.
Darüber berichtete der Kapellmeister Pancotti, dass ,,der
Supplicant ein merftiertes Subjectum yon gar guten Qualitäten
und einer sonderbaren Geschicklichkeit sei, alles dasjenige zu
verrichten, was ihm aufgetragen wird^ und trägt auf die verlangte
Erhöhung der Besoldung von Anfang April des vorhergegangenen
Jahres an.
Die eigenhändige Besolution des Kaisers lautete :
„Weil dieser Supplicant ein gutes Subjectum ist, und wohl
dienet, so soll ihm die Besoldung monatlich bis 60 Thaler in allem
vermehrt werden".
Leopoldus.
iBeil. VI. 94. 2 Beil. X. 2.
Instrumentalmusik. 5 1
An dieses nach Inhalt und Form bedeutende Zeichen der
kaiserlichen Huld reihte sich beinahe gleichzeitig eine zweite
Gunstbezeigung des Hofes, indem der römische König Josef er-
laubte, dass ihm Fux einen Cyclus von 7 Partiten unter dem Titel
Cone&ntus rmisico-instrumentalU^ widmen durfte. 8ie kamen
als Opus primum im Jahre 1701 zu Nttmberg heraus, und biethen
hier die Veranlassung, die Instrumental-Compositionen derselben
Zeit überhaupt und jene des Fux insbesondere etwas näher in
Betrachtung zu ziehen.
Nachdem der (xesang, wenn nicht ausschliesslich so doch
Torherschend durch Jahrhunderte gepflegt wurde , kam im Laufe
des XVir. Jahrhunderts die Instrumentalmusik immer mehr
in Auiiiahme. Sowohl die Behandlung der Instrumente, sofern sie
den Gresang zu begleiten hatten, dann aber auch die reine In-
strumentalmusik nahm seit der Verbesserung der Instrumente
und ihrer kunstgemässeren Behandlung einen bedeutenden Auf-
schwung. Man lernte die Characterverschiedenheit und Indivi-
dualität der Tonwerkzeuge genauer kennen , ihre Combinationen
und Tonfärbungen wurden lebhafter empfunden, und damit fasste
auch die Instrumentalmusik festeren Boden. Schon im 17. Jahr-
hundert bildete sich der Begriff dessen, was wir heutzutage sym-
phonischen Stil nennen und rechnete dazu die Concerti grossi,
die Sinfonie, die Ouvertttren, die „starken Sonaten^, Suiten u. dgl.
mehr. Die Arten der Klangwerkzeuge minderten sich , je mehr
ihre Behandlung an innerer Durchbildung gewann, die Saitenin-
strumente wurden vorhersehend, die Blasinstrumente beschränkten
sich auf Flöten, Fagotte, Trompeten, Posaunen, wozu Ende des
17. Jahrhunderts auch Oboen und Homer kamen, während in der
Kirche noch lange die Zinke und die Teorbe im Gebrauche blieben.
Bis über die Mitte des 18. Jahrhunderts war in Kammern und
Kirchen die einfache Besetzung der Instrumente die Regel, wovon
freilich die kaiserliche Hofkapelle mit mehr als sechzig Instru-
mentisten eine glänzende Ausnahme machte.
Zu der gesteigerten Entfaltung der Instrumentalmusik zu
Ende des XVH. Jahrhunderts trugen die grossen Meister auf den
Streichinstrumenten und dem Ciavier mit ihren Compositionen
1 Beil. X. 352.
4*
52 Die Partita. — Suite.
nicht wenig bei und in ihren Händen gestaltete sich der Instm-
mentalstil zn festen Formen.
Man reihte eine Folge (S u i t e) von Sätzen verschiedenarti-
gen Characters aneinander, z. B. Largo, Allegro, Andante, Presto,
gab ihnen wohl ancb programmatische Aufschriften, wie Perpe-
tuum mobile^ Contrafattrice u. dgl.; am meisten liebte man
aber eine Folge von verschiedenartigen damals bekannten Tanz-
rhythmen aneinander zn reihen und sie mit dem allgemeinen Kamen
Partita (franz. Partie), später Suite zu bezeichnen. Diese Tanz-
mnsiksttlcke hatten in den Partiten nicht mehr die Bestimmung, dar-
nach zu tanzen, sondern man nahm nur das Characteristische der
Bewegung davon auf, band sich aber nicht an die Zahl 'der Tacte
und erlaubte sich manche Freiheit in der Behandlung je nach dem
Geschmacke des Componisten. Auch die Zahl der Sätze war sehr
wechselnd, indess ward nach und nach die Yierzahl mit der Ord-
nung : AUemande, Gourante, Satabande, Gigue sehr gewttnlich, es
gab aber auch Partiten von 6, 7 und mehr Nummern, ja Fux bringt
in einer Serenade ^ 15 Sätze. Bei diesen mannigfaltigen Schwan-
kungen blieb nur eine Einheit gewahrt : alle Sätze einer Partita
mussten derselben Tonart angehören. Häufig wurden femer die Par-
titen durch eine Entrata, ein Praeludium oder eine Ouvertttre ein-
geleitet, und Fux nennt wohl solche Partiten, wenn die Einleitung
von grösserer Ausdehnung war, ebenfalls Ouvertüren, die aber
von den französischen zu Opern gehörigen Ouverttlren wohl zu
unterscheiden sind. Auch Symphonien werden solche Ouvertüren
bisweilen genannt, da man ziemlich lange jedes Musikstück für meh-
rere Instrumente Sinfonia nannte. Die von Fux in den Partiten und
manchen Ouvertüren behandelten Tanzrhythmen waren folgende ' :
AUemande. In der Suite im V« Tacte, von ernstem Character und
gemessener Bewegung, mit voller Harmonie und reicher Melodie.
— Bourröe. Von munterem Character, glatt, gleitend, geflUlig;
7^ Tact mit geradzahligen Rhythmen. Französischer oder spani-
scher Herkunft. — Ciaccona (Chaconne). Aus Italien, '/»Tact
von massiger Bewegung, characteristisch durch ein markiertes
kurzes Bassthema, das immer wiederholt wird, während die Ober-
1 Beil. X. 352. ^ Sie Bind nach J. Mattheson und Ary Domer's
Lexicon characterisiert.
Suite. 53
stimmen bei jeder Wiederholung Variationen, die auch Couplets
heissen, ausführen. Doch erlaubt man sich Ton dieser Begel aller-
lei Abweichungen. — Gavotte. Lebhafter Character, jauchzende
Freude, ein httpfendes Wesen ist ihr eigenthttmlich. Sie fordert
gerade Tactart und rhythmisch geradzahlige Theile, die im zweiten
Tacte einen ftthlbaren Einschnitt enthalten. Als Tanz war sie nur
auf dem Theater üblich , in der Suite erlaubte man sich in ihrar
Behandlung mehr Freiheiten. — Giga (Gigue). Mattheson führt
4 Varietäten von Gigue an, die englischen, spanischen, canarischen
und welschen. Die canarischen oder englischen Giguen haben
„zu ihrem eigentlichen Affect einen hitzigen, flüchtigen Eifer,
einen 2iOm, der aber bald vergeht , die welschen sind nicht zum
Tanzen, sondern zum Geigen (daher etwa der Name Gigue von
Giga, Geige), neigen sich zur äussersten Flüchtigkeit, doch
mehrentheils auf angenehme, nicht ungestüme Art^ , dergleichen
sind die meisten in den Suiten. Sie haben meistens ^Vs ^^^^ %
Tact. — Passecaille (Passacaglia). Der Ciaccona verwandt,
von ernstem aber angenehmen Character mit einem ostinatw Bass-
thema und Variationen darüber in den Oberstimmen. Für gewöhn-
lich steht er im % Tact, selten im 0 und mit etwas langsamerer
Bewegung. — Passepie d. Ursprünglich ein bretagnischer
Schiffertanz von munterer, hurtiger Bewegung. „Ihr Affect neigt
sich zum gefälligen Leichtsinne^. Gewöhnlich steht er im % oder
% Tacte und hat öfter ein Trio bei sich: — ■ Bigaudon (Bigodon),
angeblich proven^alischer Abkunft. Er ist munter, mit einer Nei-
gung zum angenehmen, etwas tändelnden Scherze. Es wird im
Allabreve-Tact gesetzt, besteht aus 3 bis 4 Theilen und hat ge-
meiniglich keine schnelleren als Achtelnoten. — Sarahanda,
wie man glaubt, spanischen Ursprungs und beim Tanz von Ca-
stagnetten begleitet; Character langsam und ernsthaft, ^/^ oder
% Tact, beginnt mit dem Niederschlage und hftt 2 Theile. In der
Suite hat sie bisweilen Doubles bei sich — Siciliano, von länd-
lich einfachem, zärtlichen Character, Nachbildung einer Gattung
von Melodien, deren die sicilianischen Landleute zum Tanze sich
bedienen. Er steht in einem massig bewegten % Tacte, wird etwas
langsamer gespielt als das Pastorale. Das erste Achtel des Tactes
ist gewöhnlich durch einen Punkt verlängert. Ihre Form ist lied-
artig, ihre Melodien lieben Moll-Tonarten. — Ausser diesen und
54 Partite des Fux.
•
den gewöhnlichen Tempo bedient sich Fnx anch mehrerer will*
kttrlichen Bezeichnungen in seinen Partiten^ als : Foliey Lea vain-
qtieura, Perpetuum mobüe, Air de volage^ UindgaUte^ U lAbertinOj
Les catäretempa y La joie des fidkles sujetSy Les ennemis confus
und dergleichen.
Fux hat seine Partite (eine einzige [XL 8] für Ciavier aus-
gmommen) für Bogeninstrumente mit und ohne bezifferten Bass^
gewöhnlich dreistimmig (a tre) für zwei Violinen und Bass, die
Onvertttren auch a quattro, a sei, a sette und a otto componiert ;
das will aber nicht sagen, dass, wenn a tre oder a quattro be-
merkt ist, nur drei oder vier Instrumente darin beschäftigt seien,
denn mit dem Violoncell gehen Contrabass, Fagott, Orgel im Ein-
klänge, auch wo dies nicht angezeigt ist; andere Instrumente,
wie Flöten, Oboen konnten mit den Violinen unisono spielen. Der
Componist pflegte damals häufig nur vierstinmiig zu schreiben,
und in den Partituren anzumerken, wenn gewisse Instrumente
pausieren {senza fagotti oder dgl.). Sache der Notisten war es, die
oft zahlreich verwendeten Instrumente aus den vier Systemen der
Partitur herauszufinden, welche nur dann mehrere Systeme
enthielt, wenn mehrere Instrumente concertierend aufgeführt
wurden.
Dass Fux wegen seiner Instrumental - Compositionen schon
zu Anfang des 18. Jahrhunderts eines weitverbreiteten Rufes sich
erfreute , beweist das Erscheinen von VII Partite , welche unter
dem Titel Concentus musico-instrumentalis , in VII Partitas dici-
su8^ im Jahre 1701 in Nürnberg gedruckt herauskamen und dem
römischen Könige Josef I. gewidmet waren. In der Vorrede*
dazu sagt Fnx,^ den Standpunkt damit kennzeichnend, den er bei
dieser Sammlung vor Augen hatte: „Hier hast du, lieber Leser,
meinen Concentus musico-instrun^entalis, den man, wie ich erfuhr,
an mehreren Orten ^u besitzen wünschte, der aber nicht zu dem
Ende herausgegeben wurde, um dir eine Probe eines grossen
Kunstwerkes zu liefern (die man in einer anderen Art von Com-
position suchen muss) sondern damit ich auch Zuhörern, die keine
Musik verstehen — und deren ist ja der grösste Theil — eine
1 Vgl Beil. X. 352. Die Kenntniss dieses sehr seltenen Druckwerkes
verdanke ich der Güte des Herrn Prof. Rud. Wagener in Marburg.
2 Beil. IV. 5.
Partite des Fux. 55
Befriedigang verschaffe^. Ferner wurde Fnx auch von bedeuten*
den Componisten, als von Giovanni Bononcini (1703) zu
seiner Oper Proteo ml Ueno (Beilage VIII. 404) und von Anto-
nio Lotti (1716) zur Oper Costantino (ib. 522) die Ouver-
tttren^ zu schreiben aufgefordert. Gewiss ist diesen Instrumen-
tal-Compositionen eine grössere Zahl der später zu erwähnenden
Sonate a tre vorausgegangen; wenigstens erwähnt der Musik-
Litterat Simon Molitor in seinem handschriftlichen Nachlasse^
dass 36 solche Sonate a 3 in Amsterdam um 1 700 gedruckt er-
schienen sein sollen*.
Dass FuX; der wiederholt über die licentiose Schreibart seiner
Zeitgenossen im Gradus sich ereifert, nicht selbst die gleiche
Bahn in Compositionen für die Kammer beschritten haben konnte,
ist für sich verständlich ; allein von der vollen Strenge des Kir-
chenstiles, besonders a cappella, hielt er Ausnahmen darin für er-
laubt, dass er ausser den diatonischen Tonarten des genus mixtum,
d. i. des diatonischen in Verbindung mit dem neuen chromatisch-
enharmonischen genus sich bediente, dabei aber eben diese Aus-
nahmen in die Grenzen der Anforderungen des strengen Satzes
einschloss. Es sollte ihm, wie die Juristen sagen, durch die Aus-
nahme — die Regel in den nicht ausgenommenen Fällen befestigt
werden. Beherzigenswerth auch noch in unsem Tagen scheint,
was Fux im Gradus bei Gelegenheit des Abschnittes vom guten
Geschmacke, in dieser Richtung bemerkt :
„Ich sage, jene Composition darf den Vorzug des guten Ge-
schmackes für sich in Anspruch nehmen, welche auf Gesetzen
beruhend, von Trivialität sowie von ausschreitender Ungebühr
sieh entfernt hält, nach erhabenem strebt, jedoch auf natürliche
Art sich bewegt, zugleich die Fähigkeit in sich besitzt, auch den
Kundigen in der Kunst zu vergnügen. Ich sagte zuerst, die Com-
position müsse auf Gesetzen beruhen. Denn die zügellose Com-
position, wenn sie auch sonst nichtgewöhnliche Gedanken ent-
hielte, mag sie auch geeignet sein die Ohren der Unkundigen zu
kitzeln, wird doch nie dem feinen Geschmacke der Kunstverstän-
digen' durchaus Genüge thun, da diese ausser einem gelungenen
1 Beil. X. 332. 333. ^ Ihnen war ungeachtet persönlicher Nachfor-
schnngen in Amsterdam und Hamburg nicht auf die Spur zu kommen.
56 Partite des. Pux.
Gedanken auch eine Gesetzmässigkeit verlangen. Weiter wurde
gesagt and gefordert, dass der Componist keine gemeinen und
alltäglichen Gedanken darstelle, welche statt des Vergnügens nur
den Ekel der Trivialität erregen ; sondern mit der Richtung auf
das erhabene der Neuheit sich befleisse. Dagegen aber möge
er, von dem Streben nach Neuheit irregeleitet, keine Gedanken
darstellen, welche die Natur und Ordnung der Dinge überschrei-
tend, für Gesang und Spiel über die Massen schwierig sind, wo-
durch weder die ausführenden Musiker, noch .die Zuhörer zufrie-
dengestellt sein können. Nicht die Musiker, wegen der Schwierig-
keit des AusfÜhrens ; nicht die Zuhörer, weil dergleichen Compo-
sitionen , indem sie das natürliche Mass überschreiten , zwar mit
dem Gehör vernommen werden, niemals aber in das Gemüth ein-
dringen. Denn eine Sache leicht und natürlich, und doch fUr die
Ohren nicht gemein darstellen, ist eben nicht so leicht, daher das
Sprichwort: das Licichte ist das Schwere. In diesem schweren
Leichten beruht aber die Vorzüglichkeit des guten Geschmackes
und seine Würze. Denn nicht derselben Schwierigkeit in Erfin-
dung von etwas neuem und ungewöhnlichem begegnet derjenige,
welcher nur um neues bekümmert die Ordnung der Natur and
der Dinge umkehrt. Aber wie wird er auf diesem Wege das Ziel
des guten Geschmackes erreichen ? Ich werde nicht läugnen, dass
ein sehr grosser Theil des guten Geschmackes von der Anlage
und dem Talente eines jeden Gomponisten abhänge, aber der-
gleichen Einflüsse, die an sich nicht unschön sind, müssen inner-
halb der Schranken der Natur, der Ordnung und Gesetze be-
herscht werden, dass sie nicht unverdient den Namen des Guten
Geschmackes sich anmassen^. (p. 241 f.)
Dass Fux von den Gesetzen , die er hier seinem Schüler ge-
geben, sich nicht entfernen wollte, davon überzeugt man sich bei
der Durchsicht der Partituren seiner Kammermusik, welche leider
fast als verschollen betrachtet werden muss, weshalb es kaum
möglich ist, durch das Wort mehr als eine schwache Andeutung
seines Stiles zu geben. Im allgemeinen wird man durch die Leb-
haftigkeit der Auffassung und die wechselvolle Gharacteristik der
ernsten und heiteren Sätze weniger an den strengen Gomponisten
der Kirche erinnert, als durch die Gesetzmässigkeit in der Durch-
führung und zwar ganz besonders durch seine treffliche Stimm-
Partite des Fux. • 5 7
führnng, wie sich das von dem Meister in allen Künsten des ein-
fachen und doppelten Contrapunktes erwarten lässt. Man irrt sich
daher in der Voraussetzung, dass in diesen Compositionen nur
polyphone Schreibart zu finden sein werde, wiewohl es in den
Sonaten a tre daran nicht fehlt : im Concentus musico-instrumen-
talis ist die homophone, liedartige Setzart sogar die Regel, und
auch darin bewährt sich Fux in Erfindung neuer und melodiöser
Motive in einfacher, oft reizender Mannigfaltigkeit und Abwechs-
lang in der Durchfflhrung, der selbst bisweilen der Humor nicht
fehlt, wenn in rascher Folge Rhythmus und Character wechseln,
und heterogene Motive, wie eine italienische und eine französische
Arie in demselben Satze neben einander fortschreiten. Im Con-
ceräMs ist es offenbar mehr auf Erheiterung eines grösseren
musikliebenden Publicums abgesehen,, und darum von einer
schwieriger aufzufassenden und auszuführenden Composition Um-
gang genommen. — Ernster ist aber die Sache in den dreistim-
migen Partite (a tre) behandelt, wo der Componist sich tüchtig
geschulten ausübenden Ej-äften gegenüber gedacht, und die-
sen mitunter keine leichten Aufgaben gestellt hat. Hier beginnen
breitangelegte fugierte Sätze , ganze Nummern in canone, Imita-
tionen mit allen Künsten der Augmentation, Diminution / Inver-
sion mit einer Fülle von schön erfundenen Motiven , wie das An-
dante in der Partita 320 (Beil. X), das zu einer eleganten kleinen
zweistimmigen Fuge durchgeführt ist^, dann die Entrata zum
Allegro der Partita 321 (eh.), die bis ans Ende aus einem zwei-
stimmigen Canon im Einklänge besteht*. Neben der Bedeutung
und Leichtigkeit der Erfindung macht sich auch Kühnheit in der
Elarmonie bemerkbar, wie in der Siciliana derselben Partita
321 (eb.), in welcher auch die Giga mit einem Feuer sich bewegt,
dem man die Zeit der Composition nicht abmerkt^. Es würde zu
weit führen, mehrere Proben aus den erlesenen Partiten 319 — 327
anzuführen, noch weniger sie zu analysieren, aber aufmerksam
sollen die Freunde solcher Musik werden, wodurch sie vielleicht
veranlasst werden, sich näher damit zu beschäftigen.
1 Abgedruckt Beil. VIL 3. a. 2 Abgedruckt Beil. VII. 3. b. » Abge-
druckt Beil. VII. 3. c.
58 Ftix, Eirchensonaten.
In der Art der Behandlang schliessen sich an diese Partite
a tre^ die S o n a t e a tre an, von denen das Archiv der k. k. Hof-
kapelle einen Schatz von 38 Nnnunem enthält ^ Ihre Bestimmnng
ftar die Kirche ist unzweifelhaft, auch wenn auf den Umschlägen der
Stimmen nicht, wie bei den übrigen Eirchenmusicalien, die Zeit
ihrer Aufftthrung zu kirchlichen Festen angegeben wäre. Wir
haben daher Kirchensonaten (Sonate da chiesa) vor uns^
welche von den Suiten hauptsächlich dadurch sich unterscheiden^
dass sie keine Tanzrhythmen enthalten. Sie bestehen immer aus
einer zusammenhängenden Composition, deren abwechselnde
Sätze von Andante, Largo, Grave u. dgl. mit lebhaften, von Alle-
gro , Presto , Vivace u. s. w. ohne Unterbrechung zu einem und
demselben verbundenen Ganzen gehören. Man verwendete solche
Instrumentalsätze bei den Hochämtern (Missae solennes) der katho-
lischen Kirche als Gradualien selbst noch zu Mozart's Zeit^
bis sie durch Vocalcompositionen verdrängt wurden. Fux schrieb
diese Sätze sämmtlich dreistimmig fttr zwei Violinen und Bass,
dabei wurde dieser letzte regelmässig ausser der Orgel durch
Violoncell , Violon und Fagott , seltner auch durch eine Ppsaune
verstärkt. In der Regel concertieren besonders in den raschen
Sätzen die beiden Violinen mit einander, lösen sich in den Imi-
tationen ab , während der Bass , scheinbar unbekümmert um das
Treiben der Oberstimmen, seinen eigenen Weg ruhig fortschreitet.
*
Doch geschieht es bisweilen, dass er auch in die Bewegung mit
fortgerissen wird , und vollen Antheil an den Imitationen nimmt,
bald der ersten bald der zweiten Violine Gesellschaft leistet, öfter
auch nur einzelne Theile des Hauptmotives durchkiingen lässt^
während die Oberstimmen verschiedenartig sich neckend und auf
dem Fusse verfolgend, wie jugendlich ttbermüthige Wesen, endlich
durch den ernsten Mentor in ihre frühere Bahn zurückgeführt
werden. — Der Umfang dieser Sonaten ist ziemlich verschieden :
bisweilen nicht über 30 Tacte lang, bisweilen aber auch, be-
sonders in den AUegro, viel ausgeführter, und was Fux vom
„Guten Geschmacke" fordert, seine Motive sind nie trivial,
sondern neu, dabei natürlich und durchaus geeignet „auch dem
feinen Geschmacke der Kunstverständigen genügeleistend". Diese
1 Beil. X. 360— 397.
Fax, Kirchensonaten. 59
letzten werden auch einen solchen Reichthom an Erfindung und
Eleganz der mannigfaltigsten Durchfühmng finden, dass sie
bei den meisten Sätzen bedauern werden, dass diese so rasch
ihrem Schlüsse zugeführt werden. Man sieht auch nicht blos aus
der bedeutenden Zahl dieser Compositionen , sondern noch mehr
aus der eigenthttmlichen Frische derselben , dass der Componist
mit Lu8t und Liebe an seine Arbeit gieng. Dies wird zum Theile
durch Fux selbst bestätigt, wenn er im Gradus sagt, dass der drei-
stimmige Satz der vollkommenste aus allen sei, daher es beinahe
iiprichwörtlich geworden sei, dass demjenigen, welcher den drei-
stimmigen Satz in seiner Gewalt hat, der Weg zu mehrstinmugen
Compositionen durchaus offen stehe ^, und später ' bemerkt er : „des
dreistimmigen Satzes habe ich mich nicht selten und nicht ohne
Glück bedient^. Gewiss hatte er dabei seine Partite und Sonate a tre
im Sinne. Es lag auch fUr einen Meister, wie Fux war,^ ein eigener
hoher Reiz darin, mit den wenigst möglichen Mitteln ein Werk zu
schaffen , das durch die Einfachheit der Construction und durch
die Durchsichtigkeit der Behandlung dem Kundigen den reinsten
Genuss, und zugleich dem Unkundigen, der die Schwierigkeit
eines solchen Satzes nicht ahn#, durch die leichte Fasslichkeit
doch auch ein eigenartiges Vergnügen gewährt. Eine Anerkennung
eines feinen Kunstkenners, der noch dazu als ein Gegner der
Person unseres Meisters bei seinem Lobe ganz unverdächtig wird,
hat J. Mattheson^ ausgesprochen, wo er bei Gelegenheit der
Erfordernisse zur Ausarbeitung und Schönheit eines Duetto oder
Terzetto sagt: „Meiner geringen Meinung nach besteht eines
Componisten rechtes Meisterstück in einem künstlich fugierten
Duetto mehr, denn in einem vierstimmigen Contrapunkte, oder
AUabreve. So haben auch die Trio auf Instrumenten ihre Meriten
and erfordern einen festen Mann, wie darinne der kaiserliche Ober-
kapellmeister Fax unvergleichlich ist^. — Auch in den biogra-
phischen Notizen über den Kapellmeister Daniel Gottlieb
Treu (geb. 1695) erwähnt MattheSon^, jener habe eine starke
Serenate componiert „auf die fleissige wienerische Art des be-
1 Gradus. p. 81. ^ p. 265. 3 Critica Miisica. I. Ul. * Ehrenpforte,
p. 378.
60 Fax; häusliche Yerhältnisse.
•
rühmten kaiserlichen Ober-Kapellmeisters Johann Josef Fux , wo
keine faulen Stimmen darin sind^.
Die Partite nnd Sonate für Glavier ' sind nur in geringer Zahl
vorhanden ; sie verrathen wohl ebenfalls den Meister , wie insbe-
sondere die fuga ricercatä im Capriccio (404), dürften aber doch
die dreistimmigen Partite und Sonate nicht völlig erreichen.
lieber die anderweitige musicalische Thätigkeit unseres Mei-
sters zu Anfang des XVIII. Jahrhunderts wissen wir nur, dass er
im Jahr 1702 zwei dramatische Compositionen zur Aufführung *
brachte. Die eine zum Namenstage der römischen Königin (10. Juli)
war das Dramma per musica : Offendereper amare ossia la Telesilla,
Text von Don ato Cupeda', die zweite zum Namenstage des
Kaisers Leopold (15. November) La Clemenza diAugusto. Poe-
mettodrammatico von Pietro Antonio Bernardoni^. Die Par-
tituren von beiden scheinen verloren zu sein, während jene der übri-
gen Opern und Oratorien ohne Ausnahme in der k. k. Hof bibliothek
bewahrt werden. Im Jahre 1 703 componierte er zu der Operette
Proteo sul RenOj Text von Bernardoni, Musik von Giov.
Bononcini, die Ouvertüre, wie in der Partitur ausdrücklich
bemerkt ist : „La sinfonia h di OioT. Glos. Fux *, woraus hervorgeht,
dass auch namhafte Componisten das hervorragende Talent des
Fux für Instrumentalcompositionen thatsächlich anerkannten.
Von seinen häuslichen Verhältnissen ist aus dieser Zeit zu er-
wähnen, dass er 1699, da er wahrscheinlich die Hoffiiung auf
eigene Nachkommen aufgegeben hatte, die kaum vierjährige
Tochter Eva Maria seines damals noch lebenden Bruders,
PeterFux^ an Kindesstatt ins Haus nahm, dieselbe, die ihn
nach dem Tode seiner Frau bis an sein Ende pflegte und seine
Erbin wurde.
Ungeachtet seiner Anstellung als Hofcompositor behielt Fux
dennoch zugleich seinen Dienst als Organist bei den Schot-
ten fort, und erst im Sompier 1 702 hatte er ihn aufgegeben , wie
wir aus folgendem Vortrag* des Obersthoftneister-Amtes vom
19. August 1702* erfahren, wo esheisst: „Johann Josef Fux,
Compositore in musica, hat seinem Vorgeben nach, um Euer kais.
•
1 BeU. X. 398—405. « Beil. VIII. 397 und X. 301. » Beil. Vm. 399
und X. 302. « Beil. VIII. 404. » Stammbaum n. 4. 5. « Beil. II. n. 3.
Fux, Gehalterhöhungen. Q\
Majestät besBer und ohne Verhinderung zu bedienen, seinen Posten
bei den Scotten allhier quittiert, wodurch ihm jährlich bis 400 fl.
entgiengen, bittet daher allerunterthänigst, Euer kais. Majestät
wollen diesen seinen Verlust durch eine Besoldungsrerbesserung
gnädigst ersetzen. — Hierauf vermeldet der Kapellmeister (Ant.
Pancotti), dass diesem Virtuosen Talente dergestalt bekannt, und
das Motiv, so er anführet, so billig sei, dass er nicht zweiflet,
Ener kais. Majestät werden sein allerunterthänigstes Bitten er-
hören und seine Besoldung bis auf 80 Thaler monatlich und zwar
Tom Anfang dieses Jahres vermehren^. Der Obersthoimeister con-
formiert sich diesem Antrage und bemerkt , dass etwelche andere
Müsici auch soviel gemessen.
Hierüber erfolgte die eigenhändige Kesolution des Kaisers :
.Placet in Ansehung der verlassenen 400 fi. und zwar vom Anfang
des Jahres".
Dadurch hatte Fux in der kurzen Frist von vier Jahren seinen
ausglichen Gehalt auf das doppelte erhöht erhalten. Damit
waren aber die Beweise der ZuMedenheit des Kaisers mit den
Diensten des Fux noch nicht erschöpft. Nachdem derselbe im
Jahre 1 700 um ein seinem Dienste als Hofcompositor geziemen-
des Hofquartier ansuchte , wurde er zwar darauf gewiesen , ein
wirklich freigewordenes Quartier zu bezeichnen *. Als er aber 1 702
ein solches im Hause des Barbierers Paul Kauz , auf dem neuen
Markte* bezeichnete, wo die Freijahre nächstens exspirieren',
wurde ihm dieses zugewiesen.
Am 5. Mai 1705 starb sein kaiserlicher Gönner Leopold I.,
welcher das Talent und den Eifer seines Hofcompositors Fux nach
Verdienst gewürdigt und deshalb mit seinen Gunstbezeigung^
gegen ihn nicht gekargt hatte.
1 Beil. U. 17. 2 Beil. H. 18. Dies war das Haus zu den sieben Kör-
ben genannt, ein Eckhaus, neu n. 17 (alt n. 1067). ^ Auf den Hausem in
Wien lastete die Servitut der Hofquartiere , wovon die neuerbauten durch
einige Jahre befreit waren.
IV.
Fax unter Kaiser Josef !• (1705—1711) — Die Conipositoren C. Aug.
Badia — Marc. Antonio nnd Gioranni Bononeini — Francesco Tosi.
Als unmittelbarer Nachfolger im Reiche kam nach dem Hin-
scheiden Kaiser Leopold I. sein ältester Sohn Kaiser Josef I.
(geb. 1678), welcher schon zu Anfang des Jalirhunderts zum römi-
schen Könige gekrönt war. Kaiser Josef verband ein lebhaftes,
fenriges Temperament mit glücklichen Anlagen des Geistes und
Gemtithes. In seiner Jugend war er von schweren Krankheiten
heimgesucht worden, später ward er stark und kräftig und iu allen
Leibesübungen gewandt. So wie sein Vater war er mit leichter
Auffassung und scharfem Verstände, insbesondere . mit einem
starken Gedächtnisse begabt. Wie jener war er bewandert in der
Kenntniss fremder Sprachen, deren er sich mit Gewandtheit und
Eleganz zu bedienen wusste. Als Meister in körperlichen Uebun-
gen war er ein kühner Keiter, ein unermüdeter Jäger und zierlicher
Tänzer. Auch fehlten ihm weder Anlage noch Liebe zur Musik,
da er Ciavier und Flöte spielte, dass er sich hören lassen konnte
nnd sich in Compositionen von Arien nicht ohne Glück versuchte,
wie denn in der Partitur der Oper Chehnida von Marc Antonio
Ziani (comp. 1709) bei zwei Arien bemerkt ist: „Comp(osto) di
S(aa) M(aestJt) C(esarea)". Die Compositionen sind leicht , nicht
ungefällig, in der Manier der Zeit, zeigen aber immerhin gute
Kenntniss des Satzes. Fux nennt ihn auch in der Dedication des
Concentus „in der Musik ungemein erfahren^ (sublime peritum).
Der Kaiser liebte eine glänzende Hofhaltung: die Wiener
Diarien erwähnen wiederholter Turniere, prachtvoller Schlitten-
fahrten, wie 1 709, um dem türkischen Gesandten die Pracht des
Hofes von Wien zu zeigen, wo 50 Schlitten mit den Majestäten,
Erzherzoginen und einer Reihe von Fürsten , Grafen und Damen
mit den höchst zahlreichen Gefolgen zu Pferd und den kostbaren
Schlitten aufgezählt werden.
Der Hof Kaiser Josef I. 63
Bei diesen Festen des Hofo/s stand dem Kaiser würdig zur
Seite seine Gemablin Amalie von Hannover, welche eben so
majestätisch und anmuthig in ihrer körperlichen Erscheinung als
durch die Lebhaftigkeit und vielseitige Bildung ihres Geistes alles
fttr sich zu gewinnen wusste. Den Hof umgab ausserdem eine
Reihe bedeutender Personen aus den höchsten Kreisen, die sowohl
als Staatsmänner und im Felde glänzten wie durch den feineren
Ton die Geselligkeit belebten. Prinz Eugen an der Spitze, der
in dieser Periode als Sieger von Oudenarde (1708) und Malplac-
quet (1709), als Eroberer von Lille (1708) und Toumay (1709)
neue Lorbem des Ruhmes gepflückt hatte, traten als bedeutende
Männer hervor: sein Freund Graf Gundacker Thomas Star-
hemberg, Präsident der kaiserlichen Hofkammer, ein ernster,
scharfsichtiger und unbestechlicher Mann , neben dem lebhaften
feurigen Fürsten Karl Theodor Salm, früher Ajo des röm.
Königs, dem alten ruhmreichen Vertheidiger von Wien, Ernst
Rüdiger Graf St arhemberg, einem heiteren fröhlichen Herrn,
dem gelehrten Grafen Seilern — dem mächtigen Fürsten Hanns
Adam Liechtenstein^, dem Hauptbegrttnder des Beichthums
dieser erlauchten Familie, bekannt als ein freigebiger Gönner der
Wissenschaften und Künste. Von ausgezeichneten Damen hatte
die Gräfin Dorothea Elisabeth von Sinzendorf*, gebome
Prinzessin von Holstein, 'eine geistvolle stolze Frau, die in zweiter
Ehe den nachmaligen Feldmarschall Grafen Ludwig Rabutin
geheuratet hatte, lange Zeit ihr Haus zum Mittelpunkt der erlesen-
sten Gesellschaft gemacht: in ihren Kreis zugelassen zu werden,
galt ftlr eine eiftig gesuchte und vielfach beneidete Auszeich-
nung^. Dass in diesen Kreisen die Musik cultiviert wurde, ist
ausser allem Zweifel , da auch das Wiener Diarium vom 2. Octo-
ber 1710 ausdrücklieh bemerkt, der Hof habe in der Wohnung
des Baron Pilati* „eine annehmliche wälsche Cantate angehört^.
Der Kaiser selbst war der entschiedenste Gönner und Be-
förderer der Musik nach allen Richtungen. Bald nach dem
1 Geb. 1656, gest. 1712. » Ihr erster Gemahl Graf G. Ludwig Sin-
zendorf, Hofkammerpräsident Kaiser Leopold I. f 1712. ^ Arneth,
Prinz Engen. L 348. ff. * Job. Ant. Pilati von Tassul war 1710 k. k.
«
Hofkammerratb und Kammer-Zablmeister. (Knescbke, Deutscbes Adelslex.
1867. p. 148.)
64 Die Musik unter Kaiser Josef I.
Antritte seiner Regierung fasste er den Plan^ das durch den Brand
im Jahre 1 699 zerstörte alte Opemhaas ' durch einen neuen Bau
zu ersetzen. Es wurde dazu der Raum zwischen der Hofbibliothek
und der Reitschule gewählt^ und ein Gebäude im grössten Stile
ausgeführt y das die Bewunderung der Zeitgenossen erregte. Es
bestand aus zwei Sälen, von denen der kleinere während des
Gamevals zu italienischen Schauspielen und komischen Opern
verwendet wurde. Im grossen befand sich das Hoftheater ; wel-
ches der italienischen Opera seria gewidmet und mit Maschine-
rien , Flugwerken u. dgl. reichlich versehen war. Nach dem ür-
theile der „Geschichte des Theaterwesens" (I. p. 55) wurden hier
Opern aufgeführt, „welche an musicalischer Gomposition und Aus-
führung, an Pracht der Gostüme und Decorationen ; an herrlichen
Tänzen alle bisherigen Theatralvorstellungen übertrafen". An der
Kaiserin Geburtstage am 21. April 1708*« wurde in dem neuen
Gomödienhaus das erstemal eine wälsche Oper: // Natale di
Giunone festeggiato in Samo, Text von Silvio Stampiglia,
Musik von Giovanni Bononcini gegeben'. Auch noch in späte-
ren Jahren wird es im Wiener Diarium das „schöne^ oder^prächtige^
neue Opernhaus genannt. — Der Stand der Hofkapelle wurde
nicht blos auf derselben Höhe erhalten ^ auf welcher sie Kaiser
Josef I. von seinem Vater übernommen hatte, sondern in der
Zahl bis 107 erweitert. Das Repertoire an Oratorien und Opern
weist von 1706 bis 1710 jähriich 12 bis 14 Novitäten auf. Wäh-
rend die Texte dazu von den Hofpoeten P. A. Bernardoni und
Silvio StampigLia nebst einigen vorübergehend erscheinen-
den Verfassern herrührten, componierten die Musik dazu der Vice-
Kapellmeister Marc Antonio Ziani, Giovanni und Anto-
nio Bononcini, die Hofcompositoren Garlo Badia und Fux,
ausserdem Francesco Gonti, der mit seiner Clotäda 1706
glücklich debütierte, Attilio Ariosti, und die Römerin Ga-
milla de Rossi, die sich in Oratorien versuchte. Fux, welcher
seit seinen beiden Theaterfesten im Jahre 1 702 für die Oper und
das Oratorium bei der grösseren Anzahl Gomponisten nicht ge-
1 Am 16. Juli 1699 brannte das von Kaiser Leopold begonnene Opern-
haus ab, an dem zwei Jahre gebaut worden war. £s stand an der Rückseite
der nachherigen Hofbibliothek. ^ Wiener Diarium. ^ Beil. YIII. 449.
J. J. Fux — Carlo Ag. ßadia. 65
drängt war, trat erst im Jahre 1708 mit den Serenaden Jm/o Asca-
nio Rh dAlba^ zum Namensfeste des Kaisers nnd mit der be-
sonders gelungenen Pulcheria * zum Namenstage der regierenden
Kaiserin wieder auf. Im Jahre 1709 componierte er für die glei-
chen Feste abermals zwei Serenaden : // Mese di Marzo" conse-
crato a Marte^, Text von Silvio Stampiglia, und Gli Osse-
qui della notte^ y Text von Donato Cupeda, deren günstige
Erfolge das Wiener Diarium rühmend erwähnt. Die Serenade La
Decima faiica (TErcole owero La Sconfitta di Gerione in Spagna *
im Jahre 1710 ward am Geburtstage und zum Preise des sieg-
reichen Königs Karl IQ. von Spanien eomponiert. Es ist sehr
wahrscheinlich, dass Fux während derselben Zeit viel thätiger in
Compositionen für die Kirche war, leider fehlen dafür bestimmte
Angaben. Nur erwähnt das Wiener Diarium vom 23. April 1 708
bei den Vermählungsfeierlichkeiten Kaiser Karl HI. von Spa-
nien mit der Prinzessin Elisabeth Christina von Wolffen-
bttttel eines „Lobgesanges, welchen der kaiserliche Musices com- *
positor Herr Fux in eine fürtreffliche Musik gestellet''. Dies
dürfte das Tedeum (Beil. X. 271) gewesen sein, das nach seiner
Anlage nur für hohe Feste bestinmit und im Jahre 1 704 bereits
eomponiert war.
Wie sehr der Kaiser mit den Leistungen des Fux zufrieden-
gestellt war, geht aus einer Hofresolution hervor, nach welcher
der Kaiser am 22. März 1711*, also wenige Wochen vor seinem
Ende (f 17. April 1711), dem Compositore ui musica Johann
Joseph Fux dessen Besoldung von jährlichen 1440 fl. bis auf
2000 fl. vermehrte.
Gleichzeitig mit Fux wirkten zum Theile als wirklich ange-
stellte Hofcompositoren Carlo Agostino Badia, die beiden
Brüder. Marc Antonio und Giovanni Bononcini nebst
Pier Francesco Tosi, deren musicalische Thätigkeit hier
übersichtlich erwähnt werden soll.
Carlo Agostino Badia, geboren um 1672, gestorben in
Wien 23. September 1738, 66 Jahre alt (Wr. Diar.), ward am
1 Beil. Vm. 448 und X. 304. 2 Beil. VlIL 450 undx! 303. » Beil.
VIII. 459 und X. 306. * Beil. VIII. 462 und X. 305. & Beil. VÜI. 477 und
X. 307. 6 Beil. n. 4.
KöcMf J. J. Fax. 5
66 Die Brüder Bon o nein i.
1. Juli 1696 der erste der mit ihm entstandeneu Hofeompositoren
und starb als solcher ^ Er hatte unter dem Titel Tributi armonici
12 Gantaten fttr eine Stinune und Clavierbegleitung herausgege-
ben, und sie dem Kaiser Leopold I. dediciert*. Aehnlicher Can-
taten flir 1 — 3 Stinamen befinden sich 33 in der k. k. Hofbiblio-
thek in Wien. Seine Compositionen, welche am Hofe gegeben
wurden, reichen mit Unterbrechungen von 1694 — 1730, und um-
fassten 4 grosse Opern, 18 Serenaden und 15 Oratorien ^j Kir-
chencompositionen sind von ihm nicht bekannt. Seine Manier war
schon zur Zeit als er schrieb veraltet, indess ist ihm Gewandtheit
und gute musicalische Kenntniss nicht abzusprechen, seine Flug-
kraft der Erfindung reichte aber nie über Mittelhöhe, auch in den
Formen war er bald erschöpft. Da zu jener Zeit das Verlangen
nach neuen Compositionen so bedeutend war, so konnte auch ein
massiges Talent, wenn es eine gewfsse Fertigkeit im Componieren
hatte, seine Verwendung finden.
Gegen das Ende des XVH. Jahrhundertes trat ein BrUderpaar
auf, das sich gleich bei seinem Erscheinen als Componisten eines
schnell sich verbreitenden Rufes erfreute. Diese Brlider waren
Marc Antonio und Giovanni Battista Bononcini, beide
in Modena geboren und Söhne des als Musiktheoretiker durch
seine Musica pratica nicht minder berühmten Giovanni Maria
Bononcini, der zuletzt Goncertmeister des Herzogs von Modena
war. Drei Bononcini, die sämmtlich Componisten waren, von
denen zwei Giovanni Messen, und der dritte bald Marc Antonio,
bald einfach Antonio sich nannte, dies zusammengenommen
hatte die Folge, dass ihre Personen und persönlichen Verhältnisse,
so wie ihre Compositionen so häufig verwechselt wurden , dass
Gerber und F6tis noch in ihren zweiten Auflagen wahres und
falsches durcheinander mengen. F^tis (H. ^d.) nennt Marc An-
tonio den älteren Bruder und gibt nach Forschungen im
herzoglichen Archive zu Modena sein Geburtsjahr um 1675 an,
und seinen Tod am 8. Juli 1726. Gerber (H. Aufl.) hält es ftlr
ausgemacht, dass er schon um 1696 in Wien war; gegen das
1 K ö c h e 1 , Hofkapelle. ^ W al t h e r , mus. Lexikon.
8 Opern: Beil VUI. 362. 378. 392. 675. — Serenaden: 331. 359.
366. 368. 370. 372. 374. 377. 379. 385. 388. 395. 398. 402. 439. 452. 487.
598. — Oratorien: 307. 308. 319. 381. 407. 415. 432. 444. 445. 455. 469.
479. 483. 501. 536.
Marc Antonio Bononcini. 67
Ende des Jahrhunderts war er zugleich mit seinem Bruder in
Wien , und componierte für die Hofoper , ohne jedoch wie sein
Bruder zugleich den Titel eines Hofcompositors zu ftlhren. Nach
Kaiser Josefs Tode im Jahre 1711 wurden beide entlassen und
giengen nach Italien zurück, 1714 fand Stölzl den MarcAntonio
in Rom, im Jahre 1721 trat er als Hof kapellmeister in die Dienste *
des Herzogs von Modena und starb 5 Jahre später in dieser An-
stellung. Sein erstes Auftreten als Operncomponist war epoche-
machend : es war die bertthmt gewordene Oper CamUla Regina
de VoUci (Beil. VHI. 333), welche er 1696 fllr Wien componiert
hatte. Sie hatte einen so ausserordentlichen Erfolg, dass sie im
Lauf der Jahre auf allen Btthnen Deutschlands , Italiens , Frank-
reichs und Englands mit dem entschiedensten Beifalle gegeben
wurde. In England war sie im Jahre 1 709 zum ersten Male gege-
ben worden, und man konnte sich dort nicht satt daran hören.
Es ist auch leicht begreiflich, dass der frische kecke Humor in
dieser Oper, yerbunden mit glücklich erfundenen heiteren und
ernsten Melodien durchschlagen musste , glaubt man doch noch
heute aus der Partitur einen geistesverwandten Vorläufer Cima-
rosa's herauslesen zu können. Noch 3 andere Opern, 3 Serenaden
und 3 Oratorien* kamen von ihm in Wien von 1706 — 1711 zur
Aufführung. Eine Mehrzahl der Cantaten, welche die k. k. Hof-
bibliothek besitzt, dürften in gleicher Zeit entstanden sein. In
allen diesen Werken hat man die glückliche Erfindung und Durch-
führung, die auf einer tüchtigen Schule ruht, anzuerkennen. Ein
hn Contrapunkt gearbeitetes Werk hat P a o 1 u c c i in seiner Arte
pratica dl Contrappunto H. als Muster dieser Schreibart aufge-
nonmien und der vielgepriesene Lehrer vieler Lehrer, der Padre
Martini, sagt von M. Ant. Bononcini: „Er liess in seinen Compo-
sitionen einen so hohen, kunstreichen und anmuthigen Stil wahr-
•
1 Wegen oftmaliger Verwechslung seiner Werke mit jenen seines
Bruders mögen hier zuerst die Wiener Composidonen des MarcAntonio
zusammengestellt werden. Sie sind: 1696 Camilla Regina de VoUci (Beil.
Vin. 333), 1706 Arminio, Ser. (426) , 1706 La Fortuna, il vator, la giMtitia.
Cant. (427), 1707 La Conquista detie Spagne (440), 1707 // Trionfo delia graiia-
(442), 1708 La Preaa di Tebe. Ser. (453) , 1709 La DecaUazione dt Giov. Batt,
Orat. (471), 1710 Caio Gracco. Op. (473) , 1710 Tigrane Re d^Armenia. Op.
(474), 1711 VInterciso. Orat. (484).
5*
68 Giov. Battista Bononcini.
• nehmen , dass er hervorragte unter der grösseren Zahl der Ton-
setzer zu Anfang des gegenwärtigen (XVIII.) Jahrhunderts, so
reich dieses auch an vortrefflichen Männern ist".
Das Jahr der Greburt des Giovanni Battista Bononcini
ist in ein völliges Dunkel gehttUt *, wozu er selbst beitrug, indem
er sich um etwa zehn Jahre älter ausgab als er sein konnte. Am
wahrscheinlichsten ist er um 1676 geboren, wenn sein älterer
Bruder (nach Fitis) um 1675 geboren wurde , allein auch nicht
viel später, da er 1699 schon mehreres von Bedeutung componiert
hatte und am 1. Juli 1700 zum Hofcompositor Kaiser Leo-
pold I. ernannt wurde und in dieser Anstellung bis zum Tode
des darauffolgenden Kaisers Josef I. im Jahre 1711 blieb.
Während dieser elf Jahre und später vereinzelt noch im Jahre
1737 kamen von seiner Composition in Wien 9 Opern, 12 Sere-
naden und 2 Oratorien zur Aufftlhrung*, und ausserdem dazwi-
schen im Jahre 1703 die Oper Polifemo in Berlin. Nach seiner
Entlassung im Jahre 1711 zog er sich nach Italien zurück, wo ef
von seinem Aufenthalte in Rom im Jahre 1720 nach London be-
rufen wurde, und dqrt durch seine Compositionen während meh-
rerer Jahre ein bedeutender Rivale HändeTs wurde, bis ein
Scandal erregender Handel (Bononcini hatte das Madrigal A n t.
Lotti's In una siepe umbrosa als seine eigene Composition der
1 Gerber in der zweiten Auflage stellt als sein Geburtsjahr 1660,
A. D cm m e r in seiner Musikgeschichte p. 365, 1670 auf, beide ohne weitere
Nachweise. Da Bononcini 1741 (nicht 1748; ein Tedeum fUr Kaiser Franz I.
componiert hat, so würde nach obigen Annahmen sein Lebensalter weit
über die Zeit der gewöhnlichen Compositionsthätigkeit gereicht haben.
2 Gfov. Batt Bononcini componierte für Wien: 1699 La Fede
publica. Op. (364), 1699 La Gara dei quattro stagianü Ser. (367), 1699 Eucieo
f^teggiante, Ser. (369), 1701 V Oraeolo d'ApoUo. Comp. (382;, 1701 Gli afeiti
piü grandi vinti dal piü giusto. Op. (387), 1701 La Converaione di Maddalena,
Or. (390), 1703 Proteo sul Reno. Ser. (404), 1704 TomirL Op, (408), 1704 //
Rüomo di Ceeare vincitore della Mauritania, Ser. (409), 1704 // Fiore deiie
Eroine. Ser. (412), 1704 Feraspe, Ser. (413), 1705 La Nuova Gara di Giunone
e Paitade. Ser. (417), 1706 Endimume, Op. (424), 17Ö7 Etearco. Op. (433),
1707 Tumo Arieino. Op. (437), 1708 Mario fuggitivo. Op. (446), 1708 // Nataie
di Gimwne, Ser. (449), 1708 // Sagrificio di Homolo. (451), 1709 L Abdolonimo*
Op. (458), 1710 Muzio Scevola. Op. (475), 1713 LArrivo della gran madre degli
Dei (493), 1737 Alessandro in Sidone, Op. (754), 1737 Ezechia, Orat. (763).
Giov. Battista Bononcini. 69
Academie überreicht^), ihn 1731 in England nicht länger mehr
möglich 'machte. Sein späterer und letzter Aufenthalt war wahr-
scheinlich Italien, wo er zu einer unbestinunbaren Zeit seine Tage
beschloss.
Die lebhafte, zum Theile enthusiastische Aufiiahme seiner
Compositionen , besonders in England, lässt für sich darauf
schliessen, dass sie dem grosseren Publicum leicht auffassbar und
dem Geschmacke sowie den Forderungen der Zeit entsprechend
waren. Wir finden auch in der That in seinen Werken den Mann
reicher Begabung, besonders glücklich in Erfindung melodiöser
dramatischer Gesänge, worin er selbst einem Händel ebenbürtig,
wenn nicht überlegen war. Vielleicht ist nicht unbegründet, dass
bei den einzelnen Nununem Bononcini weniger besorgt war, den
Character der Situation durch die Musik darzustellen und zu bele-
ben, als ein anmuthiges leichtfassliches und in vielen Fällen für den
Gesangskünstler dankbares Musikstück zuschreiben. Das Weiche,
Liebliche war seine Hauptstärke , die Kraft und Grösse konnte
er nur unvollkommeil erreichen. Aber auch dort, wo er auf dem
ihm zusagenden Felde mit Glück sich bewegt, findet man keine
Henrorbringung, die sich an Verve und Glanz mit seines Bruders
Oper Camäla messen*könnte, welcher er, beiläufig erwähnt, seinen
iChrysander, Händel, II. 293 ff. erzählt die Verhandlung darüber
weitläufig und setzt noch a. a. 0. 301 f. hinzu*: „Bononcini langte wohl noch
öfter nach fremden Trauben. In seiner Pastoraloper Poiifemo befindet sich
ein Duett in C-moU LImpiacabü gelogia, von welchem Matthesonim voll-
kommenen Kapellmeister (pag. 349) den Anfang wegen der musterhaften
zweistimmigen Composition mittheilt , zu denselben italienischen Worten,
aber als ein Werk von Fux. So weit ich sehen kann, rührt die kunstvolle
Arbeit von Fux her, un(l Bononcini hat sie durch Tilgung contrapunktischer
und Einschiebung arioser Gänge fär die Bühne mundgerecht zu machen
versucht, also verschlechtert". Diese Behauptung Chrysander^s scheint
auch mir begründet, ungeachtet ich in allen mir vorliegenden Comppsitio-
nen des Fux weder einen solchen Text noch eine solche Musik habe auf-
finden können. Allein niemand wird sich in unsem l'agen berühmen kön-
nen, alle Compositionen desFux eingesehen zu haben. —Nach Chrysander
gab man inEngland vonG. Bononcini folgende Compositionen :i4tftorto (1721),
Mutio Scevoia IL Act. (1721) , Giro (1721) , Crispo (1721), Grüelda (1721),
Funeral anthem Hir den Herzog von Marlborough (1722), Erminia (1722)
Fonttfce (1724), CViZ/Wr/ita (1724), AsHanaBse (1121) , ausserdem ,^Cantate e
Duetti" (1721).
70
P. Franc. Tosi.
Ruf nach England und einen Theil seiner dortigen Erfolge zu
danken hatte, da man ihn für den Verfasser der Camilla hielt,
und er wie es scheint nichts that diesen Wahn zu zerstören.
Dass er bei den Begleitungen der Gesangstücke das Violoncell
öfter bedachte , wird man bei dem ausgezeichneten Virtuosen auf
diesem Instrumente ganz begreiflich finden. Aus seinen Cantaten
und Duetten ergibt sich noch deutlicher als aus vielen seiner
Opemnummem, dass das Liedartige ihm vor allem andern zusagte,
da er hier seinen Reichthum an Melodien besonders zur Geltung
bringen konnte. Die ,,köstliche" ftlnfstimmige Canzona: Foss'io
quel rosignuoloy welche Chrysander (Händel ü. 302) für eine
Composition des Marc Antonio Bononcini zu halten geneigt ist,
befindet sich auch in der k, k. Hofbibliothek (Fonds R. Kiese-
wetter) mit dem Titel Amante in Vssignuolo. Scherzo pastorale als
ein Werk des Giovanni Battista B. (Hofbibl. S A. 67. B. 93.)
Pier Francesco Tosi war von Kaiser Josef L im Jahre
1705 zum Hofcompositor ernannt und nach des Kaisers Tode
(1711) wieder entlassen. Er war in Bologna um 1647 geboren,
war ein ausgezeichneter dramatischer Sänger und versuchte sich
auch in Compositionen von Cantaten nicht ohne Glück; von ihm
wurde 1701 das Oratorium U Martirio di S. Cntterina (389) in
Wien aufgeführt. Als er sich vom Theater zurückgezogen hatte,
gab er noch Unterricht im Gesänge. Er starb in hohem Alter 1727
in London. Verdienten grossen Ruf verschaffte ihm seine Gesang-
schule Opinioni de CatUori antichi e modemi, Bologna 1723,
welche ins Englische, Französische und Deutsche übertragen
wurde, und noch jetzt den Sängern von Nutzen sein kann.
V.
Fux^ KApellmeiftter am Dome sn St. Stephan in Wien (1705—1715) —
Reformiemng der Hofkapelle — Fox wird Tiee-Hofkapellmei8ter des
Kaisers und Kapellmeister der Kaiserin- Witwe WUhelmine Amalla
(1718—1718) — Die Compositoren Marc Antonio Ziani and Antonio
Lottl*
•
Ans den Musikkapellen der Kirchen der inneren Stadt Wien
bei den Schotten, bei St. Peter, bei St. Augnstin war die Kap eil e
bei derDomkifche zn St. Stephan znjener Zeit ohne Zweifel
die vorzüglichste. Obschon die Hofkapelle bei einzelnen Festen
in der einen oder der andern der erstgenannten mnsicierte, so
waren es doch die hänfigsten und grössten Feste , wo der Hof in
feierlichen Processionen nach St. Stephan zog, wie am Oster- und
Pfingstfeste, bei grossen Tedeum wegen erfochtener Siege bei
Friedensschlüssen oder höchsten Geburten, und wenn bei solchen
Gelegenheiten die Hofinusik dort mitwirkte, so stellte doch auch
die Kirche dazu einen bedeutenden Stamm, und leistete zugleich
selbständig anerkennungswerthes. Fremde reisende Künstler
rechneten es sich zur Ehre, bei ihren Musiken zur Mitwirkung
eingeladen zu werden, und eine Anzahl bedeutender Namen hat
diese Kapelle gemeinsam mit der Hofkapelle bis auf die neueste
Zeit; so ausser Job. Jos. Fux (seit 1705), Georg Reutter
(1715), Joh. Georg Albrechtsberger (1792), noch in
unseren Tagen (seit 1853) Gottfried Preyer.
Die Domkirche von St. Stephan hatte bis etwa über die Mitte
des XVUI. Jahrhunderts zur Besorgung der Kirchenmusik gewöhn-
lich zwei' Kapellmeister besoldet.
Die Dienste bestanden ausser den allgemeinen im Dome und
in der Salvatorkirche (am nachmaligen Magistratsgebäude in der
Salvatorgasse) auch noch in den besonderen bei dem ungarischen
Gnadenbilde (Maria Böcz) im Dome. Bisweilen scheinen beide
Dienste von dem ersten Kapellmeister (von J. J. Fux „Essential-
72 ' Fux, Domkapellmeister.
Kapellmeister" genannt) versehen worden zu sein. Die Entloh-
nungen erfolgten nach den noch vorhandenen Rechnungen über
die Dienste im Dome vom Kirchmeisteramte*, über jene in der
Salvatorkirche von der Commune*. Der Gehalt fllr den ersten
Kapellmeister im Dome betrug 300 fl. und 24 fl. Kleidgeld , nebst
einigen Accidentien, in der Salvatorkirche für ,,Salvatordienst"
74 fl. 8 kr., für Rorate, Requiem, Anniversarien 63 fl., daher in
Allem, wenn die Dienste nicht getrennt waren, gegen 550 fl. Wie
der Dienst des zweiten Kapellmeisters bei dem Gnadenbilde ent-
lohnt wurde, ist aus den summarischen Rechnungen nicht zu ent-
nehmen.
In den Rechnungen von 1696 bis 27. August 1712 erscheint
als erster Kapellmeister J 0 h. Mich. Zacher, der 30. September
1712, 63 Jahre alt gestorben war. Nach dem magistratischen De-
crete vom 1. Juli 1706^ hatte Zacher dem ,,kays. Hoffinusico und
Componisten J. J. Fux" den Musikdienst bei dem ungarischen Gna-
denbilde vom October 1705 zu versehen tiberlassen. Mit demselben
Decrete und dem späteren vom I.August 1707* wurde bestimmt,
dass Zacher von den 7 Singknaben von St. Stephan anfangs 4
(später 3) und Fux ebenfalls 3 Knaben in Kost, Verpflegung und
Unterricht erhalten soll, wofür an Fux anfangs 600 fl. Kostgeld,
60 fl. Zimmerbeihilf und 75 fl. InstructionsgebUhr bezahlt wurden.
Seit dem 1 . October 1 705 war daher J. J. Fux (zweiter) Kapell-
meister beim Gnadenbilde, und erst nach Mich. Zächer's Tode
(30. Sept. 1712) erscheint Fux als erster (Essential-) Kapell-
meister am Dome^ Diese Stelle bekleidete er bis Ende 1714
oder Anfangs 1715; denn in den Rechnungen wegen des Salva-
tordienstes erscheint er nur bis 30. März 1715 als Kapellmeister^,
in den Kirchenmeisteramts-Rechnungen hat schon mit 1. Jänner
1715 sein Nachfolger Georg Reutter als Essential - Kapell-
meister ^ seinen ersten Gehalt bezogen , nachdem er schon früher
als zweiter Kapellmeister beim Gnadenbilde wahrscheinlich be-
reits 1712 eingetreten war. Eben so hat Fux den Unterricht der
Kapellknaben mit dem Jahre 1714 aufgegeben, denn Reutter er-
hielt nach den Rechnungen fUr das ganze Jahr 1715^ 1200 fl.
fllr 6 Kapellknab^.
1 Beil. II. 32. 2 Eb. 33. » Beil. II. 34. * Beil. IL 34. s Beil. H.
33. «Eb. 7Eb. «BeiLII. 32.
Fux, Singfundament. 73
Specielle Daten über die Thätigkeit des Domkapellmeisters
Fax liegen nicht vor, ein einziges ActenstUck ;,vom Bürgermeister
und Bath der Statt Wien" * vom 24. Oetober 1714, gerichtet an
beide Kapellmeister am St. Stephansdome, ,,J. J. F ux und Georg
Rentter" ist in den Acten der Commune Wiens aufbewahrt,
woniach einige nachlässige Instrumentalisten sowohl bei den ge-
wöhnlichen Kirchendiensten als bei dem ,,Marianischen Gnaden-
bilde von Petsch" zu grösserem Fleisse ermahnt werden sollen ;
eine Ermahnung, wozu auch bis auf unsere Zeiten in manchen
Kapellen die Veranlassung gefunden werden möchte. Ausser dem
Gesangsunterrichte der Cantoreiknaben im Dome dürfte wahr-
scheinlich ein ähnlicher Unterricht während seiuer Stellung als
Organist bei den Schotten für Fux den Bestiminnngsgrund zu dem
„Singfundamente" gegeben haben, das noch im Autographe
im Archive des Wiener Musikvereines sich vorfindet. Diese Ge-
sangschule ftlr Sopran hat die Aufschrift: ^Fundamentum. Aufhöre
Fux^ und enthält nach den nöthigsten Vorkenntnissen für Musik
überhaupt, und Solmisation insbesondere, dann einer Anzahl
Uebungen in den verschiedenen Intervallen und rhythmischen
Geltungen, noch 55 kurze Uebungen für zwei Soprane, sämmt-
lich darauf berechnet, feste Kirchensänger in möglichst kurzer
Zeit heranznjbilden. Dass. dabei von jeder Virtuosität des Gesan-
ges abgesehen ist , versteht sich aus dem angegebenen Zwecke
dieser Uebungen. — Eine zweite Gesangschule für eine Alt-
stimme befolgt den ganz gleichen Gang mit der früher erwähn-
ten für Sopran, nur sind die Uebungen ftlr 2 Altstimmen noch um
einige vermehrt. Es unterließ keinem Zweifel, dass diese Ge-
sangschulen durch ihr practisch eingerichtetes Fortschreiten vom
Leichteren zum Schwereren , so wie durch die Kürze der einzel-
nen Uebungsstücke, die den Lernenden nicht ermüden lassen und
ganz in gebundener Schreibart der Compositionen für die Kirche
gehalten sind , den wirklichen Eintritt zum Kirchengesange nur
als weitere Anwendung des Erlernten entschieden anbahnen
müssen , und von dem didactischen Talente des Verfassers des
Gradus ad pamassum , auf einem andern aber damit verwandten
Felde ein sprechendes Zeugniss geben.
1 Beil. IL 34. Alinea 3.
74 Reformierung der Hofkapelle.
Während der Tod des Kaisers Josef I. unerwartet rasch
erfolgte, war sein legitimer Reichsnachfolger König Karl HI.
in Spanien als Heerführer im Kriege gegen Frankreich abwesend.
Als Kaiserin-Regentin wurde nun die Mutter von beiden Brüdern,
die Kaiserin-Witwe Eleonore (nach Kaiser Leopold I.)
bestimmt. Eine ihrer ersten Sorgen war, in die durch die unauf-
hörlichen Kriege und sorglose Wirthschaft zerrütteten Finanzen
Ordnung zu bringen, und zu diesem Ende Einschränkungen zuerst
durch Reductionen des kaiserlichen Hofstaates anzuordnen ^ Dazu
gehörte auch die Hof-Musikkapelle, und es wurde in dieser Rich-
tung befohlen, „von den Musicis nur diejenigen zu behalten,
welche die besten sind und allein zum Kapelldienst erfordert wer-
den; alle übrigen aber, wie auch die Sängerinen, Compositoren
und was zum Theater gehört zu licentiieren" (entlassen). -Der
Vice-Kapellmeister Marc Antonio Ziani erhielt den Auftrag*,
von dieser Gesammten^Jassung sämmtliche Mitglieder der Hof-
kapelle zu verständigen, zugleich soll er aber, da der Kaiser mit
einer guten Musik versehen sein müsse, von den jetzt entlassenen
Musikern die besten , diensttauglichsten und fleissigsten aufmer-
ken; jedoch nur so viele an Sängern und Instrumentisten als „zur
Versehung des Kapeil- oder Kirchendienstes" nothdürftig erfor-
dert werden; zugleich auch Vorschläge wegen „zulänglicher" Be-
soldungen zu machen ohne Rücksicht auf die bisher genossenen,
theils grossen, theils übertriebenen Gehalte und bei dieser Arbeit
einen langgedienten erfahrnen Mann, als etwa den Concertdispen-
sator Kilian Reinhard, sich zu adjungieren". lieber diesen
Vorschlag des Vice-Kapellmeisters .wurde auch eine gutachtliche
Aensserung des Hofiriusik-Oberdirectors FerdinandErnstGraf
MoUart^ vorgelegt. Seine Vorschläge liefen im wesentlichen
darauf hinaus, dass vor allem die Bezahlung der Besoldungen
richtig und pünktlich erfolge, und deshalb ein eigener Fundus
bestinunt werde; die Musiker sollen nicht wie bisher aus verschie-
denen Kassen, sondern in Zukunft nur aus einer und derselben
Kasse — dem Hofzahlamte — ihre Besoldungen erhalten; nicht
allein die Zahl der Musiker soll vermindert, sondern auch ihre
öfter exorbitanten Besoldungen sollen restringiert werden ; Scho-
1 3. Sept. 1711. Beil. IL 27. « Beil. IL 28. 3 1712. Beil. IL 30.
F u X wird Vice-Hofkapellmeister. 7 5
laren sollen nur aufgenommen werden, wenn sie entschiedenes
Talent besitzen ; der Termin der Entlassung der bis dahin Ange-
stellten soll auf den 1. Oetober festgesetzt, doch auf verdiente
Musiker, ihre Witwen und Waisen Bedacht genommen werden.
Nach der beigegebenen Liste der neu Anzustellenden und der zu
Pensionierenden fielen wohl eine ziertiliche Anzahl der frllher An-
gestellten bei der Reformierung der Kapelle aus, viele aber fielen
wieder der Pensionierung zu, und das Budget der gesammten Hof-
kapeUe betrug nach diesem Vorschlage * noch immer die beträcht-
liche Summe von 99.227 Gulden. Es war jedenfalls ein löbliches
Bemühen der Regierung , Ordnung in das Ordnungslose zu brin-
gen, was aber die Herabminderung des Ausgabenbudgets und
der Zahl der Angestellten betriflft, so stellte sich diese Erwartung,
wie schon oft früher und später, als illusorisch heraus ; die grosse
Oper übte ihre verfllhrerischen Reize; kostbare Sänger und
Sängerinen wurden engagiert und die Instrumentalmusik musste
mit den gesteigerten Anforderungen Schritt halten , wie dies die
Geschichte der Entwicklung der Hofkapelle zeigen wird.
An diesem Orte ist zuerst der Veränderungen zu erwähnen,
welche gelegentlich der Reformierung bei der Leitung der Hof-
kapelle Platz griffen. Die Hofcompositoren Giov. Batt. Bonon-
cini und Pietro Franc. Tosi, so wie der Kammercompositor
Franz Daniel Thalmanir wurden 1711 pensioniert. An die
Stelle des 1709 verstorbenen Antonio Pancotti trat mit
1. Jänner 1712 Marc Antonio Ziani als neu ernannter Hof-
kapellmeister, und dessen verlassenes Amt als Vice-Hofkapell-
meister wurde mit Entschliessung vom 26. Jänner 1713 dem bis-
herigen Hofcompositor JohanuJosefFux übertragen.
Nach den Normen der eben in der Einführung begriffenen
•Reformierung war der Gehalt des Vice-Kapellmeisters auf 1600 fl.
festgesetzt, undFux, dem noch im letzten Regierungsjahre des
vorigen Kaisers Josef I.* eine Gehaltaufbesserung von 1440 fl. auf
2000 fl. zuerkannt worden war, musste neben der ehrenvollen
Rangserhöhung dadurch einen empfindliehen Rückgang seines
Gehaltes erfahren. Es muss aber auch von Seite des Hofes diese
Zurücksetzung eines Mannes von so anerkanntem Verdienste auf-
» Beil. II. 31. ^ 22. März 1711. Beil. II. 4.
76 F u X , Hofkapellmeister der Kaiserin W i 1 b. A m a 11 e.
gefallen sein ; denn es werden nach mehreren Richtungen Bemü-
hungen erkennUar , Fux in anderer Weise fllr seinen pecuniären
Verlust am Gehalte schadlos zu halten. Zuerst wurde in seinem
Anstellungsdecrete vom 13. Jänner 1713 bestimmt, dass ihm
sein neuer Gehalt vom 1. October des Jahres 1708 — also mehr
als 4 Jahre nach rückwärts — von dem Hofzahlamte ohne Abbruch
des ersten Quartals ausbezahlt werde. Dies konnte \aelleicht
zugleich eine Entschädigung fUr die durch mehrere Jahre unor-
dentlich erfolgte Besoldung sein; allein ein anderes Zeichen
kaiserlicher Gnade , welches keinen Zweifel über den Character
einer Schadloshaltung übrig lässt, war seine gleichzeitige Ernen-
nung zum Kapellmeister der Kaiserin-Witwe Wilhelmine
Amalie (nach Kaiser Josef I.) , womit ein Gehalt von 1500 fl.
verbunden wurdet während vor und nach Fux nur Musik-
Directoren, wahrscheinlich mit geringeren Gehalten an dieser
Kapelle angestellt wurden.
Neben der Hofkapelle, des regierenden Kaisers bestanden
nämlich bei Hofe auch zwei kleinere Kapellen der Kaiserinen
Witwen. Jener der Kaiserin Eleonora Margaretha, Witwe
nach Kaiser Leopold I. seit 5. Mai 1705, erwähnt J. J. Fux* nach
dem Tode der Kaiserin (19. Jänner 1720) in einem Gutachten
vom 3. August 1720, über ein Gesuch des Matthias Oettl „nach-
gelassenen Kaiserin Eleonorischen Kapellmeisters". — In der
Kapelle der Kaiserin -Witwe Amalie nach Kaiser Josef I. seit
17. April 1711 war Fux selbst durch sechs oder sieben Jahre als
Kapellmeister angestellt. In den Hofkalendem, deren ältester vom
Jahre 1714 im kais. geh. Haus-Hof- und Staatsarchive sich be-
findet, wird Fux bereits als Hofkapellmeister aufgeführt. Seine
Anstellung muss aber weiter zurück datieren, wenigstens in das
Jahr 1713, da der erwähnte Kalender Anfangs des Jahres 1714
bereits gedruckt ausgegeben sein musste. Dazu kommt noch, dass
Fux im Jänner 1713, bei der Reorganisation der Hofkapelle zwar
zu der Stelle des Vice-Hofkapellmeisters vom Hofcompositor a\'an-
cierte, allein statt seines früheren Gehaltes von 2000 fl. auf 1600. fl.
herabgesetzt würde. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass Fux,
^ Vortrag des Oberst-Hofmeisteramtes 7. Febr. 1715. Beil. IL 6.
2 Beil. VI. 50.
Marc Antonio Ziani. 77
der bisher ein immer erhöhtes Einkommen vom Hofe bezog, bei
dieser letzten Herabmindernng durch die Anstellung als Kapell-
meister der Kaiserin Amalie entschädigt wurde ^ Nach denselben
•
Hofkalendem erscheint Fux noch im Jahre 1718 als Hofkapell-
meister der Kaiserin Amalie, yom Jahre 1720 aber sein Nach-
folger der Hof-Musikdirector Heinrich Holzhauser. Da
der Kalender von 1719 mangelt, so muss Fux auf seine Stelle
als Kapellmeister der Kaiserin Amalie entweder 1718 oder 1719
resigniert haben, was begreiflich erscheint, da er 1715 Hofka-
pellnleister des Kaisers wurde und bei der Zntheilung seines
neuen Gehaltes von 2500 fl. und 600 fl. Adjuta*, diese Erhöhung
wegen ^er früher „doppelt genossenen Hofbesoldung^ von 1600
und 1500 fl. angetragen wurde. Es scheint daher zugleich, dass
Fux als wirklicher Hofkapellmeister des Kaisers keine weiteren
BezUge wegen der Functionen als Kapellmeister der Kaiserin
Amalie mehr genoss.
Zum Hofmusikstaat der Kaiserin gehörten durchschnitt-
lich 28 Angestellte: 1 Kapellmeister, 1 Organist, 1 Sopranist,
1 Contraaltist, 2 Tenoristen, 2 Bassisten, 4 Violinisten, 1 Violonist,
1 Violoncellist, 2 Trombonisten, 1 Fagottist, 1 Cornettist, 1 Par-
tituren-Austheiler, 1 Diener, 8 Ripienisten. Allerdings eine kleinere
Kapelle, welche bei der Zurückgezogenheit der Kaiserin- Witwe
wohl nur in der Kirche Dienste zu leisten hatte. Näheres über die
Leistungen dieser Kapelle ist nicht bekannt.
In den Jahren 1713 uhd 1714 war daher Fux zu gleicher Zeit
Vice-Hofkapellmeister des Kaisers , Kapellmeister der Kaiserin-
Witwe und Dom-Kapellmeister von St. Stephan iii Wien.
Ausser den früher erwähnten Hofcompositoren ist hier noch
die Thätigkeit des eben ernannten kais. Hofkapellmeisters Marc
Antonio Ziani und des ausgezeichneten Organisten und Ka-
pellmeisters am Dome zu Venedig Antonio Lotti in Betracht
zu ziehen , welche in dieser Periode durch ihre Compositionen für
Wien hervorragen.
Marc Antonio Ziani, geboren zu Venedig um 1653, ge-
storben zu Wien 22. Jänner 1715, 62 Jahre alt. Er war ein Neffe
des Priesters und berühmten Organisten PeterAndreas Ziani,
1 Beil. n. 6. 2 Eb.
78 Antonio Lotti.
der durch mehrere Jahre Kapellmeister der Kaiserin - Witwe
£lisabeth (nach Kaiser Ferdinand IIL) war und im Anfange des
Jahres 1669 nach Italien zurückgieng^ Marc Antonio Ziani
hatte 1698 das Oratorium II Giudizio di Salomone dem Kaiser
Leopold L zugeeignet, wurde nach Antonio Drag hi's Tode und
der Vorrückung Ant. Pancotti's in die Kapellmeistersstelle am
1. April 1700 zum Vice - Kapellmeister und am 1. Jänner 1712
zum Hofkapellmeister ernannt. Seine musicalische Thätigkeit als
Componist von Opern und Oratorien hatte schon in Venedig um
1679 begonnen*, am Hofe in Wien gelangten* von 1700 bis 1714
von ihm 7 Opern, 5 Serenaden und 10 Oratorien zur Aufführung.
In den Messen und zahlreichen Kirchencompositionen zeigte er
sich als tüchtiger Gontrapunktist , was ihm auch in den Oratorien
wohl zu Statten kam, unter denen das oben erwähnte Giudizio di
Salomone durch Feuer und glückliche Auffassung der Charactere
sich auszeichnet. In minderem Grade ist dies in seinen Opern und
Serenaden hervortretend, wo sich manche veraltete Manier breit
macht und wenig Interesse des Zuhörers zu. erregen vermag.
Vielleicht hat er seinen ausgezeichneten Ruf, der ihm von Venedig
vorausgieng, dem reicheren Gehalte seiner früheren Compositi-
onen zu danken, die hier nicht bekannt sind.
Antonio Lotti, Organist und später Kapellmeister am
Dome von S. Marco in Venedig*, war aus der Schule des be-
rühmten Giovanni Legrenzi als dessen hervorragendster
1 K. k. Hofbibl. Mpt. 7654. pag. 38. *
^Gerber führt von seinen früheren CompoBitionen an vom Jahre
1679 Alessandro magno in Sidone. — 1680 La Sinfa bizarra. — Alcibiade.
— 1683 Damira placata und La Virtü mblimata dal Grande, — 1685 Ttdlo
OMio, — 1688 Inganno regnante, — 1689 // gran Tamerlano^ — 1690 Cremite.
— 1691 Fahirena. Amante Eroe. Marte deluso und La Virtü trionfante, —
1693 Rosalinda. — 1694 Amor figlio del merito und La Moglie nemica. — 1696
La finta Paztia <f Ulisse. Domizio und Costanza in Trionfo. — 1697 Odoardo.
II Giudizio di Salomone nnd Egisto, — 1699 Amori tra gli odi und // Teodosio.
— 1700 Duello damore e di Vendetta.
3 Die Opern Beil. VIII. 376. 386. 396. 403. 425. 460. 507. — Die Ora-
torien 380. 400. 414. 430. 443. 456. 470. 480. 485. 499. — Die Serenaden
411. 422. 423. 463. 506.
^ £r war 1667 geboren, um 1684 Legrenzi^s Schüler, von 1693 Orga-
nist und von 1736 bis zu seinem 1740 erfolgten Tode Kapellmeister am
Dome von S. Marco in Venedig. (Dommer Musikgeschichte.)
Antonio Lotti. 79
Zögling hervorgegangen. Er hatte, wie die meisten Italiener jener
Zeit, für die. Kirehe, Kammer und Bühne gearbeitet, worin er wie
sein Vorbild AlessandroScarlatti, Wahrheit der Empfindung,
Lebhaftigkeit des Ansdrucks mit contrapunktischer Gelehrsamkeit
verband. In Wien machte er sich durch seine berühmt gewordenen
Duetti, Terzetti e Madrigali bekannt, welche er 1 705 in prächtiger
Ausgabe dem Kaiser Josef I. widmete. Es sind dieselben, aus
denen Ginseppe Bononcini das letzte Madrigale a cinque
In una siepe umbrosa in England fllr seine Composition ausgab.
— In Wien wurden von Lotti die Oratorien // Vota cmdele im Jahre
1712 (Beil. VIH 489) und UVmiltä coronata 1714 (508), dann
auch 1716 die grosse Oper Costantino (522) gegeben, wozu Fux
die Ouvertüre, Caldaradie komischen Zwischenacte schrieb.
Wenn das dramatische nicht an seine Kirchen- und Kammercom-
positionen reicht, weil ihm die Kraft in Darstellung stärkerer
Affeete versagte , so wird man doch nirgends die Mannigfaltigkeit
in Erfindung von Melodien, die Eleganz der Form und die durch
die contrapunktisehen Studien bedingten harmonischen Führungen
vermissen; so wie der Meister des Gesanges auch in ausgedehn-
teren Coloraturen nirgends zu verkennen ist.
VI.
Kaiser Karl Tl. und sein Hof (1712-1740) — Fnx wird kaiserlicher
UoflEapellmeister (1715) — Seine mnsicalische Thätigkeit (1714—1716)
— Darstellung seiner <^er Angelica (1716) — Ant* Oaldara, Tiee«
HollRipellmeister (1716—1786)— Die Hofeompositoren Franeeseo Conti
(1718—1782) — «inseppe PorsUe (1720-171
Ein glücklicher Feldzug in Spanien war eben (1710) been-
det, als König Karl III. von Spanien durch den Tod seines
BruderS; des Kaisers J o s e f I. genöthigt war, nach Deutschland
und in seine Erbstaaten zurückzukehren. Nachdem er 22. Decem-
ber 1711 in Frankfurt als römischer Kaiser Karl VI. * gekrönt
worden war, hielt er am 26. Jänner 1712 seinen Einzug in Wien,
das von dieser Zeit an seine bleibende Residenz wurde. Er nahm
hinfort auch keinen persönlichen Antheil mehr an den kriegeri-
schen Unternehmungen und widmete seine fiegententhätigkeit
nur den Künsten des Friedens. Das Glück schien ihn mit allen
Oaben bedacht zu haben , welche es seinen Günstlingen aufbe-
wahrt. Er hatte einnehmende Gesichtszüge, eine edle Haltung
und ein gewnnendes Wesen. Schon in früher Jugend bewunderte
man die Sanftmuth seines Characters, die Klarheit seines Ver-
standes , mit welchem er seinem Studium sich hingab. Er besass
das ernste, abgemessene Wesen seines Vaters, weshalb er auch
dem Herzen desselben theuer war \ Äpostolo Zeno entwirft
in einem Briefe vom 20. December 1722^ an seine Freunde in
Italien folgende Characteristik von ihm : „Ein Brief ist nicht im
Stande, die Würdigung meines Monarchen zu fassen. Sein grosses
Herz , geschmückt mit jeder Tugend , kann man nie in seinem
ganzen Umfange vollständig erkennen, und könnte man es, so
vermöchte man es nie genug zu bewundem und zu lieben. — Ich
erwähne hier nur, dass er in litterarischen Dingen bis auf den
1 Geboren 1. Oct 1685. 2 Arneth, Prinz Eugen. I. 23. 3 Let-
tere. III. 361.
Karl VI. und sein Hof. 81
Onind dringt^ and sein Gedächtniss ist so tren, dass ich öfter
darüber erstaunt war. Unter anderen erinnere ich mich, dass
als wir eines Tages im Gespräche auf die stoische Philosophie
kamen, er mir ihre Vorzüge herzählte und die Mängel der anderen
Ethiker bemerkte , indem er die Beweisesstellen mit den eige-
nen Worten des Epictet und Seneca anführte , dass ich meinte,
er müsse diese Schriftsteller absichtlich eben erst studiert haben,
während er mir versicherte, es seien bereits vierzehn Jahre, dass
er sie nicht in der Hand gehabt habe. Ausser seiner Muttersprache
spricht er vollkommen latein, italienisch, französisch, castillanisch
und catalonisch; bewahrt sein Seich einen dauernden Frieden,
so werden Künste und Wissenschaften einen kaiserlichen Be-
schützer an ihm haben. ^ — Der. Kaiser war auch persönlich
einer der emsigsten Arbeiter : nichts glich der Aufinerksamkeit,
womit er die ihm vorgelegten Berichte durchgieng und sie oft
mit seitenlangen Bandglossen yersalf K
Wie sehr dem Kaiser die Förderung der Wissen-
schaffen in Oesterreich am Herzen lag^ hatte er auch durch
die Berufung des Historiographen und Poeten Apostolo Zeno
bewiesen, femer durch seine Bemühungen, den Philosophen
Leibnitz fttr Oesterreich wegen Gründung einer „Socieföt" der
Wissenschaften in Wien zu gewinnen, welcher Plan zwar nicht
zur Wirklichkeit wurde, den Kaiser aber nicht hinderte, Leibnitz
als Anerkennung seines wissenschaftlichen Verdienstes zum
Reichshofrath mit einer Pension von 2000 Gulden zu ernennen
und in den Freiherrenstand zu erheben'. Seiner besonderen
Gunst erfreuten sich femer die beiden gelehrten Geschichts-
forscher Bernhard^ und Hieronymus Pez^, Conventualen
des Benedictinerstiftes Melk, mit denen ebenfalls wegen einer
1 Arneth, Prinz Engten. III. 156. * < Unter den Förderern des Planes
zur Societ&t der Wissenschaften g^ehOrte auch Prinz Eugen, der 1714 in
ein näheres V erb<niss zu Leibnitz getreten war. (0 1 1 o K 1 o p p. Archiv für
österr. Gesch. XL. p. 154—255.') Prinz Eugen bewahrte das Manuscript der
li Monadologie^ j das Leibnitz eigens für ihn aufgesetzt hatte, wie ein Kleinod
in einem besonderen Kästchen. (A r n e t h , Prinz Eugen. III. 60 f.) ^ Geb.
22. Febr. 1683 zu Ips, gest. 27. März 1735. ^ Geb. 24. Febr. 1685, gest.
14. Oct. 1762. Ueber ihr Wirken schreibt J. F. Keibiinger, Gesch. des
Benedictiner Stiftes Melk. I. 966 ff.
Köeh9l, J. J. Fox. 6
82 Karl VI. und Bein Hof.
Academie der Wissenschaften berathen wurde. Die Vennehrung
der kaiserlichen Bibliothek unter seinem verdienten Bibliothekar
Gentilotto* war nicht minder ein Gegenstand seiner Vorsorge
und durch den Prachtbau der Hofbibliotbek wurde nebst der An-
erkennung des Werthes wissenschaftlicher Werke zugleich eine
Zierde der Hauptstadt geschaffen , welche diesem Kaiser ausser-
dem eine Reihe von Monumentalbauten verdankt.
Gleich seinem Bruder Josef I. hielt Kaiser Karl VI. einen
glänzenden Hofstaat. Ein Blick in das bewegte Treiben des
damaligen Lebens am Hofe ist ausser dem allgemeinen cultur-
historischen Interesse auch für die musikgeschichtliche Entwick-
lung in Oesterreich von Belang.
Der jährliche Wechsel des Hofhaltes in der Burg, in Laxen-
burg und in der Favorita wurde regelmässig eingehalten , indem
man gegen Ende April nach Laxenburg, Ende Juni in die Favo-
rita^ Ende October in die 6nrg übersiedelte. Damit zusammen
Mengen auch die Darstellungen der verschiedenen musicalischen
Productionen, je nachdem einGeburts- oder Namensfest mit einem
oder dem anderen Aufenthaltsorte zusammenfiel. — lieber einige
Verhältnisse bei Hofe und in den höheren Kreisen der Gesell-
schaft schreibt der feine Beobachter Baron Ludwig Pöll-
nitz^, der in den Jahren 1719 und 1729 sich länger in Wien
bewegte: ^Man findet an diesem Hofe mehr Annehmlichkeiten,
als in Paris und London, was die Leichtigkeit betrifft, Bekannt-
schaften zu machen. Hat man sich bei Hofe vorgestellt, und ist
nur in einem einzigen Hause eingeführt , so ist man es auch bald
in allen andern, und hat den Vortheil, dass man dort überall
deutsch, französisch, italienisch und spanisch spricht; deutsch
kann man leicht entbehren. Die Minister und grossen Herren am
Hofe sind höflich und anständig, auch leicht zugänglich. Der
Kaiser ist in der öffentlichen Erscheinung ernst und scheint denen
streng, die ihn nicht näher kennen. Dessungeachtet ist er leicht
umgänglich und herablassend. Spricht man mit ihm, so hört er
aufmerksam zu und antwortet mit vieler Güte." Das prächtige
Theater in der Burg hebt auch er hervor.
lApost. Zeno, lettere. III. p. 20. 2 Mömoires. Nouv. 6dit. 1734.
III. p. 287 flf.
Karl VI. und sein Hof. 83
Zu den bedeatendsten nächisten Umgebungen des Kaisers,
welche zugleich die Hauptmittelpunkte der Geselligkeit yorstellten,
gehörten ausser den unter Kaiser Josef I. erwähnten Personen
Graf Friedrich Karl von Schönborn, Reichs-Vicekanz-
1er, ein Mann von ungemein bestechenden Umgangsformen. Nie-
mand glich ihm in Wien an forstlichem Aufwände und Entfaltung
glänzendster Pracht ; allgemein pries man den Geschmack seiner
Bauten und den Luxus bei zahlreichen Festen K — Prinz Eugen
kannte keine willkommenere Erholung von seinen zahlreichen
Geschäften, als die Gesellschaft eines Kreises von Fi'eunden,
unter denen die Gräfin Batthyany, des geistvollen Hofkanz-
lers Strattmann gleichbegabte Tochter, den ersten Rang ein-,
nahm, in deren Cirkel er niemals zu fehlen pflegte*.
Im Winter und zur Faschingszeit kamen ausser den Hof-
bällen regelmässig komische italienische Opern, Bur-
lesken des Adels und Maskeraden an die Reihe, wobei die
Faschingswirthschaft oder Bauernhochzeit niemals
fehlen durfte , in welcher der Kaiser den Wirth zum schwarzen
Adler, die Kaiserin die Wirthin vorstellte. Aehnliche Costüme-
bälle fanden auch bei den Gesandten der fremden Mächte und
bei verschiedenen hohen Würdenträgern statt. Ebenso erhielten
sieh aus früheren Zeiten die prachtvollen Schlittenfahrten, als
eine willkommene Gelegenheit, in Pferden, Schlitten und Gefolgen
einen reichen Prunk zu entfalten.
Mit besonderer Vorliebe trieb der Kaiser die Jagd, das
Scheibenschiessen und mehr noch als beides die Musik. Fuchs-
prellen , Dachshetzen , Jagden auf Wildschweine, Hirsche und
anderes Rothwild, Fasanen, die Reigerbeizen, ein Hauptzweig der
eifrig betriebenen Falknerei , werden in regelmässiger Folge das
ganze Jahr hindurch gepflegt , auch Bären und Wölfe bisweilen
in den nächsten Umgebungen Wiens gefällt, wobei die Kaiserin
den Kaiser gewöhnlich begleitete ^.
1 A rn e t h , Prinz Eugen. II. 358. « A r n e t h , Prinz Eugen. III. 39. f.
3 Den Freunden des Jagdsports sei aus dem Wiener Diarium Jener
Zeit mitgetheilt, dass 1713 ein Bär im Erdbergermoos, 1715 ein solcher in
Hntteldorf und 1717 einer bei Gainfarn gefällt, und 1733 sechs Wölfe bei
Laab erlegt wurden.
6*
84 Karl VI. und sein Hof.
Das Vergnügen des Scheibenschiessens, das in der Bnrg, in
der Favorita, in Laxenburg und Schönbrunn durch das ganze Jahr
sich oft wiederholte, wurde ebenfalls von der Kaiserin getheilt
und diese hielt mit den Damen auch besondere Sehiessen ab,
welche ^^Frauenzimmerschiessen" genannt wurden, und woran
die Herren keinen Antheil nahmen.
Die Kaiserin Elisabeth aus dem Hause Braunschweig-
Wolffenbüttel entwickelte sich nach ihrer Vermählung (damals
16 Jahre alt) zu einer der sch()nsten und edelsten Frauen ihrer
Zeit. Lady Mary Wortley - Montague sagt von ihr^*
„Wenn sie lächelt, so geschieht dies mit solchem Liebreiz, dass
sie in der That zur Anbethung zwingt. Um von ihrer Gestalt zu
reden, muss die Sprache der Dichter zu Hilfe genommen werden.^
So wie sie durch ihre äussere Erscheinung bezauberte, so wusste
sie auch durch Bildung des Geistes und seltene Eigenschaften des
Gemttthes dauernd zu fesseln. In Wien, wie in Barcelona, wohin
sie ihrem Gemahle in den Krieg gefolgt war, hatte sie alles in
Enthusiasmus versetzt K
FöUnitz sagt (Mäm. 1. c. Lettre XU.) von ihr: „die Kaiserin
ist wahrhaft fromm ohne Gepränge, wohlthätig und grossmtlthig.
Die Erzherzoginen , ihre Töchter erzieht sie äusserst sorgfältig ;
die älteste Erzherzogin, Maria Theresia wird mit Aussicht
auf den Thron erzogen. Sie hat viele Aehnlichkeit im Aeusseren
mit ihrer Mutter, möge sie ihr auch in ihren Tugenden gleichen^^
• Die ausgesprochene Neigung des Kaisers fllr Musik war
nicht nur im väterlichen Hause K. Leopold I. geweckt und genährt
worden, sondern wurde auch durch seine natürliche Anlage zu
dieser Kunst wesentlich unterstützt. Er hatte gründlichen Unter-
richt darin erhalten, spielte selbst Ciavier, „wie ein Professor mit
Meisterschaft^ ' und versuchte sich auch in der Composition, von
welcher eine Probe, ein gutgearbeitetes Miserere für vier Sing-
stimmen und Begleitung ' in der kaiserlichen Hofbibliothek sich
befindet, und das gewöhnlich am Freitage nach dem Aschermitt-
woche in der Hofkapelle gegeben wurde*. Da er euch mitFertig-
1 Im Jahre 1726. Letters. p. 29. ^ Arneth, Prinz Engen. U. 181.
^Apost. Zeno, Lettere. III. p. 446. ^Kil. Beinhardt, Ruhr. gen. in
Köchel, Hofmusikkap. p. 137.
E a r 1 VI. und sein Hof. 8 5
keit Partituren las, so stellte er sich wiederholt an die Spitze des
Orchesters nnd dirigierte am Ciavier mehrere Opern, so die Oper
Euristeo von Caldara und Elisa von Fax.
Ueberall bei Krönungen, Huldigungen, Regentenreisen in
Prag , Presburg , Linz , Gratz, Brttnn u. s. w. musste nicht blos
wegen kirchlicher Functionen, sondern auch wegen theatralischer
Darstellungen die treffliche Hof-Musikkapelle zur Hand sein, um
den Grlanz ' der Feste zu erhöhen. In Wien war dies begreiflich
in erhöhtem Masse der Fall, wo die Oeburts- und Namensfeste
der regierenden Majestäten, die Vermählungen und ähnliche Ver-
anlassungen niemals ohne grosse Opern oder kleinere Serenaden
und Cantaten vortlbergiengen.
In der Oper und Comödie, schreibt PöUnitz (M6m. V. 44 f.),
sitzen die Majestäten im Parterre, der Kaiser nimmt den ersten
Platz ein, die Kaiserin ihm zur Linken, die Erzherzoginen in
gleicher Reihe. Alle diese Mitglieder der kaiserlichen Familie
m
haben Lehnstühle derselben Grösse und Höhe mit einem Gueri-
don rückwärts, auf welchem ein Kerzenleuchter steht.
Es war dem Kaiser besonders angenehm, wenn seine eigenen
Töchter, die Erzherzoginen Maria Theresia und Maria
Anna im Ballete mitwirkten und oft auch selbständig eigens
flir sie compoüierte Cantaten * ihren Eltern vortrugen. Diese viel-
fachen Anregungen waren auch bei dem übrigen Hofe und den
ersten Familien des Reiches nicht ohne Einfluss geblieben , denn
wenn der Kaiser einige von ihnen auf ihren Landsitzen besuchte,
so wusste man ihn nicht besser zu ehren und zu vergnügen , als
durch eine mit Musik verbundene Darstellung '. Der Adel betrieb
mit Eifer nicht blos Vocalmusik, sondern auch die verschiedensten
Instrumente , so dass die Oper Eurüteo ausschliesslich von Per-
sonen des höchsten Adels in den Singparten ebensowohl, als der
ganzen Orchesterbegleitung bei Hofe gegeben werden konnte.
Ungeachtet der bei der Reformierung der Hofkapelle im
Jahre 1711 eingetretenen Verminderung des Personenstandes der
Hofkapelle bis 86 steigerte sich der Bedarf bei der grossen Ent-
wicklung der Oper so sehr, dass in beständigem Zunehmen begriffen
im Jahre 1723 der Stand der Hofmusiker bis 134 sich erhob und
1 Vergl. Beil. VIIL 669. 672. 685. 726. 732. 735. 739. « Beil. VUI. 701.
86 Karl VI., Hofkapelle.
bis zum Jahre 1 740 niemals weit davon entfernte. Für die Oper
wurden die besten Sänger und Sängerinen aus Italien unter
glänzenden Bedingungen berufen und mehrere davon auch bleibend
an der Hofinusikkapelle angestellt. Die Instrumentalmusik hatte
schon Mher den Ruf einer der vorzüglichsten in Europa errungen
und der Kaiser war bemüht , die alternden Kräfte durch junge,
gutgeschulte aufzufrischen: der Teorbist Francesco Conti,
die Organisten J. G. Muffat, J. Franz Neubauer, die
Violinisten Nie. Matteis, Angelo Ratas^zi, Giov. Ant.
Piani, der Violoncellist Giov. Perroni, der Cimbalist Max
Hellmann, die Oboisten in der Familie Gl ätz 1, die Posauni-
sten der Familie Christian konnten sänimtlich als Virtuosen
ersten Ranges gelten, vieler anderer nicht zu gedenken, die in
anderen Kapellen als erste Meister ihres Instrumentes betrachtet
worden wären. Ebenso war der Kaiser ungeachtet mehrfacher
Fehlgriffe in den Personen immer wieder bedacht, für die Aus-
bildung junger Talente durch das Institut der Hofscholaren
öfter mit grossen Opfern Sorge zu tragen. Von der Ueberzeugung
ausgehend, wie viel bei einer. so grossartigen Kunstanstalt, um
das präciseZusanunenwirken zu erzielen, von der obersten Leitung
durch einen oharacterstarken und kunsterfahrenen Mann abhänge,
schenkte der Kaiser sein wohlbegrttndetes Vertrauen ohne zu wan-
ken bis an das Ende seines Lebens seinem hochverdienten und be-
rühmten Hofkapellmeister Fux, welcher ungeachtet seiner
weit vorgerückten Jahre und chronischen Leiden den Ruhm der ihm
anvertrauten Kapelle zu bewahren verstand. Ihm würdig zur
Seite stand als Vicekapellmeister und Componist Antonio Cal-
dara, ein Mann von seltener Begabung und Schlagfertigkeit,
welcher die hohe Gunst des Monarchen mit Francesco Conti,
seinem ebenbürtigen Eunstgenossen, theilen durfte.
Der tüchtige Hofkapellmeister Marc Antonio Ziani war
am 22. Jänner 1715 gestorben, es lag daher nahe, dass sein
bisheriger Vicekapellmeister J. J. Fux, der bereits von drei
Kaisem mit Auszeichnung behandelt worden war, sich um die
erledigte Stelle in Competenz setzte. Das Referat des Oberst-Hof-
meisteramtes vom 7. Februar 1715^ theilt die Verhandlung über
1 Beil. n. 6.
F u X wird Hofkapellmeister des Kaisers. 8 7
die Verleihung in folgender Weise tfiit: „Ener kais. Majestät
Vicekapellmeister Johann Josef Fax bittet, anstatt des ver-
storbenen Marco Antonio Zfani als Euer kais. Majestät
wirklicher Kapellmeister aufgenommen zn werden mit der beson-
deren allerhöchsten Gnade, dass, wie er jetzt von Ener kais.
Majestät als Vicekapellmeister jährlich 1600 fl. und nebstbei als
Ihrer Majestät der verwittibten Kaiserin Amalie Kapellmeister
andere 1500 fl., also in allem zn wirklicher Hofbesoldnng 3100 fl.
angewiesen hat, also ihm solche bei der allerh()chst beliebten
Aufnahme als Ener kais. Majestät Kapellmeister allermildest
gewährt werden möchten. Nun sind Euer kais. Majestät des
Snpplicanten Person, Capacität nnd Merita also bekannt, dass
man derentwegen auch das geringste femer zu allegieren für
Überflüssig hält^ daher es bei dessen allergnädigst resolvierten
Aufnahme blos aof die ihm dabei zuzulegende Hofbesoldung
ankommt. In Betracht, dass desselben gegenwärtig genossene
doppelte Hofbesoldung 3100 fl., also um 600 fl. mehr Ji)eträgt als
die alleinige ordinäre Kapellmeisterbesoldung von 2500 fl. und
solchergestalt bei der ihm widerfahrenden kais. Gnade der
wirklichen Aufnahme mit der bisherigen Kapellmeisterbesoldung
ihm in utili jährlich 600 fl. entgiengen, so räth der Obersthof-
meister, dass im Falle der Aufnahme ihm 3100 fl. bewilligt wer-
den könnten, wovon aber wegen übler Gonsequenzen nur 2500 fl.
als Besoldung, 600 fl. als A^juta nicht auf den Dienst , sondern
fttr die Person ausgeworfen werden sollten.
Des Kaisers eigenhändige Resolution lautete :
„Placet"
Carl m./p.
Demg^näss erhielt Fux die Ausfertigung seines Anstellungb-
decretes vom 8. März 1715*, nach welchem er von den 600 fl.
Adjuta den üblichen Abbruch des ersten Quartals sich gefallen
lassen sollte, wovon ihn aber das spätere Decret vom 18. März
1 7 15 * dispensierte.
lieber die feierliche Vorstellung des neuen HofkapeUmeisters
bei seiner Hofkapelle enthält das Wiener Diarium vom 16. Hor-
nung 1715' folgenden ungewöhnlich ausführlichen Artikel*
1 Beil. n. 8. 2 Beü. IL 9. » Beil. n. 7.
88 Fux, Hofkapellmeister des Kaisers.
^Nachdem bekanntermasSen der kais. Kapellmeister, Herr
Marco Antonio Ziani dahier mit Tod abgegangen, als
haben Ihre römisch-kaiserliche und katholische Majestät Dero
Vicekapellmeister, dann Ihrer Majestät der letztverwittibten
Kaiserin Wilheltnina Amalia Kapelhneister , Herrn Jobann
Joseph Fuchs (sie) die erledigte Kapellmeisterstelle in aller-
mildester Ansehung seiner langwierig- und unermttdet-. treuge-
horsamst-geleisteten Dienste, wie nicht weniger in der Musik-Kunst
erlangten fUrtrefflichen Erfahrenheit allergnädigst aufgetragen,
welchemnach allerhöchst- gedacht - kaiserlich und Katholischer
Majestät wirklicher Geheimer Rath und Obristhofineister, Ihre
Durchlaucht, Herr Anton Florian, des heil, römischen Reichs
Fttrst von und zu Liechtenstein, Herzog zu Troppau
und Jägemdorf, Ritter des goldenen Vliesses und Grand von
Spanien erster Glasse , den neuen Herrn Kapellmeister nach zu-
Tor abgelegter Eidespflicht den gesammten Herrn Hofinusicanten
g^wöhnlichermaassen vorgestellet.^
Aus dem entschiedenen Tone, welchen der Obersthofmeister
in seinem Referate anschlägt, lässt sich entnehmen, dass er die
Beförderung del^ Mannes von so bekannter Capacität und solchen
Meriten zum Hofkapelhueister als eine unzweifelhafte Sache an-
nahm. Damit hatte nun Fux die ehrenvollste Stellung erreicht,
die zu jener Zeit ein Künstler erreichen konnte. Noch ehrenvoller
ftlr ihn erscheint sie dadurch, dass er sie seinem Verdienste zu
verdanken hatte , das schwierigere, sich darin mit Ehren zu be-
haupten, erwartete ihn erst noch — und wie die Erfahrung lehrte,
wusste er sich mit allen Ehren zu behaupten.
Von der Auffassung seiner Stellung g^ben das reichhaltigste
^eugniss die zaldreichen Gutachten, welche er als Hofkapell-
meister von 1715 bis 1740 ttber die ihm untergebenen, oder die
erst anzustellenden Musiker oder ihre Angehörigen an das Oberst-
Hofmeisteramt zu erstatten hatte. Den Geist des Pflichteifers, der
Ehrenhaftigkeit und Humanität, welcher sich darin ausspricht,
werden wir am Schlüsse seines Kapellmeisteramtes näher kennen
zu lernen Gelegenheit haben.
Wenn wir wieder zur Chronik seiner musicalischen Thätig-
keit zurückkehren, so haben wir aus dem Jahre 1714 die Sere-
F u x^ Oper Angelica. 8 9
nade Dafne in Lauro, Text von P. Pariati ^ und das ausgezeich-
nete Oratoriam La Fede sacrüega nella morte del precursor
S. Giovanni Battista ^ Text desselben Verfassers naehzntragen. In
das Jahr seiner Ernennung zum Hofkapellmeister (1715) fielen
nach den Texten P. Pariati's die Serenade Orfeo ed Euridice^
nebst dem energischen Oratorium La Donna forte nella madre de'
sette Maccabei^.
Im Jahre 1716 sind die beiden Oratorien // Trionfo della
fede^ und // Fonie della saluie aperto dalla grazia del Calvario^j
ausserdem die Ouverttlre zu A. Lotti's Oper CosianHno',
endlich seine eigene grosse O^er Angelica vincitrice d'Alcina^
■
Text von P. Parjati zu verzeichnen, welche letzte in der Favo-
rita mit vielem Prachtaufwande gegeben wurde.
Die grösseren musicalischen Feste/ welche in die Zeit des
Aufenthaltes des Hofes in der Favorita fielen, wurden gewöhnlich
im Freien in dem weitläufigen Parke dieses Schlosses abgehalten,
wozu meistens auch ein ansehnlicher Teich benutzt wurde, der
zur Entwicklung von überraschenden Decorationen, Maschinerien,
Seegefechten und Femsichten die passendste Gelegenheit both.
Es ist interessant, die gleichzeitige Schilderung des Eindruckes
eines solchen Festes von einer gebildeten englischen Dame
darüber zu vernehmen. Die Veranlassung zu dieser Festoper der
eben erwähnten Angelica vincitrice d" Akina, die am 21. Septem-
ber 1716 zur AufflOhrung kam, war die glückliche Entbindung
der regierenden Kaiserin von einem langersehnten Thronerben
(Erzherzog Leopold) am 13. April desselben Jahres. Die Stim-
mung in Wien war über dieses Ereigniss allgemein eine gehobene,
noch erhöht durch die Nachricht eines Sieges des Prinzen Eugen
über die Türken bei Peterwardein (5. August). Der Textverfasser
P. Pariati, so wie der Componist, der neueruannte Hofkapell-
meister Job. Jos. Fux thaten ihr Möglichstes, sie scheinen aber
beide durch die Kunst des Decorateurs und Tanzmeisters über-
bothen worden zu sein. Das Textbuch, welches mit sechs Kupfer-
stichen in Grossfolio illustriert ist, zählt als Haupt-Decorationen
auf: Im ersten Acte: eine prachtvolle Zauberburg der Alcina,
1 Beil. Vni. 504. « Beil. VUI. 509. » Beil. VIII. 513. * Beil. VUI.
Ö16. » Beil. Vm. 524. e Beil. Vin. 526. ^ Beil. VIU. 522. « Beil. VIU.
520.
90 Die Oper Angelica.
sie wird ganz beleuchtet und man sieht, dass sie über einem
reichen Bergwerke von Gold und Edelsteinen errichtet ist. Im
zweiten Acte : Zwei unbewohnte Inseln, grauenvoll und besetzt
von verschiedenen scheusslichen Ungeheuern. Sie sind durch
einen Canal getrennt und in der Feme sieht man einen grossen
Meerbusen, der von vielen Schiffen erfüllt ist, in der Mitte einen
Felsen in Gestalt einer Klippe, aus welcher viele Flammen heraus-
brechen. Im dritten Acte: Ansicht der seligen Eilande, alle mit
grünen Rasen und Blumen geschmückt und Transparenten von
schwebenden Gärten, und von häufigen Lorbem durchschnitten.
.... Femer wird erwähnt ein Tanz der Furien, ein Kampf der
Krieger des Ruggiero mit den Wilden, ein Tanz der Ritter und
der Helden u. dgl.
Der Aufführung dieser Zauberoper wohnte die geistreiche
Lady Mary Wortley-Montague bei und berichtet darüber
am 14. September 1716 aus Wien an Alexander Pope*: „Der
englischen Kirchenzucht bin ich in der That so abtrünnig gewor-
den, dass ich letzten Sonntag die Oper, welche im Garten der
Favorita aufgeführt wurde, besuchte, und mich so sehr daran
ergötzte, dass mir noch keine Reue angekommen ist, sie gesehen
zu haben. Nichts von dieser Art kann jemals prächtiger gewesen
sein und ich kann es wohl glauben was man sagte, nämlich,
dass die Decorationen und Kleider dem Kaiser 30.000 £. ge-
kostet haben. Die Bühne, die über einen breiten Canal erbaut
war, wurde beim Anfange des zweiten Actes in zwei Theile ge-
theilt, so dass man das Wasser erblickte, auf welchem unmittel-
bar an verschiedenen Seiten zwei Flotten von vergoldeten kleinen
Schiffen erschienen , die ein Seetreffen vorstellten. Es ist nicht
leicht, sich in Gedanken einen Begriff von der Schönheit dieses
Auftrittes zu machen, der sich meinem Gedächtnisse besonders
eingeprägt hat, obwohl das Uebrige in seiner Art ebenfalls voU-
' kommen schön war. Die Geschichte der Oper ist die Zauberei
der Alcina, welche treffliche Gelegenheit Weihet zum Gebrauche
mannigfaltiger Maschinen und Verwandlungen, die mit über-
raschender Schnelligkeit beschafft wurden. Das Theater ist so
gross, dass es dem Auge schwer wird darüber hinaus zu schauen
t Letters of the R. H. Lady M-y W-y M-e. Berlin 1790. p. 24. f.
Antonio Caldara. 91
nnd die Costüme sind Ton der änssersten Pracht. Kein Hans wäre
gross genng; diese weitläufigen Anstalten za fassen, nur sind die
Damen, die in freier Luft sifzen mttssen , grossen Unbequemlich-
keiten ausgesetzt, denn es ist blos ein einziger Baldachin für die
kaiserliche Fandlie da, und als bei der ersten AufiFIlhrung ein
R^enschauer einfiel, so ward die Oper unterbrochen und die
Gesellschaft drängte sich in solcher Verwirrung davon, dass ich
beinahe todtgedrttckt worden wäre.^
Bald nach, der Ernennung des Fux zum HofkapeUmeister
folgte die Berufung Antonio Caldara 's zum Vicekapell-
meister, welche beide mit Francesco Conti und später mit
Giovanni Porsile zusammenwirkend die Glanzperiode der
kais. Hof-Musikkapelle begründeten, und in ihren Leistungen
hier betrachtet werden soUen.
Antonio Caldara, geboren zu Venedig um 1670, gestor-
ben in Wien 28, December 1736*, 66 Jahre alt (Wr. Diar.) kam
von Venedig nach Bologna und Mantua und hatte durch seine
Compositionen besonders für die Btthne, von denen auch mehrere
bereits am Hofe in Wien gegeben wurden', einen so bedeutenden
Kamen sich erworben, dass er im J. 1715 vou^K. Karl VI. als
Vice-Hofkapellmeister nach Wiön berufen wurde. Caldara folgte
diesem Rufe und war vom 1. Jänner 1716 bis zu seinem Ableben
in dieser Anstellung neben Fux, der ihn als Hofkapelhneister
noch fünf Jahre überlebte. Während seiner zwanzigjährigen
Dienstleistung in Wien entwickelte er eine seltene Thätigkeit,
von welcher die Partituren von 37 grossen Opern, 26 Serenaden
und 29 Oratorien^, ganz abgesehen von seinen nicht minder zahl-
^ Nicht wie Gerber nnd nach ihm Fötis, Dommer u. v. a. Bchrel-
ben, ist Caldara's Todesjahr 1763, sondern 1736.
2 Vor Caldara's Ankunft wurde in Wien von seinen Compositionen
gegepen : BeU.' VIÜ. 464. 466. 490. 491. 497. 507. 510. — Fötis gibt als
frühere Compositionen überhaupt an: Argene (Venedig 1689), Tir$i (II Act.
Venedig 1696), Le Promesse serbate (Venedig 1697), Farnace (ebd. 1703), //
Selvaggio i^roe (1709), Parteuope (1706), Sofonüba (1708), U Ininäeo gewsrosöy
(Bologna 1799), CostamS in amore (Macerata 1711), Aienaide (Rom 1711),
Tito e Berenice (Rom 1714), // Ricco EpuUme (Vened.), // Oiubiio di Salta
(1717 Salzburg).
3 Die Opern Beil. VUI. 466. 507. 530. 533. 542. 550. 553. 572. 575.
581. 586. 604. 605. 607. 614. 617. 624. 629. 637. 638. 641. 646. 649. 656. 659.
92 Antonio Caldara.
reichen Gompositionen^ fbr die Kirche nnd die Kammer hinläng-
liches ZeugniBs geben. In allen Richtungen schlagfertig^ kamen
grossere Aufträge und ihre Ldsnngen je vier und mehr jedes Jahr
nach den oben angefahrten ziffermässig nachzuweisenden Ru-
briken. Nimmt man dazu noch seine geßlUigen, fliessenden Melo-
dien, besonders im Dramatischen, worin er seinem Vorbilde
Alessandro Scarlatti mit Glttck nachstrebte, wenn er es
auch nicht erreichte, femer seine reiche Formengewandtheit und
Beweglichkeit in ganz entgegengesetzten Aufgaben, so darf es
nicht befremdend sein, dass nach den bedeutenden Gunstbezei-
gungen zu schliessen , seine Compositionen den Kaiser vorzugs-
weise angesprochen und auch zu rascher Verbreitung ausserhalb
Oesterreichs beigetragen haben. Ausser der Opera seria bewegte
sich Caldara auch in der Opera buffa mit Geschick: sein Don
Chisciote in carte della Duchessa (Beil. VIII. 637) behandelt den
von Pariati und Apostolo Zeno passend angelegten Text
mit vieler Kenntniss der musicalischen Wirkung, die ihm auch
nicht gefehlt haben wird. Drollig genug sind die Einfälle, wenn
z. B. Don Chisciote nach gewaltigen SprUngen im Gesänge
mehrere Tacte %.uf dem Vocal E trillert und Säncio Panza das-
selbe nach ihm versuchen muss ü. a. m. Dass dieser Wurf gelun-
gen war, geht aus den wiederholten späteren Faschings-Opern
Caldara's hervor, wie / Distngannati (n. 656) von 1 729, La Pazi-
enza di Socrate con due moglie (n. 677) von 1731, Sancio Panza,
govematore delVüola Barataria (Bf. 706) von 1733, freilich zu
einer Zeit, wo der glänzende Inhaber dieser Domäne, Francesco
676. 682. 693. 697. 706. 708. 712. 721. 724 743. 746. 749. — Serenaden:
464. 521. 543. 560. 562. 563. 583. 595. 597. 609. 631. 647. 661. 662. 668. 669.
672. 683. 685. 710. 726. 732. 733. 737. 739. — Oratorien: 490. 491. 497.
510. 537. 538. 546. 555. 565. 590. 591. 601. 612. 622. 623. 63?. 634. 636. 645.
653. 665. 676. 688. 689. 704. 705. 718. 730. 741. — Von diesen 92 Nununem
des Verzeichnisses hat Fötis nnr 52 angeführt, und unter diesen 52 Compo-
sitionen schreibt er folgende fftlschUch Caldara zu, während sie anderen
Componisten angehören: A$tarte von F. Conti (1718), Sieara von 6. Por-
cile (1719), TMa von Porsile (1719), NaamUn von F. Conti (1721)»
Grüelda von F. Conti (1725). Ausserdem kommen darin öfter unrichtige
Jahreszahlen und andere Irrthümer vor; so sagtF6tis: „15® Caio Mario,
Vienne 1717; 16<^ Coriolano 1717^, während beide Nummern zusammen ein
und dasselbe Stück: Caio Marzio Coriolano (Vienne 1717) ausmachen u. dgl*
Antonio Caldara.. 93
Conti wegen Kränklichkeit yerBtnmmt war, und 1732 nach kur-
zem Anfflackem ztun ewigen Stillschweigen eingieng. Zugleich
sei hier bemerkt, daas Caldara nach der damals nicht ungewöhn-
lichen Sitte an der Composition derselben Oper mit anderen Mit-
arbeitern theilnahm, wie in Atenaide (Beil. Vm. 507) mit Ziani,
Negri und F. Conti, in Pgiche (563) mit Fux, in La Fofza
delFamicizia (646) und in La Pazienza di Socraie (677) mit
Reutter: bei solchen Mischarbeiten konnte allerdings die Ein-
heit des Ganzen schwerlich gewinnen.
Die Oratorien hat er durchaus wie Opern behandelt und
jene sind von diesen nur durch den Gtegenstand verschieden. —
Gewöhnlich wird die Ansicht ausgesprochen, dass er erst durch
die Strenge des Fux zu rigoroserer musicalischer Behandlung be-
stimmt worden sei. Das dürfte aber auf einem Irrthume beruhen.
Caldara, als ein ausgezeichneter Schüler Legrenzi's war
von Haus aus ein wohlgeschulter Contrapnnktist und productiver
Eirchencomponist. F. von MoseP zählt von ihm 114 Kirchen-
compositionen auf, darunter mehr als 20 Messen, viele Vespern,
Mottette, Offertorien, Gradualien u. dgl. ' In der k. k. Hofbiblio-
thek befindet sich eine sehr kunstreiche Missa canonica, wahr-
scheinlich durch die gleichnamige des Fux veranlasst, femer eine
achtstimmige und mehrere vierstimmige Messen da cappella, ein
sechzehnstimmiges Crucifiams wird als ein werthvolles Werk ge-
rühmt, auch hat Paolucci in seiner Arte pratica di contrap-
punto I. ein ganzes Kirchenstttck Caldara's als Muster einer
gründlichen Arbeit aufgenommen. — Von Kammermusik ver-
zeichnet F. V. Mosel 121 Nummern Cantaten, Madrigale zu 4
und 5 Stimmen, die letzten mit besonderer Liebe und einige mit
ausgezeichneter Kunst gesetzt Alles zusammengenonmien geht
hervor : Caldara war ein reichbegabter, vielseitig gebildeter und
gewandter Componist, ein schönes Talent, das den bedeutenden
Bnf verdiente , der ihm früher uncl später aUenthalben zu Theil
wurde. Unter den Zeitgenossen sagt der dänische Kapellmeister
1 Hdschr.-VerzeichniBs in der k. k. Hofbibliothek.
2 Nach einem HdBchr.-Verzeichnisa des Regenschori P. Willibald
Bo bisch vom Jahre 1838 bewahrt das reiche Musikarchiy des Stiftes
Göttweig 100 Nummern für die Kirche von Caldara.
94 Francesco Conti.
Johann Adolf Scheibe^ 1740 über das Gomponistenpaar
Fux und Caldara: „Fnx der unvergleicbliche Oberkapell-
meister am kaiserlichen Hofe zu Wien nebst dem Vicekapell-
meister daselbst^ Caldara, haben durch ihren unermüdeten
Fleiss, durch ihre sinnreichen und vortrefflichen Werke gar deut-
lich bewiesen, dass sie nicht nur selbst wahre Kenner des guten
Geschmacks, sondern auch fähig gewesen sind ihn auf die Nach-
welt fortzupflanzen. Beide Männer hatten nicht nur die vernünf-
tigsten Begriffe von der Musik, sondern sie zeigten auch, und
zwar vornehmlich Fux in allen seinen Kirchensachen, Caldara
aber in seinen theatralischen Stücken die schönste Melodie und
Harmonie und eine auserlesene Wahl und Ordnung des Vortrags
und der Gedanken. Wer weiss auch nicht, dass Fux, ob er
schon der tiefsinnigste Contrapunktist war, dennoch die Geschick-
lichkeit besass, leicht lieblich und natürlich zu setzen, wie solches
seine theatralischen Arbeiten beweisen? So wie Caldara, ob er
schon mehr für das Theater zu sein schien, dennoch in seinen
Kirchenarbeiten und Contrapunkten nicht weniger vortrefflich
gewesen."
Francesco Bartolomeo Conti aus Florenz, geboren
20. Jänner 1682« (Taufreg.), gest. in Wien 20. Juli 1732, 51 J.
alt (Wr. Diar.). Er war im Jahre 1701 als Teorbist in die kais.
Hofmusikkapelle berufen worden, trat 1705 aus, um von 1708
bis an sein Ende in kaiserlichen Diensten zu bleiben. Er wurde
1. Jänner 1713 Hofcompositor, und entwickelte von da ab eine
bedeutende mnsicalische Thätigkeit in der Composition von 16
grossen Opern, 13 Serenaden, 9 Oratorien* und einer Anzahl
Cantaten, von denen in der Wiener Hofbibliothek 23, in anderen
Bibliotheken 30 und mehr Partituren vorhanden sind. Seine erste
1 Krit. Musicus. Neue Aufl. 1745. (Erste Aufl. 1740.)
2 Nach der Florentinischen Jahreszahlung am 20. Jänner 1681 , da sie
dort zu jener Zeit den Jahresanfang auf den 25. März setzten , daher der
Jänner schon dem nachfolgenden Jahre' gewöhnlicher Zählung angehöi*te.
3 Opern: Beil. VKI. 421. 502. 507. 511. 512. 519. 527. 539. 549. 570.
573. 580. 592. 603. 613. 691. — Serenaden: 482. 492. 494. 503. 540. 554.
561. 587. 596. 606. 608. 628. 630. — Oratorien: 429. 478. 545. 557. 568.
577. 602. 611. 703. — Mit Ausnahme der Oper 421 und der Serenaden 482
und 540 befinden sich die Partituren sammtlicher Compositionen in der k. k.
Hofbibi. in Wien.
Francesco Conti. 95
Oper ClotUda (Beil. VIII. 421), welche ursprtüiglich fttr Wien
componiert und zuerst daselbst 1706 mit vielem Beifalle gegeben
wurde, kam 1709 in England zur Darstellung und bahnte ihm
auch dort den Weg zum Ruhme als Componist an , nachdem er
schon lange vorher als der erste aller Teorbisten gepriesen wor-
den war. Sein hervorragendes Talent zur komischen Oper
wurde sogleich erkannt und hinreichend ausgebeutet, da ihm in
dieser Richtung seine sänmitlichen grossen Opern zur Aufgabe
gestellt wurden.
Das bedeutendste Aufsehen auch auf fremden Btlhnen erregte
sein Don Chisciotfe in Sierra Morena (549) mit voller Berechti-
gung ; die niedrige Komik des Sancho und der Maritome, so wie
der hohle Pathos des irrenden Ritters von der traurigen Gestalt
fanden in Conti's Musik einen drastischen Ausdruck, wiewohl
schwerlich ein anderer Sterblicher auf Mattheson's abge-
schmackten Einfall, dass Conti „in Abbildungen» der Gebärden
durch musicalische Noten ungemein erfahren" war^, jemals ge-
rathen wäre. Es wäre aber ein Irrthnm anzunehmen, dass sein
Talent nur auf das Komische beschränkt gewesen sei. Schon in
den komischen Opern sind Stimmungen und Charactere des
Ernstes und der Würde vollkommen angemessen musicalisch anf-
gefasst ; nicht minder sind zartere Empfindungen in den Cantaten,
andächtige in den Oratorien zum Ausdrucke gebracht, welche
zugleich den Beweis seiner tüchtigen Schulung liefern. Wenn
Conti den Strömungen Aless. Scarlatti's folgte, so bewegte
er sich nur in derselben Weise, als die meisten seiner Zeitgenos-
sen, ohne jedoch den Namen eines selbstständigen Künstlers
aufzugeben. Auch darin theilte er das Los eines hervortretenden
Talentes, dass ihn die Scheelsucht herabzudrücken versuchte und
wie dies Mattheson in seinem „vollkommenen Kapellmeister"
(p. 40) unternahm, durch lügenhafte Anschuldigung seinen sitt-
lichen Character zu verunglimpfen. Die Darstellung des hierauf
bezüglichen Sachverhaltes giebt die Beilage III. 7 — 11.
Gleichzeitig mit dem Vater, und mit diesem öfter verwech-
selt, componierte ftlr den Hof sein Sohn Ignazio Conti (geb.
1699, gest. in Wien 28. März 1759, 60 J. alt) von 1727 bis 1739
1 Yollkommener Kapellmeister, p. 40.
96 Giuseppe Porsile.
7 Serenaden and 6 Oratorien, welche aber nicht entfernt an die
Begabnng seines Vaters reichen. Er wird nns noch als ältester
Hofscholar begeg^ien; denn ungeachtet er in manchen Text-
büchern als Compositore eingednickt wurde, war er doch nie
Hofcompositor und anch Fnx hatte ihn vergeblich dazu 1739 vor-
geschlagen, Sem strafwürdiges Vergehen gegen einen Geistlichen^
das jedoch ohne weitere Folgen blieb, hatte Anlass zur Beschul-
digung seines Vaters gegeben, mit dem er zuftllig oder absicht-
lich verwechselt wurde. Leichten Sinnes blieb er aber sein ganzes
Leben lang , denn nachdem er als Erbe aus dem Nachlass seinea
Vaters im Jahre 1732 14.000 fl. erhalten hatte, bestand sein
eigener Nachlass im Jahre 1 759 actenmässig aus einem Rock^
einem Degen und einem spanischen Rohr, welche aus Noth um
3 fl. 18 kr. verkauft wurden.
Giuseppe Porsile geboren zu Neapel, gestorben zu
Wien 29/ Mai 1 750 , 78 Jahre alt (Wr. Diar.) , war in Barcelona
bis 1711 Kapellmeister König Karl III. von Spanien, dann Ge-
sanglehrer der Kaiserin Amalia, wurde im Jahre 1720 nach
Genuesi's Tode Hofconipositor und starb nach dreissigjähriger
Anstellung. Von seinen Compositionen aus der Zeit von 1717 big
1737 kamen in Wien 3 Opern, 18 Serenaden und 11 Oratorien*
zur Aufführung. Fux nennt ihn einen Virtuose von gutem Gusto ;
Hasse war von der Natürlichkeit und Kraft seiner Compositionen
gelegentlich seines Oratorium Giuseppe reconosciuto (Beil. Vm.
717) ganz entzückt. Dieses Urtheil dürfte nur von einigen Ora-
torien und kleineren dramatischen Werken gelten , in grösseren
Opern, worin er sich auch seltener versuchte, reichte seine
Kraft nicht aus. Seine Gesangsbegleitungen und Ouvertüren sind
ziemlich dürftig, und* seine Erfindungen von Melodien bewegen
sich in altherkömmlichen ausgefahrenen Geleisen.
1 Opern: Beil. VIII. 571. 625. 753. — Serenaden: 529. 532.544.
574. 587. 594. 615. 627. 632. 639. 643. 660. 667. 692. 694. 696. 736. 758. —
Or atorien: 558. 566. 578. 588. 600. 610. 620. 674. 687. 717. 761.
vn.
Chronik (1717—1718) — Fehde mit J« Matthesonwegen der SoimiSAtioii
nnd Kfrehenttfne (1717—1718) — Die Opemdlehter Aj^ostolo Zeno
(1718—1781) und Pietr« ParUti (1718—1788)*
Das Jahr 1717 kündete sich mit zwei grossen fllr Oesterreich
folgenreichen Ereignissen an : am 23. April ward die Erzherzogin
Maria Theresia, die nachmalige Kaiserin Maria Theresia
geboren 7 nnd am 18. Augnst erstürmte Piinz Eugen nach einem
grossen Siege Belgrad, üeböt die Niederlage der Türken jubelte
ganz Europa, den Segen, welcher aus der Geburt der Erzherzogin
MariaTheresiaentspriessen sollte, konnte erst eine spätere Zeit
enthüllen. — Gegen diese Weltereignisse war der Streit, den
J. Mattheson über die Solmisation mitFuxerhub, allerdings
kleinlich und widerlich zugleich, dennoch können wir ihn nicht
mit Stillschweigen übergehen, da in allen Werken über Musik-
geschichte seiner erwähnt wird. Ehe wir aber an diese unabweis-
liche Aufgabe gehen, haben wir für dieses Jahr die Festa teatrale
Diana placatUj Text von Pariati * und das Oratorium II Diafaci-
mento dt Sisära^ y so wie fttr das Jahr 1718 das Oratorium Cristo
nein orto^y sämmtlich Compositionen von Fux zu verzeichnen.
Wir kommen an eine minder erquickliche Episode in dem
Leben unseres Fux, den Streit über S o 1 m i s a t i o n nnd Kirchen-
tonarten,in welchen der alte ruhige Hofkapellmeister von dem
jüngeren beweglichen Mattheson in Hamburg durch dessen
j. Neueröffnetes .0rche8fre^ (Hamburg 1717)* verwickelt wurde«
1 Beil. Vni. 534. » Beil. VIIL 535. 3 ßeU. VUI. 547.
^ Der vollständige Titel davon laatete :
^Das Neu -Eröffnete Orchestre, Oder Universelle und gründliche
Anleitung/ Wie ein Galant -Hemme einen vollkommenen Begriff von der
Hoheit und Würde der edlen Music erlangen, seinen Gout darnach formiren,
KifeM, J. J. Put . 7
98 Joh. Mattheson.
Es wurden Briefe darüber gewechselt , welche aber die Zahl
vier nicht überschritten^ von denen zwei von Fnx, und ebensoviele
von Mattheson geschrieben wurden und in des letzten ^Critica
musica^ abgedruckt sind. Da dieser rührige und jedenfalls nicht
unbedeutende Mann im Verlaufe dieses Werkes und besonders
an der gegenwärtigen Stelle hervortritt, so müssen wir auf ihn
und seine Eigenthümlichkeiten etwas näher eingehen.
Johann Mattheson ist in Hamburg (1681) geboren und
(1764) gestorben. Er war bis 1705, wo ihn das Grehör ^u ver-
lassen begann , Tenorist und Componist au dem Theater , gab zu-
gleich Unterricht im Singen, Clavierspiei und in der Composition,
später war er eine Zeitlang grossbritanniseher Gesandtschaftsse-
cretär und zuletzt Canonicus an der Domkirche in Hamburg. Sein
scharfer Verstand und seine bedeutenden sonstigen Anlagen beson-
ders zur Musik verbunden mit einem ans fieberhafte grenzenden
Thätigkeitstriebe setzten ihn in den Stand, sich eine ausgebreitete
Belesenheit und vielseitige Kenntnisse anzueignen, die freilich oft
nach Art der Polyhistoren seines Schlages mehr ins Breite sieh
entfalteten, als in die Tiefe niederstiegen. Seine rasche, gewandte,
aber auch bei seinem leidenschaftlichen Temperamente gewöhnlich
in Gift und Galle getränkte Feder, welche die heterogensten
Publicationen in kürzester Zeit zu Tage förderte, machten ihn
zum geftirchteten und durch mehr als dreissig Jahre lang zum
alleinigen Dictator der musicalischen Gelehrtenrepublik. Selbst
Männer, wie Händel, Telemann, Keyser vermieden es mit
diesem gefahrlichen Streithahne anzubinden, der jeden hin-
geworfenen Handschuh begierig aufgriff und no ch öfter den Kampf
geradezu hervorrief. Denkt man sieh dazu die ihm eigene mass-
lose Eitelkeit , den Eigendünkel , der keinen Widerspruch seiner
eigenen Unfehlbarkeit duldete, und wie Domm er* sagt, dem
Gegner seine Feder als Zaunpfahl zu kosten gab, so kann man
sich im allgemeinen eine Vorstellung von der Vortrags weise s einer
die Terminos technicos verstehen, und geschicklich von dieser vortreflfli-
chen Wissenschaft raisonniren möge. Durch J. Mattheson, Secr. Mit bey-
gefU gten Anmerkungen Herrn Capeil-Meister Keisers 12. Hamburg auf Un-
kosten des Autoris, und zu finden in Benjamin Schillers Wittwe Buchlad^n
im Thurm, 1713«.
1 Handbuch der Musikgeschichte. 1868. p. 420.
Joh. Hattheson. 99
Streitschriften bilden. Nur wer ihm Weihrauch streute, ward von
ihm wieder beränchert, doch wehe dem Unglücklichen, der an die
höchst empfindlichen Leichdomen seines litterarischen Hochmuthes
zu streifen so vermessen war, der wurde mit allen Geschossen
des Hohnes , der Persiiflage überschüttet , wobei es dem kleinen
Diplomaten geleg;entlich gar nicht darauf ankam, durch bare
Lügen auch den sittlichen Buf seines ehrenwerthesten Gegners
anzutasten, wenn es nur zum Ziele der Vernichtung desselben
führen konnte. Bei allen diesen groben Auswüchsen seines Cha-
racters hatte Mattheson doch auch Bücher von länger dauerndem
Werthe geschrieben, während seine Compositionen längst im ver-
dienten Staube der Vergessenheit modern. Zu den ersten zählen :
Das Neuerö/fhete Orchestre (1713); das Beschützte Orchestre
(1717); die Critica musicn (1722—1725); die Grosse General-
hassschule (1731); die Kleine Generalbassschule (1735)'; vor
allem aber der Vollkommene Kapellmeister (1 739) , der manche
feine Bemerkung enthält; endlich die j^Grtmdlage einer Ehren-
pforte^ ^ (1740), eine Beihe zum Theile werthvoller Tonkünstler-
Biographien enthaltend.
Mit einem solchen prickelnden, in allen Finten geriebenen
Klopffechter sollte Fux, der Mann der Einfachheit und des Friedens
aneinander gerathen. Armer Fux, deine Parthie war vor dem
Anfange eine aufgegebene : zum Glücke hatte dieser Handel ausser
einigen Stunden des Aergers keine weiteren Folgen und Fux gieng
als Ehrenmann auf die Nachwelt über, während die ehrenrührigen
Geschosse seines Antagonisten zuletzt den Schützen selbst trafen.
Eine ausführliche Erörterung beider Punkte des Streites
zwischen Fux und Mattheson darf hier nicht erwartet werden. Sie
würde ftir den Kenner ganz überflüssig, für denjenigen, welchem
diese Dinge ganz fremd sind, ermüdend sein, während solche,
die sich darüber genau unterrichten wollen, in C. F. B^cker's
musicalischer Litteratur die Werke angegeben finden , wo sie die
gewünschte Belehrung erwarten können. Ueber beide Punkte —
die Solmisation und die Kirchentonarten (modi) soll nur
1 Vorzüglich seiner Ehrenpforte, indem darin aus seinem eigenen
Leben auch das Unbedeutendste dem Leser nicht nachgesehen wird.
7*
100 SolmiBation.
so viel erwähnt werden, als nöthig ist , den Stand der Frage auf-
zufassen.
Die Solmisation d. i. die Benennung der einzelnen Töne,
welehe innerhalb einer Oetave liegen, war nicht zu allen Zeiten
unsere gegenwärtige, wo wir zur Bezeichnung derselben uns be-
kanntlich der Buchstaben des Alphabets bedienen, und zwar
«
-9-
a=
C D E F G A H(B) C,
oder die Silben ut re mi fa sot la « ut,
welche in jeder Oetave dieselben bleiben, C bleibt C, D bleibt D
u. 8. w., und nur durch die Vorzeichnung von Kreuz, Be oder
Auflösungszeichen die Veränderungen von Cisj Dis • . . oder
CeSy Des ... u. s. w. durch die angehängten Silben von is und
€8 (mit Ausnahme des Hesy das B heisst) erfahren.
So leieht dem Gedächtnisse die Bezeichnungen der Töne ein-
zuprägen ward den Lernenden in früherer Zeit nicht gegönnt.
Guido von Arezzo (im XI. Jahrhundert) (auch Aretinus ge-
nannt), dem man die Erfindung der Solmisation zuschreibt, oder
wie einige behaupten, seine Schule stellte für die Benennung
aller einzelnen Töne nur sechs Silben auf:
«
^^^
<9 . g
vt re mi fa sol la
<\ir den siebenten Ton H war nicht gesorgt. Diesem Mangel wurde
auf eine ziemlich verwickelte Weise abgeholfen. Da die Intervalle
der Töne der Oetave C — c
CDEFGAHC
fünf ganze Töne; C — D, D — E, F — G, G — A, A — H
und zwei Halbtöüe : E — F und H— C
mi fa mi fa
enthalten , da ferner die Wichtigkeit dieser Halbtöne (mi — fa)
SolmiBation. 101
in der Octav als die bedeutendste angesehen wurde , so behielt
man Überall .
für die niederen Halbtöne E und H
das mi mi
fttr die höheren F und C
das fa fa
bei, wenn sie nebeneinander eintraten, und die ttbrigen'Töne
mussten sich darnach verändern. Diese Veränderung (mu-
tatio) trat in sehr vielen Fällen ein, und schon in der vollen Scala
der Octav C — c selbst, welche aufsteigend Wessen:
« OL.
_ a ^ ^ ^
h ^ " ^ " " I
ut re . mi fa sol re mi fa sol la
[CDEFGAHcde]
geht schon hervor, dass C zuerst ut^ in der Octav /a,
. D „ rey ^ „ „ sol,
hiessen; kam nun statt des H, der Halbton Hb {B) vor, so
hiessen dieselben Tön^ :
Ib ^ » ^ ^'
« k "
ut re mi fa re mi fa sol re >ni fa
Die Halbtöne E — F, A — B und e — f verschoben die
denselben vorausgegangenen Töne aufs neue, indem der dem mi
vorausgehende Ton — re heissen musste. Wir haben daher nur
einen einzigen Ton ins Auge fassend
fttr C nach der vorhergehenden Scala die Bezeichnung ui — fa
„ n p letzten » . « r « «»/.
Noch mehrere Veränderungen traten beim Herabsingen der
Scala, und bei versetzten Tonarten (modi transpositi) ein, so
dass der Schüler für jeden Ton ausser dem alphabetischen Buch-
staben , den er auch, wissen musste, noch zwei oder drei Silben
sich zu merken hatte, denn es hiessen die 7 Töne der Octav
102 Somisation.
A — /a — mi — re,
B (H) — fa— mi,
C — 8ol — fa — ut,
J) — la — 8ol — rey
£j — la — mi,
F —fa — u(,
G — sol — re — ut;
das ist allerdings nicht so zu verstehen, als hätte der Musiker beim
Singen für ein Tonzeichen, z. B. A, alle 3 Sylben la — mi — re
zugleich zu gebrauchen gehabt, sondern nur eine daraus; er
musste aber genau wissen, welche. Das sollte ihm die Aretini-
sehe oder Guidonische Hand, nach dem Erfinder so genannt,
erleichtem, welche in einer Tabelle der Mutationen, auf den Um-
rissen einer Hand gezeichnet, bestand, so.dass der Schüler an
den Fingern seihe Silben herzuzählen angeleitet wurde.
Mehrere Jahrhunderte lang mtthte man sich an dieser ver-
wickelten Solmisation mit den sechs Silben ab; die Achtung
vor dem Alter hielt aber die Musiker ab , etwas zweckentspre-
chenderes an deren Stelle zu setzen. Obschon ein Niederländer,
Erycius van der Putten (Puteanus genannt, geb. 1574,
gest. 1616) zuerst für den siebenten Ton ^er Octave (ß) 1599*
die Silbe 6i eingeführt haben wollte, so dauerten doch die mit
grosser Erbitterung und bis zu handgreiflichen Thätlichkeiten ge-
führten Zänkereien' bis in das zweite Jahrzehent des XVHI.
Jahrhunderts fort. Die letzte Streitigkeit wurde zwischen J. H.
Buttstett^ (1717) und Mattheson* in derbem Angriff und noch
derberer Vertheidigung zu Ende gebracht. Mattheson blieb mit der
Behauptung Sieger, dass statt der bisherigen Solmisation die
7 Töne der Octav durch Buchstaben — und ohne Mutation sollen
bezeichnet werden. Seither ist die Solmisation in Deutschland
wenigstens verschollen. Die Franzosen und Italiener haben zwar
die Aretinischen Silben tä (do) re mi fa sol la Jbeibehalten, allein
indem sie ftlr den siebenten Ton (Jt) die Sylbe si hinzufügten und
1 In Pallas modulata sive Septem diBcrimina vocum. Mailand 1599.
2 p. F. Tosi, Opinioni de' Cantori antichi e moderni. 1723.
3 Ut re mi fa sol la tota Musica et Harmonia aeterna. Erfort 1717.
4 Das beschützte Orchestre. 1717.
Die KJrchentöne. 103
keine Mutation mehr znUeBsen^ so daBS C immer nur ui, D nur re
n. 8. w. heissen durfte ^ ist damit im wesentlichen dasselbe wie
mit der Bezeichnung mit Buchstaben geleistet.
Der. zweite Punkt des Streites betraf das Verhältniss der
alten diatonischen Tongeschlechter zu den späteren
chromatischen Dur- und Molltonarten. Darttber soll
wieder nur so viel erwähnt werden, als zum Verständniss der
Streitfrage unumgänglich nothwendig erscheint.
Die alten Tongeschlechter (modi) beruhen auf der diato-
nischen Tonleiter y das ist der Fortschreitung durch ganze Töne
und grosse Halbtöne innerhalb einer Octav. Anfangs waren alle
Vorzeichnungen von Kreuz und Be ausgeschlossen, und die natür-
liche Tonleiter war
C, Z>, E, F, G, Ä, H, c
Sie bestand aus flinf ganzen Tönen C — />, D — E, F — C,
G — A, A — -ff, und zwei Halbtönen E — Fund H — C. Daraus
gestaltete man durch veränderte Stellung des Grnndtones
6 Haupttonarten, nebst andern Nebentonarten, die wir hier nicht
berttcksichtigen.
Die sechs Tonarten waren:
12345678
I. JiEFGAHCd,
n. IFGAHCDe,
m. t~G A H C D E f,
IV, G A H C^ E F~X
V. A ff C~D E F^ «,
YI. C D E F G A H c,^
Als das Characteristische jeder Tonart wurde die Stellung
der beiden Halbtöne E — F und H — C in der Octav angesehen.
Man wird bemerken, dass in der Tonart I (D) der eine Halbton
E — F seine Stellung im 2. zum 3. Tone, der andere Halbton
1 Die Tonart H wurde nicht aufgenommen , weil H — f keine reine
Quinte gab.
r
V
r
r
T)
r
r
r)
r
r
r>
r
r
r
r?
104 Die Kirchentöue.
H — Cim 6. zum T.Tone einnimmt^ oder wie man sieh ausdrüekte:
die Semitonien waren im 2. nnd 6. Grade.
In der Tonart n (E) nehmen dieselben Halbtöne die Stelle
1 — 2 und 6 — 7 ein. In gleicher Weise verschieben sich. die Stel-
lungen der beiden Halbtöne bei den tibrigen 4 Tonarten, wie aus
der vorigen Tabelle sich ergibt, und in der hier folgenden in
Zahlen ausgedruckt ist.
In der Tonart I (/>) ist die Stellung der Halbtöne 2—3, 6—7
n (£) „ „ „ „ „ 1-2, 5—6
ni (10 r . r . . 4-5, 7-8
IV (G) . „ „ „ „ . 3-4, 6-7
V (^) „ „ n . „ 2-3, 5-6
VI (C) „ „ „ „ „ 3 — 4, 7 — 8
In diesen älteren Tonarten war nur eine beschränkte Zahl
von Intervallen für den Componisten verwendbar. Diese Fessel
wurde durch die gleichschwebende Temperatur zu Ende
des XYII. Jahrhunderts abgeworfen, indem durch dieselbe der
Umfang der Octav in 12 gleichabgestufte Halbtöne (C, Cis^ Z>,
Dia, E, F, Pia, G, GiSy A, By ff) getheilt wurde, und man
gewisse Abweichungen von der ursprünglichen absoluten Reinheit
einführte, welche die Intervalle erleiden müssen, um in allen
möglichen melodischen und harmonischen Beziehungen zu einan-
der erscheinen zu können. Damit entstanden zum Gegensatze der
diatonischen Tonleitern diechromatisch-enharmonischen
Tonleitern. Den letzten gesellten sich die gemischten Tonge-
schlechter (genus mixtum von Fux genannt), welche die älteren
diatonischen Tongeschlechter zu Grunde legte und durch Benüz-
zung der Vorzeichnungen von Kreuz und Be (wie G in Gü oder
Ges) die transponierten Modi (modi transpositi) feststellte.
Die Sache verhielt sich dabei so. Wenn die diatonische />-Tonart
1 23456 78
DEFGAHCd
•
die Halbtöne in der Stellung des 2. zum 3., dann in der des 6.
zum 7. Tone hatte, so konnte man durch Vorzeichnungen andere
Tonleitern zusammenstellen, welche dasselbe characteristische
Merkmal der Stellung der Halbtöne (2 — 3 und 6 — 7) besassen und
Die Kirchentöne. 105
diese hiessen modi transpositi derjenigen diatonischen Ton-
leiter , mit welcher sie die gleiche Stellung der Halbtöne gemein
hatten. Z B. aus der obenangeftthrten D- Tonleiter konnte man
auf diese Art eine aAdere Tonleiter mit 2 Kreuzen bildei^:
1 2 3 45 6 7*8
E Fis G A H Cis D e,
welche ; wie man sieht , das Charactermerkmal der Stellung der
Halbtöne (2 — 3 und 6 — 7) beibehielt, aber keinen gaiiz neuen
Namen bekam, sondern Modus transpositus ad modum D hiess.
So verfuhr man auch bei den übrigen Tonleitern, aber nicht über-
all in gleicher Ausdehnung. Am ergiebigsten erwiesen sich ftlr
Transponierungen die diatonischen Tonarten C und A. Nach der
1
2
3
4
5
6.
7
8
Tonart
c
D
E
F
G
A
U
e.
bildete man
D
E
Fis
G
A
H
Cis
J,
•
l
Fh
Gis
A
H
Cis
Bis
E,
und sofort über die Grundtöne F, G, A, H der diatonischen Scala,
welche sämmtlich dieselbe Stellung der Halbtöne (3 — 4 und 7 — 8)
besassen und keine andere Bezeichnung als modi transpositi ad
modum C erhielten. Diese auf sämmtliche 12 Tonstufen der Octar
ausgedehnt, waren aber zugleich keine andern als die 12 Scalen
unserer heutigen Dur- Tonarten.
Aus der diatonischen Tonart A machte man folgende modi
transpositi :
12345678
diatonisch: kHCDEFGa
^
transponiert: H Ch D E Fia G Ah
As B c
und sofort Ober die weiteren Töne D, E, F, G der diatonischen
Scale, welche wie die Tonart A die Stellung der Halbtöne (2 — 3
und 5 — 6) hatten und sämmtlich modi transpositi ad modum A
hiessen. Es waren diese, weiter fortgeführt nichts anderes als
die 12 Scalen unserer heutigen Moll-Tonarten.
106 Der Sta-eit
Im Gegensatze zu dieser älteren Anffassnng stellte sich jene
der heutigen chromatisch-enharmonischen Tonleitern.
Sie sncht das Characteristische ihrer Dur- nnd Moll-Tonarten
nicht in der Stellung der Halbtöne, sondern in der Beschaffenheit
der Terz und Sext ttber dem Grundtone.
In den Dur -Tonarten muss in der Scale liegen über dem
Grundtone eine grosse Terz und eine grosse Sext, z. B.
über C £ A
In den Molltonarten aber muss in der Scala liegen ttber
dem Grundtone eine kleine Terz und eine kleine Sext z. B.
über A C F
Daraus wird schon klar, wie die alte Schule und die neue
Schule in der Ansicht der neuen Dur- und Moll-Tonarten ausein-
andergehen mussten. Die alte Schule sah in den 12 Dnr- Scalen
und den 12 Moll -Scalen keinen neuen Modus, sondern nur
transponierte (modi transpositi) der 2 diatonischen Tonarten
C und Ay weil die neuen Scalen in der Stellung der Halbtöne mit
jenen ganz übereinkommen; während die neue Schule in dem
Charakteristikon der Terz und Sext bei den Dur- und Moll-Scalen
zwar zwei Tongeschlechter zugibt aber die darin errichteten
24 Scalen als ebenso^Hiele Tonarten (modi) bezeichnet, wäh-
rend sie die alten Tonarten ganz, .oder doch grösstenthells
aufgab, und ihr höchstens in der Kirchenmusik einen Platz
anwies.
Nach diesem etwas längeren Excurse wollen wir uns zu dem
Sachverhalte des Streites über die Solmisation und die Kirchen-
tonarten wenden.
Im Jahre 1713 Hess J. Mattheson das j^Netieröpiete Or-
chestre^ erscheinen, worin er (pag. 290) über die „verhasste
Solmisation^ mit den sechs Syllaben oder „sogenannten Vocibus
uty rcy miy fa, sol, la^ den Stab bricht, „damit man der sehr
unvollkommenen und marterhaften Mutation, mit welcher sich bis
fast auf diese Stunde die arme Jugend so lästerlich plagen müsse,
überhoben sei^ und empfiehlt als das allerbeste „unser ^ ehrliches
Of \A c d e fg. — In Hinsicht der Tonarten sagt er, dass die
Der Streit. 107
8 toni ^ ecclesiastici oder Gregoriani wegen des geringen Nutzens
nicht speciell angefahrt werden (pag. 61) und fährt (pag. 63)
fort : „Wir haben nicht mehr als 1 2 differente Tone ; so eben die
12 Semitonien der chromatischen Octav sind, deren jedes durch
die tertias n^ajores et minores einmal verändern kann , also dass
die vorgesetzten 24 (Tonarten) herauskonmien — und dabei bleibt
68.^ Damit hat Mattheson die Kirchentonarten beseitigt und die
chromatischen 24 Dur- und Moll-Tonarten als die einzig üblichen
hingestellt. Durch beide- Behauptungen hatte er viele Gegner er-
regt y unter denen wurde er am heftigsten von dem Organisten
Johann Heinrich Buttstett in Erfurt (geb. 1666, gest. 1721)
in seiner Streitschrift (um 1714 — 1716) y^Vi.re, tni, fa, sol, la
Tota Musica et Harmonia aetema^ angegriffen , wo die alte Sol-
misation und Modi Musici aufrecht Erhalten wurden.
Nach seinem bekannten streitlustigen Wesen liess Matthe-
son auf eine Antwort nicht warten, worin er Aug' um Auge, Zahn
um 2iahn und noch etwas darüber vergilt. Diese 1717 erschienene
Antwort führte den Titel * : Das beschützte Orchesire^ oder des-
selben zweite ErCflhung^ wo auf nicht weniger als 561 Seiten
den verdummten Solmisatoren und den Anhängern der alten
Kirchentöne im allgemeinen, seinem Angreifer „dem Pedaltreter in
Erfurt" im besonderen, dem er eine Legion von Ehrentiteln beilegt,
1 Fax nimmt 6 aathenticos und 6 plagales (Nebentonarten) an.
2 Dessen vollständiger Titel war:
Das Beschützte Orchestre, oder desselben Zweite Eröffnung
Worinn Nicht nur einem würcklichen galant-homme, der eben kein Profes-
sions-Verwandter, sondern auch manchem Husico selbst die alleraufrich-
tigBte und deutlichste Yorstellung musioaiischer Wissenschaften, wie sich
dieselbe vom Schulstaub tUchtig gesftubert, eigentlich und wahrhafftig ver-
halten, ertheilet; aller wiedrigen Auslegung und gedungenen Aufbürdung
aber völliger truckener Bescheid gegeben ; so dann endlich des lange ver-
bannet gewesenen
Ut Mi Sol
Re Fa La
Todte (nicht tota] Musica.
Unter ansehnlicher Begleitung der zwölff griechischen Modorum
als ehrbarer Verwandten und Trauerleute zu Grabe gebracht und mit einem
Monument zum ewigen Andenken versehen wird von Mattheson. 12. Ham-
burg, zu finden im Dom im Schillerischen Buchladen, 1717.
108 Der Streit.
der Text gelesen wird. Mattheson schwimmt bei diesem littera-
rischen Krakeel in seinem Elemente, and lässt nichts nnversacht,
seinen Gegner zu zerstttcken und seine Sttteke den Elementen
preiszugeben. Das Thema im „Beschützten Orchestre^ ist
dasselbe wie im Neneröffiieten Orchestre^ nur bedenkend amplifi-
eiert and mit allerlei stechenden, schneidenden und keulenden
Folterwerkzeugen ausgestattet, welche der bunteste Flitterstaat
von Belesenheit und Superiorität des Wissens gar nicht bemänteln
soll , denn die Derbheit tritt in der plattesten , widrigsten Form
darin auf. Um eine Vorstellung von dem Tone der Darstellung zu
geben \ dessen Mattheson im ^^Beschützten Orchestre^ sich befleisst,
sollen hier nur ein Paar der schwächeren Stellen einen Platz
finden, lieber dieVeranlassong dieser Streitschrift sagt er (p. 286):
,,Ich werde im folgenden die nichtige, rerdriessliche , verhasste,
abgesehmackte, abgeschafite, längstverrottete, stinkende Solmi-
sation nebst dem übrigen unrichtigien Quarck des ErAirtischen
Pedaltreters (Buttstett) darlegen.^ Diesem wird (p. 33) folgendes
zugerufen: „Kriechende Gemttther legen alles nach ihrer nieder-
trächtigen Passion der Geldsucht aus." — lieber den Erfinder
der Solmisation, Guido von Arezzo heisst es (p. 268) : „ Aretinus
florirte recht mitten in der Barbarei, in dieser Finsterniss der
groben Unwissenheit, im einfältigen elften Seculo ao. 1024. —
Inter coecos enim et luscus perspicax dici potest. Er war freilich
der beste Hahn im Korb, weil man von keinem bessern wusste, ist
demnach kein Wunder, dass seitie Methode durchgehends ange-
nommen, gutgeheissen und auch ganzer 600 Jahre keine andere
gemacht worden, zumal wenn wir die antique Dunmiheit, ja die
greuliche lästerliche Dummheit betrachten, in welcher die Welt
noch zu Heresbachs Zeit (im XV. Jahrhundert) gestanden." —
Ueber die Kirchentonarten äussert er sich (p. 416): „Wir
wollen die alten modos an ihrem Ort bei dem Grabe der Solmisa-
tion mit allen Ehrenzeichen gestellt sein lassen und sie denen
^ Eines der Gedichte , die Mattheson im beschützten Orchestre mit-
theilt, beginnt:
„Ut re mi fa sol la ist zwar schon lang verrecket
Allein man hat noch nie an eine Leich gedacht,
Dass nun kein Menschen-Kind durch sie würd angestecket
Hat endlich Mattheson Sie hier zur Gmfft gebracht.^
Der Streit . 109
gerne abtreten, die sich etwan mit einem neuen Kirchenliede anf
den. alten Fusb hervorthon wollen^, und f&hrt (p. 424) fort: „Es
gibt jetzt 2 Classes modorum a. Classis modorum majorom mit
grosser Terz ttber dem Orundton und b. Classis modorum minorum
mit kleiner Terz ttber demselben — also 12 modi majores und 12
modi minores . . . deren sich jeder von dem andern klärlich und
vernehmlich unterscheidet.^ „Der Fundamentthon und die Trias
(der Dreiklang) darüber (nicht das Lumpensemitonium) dind gleich
das rechte Fleisch und Blut i. e. das eigentliche substantielle
Wesen aller und jeder musicalischen Stttcke^ (p. 378).
Das „Beschützte Orchestre^ hat Mattheson vierzehn
^ Wohl-Gebomen, Hoch-Edlen, Hoch- und Wohlgebomen, Hoch-
Ansehnlichen HERRN Herrn Capell-Meistero^ dediciert, in deren
!Zahl n^bst Joh. Jos. Fux auch Georg Friedrich Händel,
Reinhard Kaiser, Job. Kuhnau in Leipzig, Georg Phi-
lipp Teleman erscheinen, und die er zu seinen „arbitris^ er-
wählt. Mehrere dieser aufgerufenen Schiedsrichter schmeichelten
dem Manne der geftlrchteten Feder , Händel* antwortete aus-
weichend.
Wie aus Mattheson's Critica Mnsica U. 185 — 206 hervor-
zugehen scheint , hat er ein Exemplar des Beschtttzten Orchestre
an Fux übersendet und diesen speciell um sein Urtheil in Sachen
der Sohnisation und der Tonarten aufgefordert. Daraus entspann
sich eine Correspondenz, welche in der Critica Mnsica a. a. Orte
abgedruckt ist^ Fux schreibt darin am 4. Dec. 1717, Mattheson
repliciert am 18. Dec. 1717; noch einmal und zum letzten Male
lässt sich Fux vernehmen am 12. Jänner 1718, worauf Matthe-
son, der immer das letzte Wort haben musste, am 12. Februar
1718 antwortet. — Ungeachtet Fux gegen Abdruckung seiner
zwei „unpolirten Briefe^ protestiert, hatte Mattheson doch nichts
eifriger zu thnn, in der erwähnten Critioa sowohl die Briefe des
Fux, mit den nöthigen beissenden Glossen versehen, als auch
dann seine eigenen von Gelahrtheit starrenden zwei Repliken
drucken zu lassen. Fux als alter PracticuB der Kirchentonarten
und Anhänger der Sohnisation veiiheidigt beides, und zwar die
Sohnisation wegen der unwürdigen Angriflfe auf den von Fux ver-
1 C'hrysander, Händel. I. 4.^ ff. 2 Beil. lü. 1-6.
110 Der Streit.
ehrten Quido von Arezzo, dem „die Mnsica practica mehr schuldig
als keinem antori in der Welt" „und der im Orchestre so läster-
lich durch die Hechel gezogen wird«, worüber Fux gesteht, dass
er sich „nicht wenig darüber geärgert habe". Er giebt die
Schwierigkeiten der Mutationen zu , „Knaben können sie aber in
etlichen Monaten" überwinden; ausserdem haben die Silben ut
re mi fa sol la die Uebung in den verschiedenen Vocalen beim
Singen für sich, „wogegen die Buchstaben a, b, c mit
schlechtem Grund in der Singkunst gebraucht werden". Uebri-
gens sei er „kein Anbether der superstitieusen Antiquität", doch
„was so viele Saecula von den vornehmsten Meistern für gut und
recht gehalten , bis nit was bessers erfunden wird , veneriere er
auf alle Weise".
lieber die 24 neuen modi sagt Fux „sie haben keinen Grund,
weil von 12, die Mattheson anfllhrt , 1 1 die Semitonien mit dem
ersten gleich haben", also nur transponiert seien; ein transponier-
ter Ton ist aber weder genere noch specie diversus ab illo a quo
transponitur". — Im zweiten Briefe dankt Fux für ein von Mat-
theson componiertes und übersendetes Clavierstttck, — das Fux
„gar fein, artig und von guter Invention" befunden. Er kommt,
gereizt durch die insolente Replik des Mattheson, empfindlich
auf die Solmisation zurück, sagt, „dass man die Schwierigkeit
des Erlernens bei Knaben von 9 und 10 Jahren hier nicht kenne"
und auch in Italien, „wo ohne Widerrede die vornehmsten Sänger
herkommen, bleibe man bei dieser Methode", und, fährt er fort,
^weil Hamburg nit die ganze musicalische Welt ist, und nur all-
dort so beschwerlich ist, die Singkunst auf solche Weise zu er-
lernen, so lasse iehs gerne geschehen, dass man alldort das ut re
mi zu Grabe trage". Fux schliesst, „er habe über das Orchestre
seine Meinung geschrieben, weil Mattheson ihm die Ehre gegeben
sie zu vernehmen, wenn man damit nit zufrieden sei, kann maa
bei seiner Meinung verbleiben, er sei's zufrieden". Es koste ihm
keine Mühe, sein assertum, dass die 24 modi keinen Grund haben,
klar vor Augen zu legen, „wenn ich nit mit einem zu thun hätte,
der kein Sklave und gar zu sehr eingenonunen wäre von seiner
eigenen Meinung".
Dessungeachtet setzt Fux seine Ansieht weitläufig ausein-
ander, „weil er besorgt, Mattheson möchte sonst bei den Musik-
Der Streit. 111
kandigen schlechten Ruhm davon tragen , was Fux sehr leid sein
sollte^ indem Mattheson sonst wegen seiner besondem Gelehrtheit
und seinem Eifer gegen die liebe Mnsik besondere estime meri-
tiert^. Bei dieser geäusserten Meinung , heisst es am Schlüsse,
soll es sein Bewenden haben, ,,dann ich weder Zeit weder Humor
noch indination zu dergleichen strittiger Schreibart habe".
Gegen den ruhigen, einfach-würdigen Ton des alten Kapell-
meisters sticht das strappelnde Wesen des erbosten Diplomaten
höchst unangenehm ab. Nicht nur sind die Glossen und Einleitun-
gen beim Abdruck der Briefe des Fux voll Malice , noch mehr
aber halten die Briefe Matthesbn's einen pöbelhaft rohen, mit
Gitatenflitter ttberftlllten, beleidigenden Ton ein. Wie ein zur
Wnth gereizter Marktschreier umschwärmt er sein unglückliches
Opfer mit den stechenden Waffen seiner oft mislungenen Witze,
und stellt sich inuner zugleich in Positur gegen das lesende Publi-
cum und fragt: Seht ihr nicht, wie ich bin klug und weise, und
wie schwach und beschränkt mein Gegner. Der Schluss setzt dem
Ganzen die Krone auf. Nachdem Mattheson dem alten Kapell-
meister verblümt und unverblümt die empfindlichsten Sottison
angethan, begehrt er von ihm, zu der Ehrenpforte, die er heraus-
geben wollte, durch Mittheilung seiner Biographie beizutragen.
Als nun Fux ihn mit den bekannten Worten abfertigte : Ich könnte
wohl viel Vortheilhaftes für mich, von meinem Aufkommen, unter-
Bchiedllchen Dienstverrichtungen schreiben, wenn es nit wider
die modestie wäre, meine eigenen elogia hervorzustreichen. Indess
sei mir genug, dass ich würdig geschätzt werde, Caroli VI. erster
Kapellmeister zu sein", da kannte Mattheson kein Mass, seiner
erregten Galle Luft zu machen, und man kann es mit keinem
andern Namen, als Niederträchtigkeit bezeichnen, wenn er in der
später herausgegebenen „Ehrenpforte" ^ den sittlichen Ruf des
würdigen Mannes begeifernd, sagt : „Jene die verstellte Beschei-
denheit vorschützen, eine Blödigkeit, eine Schamhaftigkeit u.s. w.,
das sind die allerärgsten und heimlich aufgeblasensten. Sie
kriechen nur desto tiefer um desto höher zu klimmen, denn, klet-
tern und kriechen erfordert einerlei Leibesbewegung und Beu-
gung". Chrysander^ bemerkt, Mattheson lasse sich nach Hän-
1 Vorrede XIIL > Händel. I. 144.
112 Endergebniss der Streites.
deFs Tode (1761) im Vorworte zu dessen Lebensbeschreibung in
einem wunderlichen Gemische von Eitelkeit^ Knechtssinn und
Scheinheiligkeit heraus (indem er HändeFs Vorzügen entgegen
seine eigenen aufzählt) und schliesst: „Solche schäbige Gresinnun-
gen waren damals in Deutschland Gemeingut. Jeder eitle Knirps
konnte sich einem Unsterblichen an die Seite stellen^ ohne öffent-
lich lächerlich zu werden.^ Dieses scharfe Urtheil ist leider be-
gründet und wirft ein betrübendes Licht auf das Getriebe der
damaligen deutschen Gelehrten- und Kunstlitteratur, ihre Lieb-
losigkeit, Klatsch- und Schmähsucht ; von der, wie es scheint,
gelbst unsere Tage sich noch nicht frei gemacht haben.
Ueberblickt man unbefangen den Gegenstand des Streites,
so muss man bekennen, dass, was die sechssilbige Solmisa-
tion des Guido von Arezzo betrifft, diese sich zu jener Zeit
bereits überlebt hatte und wegen gehäufter Schwierigkeiten der
Mutationen bei den sich eindrängenden chromatischen Tonarten
nicht mehr sich halten konnte. Ein Auskunftsmittel mnsste ge-
troffen werden, durch einfachere durchgreifende Bezeichnung der
Töne ohne Mutation sei es durch Hinzuftigung einer Silbe
(8i) ftlr den siebenten Ton der Octav, oder durch Benennung mit
sieben Buchstaben. Mattheson sprach das aus, was viele vor ihm
bereits erkannt und auch ausgesprochen hatten, und was durch
ihn zu heftigem Durchbruche kam. Den Gründen des Fux für die
Sohnisation wäre vielleicht noch der hinzuzufügen, dass den Ler-
nenden durch beständiges hervorheben der Halbtöne {mi — fa)
die Einsicht in die Intervallenverhältnisse der Octav lebhafter
eingeprägt wird. Die Verdienste des Guido von Arezzo
zu einer Zeit, wo man sich noch mit unsichem Neumen plagte
und mit dem Tetrachord behalf, an dessen Stelle er das Hexa-
ehord setzte, sind durchaus nicht in Abrede zu stellen. Am wenig-
sten ist ihm zur Last zu legen, was nach ihm geschah, dass man
durch mehr als sechs Jahrhunderte seinen Fusstapfen folgte, weil
niemand sich fand , der etwas besseres an die Stelle zu setzen
wusste.
Anders verhält sich die Sache mit den Tonarten. Ob die
neuen Dur- und Mollscalen als besondere Tonarten (modi) zu
betrachten seien, oder nur alsmoditranspositi der diatonischen
Tonarten C und A kann z u letzt auf einen Wortstreit hinausgehen.
ApoBtolo Zeno. 113
auf den wenig Oewicht zu legeu ist. Nach den Ansichten der
altejD Schule war Fux im I^echte. Dagegen ist die Bedeutung
der alten Eirdiepatönj^, selbst in unseren Tagen , keine so
geringfügige^ alr M^ttheson glauben machen i^fill. Jedem, der die
Meisterwerke eines l^ajest^na, Qabrieli und -so vieler «nderer
grossen Männer gdiörig anffass^ ;und gemessen will, ist ihre
Kenntniss ; unentbehrlich. Aber auch dem Componisten b^onders
fbr die Kirche legen sie d,urch die geringeren Mittel der Modu-
lation und. Bewegung, einen strengen Zttgel an, wodurch Werke
geschaffen werden können, die durch edle Einfachheit,: Elrbaben-
heil und Würde das Gemtttl^ zu erheben. und dem E^iüreiesen ein^s
regellose)! Melodien-: upd H^i,rmonien9chwindels ein^n festen Damm
entgegenzusetzen verpaögen. : . . ..:,
Jx^ Wien. bereitete sich mittlerw^eile durch das Ai|ifeetcA eines
epochemachenden Joannes für Kunst und.Litteratu^ eine bedeu-
tende Wendung .zum bes8er,en V|0r. , I j .;
Im Jahre 1718 wurde Ap.^stolo Zeno* als k, k/Hofpaet
und Historiograph mit einem Jahrgehalt von 4000 fl. nach Wien
berufen und kam desselben Jahres am 6. December dort an. In
seinen Briefen kann er nicht genug rühmen, mit welcher Güte ihn
der Kaiser in der ersten Audienz empfieng und welcher ehrenden
Ausdrücke derselbe sich bediente. Der Kaiser versicherte ihn,
dass er nicht durch fremde Empfehlungen bewogen worden sei, den
Apostolo Zeno in seine Dienste zu berufen, sondern durch die
Leetüre der Schriften desselben. Der Kaiser lobte seine Opemtexte,
wiederholte aber , dass es nicht seine Absicht war , sich Zeno's
wegen der Poesie allein zu bedienen, weil diese nur desseniunter-
geordnete Befilhigung sei. Er sprach von Zeno's Giomale de* Lei-
terati iF Italia und drückte den Wunsch aus, diass in Wien' littera-
rische Vereine sich bilden möchten, deren Beschtftzer er gerne sein
1 Apostolo Zeno stammte autf einer cretensischieil Familie und war
1668 in Venedig geboren. Er erhielt eine sorgfiiltige Erziehung, die seinen
aufgeweckten Geist .früh mit- Kenntnissen bereicherte.- Sehr jung noch
wurde erdui^ch seine Melodrame bekannt, gab aber auch eine werthvolle
Zeitschrift GiornaU de'Leäerad ^ ItaUa heraus. Nachdem er sieh 1731 von
Wien nach seiner Vaterstadt zurückgezogen hatte, besehäftigte'ihn BibHb-
graphie und Geschichtel wori» er ausgezeichbetes- leistete. 11; 'Nov. 1750
starb er dort in hohem Alter. > « • ' •
Kiiehti, J. J. Fux. 8
114 Apostolo Zeno.
«
werde*. Da hier seine litterarische Thätigkeit als Dichter von
Texten zu Opern und Oratorien zu erwägen ist, so kann auf seine
anderweitigen Arbeiten und Verbindungen nicht eingegangen wer-
den. — Während seiner Anwesenheit in Wien (1718 — 1731), dann
noch wenige Jahre später (ausserdem von früher entstandenen
Texten, die aber erst nach 1718 in Wien zur Darstellung kamen),
dichtete er 29 Opern und Serenaden nebst 17 Oratorien*, von
denen 6 Nummern Zeno mit Pietro Pariati gemeinschaftlich
bearbeitet hatte. Von den in Wien verfassten Texten hat A. Cal-
dara 29 in Musik gesetzt. Fr. Conti 6, 6. Porsile 3, einzelne
A. Lotti, N. Porpora, J. J. Fux, Hasse, Giov. Bonon-
c i n i. — In den Briefen, welche Zeno von Wien in seine Heimat
schrieb^, erwähnt er nicht gelten seiner eben fertig gewordenen
poetischen Texte und ihrer Aufnahme bei Hofe und in den nahe-
stehenden hohen Kreisen*: der Musik dazu erwähnt er nur selten
und ganz kurz. Er wird es nicht müde seinen Freunden mitzu-
theilen , welche schmeichelhafte LobsprUehe er für seine Poesien
eingeärntet habe : der Kaiser soll sich darüber geäussert haben,
so gearb^tete Werke sehe man selbst in Italien nicht , denn in
Italien sei kein zweiter Apostolo Zeno , — er erwähnt eines Ge-
schenkes von 4000 fl., das er vom Kaiser über seinen Gehalt be-
kommen und in Wien viel Lärmen gemacht habe (Lett. III. 1 2),
ebenso seiner angenehmen Verhältnisse zu den ersten Würden-
trägem des Reichs, dem Principe Pio, dem Grafen Cavelli,
den Grafen Cobentzel, Collpredo, C.ollalto u.a., welche
nach dem Vorgange ihres Souveräns an Entgegenkommen für den
Dichter und Gelehrten es nicht fehlen Hessen. Auch sein Aus-
scheiden aus den kaiserlichen Diensten im September 1731 ge-
» Lettere II. 541 ff.
^ Opern: Beil. VIU. 507. 522*. 527*. 539*. 541. 542. 549*. 550. 553.
563. 570*. 571. 575. 581. 586. 604. 605. 607. 613. 614. 617. 629. 638. 641. 649.
659. 721. Die *bezeichueteii mit P. Pariati. ~ Oratorien: 558. 566.
577. 590. 611. 622. 634. 645. 653. 665. 686. 688. 704. 718. 730. 741. 763!
Beine Gesammtwerke enthalten 46 Opern und 17 Oratorien.
3 Lettere (2. ediz.) 8. Yenezia 1785, im II., III. nud IV. Bancfe.
4 Ueber Ifigenia (Lett. II. 443 und 444), D(m Chüciotte (III. 11;, Sinta
(HI. 64;, Aieesandro in Sidane (III. 96), Pache (III. 200;, OrmUda (III. 292),
NUocri (UI. 352) , Euristeo (III. 446), Gianguir (III. 454), Spartaco (IV. 98),
Imeneo (IV. 199), Omoepade (IV. 209), Mitridate (IV. 256).
Apostolo Zeno. 115
fichah unter den schonendsten Formen : er erhielt den Fortbezug
eines Ruhegehaltes von 1000 fl. mit der Gestattung, seinen Auf-
enthalt in Italien zu nehmen und mit der einzigen Verpflichtung,
soweit es seine Kräfte zulassen, zu schreiben, was etwa der Dienst
benöthigt , wobei ihm freigelasse wurde , zu jeder Zeit wieder
nach Wien zurückzukehren, wo man ihn immer gerne aufnehmen
werde. Von dieser letzten Gestattung machte er bekanntlich keinen
Gebrauch, er blieb und starb in seiner Heimat. Einige Texte
schickte er jedoch bis zum Jahre 1 737 nac)i Wien ein.
Metastasio, von Febroni zu einem Urtheile ttber Zeno's
Opern aufgefordert, äussert sich darüber (opp. post. 11. 409.) in
folgender Weise: „Wenn dem Herrn Apostolo Zeno auch jedes
andere poetische Verdienst gemangelt hätte, so hätte er doch
unsere Dankbarkeit und die Achtung der Nachwelt dadurch ver-
dient , indem er zeigte , dass unsere Oper und die Vernunft keine
unvereinbaren Dinge seien; dass er nicht glaubte von den Ge-
setzen des wahrscheinlichen enthoben zu sein, dass er sich
stemmte gegen die Pest des damals herschenden albernen und
schwülstigen Stiles, und dass er endlieh den Cothum befreite von
der Possenhaftigkeit des Soccus" . — ApostoloZeno hatte aber
auch noch anderweitige Verdienste, worunter nicht das geringste
war, dass er die Allegorien und Personificationen , wenn auch
nicht gänzlich verbannte, doch auf ein Mimimnm beschränkte,
dass er in der Oper gute geschichtliche Grundlagen aufstellte und
jede UnnatUrlichkeit fernhielt , dass sein Dialog , von einer aus-
gebreiteten Gelehrsamkeit getragen, niemals unbedeutend wurde,
dass er in der Anlage seiner Stücke nicht , wie bis auf ihn ge-
wöhnlich geschah, schabelonenartig verfuhr, dass er das Liebes-
getändel mindestens von Unsinn frei machte, indem er sich in
einer Vorrede bei dem Leser sogar entschuldigt, in der Anlage
d66 Stückes ein Liebesverhältniss aufnehmen zu müssen, da man
ohne ein solches, heutzutage kein Stück sehen wolle. Wenn nun
Zeno in diesen Richtungen vieles Verdienst in Anspruch nehmen
darf und durch sein Beispiel zahlreiche Nachahmer nach sich zie-
hend auch als bahnbrechend anzusehen ist, so ist doch wieder
nicht zu läugnen, dass seine Hervorbringungen mehr den Verstand
als die Empfindung anzusprechen geeignet waren und eben deshalb
der Hauptforderung der Musik, welche das Gefühl zu beleben
8*
116 Pietro Pariati
bestimmt ist, weniger zusagen konnte, insbesondere ist die Liebe
ganz stiefinUtterlich von ihm behandelt, man merkt dass er
dabei sich Zwang anlegen musste ,,und wird dadurch verstimmt",
zugleich machten die langen, mehr rhetorisch als poetisch gehal-
tenen Eecitative keine geringen Zumuthungen an den Componisten
und auch an den Zuhörer; allein hier dürfen wir an den Verfasser
der Texte keinen zu strengen Masstab anlegen, da das Begnttgen
seiner Zeit nicht den Forderungen der unsrigen gleichsteht.
Mit Apostolo Zei\o gleichzeitig an Lebensjahren und in. der
Thätigkeit als Theaterdichter, zuletzt auch in der Anstellung am
Hofe zu Wien war Pietro Pariati*. Er ercheint in den Hof-
rechenbttohem mid Schematismen als Hofpoet vom 1. Jänner 1713
nach Silvio Stampiglia und P. Bernardoni bis zu seinem
Tode im Jahre 1 733. Seine poetische Thätigkeit fOr Wien scheint
aber schon mit 1729 abgeschlossen gewesen zu sein, nachdam
Aber 50 Texte für Opern und Oratorien seiner fleissigen Feder in
kaum 16 Jahren entflossen waren. Er hatte auch mit Apostolo
Zeno gemeinschaftlich an Opemtexten schon vor ihrer Ankunft in
Wien gearbeitet und in Apostolo Zeno's Poesie drammatiehe Vol.
IX — XI sind 10 solcher gemeinschaftlicher Texte aufgenommen
mit der ausdrücklichen Bezeichnung, dass sie von Zeno y^insieme
con P. Pariati^ ' verfasst sind. Von den in Wien zuerst zur Auf-
fUhrui^ gekommenen gibt Don Chisciotte in Sierra Morena (Beil.
VIII. 549) und Alessandro in Sidone (570) Zeugniss, dass Pariati,
was Gewandtheit in Erfindung und theatralischer Anordnung der
Stoffe betrifft, seinem Mitarbeiter nicht nachstand, in der Sang-
barkeit der Texte sogar einen Vorrang verdiente '. Auch in jenen
Opern , welche von Pariati allein herrühren , wie Costanza e far-
tezztty zeigt sich ein Diehter von höherer Begabung.
>
1 Er war zu Beggio (in der Lombardie) 27. März 1665 geboren and
starb 1733. Quadrio, Stör. VUI. P. U. 483. Ant. Lombardi III. 392.
2 Apostolo Zeno erkennt auch in den Briefen das Verdienst Pariati *s
an und gesteht den Erfolg dieser Stücke ehrlich zu.
VIII.
' I . * <
t
Fax. Kircbemmiisik.
In dasselbe Jahr JL 718 fällt die Composition der berlUimten
Missa canonica des ¥vcl, an welche sich eine nähere Beleuchtung
seiner sämmtlichen Kirchencompositionen anknüpfen lässt; da
ohnehin bei den wenigsten derselben die Zeit ihres Zustande-
konmiens mit Sicherheit zu ermitteln ist.
Der volle Inhalt des Gradus ad Pamassum legt Zeugniss ab
über die Richtung des Verfassers zum strengen Satze in der
Musik überhaupt und zu Compositionen für die Kirche insbeson-
dere, wo jener seinen höchsten Ausdruck zu finden berufen, ist.
Ein weiterer Beleg dafür ist die grosse Terhältnisszahl seiner
Kirchencompositionen (289) zur Gesammtzahl seiner nachgelas-
senen bekannten Werke (405) *, also nahe drei Viertel der gan-
zen Sunune , wichtiger noch ist aber die Art der Auffassung und
Behandlung derselben. Ceber seine eigene Stellung zu der ihm
vorausgegangenen glänzenden Periode der Musik besonders in
Italien , legt Fux in der Widmung seiner berühmten Missa cano-
nica * an K. Karl VI. ein selbstbewusstes Bekenntniss ab , wenn
er sich in folgender Weise äussert : „Ich habe es für meine
Pflicht gehalten, diese ruhmreiche Kunst (die Musik) von der un-
begründeten Meinung einiger zu befreien, welche behaupten, im
Laufe der Zeit habe sich das Wesen der alten Musik so verrin-
gert, dass sich nach und nach selbst der Begriff derselben ver-
loren habe und uns nichts mehr als der Schatten ihres Namens
geblieben sei, den die moderne Musik eingenommen hat. . . . Ich
schmeichle mir, Eure Majestät werden in dieser Messe erkennen,
1 In dem Verzeichnisse der Compositionen desselben (Bell. X.) werden
56 Messen, 57 Vespern, 32 Litaneien, 12 Gradualien, 14 Offertorien,
22 Mottette und 106 Hymnen aufgezählt.
»Beil. IV. 6.
118 Kirchenmusik — Geschichtliches.
-dasB die alte Mnsik noch nicht gänzlich verschwunden^ und da88
uns darin sogar ein Gewinn erwachsen ist, der durch Nachdenken
und Forschen gepflegt bewirken kann, dass der Geschmack und
die Würde derselben noch fortlebend erscheine. Das ist immer
mein Ziel gewesen , und mein geringes Talent hat zum alleinigen
Ende, das zu erhalten, was von alter Musik uns noch übrig blieb,
alle ihm mögliche Kraft zusammengenommen-, in der Hoffnung,
durch das Verdienst dieses mühsamen Strebens alle meine übrigen
UnvoUkommenheiten erträglicher zu machen."
Es ist ausser allem Zweifel, dass Fux unter der alten
Musik, deren Erhaltung er als den Zweck seines künstlerischen
Wirkens aufstellt, keine andere gemeint habe ak jene, deren
Begründer und Vollender Palestrina war, den er* mit Be-
geisterung das Licht von Präneste nennt, dem er alles was in
diesem Zweige der Wissenschaft an ihm sei, zu verdanken habe,
und dessen Andenken er, so lange er lebe, niemals aufhören
werde mit dem höchsten Dankgefdhle zu verehren. Er nennt ihn
später den Fürsten des Stils a cappella', welchen nachzuahmen
er seinem Schüler, wenn ihm um einen ungewöhnlichen Fortschritt
zu thun ist, auf das dringendste empfiehlt.
Giovanni Pierluigi Palestrina^, der Gegenstand der
Bewunderung der Mitwelt und Nachwelt, wjar es wohl werth, dass
ihn ein anderer grosser ICünstler so hoch stellte. Als in Italien
wegen Ueberkünstelung durch die Niederländer die Kirchen-
musik ihrem Zwecke der Verständlichkeit und Würde nicht zu
entsprechen schien .und es nahe daran war, dass die Figural-
musik aus der Kirche verbannt werden sollte, erhielt Pale-
strina, dessen Improperien* und die Messe üt re mi fa sol
durch Einfachheit und Grösse Staunen erregt hatte, von Papst
Pius rV. (1564) den Auftrag, eine Messe zu schreiben, welche
1 Grad, praef. > Grad. p. 244.
^Giovanni Pierluigi (Johann, Peter Alois), nach seinem Geburts-
orte Palestrina (Praeneste) genannt, während sein Familienname S an t e
war, geboren 1514 (nach Schelle, neue Zeitschr. f. Mus. 1864), ward in Rom
ein Schüler GoudimePs, 1544 Kapellmeister in der Cathedrale von Pale-
strina, von 1551 an in Rom theils als Kapellmeister im Yatican, theils als
Componist der Kapelle Papst Pius IV., und starb dort 1594.
^ -Gesänge am Gründonnerstage.
Kirchenmasik — Geschichtliches. 119
in jeder Hinsicht als dauerndee Muster echter Kirchenmusik hin-
gestellt werden könne. Vermöchte sie den Anforderungen der
Congregation Gentige zu leisten , so soUte die Figuralmusik in
der Kirche ferner verbleiben. Das Schicksal derselben lag also
in Palestrina's Hand. Er schrieb nun drei Messen, von denen die
dritte aufgeführte, später Marc ellusm esse genannt, entschie-
den durchschlug und allgemeines Staunen und Bewunderung her-
vorrief. iMe Empfindungen, welche in der katholischen Kirche
die alleinherschenden sein sollen , hatten darin einen tiefen und
wahren Ausdruck gefunden, die höchste Kunst ^schien als
Natur, ein echt kirchlicher Stil hatte sich entfaltet, ernst, feier-
lich, gross, wie alle Leidenschaftichkeit so auch aUe Künstelei aus-
schliessend, in tiefsinniger Tonsymbolik die Greheimnisse der
Gottheit dem ahnenden Gefühle vermittelnd. Palestrina hatte
mit diesem Werke nicjit nur der Kirchenmusik ihren Antheil am
katholischen Gottesdienste für alle Zeiten gesichert, sondern auch
den Italienern einen nationalen Kirchen stil geschaffen, der noch
immer Stile alla Palestrina genannt wird. — Indess ist
seine Schreibart keineswegs inuner jener einfach erhabene der
Improperien oder Marcellusmesse , sondern die contrapunktische
Kunst findet sich auch bei ihm in allen Abstufungen, je nach der
Anregung des Textes von der einfachen Accordenfolge des Jos-
quin' sehen Stile familiäre bis zn den äussersten Verwicklungen
des canonischen Satzes. Aber auch die grössten Schwierigkeiten
überwand er scheinbar ohne Anstrengung und ohne im Ausdrucke
jemals die Würde des Gegenstandes , der Kirche , zu vergessen
oder die Technik zur Herscherin über den Gedanken sich er-
heben zu lassen ^.
Von Eom und Venedig giengen noch im XVI. Jahrhundert
zwei grosse Schulen aus : in Rom die Schule des Giovanni «
Maria Nanini, mit welchem in Verbindung Palestrina an der
Bildung von Talenten sehr eiMgen Antheil nahm, die Gründer
des erhabenen Stiles in der Musik — in Venedig hatte die Musik
schon vor Claudio Monteverde (1613), Ciprian de Bore
{1563) und Zarlino (1563) diesen und andern Meistern die
Erweiterung der Harmonie durch Einführung bis dahin noch nicht
1 Ar. D 0 m m e r , Musikgeschichte. 140 ff.
120 Ejrchenmasik — Geschichtliches.
gebränchlioher Intervalle und Tonrerbindungen in die Praxis so
wie durefa^den^Anstöss ^Hr 'Entwicklung ein^r selbständigen
Instrunientalmusik vieles zu danken^. In disr itidienisch^n Kirchen-
musik fliessen nun '^ii dem Anfange deis XVII. Jahrhundert?
diese beiden von Rom und = Venedig ausgehenden' Strönfutgen
neben einander hin, kommen sich nfther und vermischen Bich Kunr
TheiL Die geistigen Nachkommen des Palestrma begannen von
dein besonders durch die Norditafiener erweiterten Ausdrucks-^'
mittein Gebrauch zu machen, die reichere Entfaltung der Melodik,-
der Chroftiatik und des cohcertierenden Stils übertrug sich auf
die Römer, während sie in vielchörigem Tonsätze^von den Vene-
tianern um vieles übertroffen werden.
Die streng objective Hingabe an die heiligen Texte fieng
an, in eine bereits subjectivere und dem Gefühlvollen sich zuwen-
dende Empfindungsweise überzugehen; doch hat der kirchliche
Stil dieser Periode bis zum Ende des XVII^ Jahrhunderts ein
durchaus würdiges und vom weltlichen sich unterscheidendes
Gepräge. — Unter den glänzendem Namen dieser Periode war
Gregor io Allegri von Corregiö, seit 1629 Sänger der päpst-
lichen Kapelle, gesforben 1652, der Componist des berühmten
Miserere, welches bis heutzutage am Charfreitage in der Sixtina
in Rom gesungen wird — Francesco Foggia (geboren 1604)
in der Jugend am Hofe des Kurfürsten von Baiem und des Erz-
herzogs Leopold von Oesterreich (lebte noch 1684) — Orazio
Benevoli (1650 bis 1672) Kapellmeister von St. Peter im
Vatican, einer der bedeutendsten Erben von Palestrina's Geiste
— Giuseppe Ercole Bernabei (geboren 1620, gestorben
1684) zuletzt Kapellmeister in München u. m. a.^
Allem neben diesen tüchtigen Meistern hatte mit Einführung
der Oper zu Anfangs d^s XVH. Jahrhundais eine grössere Zahl
von Componisten es bequemer gefunden , die lästigen Regeln des
fi^engen Sat^e«^ nicht blos in der Oper abzustreifen,' sondern auch
ihre Zügellosigkeit in die Kirchenukusik zu übertragen^ G«gen
floldhe Verderber der Musik wendet dich Fux zu Wiederholten
Malen voll -heiligen Eifers und suchte durch Lehre und Beispiel
die drohende Ueberfluthung einzudämmen. Die Gelegenheit dazu
1 Ar. D 0 m m e r a. a. 0. 401 ff.
Fux, Kirchenmusik. 121
both ihm natürlich vor allem der Kirchenstil, worüber seine An-
sicht zu hören an dieser Stelle der Platz zn sein scheint. ,,So wie
das HeiKge dem Weltlichen an Würde voransteht, muss auch die
Musik, welche Dir den Gottesdienst bestimmt ist und ewig dauern
soll , durch ihren Adel bei weitem den ersten Rang einnehmen,
wie das nach meiner Ansicht niemand in Zweifel ziehen wird.
Und weil Gott die höchste Vollkommenheit ist , so gebührt sich
auch , dass die Harmonie , welche zu seinem Lobe bestimmt ist,
nach der ganzen Strenge der Gesetze, nach der Vollkommenheit,
so weit dies die menschliche Unvollkommenheit zulässt, voll-
bracht und mit allen Mitteln, wodurch die Andacht befördert
werden kann , ausgestattet werde. Und wenn det Ausdruck des
Textes irgend eine frohe Stimmung verlangt, so hat man sich zu
hüthen, dass die Musik der kirchlichen Würde, des Masses und
Anstandes nicht entkleidet werde, wodurch die Zuhörer zu andeni,
als den Empfindungen der Andacht geleitet werden könnten. Vor
allem hat man sich zu bemühen, dass die Musik dem Texte ange-
messen, klar, ausdrucksvoll, und dem Sänger nicht unbequem,
sondern leicht für die Aussprache eingerichtet sei. . , Daher soll
die Musik nicht blos zu singen, sondern auch zu declamieren
scheinen" *. •
In diesen Anforderungen an den Kirchenstil, dass er er-
haben, klar, ausdrucksvoll, andachterweckend, masshaltend, den
strepgsten Regeln der Kunst entsprechend sei , ist zugleich das-
selbe enthalten, was man von dem Palestrinastile erwartet. Da
nun femer Fux die meisten seiner Kirchencompositionen im Stile
a cappella geschrieben hat, so ist auch für seine Auffassung
bezeichnend , was er über diesen Stil im Gradus * dem Schüler
vorschreibt: „Es ist bekannt, sagt er, dass in den ersten Zeiten
der Gottesdienst nur durch Singstimmen verrichtet wurde. Dass
hierauf nach Einführung der Orgel und im Laufe der Zeit alle
Arten von Instrumenten in Anwendung kamen, beweist die
üebung in unseren Tagen zur Genüge. Zu unserer Zeit ist daher
eine zweifache Verwendung des Stiles a cappella üblich : ohne
Orgel und andere Instrumente , mit Singstimmen allein, — dann
' jene mit der Orgel und anderen Instrumenten. Die erste findet
•J Grad. p. 242. 2 p. 243,
122 Fux, Ejrchenmusik.
noch in den meisten Cathedralkirchen statt und eben so anch an
unserem Hofe zur Fastenzeit. Bei dieser Gattung von Composi-
tion hat man sich zuerst und vor allem zu enthalten des Genus
mixtum und der Modi transpositi, welche zu sehr mit Kreuzen
und Be erfüllt sind : nur das reine Genus diatonicnm diene zur
Richtschnur^ sonst würde die Musik niemals die gewünschte
Wirkung hervorbringen. . . . Denn ftlr die Singstimmen, wenn sie
nicht durch die Hilfe anderer Instrumente unterstützt werden, ist
die Intonation sonst sehr schwierig; bei dieser Gattung Compo-
sition hat man daher auf die Leichtigkeit und die naturgemässe
Art zu singen die grösste Sorgfalt anzuwenden. Aus diesem
Grunde hat man Subjecte aufzustellen, welche natürlich und
leicht; jedoch auch nicht unbedeutend und trivial sind.^
Dass Fux diese Kichtschnur nicht nur für seinen Schüler,
sondern auch für sich selbst festgestellt und eingehalten hat, göht
aus den Partituren seiner Kirchencompositionen zweifellos her-
vor. Dass er darin, sowie es seinem grossen Talente und seinem
unermüdeten Studium angemessen war, das ihm mögliche mit
dem grössten Aufwände seiner Kraft zu leisten bemüht war,
ergibt sich am klarsten aus seinen Auffassungen und Durchfüh-
rungen besonders im Stile a cappella. Wenn ihm darin Palestrina
das höchste Vorbild seines Strebens war, so wird dagegen
schwerlich etwas eingewendet werden. Dieses Streben bestand
aber nicht in der einfachen Nachahmung der Manier seines Vor-
bildes, wie dies bei untergeordneten Talenten wohl oft der Fall
ist. Fux hat das Wesen dieses Stils des Erhabenen in sich auf-
genonunen, und in diesem Geiste, nicht aber in fremder Manier
seine Werke geschaffen , die allerdings ebenfalls geeignet sind,
die Andacht der Zuhörer zu wecken und ihrem Gemüthe die
Richtung zum Unendlichen anzubahnen.
Es ist in den Werken des Fux nichts von der Ueberschwäng-
lichkeit und Gefllhlsseligkeit mancher seiner Zeitgenossen und
geistigen Nachkommen zu treffen ; mit keuschem, strengen Ernste
bewegt sich seine Musik, bewusst der Würde und Hoheit, die sie
aussprechen soll, und ebenso von jener frommen Erhebung erfüllt,
die aus seinen Klängen auf die Andächtigen überströmen soll.
Unterstützt von allen Behelfen der Kunst des Satzes werden sie
ihm nie der Zweck, sondern nur das Mittel zur Entfaltung seiner
f
Fux, Eirchenmusik. 123
ninsicalißchen Gedanken; und nnr dem Kenner wird es klar, was
Air eine Summe von Gelehrsamkeit nnd Kenntniss unter der HttUe
einYacher Notenbewegungen verborgen Hegt. Von dem inneren
Reiehthum seiner Gedanken zeugt die bisweilen häufig wieder-
holte Composition desselben Textes , als der Messen y Vespern,
gewisser Hymnen u. dgl.^ deren Auffassung immer eine bestimmte
Grundstinunung auch bei der grossen Mannigfaltigkeit der Be-
handlung erkennen lässt. In allen seinen Eirchencompositionen
wird natürlich das Hauptgewicht in die Singstimmen verlegt,
was in der einen Art des Stils a cappella ohne Begleitung sich von
selbst versteht. Mit grosser Kenntniss der Leistungsfähigkeit der
menschlichen Stimme sind überall die Motive (Subjecte) erfun-
den und durchgeführt und den Ausführenden durch das strenge
Einhalten der diatonischen Tonarten der Vortrag wesentlich
erleichtert. Selbst wo ein Cantus firmus des Gregorianischen
Gesanges eingeführt wird, hat er, nur so weit es die musicalische
Fortbildung erfordert, hie und da Modificationen erlitten, nir-
gends ist aber dem Flusse der Gedanken dadurch ein Hinder-
niss erwachsen und während der Kundige dieses Kunstwerk be-
wundernd anerkennt, tdrd der Nichtkenner nur an ihm bekannte
kirchliche Melodien erinnert und durch diese selbst zur Andacht
gestimmt. — Wie von dem Meister des Contrapunktes, dem die
polyphone Schreibart zur zweiten .Natur geworden war, nicht
anders erwartet werden darf, ist die Führung der Stimmen
durch alle seine Werke eben so werth der Bewunderung als der
Nachahmung. Gewiss wird in Hinsicht der Verbindung der
Stimmen und ihres harmonischen Fortschreitens jeder das Urtheil
des Schülers im Gradus* theilen, wenn er über das Kyrie der
Messe VicissUudinis * sagt : „Ich sehe und bewundere die Ver-
kettung der Stimmen , welche das Subject so enge zusammen-
drängt ; wo beinahe in jedem Tacte das Subject bald in einer
bald in zwei Stimmen auf eine leichte und natürliche Singweise
und mit voller Harmonie gefunden wird, so angemessen, dass
das Subject selbst gleichsam die Rolle der Modulation über-
nimmt;" oder weijn der Lehrer selbst seinem Schüler das Amen
der Messe Credo in unum Deum in folgender Auslassung zer-
1 pag. 246. 2 Beil. VIII. 44.
124 FvLx, Kirchenmusik.
gliedert * : „Erwäge, Josef; den gebundenen Gang der Stimmen
mit dem Subjecte bei richtiger Folge der Consonanzen und t)e-
ständigei" Kette der Dissonanzen, dann der Modulation, die
obwohl natürlich und leicht doch keineswegs gewöhnlich ist.
Bedenke weiter die Verbindung der Stinmien, worin die grööste
Kraft der Harmonie beruht und die nie unterbrochene Bewegimg
bis an« Ende fortgeführt."
Die polyphone Satzweise brachte es ferner mit sich, wenn
die Subjecte (Themen) um sich besser abzuheben in verschiede-
nen Tacttheilen eintreten und Ligaturen nothwendig machen,
dass Fux in allön seinen "Werken der gebundenen Schreib-
art vorzugsweise sich bediente, wie er selbst seinem Schüler in
der Lehre von der Fuge den Gebrauch häufiger Ligaturen
empfiehlt*, ,^denn", Bagt er, „es ist kaum glaublich, was fllr
einen Reiz die Satztheile durch Ligaturen gewinnen, denn
durch diese bewirkt man, däss beinahe jede Stimme, die eine
abweichende Bewegung erhalten hat, dem Gehör leicht auffass-
bar wird. Das lass dir, schliesst er, nicht blos in dieser, sondern
in jeder Art'der CoihJ)osition gesagt sein".
Wenn Fux auch in der zweiten Art des Stiles a cappella mit
begleitenden Instrumenten von der Anwendung der streng diato-
nischen Tonarten durch Aufiiahme verschiedener Modi transpo-
siti mit mehreren Vorzeichnungen sich grössere Freiheiten er-
laubte , so war die Bestimmung der Instrumente dabei nur die
Intonation der Stimmen , mit denen sie im Einklänge gehen , zu
unterstützen, nicht aber ungesetzmässigen Ausschreitungen Ge-
legenheit zu geben.
Selbst bei Compositionen im concertierenden Stile
werden die Instrumente nur zu kleinen Zwischenspielen, hie und
da Sonatinen genannt, und höchstens zu ganz bescheiden
figurierter, meistens imitierender Begleitung verwendet.
So wie Fux in reinen Instrumental - Compositionen seine
Tüchtigkeit bewährt hatte, war es begreiflich, dass er auch der
Instrumentalbegleitung des Gesanges alle Aufmerk-
samkeit zuwendete. Es stand ihm auch in der kais. Hofkapelle
ein für jene Zeit auserlesenes und der Zahl nach selten oder gar
1 Gradus, p. 271. « GraduB, p. 168.
Fux, Kirchenmusik. 1-25
nicht erreichtes Orchester zu Gebothe : '6 Organisten, 23 Violini-
sten, 1 Gambist, 4 Violoncellisten, 3 Contrabassisten, 1 JLauteniBt^
1 Teorbist, 2 Comettisten, 4 Fagottisten, 5 Oboisten, 4 Posauni-
sten, 1 Jägerhornist, 16 Trompeter, 2 Pauker, — darunter eine
Vielzahl von Virtuosen, — welches Orchester in Deutschland,
England, Frankreich und Italien konnte, eiqer so reihen Besez-
zuQg sich rühmen, als im Jahre 1721 d^ kaiserliche Hofk^pqlle
umfasste? Ausserdem wurde gelegentlieh noch für Schalmei, die
Tromba marina (eine Art Monochord) und Flöte nebst mehre-
ren Alto- Violen und Violetta gesetzt, fttr welche der Stanfi der
Hofkapelle keine besonderen Individuen bezeichnet, daher ßie
von anderen Künstlern desselben Institutes versehen werden
mui^sten.
■
Die Hauptaufgabe der Begleitung , die Singstimmen zu tra-
gen, und ihren Ausdruck durch characteristische Figuren und
Bewegungen zu erhöhen, wurde von Fux nie aus den Augen ge-
lassen. Im allgemeinen war seine Instrumentierung zwar oft
reich \ aber doch nie überladen, und die Singstimmen deckend.
. Auch für hinreichende Abwechslung war bei grösseren Sätzen
gesorgt, da öfter der Gesang nur von der Orgel begleitet mit
reinen Instrumenten - Zwischenspielen sich ablöste, gewisse In-
strumente von intensiveren Klangwirkungen, wie Trompeten,
Zinken u. dgl. nur die kräftigen Stellen markierten, und von ein-
zelnen Sätzen ganz ausgeschlossen wurden. Die Hauptrollen der
Begleitung sind regelmässig den Streichinstrumenten zugewiesen,
welche ausser der Verstärkung der Singstimmen im Einklänge,
auch in manchen Fällen diese imitierend oder auch unter sich
modulierend begleiten. Diminuierungen durch geschwindere
Noten oder Variationen der Instrumentierung sind nur sehr selten
angegeben. Davor htttheten sich Ccunponisten,, wie.Fux, so sehr
sie konnten, da zu jener Zeit so wie die Säi^er auch die begleiten-
den Instrumentisten in den Oberstimmen wie in den Mittelstim-
men die willkürlichsten Veränderungen durch .Gänge, JLäufe
und andere Melismen sich erlaubten,, so, dass im Gradus (p. 220)
1 Das Tedeum (Beil. X. 271) hatte folglsnde Besetzutig: 2 Soprane,
1 Alt, Tenor, Bass, 2 Trompeten, 2 Trombe, Pauken, 2 Violinen, 3 Violen
(diese sammtlich concertierend), ausaerdem Ripienisten: 2 Cornette, 3 Po-
saunen, Teorbe, Violon, Orgel. :
126 • Fux, Messen.
geklagt wird, heutzutage brauche der Componist keine Varia-
tionen anzubringen, denn „über alle Gebühr werden sie, ja bis
zum Ekel von den ausübenden Musikern gehört, so dass das
Wesen der Harmonie Über und über verkehrt werde, und der
Componist nur mit Noth seine Melodie herauszufinden vermöge^.
Von ausgezeichneter Anwendung war zu jener Zeit, beson-
ders in der Kirche die Posaune, von der gewöhnlich die Alt- und
Tenor-Posaune den gleichnamigen Singstimmen folgten, aus-
nahmsweise trat noch eine dritte, die Bass-Posaune hinzu *. Die
höheren Anforderungen, welche Fux an dieses Instrument stellte,
hatten ihren Grund in der seltenen Virtuosität der Bläser aus der
Familie Christian, welche Fux in seinen Gutachten wiederholt
hervorhebt. Von der Orgel wird in der Regel keine virtuose
Fingerfertigkeit verlangt, nur in seltenen Fällen erscheint eine
concertierende figurierte Stelle neben einem zweiten Instrumente ^
ungeachtet die Organisten Gott lieb Muffat und Joh. B.
Payer zu den vorzüglichsten zählten. Allerdings lag zu jener
Zeit die Schwierigkeit für die Orgel anderswo, als in der Fertig-
keit der Finger.
Wenn wir nun an die Betrachtung der verschiedenen Gat-
tungen seiner Kirchenmusik gehen, so darf man nie aus den
Augen verlieren, dass Fux ein frommer, eifriger Katholik und
über das Wesen der katholischen Kirchenmusik mit sich im
reinen war. Einige Bemerkungen über Texte und Stellung der
Musikstücke in der Liturgie seiner Kirche dürften zum besseren
Verständnisse nicht überflüssig erscheinen.
I. Messen. Für den Katholiken ist der wichtigste Act der
äusseren Gottesverehrung das Messopfer, auch die Messe ge-
nannt. In einer Reihe symbolischer Handlungen durch den Prie-
ster am Altare werden dem Gläubigen die hervortretendsten
Momente der Lehre, des Lebens, dann des letzten Liebesmahles
und Opfertodes des Heilandes zur Enveckung tiefer Andacht und
Erbauung in Erinnerung gebracht. Gewöhnlich werden diese
Vorgänge und Gebethe ohne Begleitung von Musik oder hoch-
stens eines Chorliedes durch die Gemeinde vorgenommen und
1 Tedeum, Beil. X. 271. » In der Litanei 119 concertiert die Orgel
mit der Violine.
I
■Fux, Messen. 127
heissen dann eine stille Messe. Bei feierlichen Anlässen an
Sonntagen und an Festtagen der Kirche, sowie an Erinnerungs-
tagen bestimmter Heiligen tritt znr Handlang des Priesters auch
eine Knnstmusik des Chors hinzu und eine solche Messe heisst
dann gewöhnlich Hochamt (Missa solennis). Die einzelneu
Musikstücke des Hochamtes treten zwischen Gebethen und öfter
nach Intonierung des Priesters ein und sind in der Messe für die
Lebenden * : das Kyrie — Gloria — Credo — Sanctus — Bene-
dictus — Agnus mit dem Dona. Das Kyrie enthält als Text nur
den Anruf y^Kyrie eleison^ und „Christe eleison^ an die Erbar-
mung des Herrn. Die Auffassung hievon ist bald mehr bald min-
der feierlich, darf aber nach den Worten unseres Meisters nie der
kirchlichen Würde und des Ernstes entbehren. — Das Gloria
beginnt mit dem Grusse der Engel bei der Geburt des Heilandes
(Ev. Lucae 2, 14) Gloria in excelris Deo, Et in terra pax homi-
nibus bonae volnntatis. Da aber im weiteren Verfolge des Textes
die wichtigsten Verhältnisse der Erlösten zum Erlöser berührt
werden, die zugleich verschiedenartige Stimmungen hervorzurufen
geeignet sind, so ist hier wie im Credo Gelegenheit zu verschie-
denen Musiksätzen gegeben, die aneinandergereiht jedoch ein
Ganzes ausmachen müssen. — Im Credo wird das ganze
Nicänische Glaubensbekenntniss in Musik vorgetragen. Bei der
nicht unbedeutenden Länge des Textes ist dem Cömponisten eine
mehrfache Gliederung gebothen, welche besonders bei den Stellen
Et incarnatus est und Et remrrexit immer, in grösseren Messen
an mehreren Stellen durch Wechsel der Rhythmen , Tempo und
Melodie einzutreten pflegt, während den Schlussworten Et vif am
ventnri seculi Amen meistens eine breitere contrapunktische Aus-
führung zuTheil wird. ^— Im Sanctus, welches dem Canon der
Messe (der Wandlung) vorangeht, sind nur die Worte Sanctus
Dominus Detis Sabaoth! Pleni sunt coeli et terra gloria tua!
Osanna in earcelsis in Musik zu setzen, wobei ebenfalls zwei oder
drei musicalische Abschnitte beobachtet werden. -^ Das Bene-
dictus, qtii venU in nomine Domini wird gewöhnlich mit dem
vom Sanctus wieder aufgenommenen Osanna in excelsis yerbnud^ny
1 Die Messe für die Verstorbenen, das Requiem, hat davon
mehrere Abweichungen. Die Texte beider Messen, so wie der am meisten
gebranchlichen kirchlichen Texte, sind in der Beilage IX zusammengestellt.
128 Fux, Messen. .
trägt aber einen von dem letzten ganz verBchiedenen Charac-
ter. — Den SehlnsB des musiealischen Theiles der Messe macht
das Agnus mit dem Dona. Der Text fUr beide lautet: Agnus
Deiy qui tollis peccata mundi, mUerere nobis! Agnus Dei^ qui
tollis peccata mundi, Dona nobis pacem. Das Dona wird entweder
ganz abgesondert behandelt, oder die Anfangstacte desselben
mit den Schlusatacteu des Agnus in musicalische Verbindung
gebracht. . .
Wenn nun Fux mit der lebhaften Vorstellung der ernsten
Bedeutung seiner Aufgabe an die Composition einer Messe gieng,
so lässt sich von dem gewissenhaften Manne erwarten , dass er
in gehobener Stimmimg mit Aufbiethung seines reichen Talentes
bei seiner Arbeit war. Durch die häufigen Gliederungen der ein-
zelnen Musikstücke war dem Künstler die Gelegenheit gegeben^
an dem einheitlichen Werke zugleich eine bedeutende Mannig-
faltigkeit in der Auffassung der SatztheUe zu entwickeln. Daran
hat es auch Fux besonders bei grösser angelegten Messen, wie
in . der Müsa S, Michaelis (Beil. . X. 36) nicht fehlen lassen.
Nachdem im Kyrie dem lebhafteren Eingange des „Mtf^ie elei^
son^ das ruhigere j^Chriaie eleison^ gefolgt und mit einer theil-
weisen Wiederaufnahme des ,,Kyrie eleison'^ abgeschlossen hat,
ist das Gloria in fünf Sätze Ei in terra \ Laudamus | Gratias
agimua | Quoniam tu solus \ Cum sancto spiritu | gegliedert,
und diesem folgt das Credo mit sieben Satztheilen Pairem
omnipotentem | Qui propter nos homihes | Et incarnatus est \
Crucifixus I Passus \ Et resurrexit \ Et in spüritum Sanctum
mit der Schlussfuge Et vitam veräuri seculi Amen. — Wie oft
aber auch Bhythmen und Tempo wechseln , so ist doch bis auf
seltene Ausnahmen die Regel von ihm eingehalten , dass sämmt-
liehe Sätze derselben Messe einer und derselben Tonart ange-
hören. Bei der Rangstufe^ die die Messe in der Kirchenmusik
einnimmt, musste Fux den strengsten Stil a cappella bald ohne,
bald mit Begleitung von Instrumenten dazu vorzugsweise wählen.
Aus diesen Leistungen nimmt die Missa canonica^ unbestritten
die oberste Stelle ein. Denn nicht allein, dass sie dem Kaiser
gewidmet war, sollte sie auch nach den eigenen Worten der
1 Beil. X. 7.
Fux,- MesBen. 129
Dedication dem rnnrikkundigen Fttrsten den Beweis liefern, daes
die alte Mnsik noch nicht verschwunden , ja dass ihr im Lanfe
der Zeit ein Gewinn erwachsen sei. Was Fox mit diesem ^Ge-
winne" andeuten wollte, wird durch eine Stelle im Gradus^
klar, wo er sich tlber die nach Palestrina erfundene gleichschwe-
bende Temperatur und den dadurch erst möglich gewordenen
erweiterten Gebrauch der Intervalle äussert: ^dass dadurch die
gegenwärtige Musik von der früheren Armuth der Intervalle wie
aus einem Kerker erlöst auf dem ungeheuren Felde der Modu-
lation auf das freudigste sich bewegen kann , wenn nur Compo-
nisten und Organisten innerhalb der Grenzen des Vernünftigen
sich halten^.
Die Mhsa canonicn (comp. 171H) ist ihrer Aufschrift gemäss
in allen ihren Theilen a cappella und im Canon geschrieben. Weit
entfernt, damit eine Einförmigkeit hervorzurufen, ist ftlr die
reichste Abwechslung Iq den Subjecten, ihrer Auflösung und Be-
handlung gesorgt. Denn bald ist es ein einfacher, bald ein dop-
pelter Canon, der entweder von der Oberstimme oder der Unter-
stimme geführt ist, während die Lösungen des Canons daher
abwechselnd in die entgegengesetzten Stimmen verlegt sind und
die verschiedensten Intervalle bei einem und demselben Canon
durchgehen. Besonders ausgezeichnet ist darin das Et resurreant,
noch mehr aber das Agnus , das die Lösung mit der Decimseptime
beginnt, und durch die meisten Intervalle bis zum Einklänge
herabsteigt. Dabei sind die Bewegungen der Lösung bald die
gerade, dann wieder die widrige, so dass das Ohr beim An-
hören , das Auge beim Durchsehen der Partitur bis zum Schlüsse
in stäter Spannung erhalten wird. Ungeachtet nur eine Richtung
der Satzkunst, der Canon, in diesem Werke verfolgt ist, so zeigen
doch die Lösungen in den wechselnden Ober- und Unterstimmen
den unvergleichlichen Beherscher des doppelten Contrapunkte^.
Allein diese wijs spielend überwundenen Schwierigkeiten würden
nicht entschädigen ftlr den Entgang einer schönen Führung der
Stimmen und einer anziehenden Harmonienfolge. Dass aber auf
beides in jeder Weise voller Bedacht genommen sei, wurde längst
1 Gradus, p. 34.
KöcUe/,J.J.Tnx- 9
130 Fux^ Mesaen.
empfunden und von Fr. W. Marpurg^ in seiner Abhandlung
von der Fuge hervorgehoben ^ wenn er ttber den Doppelcanon im
Christe eleison sagt: ^der erste Canon ist zwischen dem Basse
und Alt, der zweite zwischen dem Tenor und Discant ; beide sind
in der Oberoctav in der ähnlichen Bewegung. Des Zwanges der
doppelten canonischen Nachahmung ungeachtet ^ wird man die
prächtigste und dem Gegenstande gemässe. Harmonie darin
finden« *.
Wir haben daher hier ein Werk vor uns, das der Kraft
eines grossen Künstlers entsprungen, im Geiste seines grossen
Vorbildes durchgeftlhrt , von der Zeit keinen Eintrag zu besor-
gen hat und dem Empfänglichen in jeder Zukunft einen reinen
und hohen Genuss zusichert. Das prächtig gebundene Dedi-
eationsexemplar der Messe ftLr den Kaiser befindet sich in
der kais. Hofl)ibliothek in Wien und enthält bei jedem Satze
die Ueberschrift^, welche canonische Behandlung darauf folgt,
wahrscheinlich um dem kaiserlichen Gönner das Auffinden des
einzelnen zu erleichtem. — Welchen Werth bewährte ältere
Musiker auf diese Compositionen legten, geht auch aus der Ab-
schrift von seinem Schüler Job. Dismas Zelenka vom Jahre
1719 (in der kön. Musikbibliothek in Dresden) und jener seines
Verehrers Michael Haydn („descripsit Michael Haydn 5' Sept.
1751«) in der kais. Hofbibliothek in Wien, hervor. Auch noch in
diesem Jahrhunderte erschien davon eine Partiturausgabe bei
Ktihnel und bei Peters in Leipzig , die vergriffen ist.
Mit dieser Missa ist aber -die Reihe der Messen nicht ab-
geschlossen, welche ebenfalls durchaus im Canon geschrieben
sind; es gehören dahin die Missa S. Philippi (Beil. X. 37) und
S. Joannis (X. 34) ^ die , wenn sie auch nicht einen so überwälti-
genden Aufwand von Kunst aufzuweisen vermögen, dennoch den
Stolz manches anderen Künstlers ausmachen könnten. Nicht
durchaus im Canon geschrieben , dafür mit anderen Kunstmittelu
reichlich ausgestattet sind die Messen a cappella M. Vicissüudinis
1 Abb. von der Fuge. Berlin 1754. IL 117 und Tab. XLUI. Fig. 1, wo
das Christe eleison abgedruckt ist.
2 In der Beilage VII. 3. «*. ist sie nach dem Dedicationsexemplar ab-
gedruckt.
3 In Beil. VIII. 7 sind alle Ueberschriften aufgenommen.
Fux, Meaaen. 131
(X. 44)^ In fletn solatium (X. 18), Credo m unum Deum (X. 11),
aus welchen dreien einzelne Sätze Fox in seinem Gradus als
Master des a- cappella -Stiles seinem Schüler vorlegte In der
Credomesse wird das characteristische Wort „Credo"
> - r
M
Cre-do Cre-do
Cre-do Cre-do
abwechselnd von verschiedenen Stimmen bei den einzelnen Glau-
benssätzen mit Nachdruck wiederholt, wie dies auch von Mozart
in seiner gleichnamigen Messe ' angewendet wurde.
In den Messen im concertierenden Stile, welche zwar mit
grösserer, nie aber mit zu grosser Freiheit behandelt sind, werden
die Textesworte häufig, wie in einem Wechselgesange, von den
Stimmen emander abgenommen, wodurch man bei mancher leb-
hafteren Auffassung an das Madrigal erinnert wird. Dies ist der
Fall im Credo der Messe Quadragesimalis (X. 29) und der
Messe Ferventis orationis (X. 14), im Dona der Messe Dies mei
(X. 12) u. a. — Die Zwischenspiele dar Instrumente sind bei
den Messen Pro gratinrum actione (X. 27) und Tempus volat
(X. 41) öfter angewendet, gewöhnlich aber auf wenige Tacte
beschränkt , nur in der Messe Non erit in mora (X. 22) ist das
ganze Benedictus eine Sonatina ftir zwei Violinen und Orgel ohne
allen Gesang, ein höchst seltenes Vorkommen.
Noch ist der Messe flir die Verstorbenen (Pro defunctis.
Requiem) zu erwähnen, deren liturgische Einrichtung von der
Messe ftir die Lebenden abweicht. Den Beginn des ersten Musik-
stückes machen die Verse 1, 2 des Psalmes 64 y,Requiem aetemam
dona eis Domine^y gewöhnlich ein weiter ausgeftlhrter Satz, an
den sich das Kyrie anschliesst. Da in der Todtenmesse kein
Gloria ist, so folgt als nächster Satz die berühmte Sequenz Dies
irae (von Celano um 1250 gedichtet). Da sie aus 19 dreizeiligen
1 Das Kyrie aus der Messe Vicissitudinis ist Beil. VII. 3. d. abge-
druckt. > 257. Köche 1, Mozart-Verz.
9*
132 Fux, Vespern.
Strophen besteht , so ist diese das bedeutendste Musikstück der
Todtenmesse. Das Credo fällt in der Todtenmesse ebenfalls
weg^ daher folgt anf das Dies irae als nächster Satz das Offer-
torium Domine Jesu Christe , worin wieder ein längerer Text zu
bewältigen ist. Die späteren Sätze Sanctus^ Benedictus and
Agnus sind dieselben wie in der Messe fUr die Lebenden, nur
schliesst das Agnus nicht mit Dona , sondern mit y^Lux aetema
luceai m". — Fux hat ausser zwei kleineren (X. 55, 56) auch
ein grösser angelegtes Requiem fUr 5 Singstimmen (X. 51 — 53)
zurückgelassen, wovon aber nur das Requiem (51) mit dem
Kyrie , das Dies irae (52) und Domine Jesu (53) componiert vor-
liegen; die übrigen Theile sind nicht mehr vorhanden, oder
wurden nie eigens für dieses Requiem gesetzt, sondern einem
andern Requiem entnommen. Nach einer handschriftlichen Be-
merkung Simon Molitor's soll dieses Requiem 1697 zur Lei-
chenfeier der Erzherzogin Eleonore, verwitweten Königin von
Polen componievt worden sein. Damit stimmen auch die Aufzeich-
nungen der späteren Aufführungen im Jahre 1720 für die Kaise-
rin-Witwe Magdalena Theresia , 1 729 für den verstorbenen Her-
zog von Lothringen, 1736 für den Prinzen Eugen von Savoyen,
1740 nach dem Hinscheiden Kaiser Karl VL und 1741 am Jahrs-
tajge seines Todes. Femer spricht dafür die grosse und breite
Anlage und Durchführung mit reicher Instrumentierung. Im Jte-
quiem ist der Schluss Dona eis Domine in kunstreicher fünfstim-
miger Imitation weiter entwickelt und ähnlich das Kyrie ein
ernster fünfstimmiger Chor. Das Dies irae ist in zehn Sätze ge-
gliedert, davon ist das Quantus tremor in ungewöhnlicher Art
von ungebundenen Achtelnoten des Accordes begleitet ; das Alt-
solo des Tuba mirum wird von der Posaune eingeleitet und mit
dem Eintrittsmotiv fortbegleitet. Nach dem ruhigen homophonen
Intep oves kommt das tieferregte Confutatis maledictis, das Pie
Jesu schliesst mit dem kunstvoll ausgeführten Dona eis requiem.
Amen. Dass in dem Offertorium der fugierte Satz Quam olim
Abrahae würdig sich anreiht, durfte man erwarten.
IL Die Vespern (Abendgebethe) hatten verschiedene Ver-
anlassungen und davon abhängige Bezeichnungen. Sie hiessen von
■
einem Bekenner de Confessore^ vom Sonntage de Dominica , vom
Samstage de Sabbato, von der heiligen Jungfrau de Beata Vir-
Fux, Vespern. 133
gine Maria, und bestanden im Wesen ausser einigen gesproche-
nen Grebethen aus fünf Psalmen mit einem AUelnja, yersebieden
nach der Veranlassung ' und schlössen immer mit dem Magnificat,
Fux hat nicht nur ganze Vespern zurückgelassen , sondern noch
häufiger einzelne Psalmen daraus, bisweilen denselben Text wie
Ducü Dominus y Laudate pueri, Laudate Dominum, Magnificat
sechs und mehrere Male gesetzt. Die Setzweise bei den ganzen
Vespern und den einzelnen Psalmen ist beinahe eben so oft
a cappella als im concertierenden Stile mit Instrumenten. Im Gan-
zen ist die AuiBfassung zwar immer ernst und kirchlich , sie lässt
aber mit Ausnahme der Gompositionen a cappella von der hohen
Stimmung der Messe sich etwas herab , da auch der liturgische
Gegenstand sich nicht auf die Höhe des Messopfers erhebt. —
A cappella kommen Gompositionen mit Cantus firmus und ohne
denselben vor, der Chor ist darin alleinherschend und die con-
trapunktische Kunst, besonders der einfache und doppelte Canon
darunter einige, wie Vesper 90, von eben so grosser Bedeutung
als Schönheit die Kegel.
In dem Psalm Laetatus sum^y welcher ausnahmsweise für
acht Stimmen gesetzt ist, die in 2 Chöre getheilt sind, intonieren
die Stimmen des ersten Chors nach einander vier Canone, die
ihre Auflösungen im Einklänge im zweiten Chor finden , wie die
hier folgenden Anfangstacte zeigen :
1 Grewöhnlich waren folgende fi'inf Psalmen: 1. P«. 109 Diocit Dominum,
2. Ps. HO Confitebar tibi, 3. Ps, iii Beatus vir, 4. Ps, 112 Laudate pueri,
5. P«. 116 Laudate Dominum; an Marientagen und aus auderen Veranlas-
sungen kamen noch abwechselnd: Ps, 121 Laetatus sunt, Ps, 126 Nisfi Do-
minus, Ps. 147 Lauda Jerusalem, Ps, 143 Benedictus Dominus, Ps, 29 Ex-
aüabo, Ps, 127 Beati omnes, Ps, 128 Saepe expugnaverunt ^ Ps, 129 De pro-
funda, Ps, 130 Domine non est hinzu. Sämmtliche Texte dieser Psalmen
sind in der Beilage IX abgedruckt. ^ Beil. X. 105.
134
Fux, Vespern.
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Chor I.
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Der Canon ist lange fortgeführt und hat in dieser Art selbst
bei Fux keinen ähnlichen.
In den Nummern des concertierenden Stils sind ausser dem
häufigen Wechsel der Tonalität, auch Zwischenspiele der Instrur
mente und Uebemahme der abgebrochenen Textesphrasen durch
andere Stimmen gewöhnlich und selbst recitativartige Sätze nicht
F.ux, Vespern.
135
selten ; wodurch manche dem dramatigchen sich nähern. In ähn-
licher Riehtnng sind anch einzelne Wendungen des Textes be-
zeichnend anfgefasst, wie im Psalm Laudate^ das mahlende
relociter currit
ve - lo-ci-ter relociter currit cur - rit ser (mo)
IUI. 1 ■* '"• ^^ g r -
g
it
>- i.r'li"i".""^r Frf r^^
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velociter
velo - citer
ve-'lo- citer currit cur-
'^'^- 'T/r/gif 1 r^r/p r h^-^
veloci - ter
ve-lo-ci-terve-lo-ci-ter cur - rit cur-
and im Psalm Niai Dominus* der analog gehetzte Zurnf Stirgite,
surgUe
Surgitesur-gi - te surgite surfte sur-gi - te
Surgite snr-gi-te
Burgite fturgite surgite sur-gi - te
Surgite sur-gi-te
sur - gi-te surgite sur-gi - te
Surgite sur-gi-te surgite sur -gi-te surgite sur-gi - te
Gerade die einzeln componierten Psalmen , welche die Be-
Btimmnng hatten, bei besonderen Pesten als Einlagen zn dienen,
waren eben deshalb auf die Virtuosität der »Sänger in Solo und
1 Beil. X. 113. 2 X. 107.
136 Fux, Litaneien.
Dao und im allgemeinen auf ausgezeichnetere Ausführung sicht-
lich berechnet , wie auch auf dem Umschlage zu dem erwähnten
Psalme Nisi Dominus bemerkt ist, dass er gewöhnlich am Tage
der heil. Cäcilia gegeben wurde, wo man der himmlischen Be-
schützerin der Kirchenmusik nur das Erlesenste bringen zu dür-
fen glaubte; ferner wurde der Psalm Laudute pveri^ bei der
Krönung in Prag 1 723 gegeben , und a. m.
So mannigfaltig und bedeutend, so reich an harmonischer
' und melodischer Schönheit, ganz abgesehen von den Künsten
des Contrapunktes ist auch diese Abtheilung der Vespern und
Psalmen, dass man daraus leicht eine Reihe von Mustern der
verschiedenartigsten Auffassungen zusammenstellen könnte.
UI. Die Litaneien sind abwechselnde Bittgebethe, bei
welchen einer vorbethet und die anderen mit der Bittformel {ora
pronobisy miserere nobis) antworten. Sie wurden nur bei dem
Nachmittagsgottesdieuste angewendet. Aus den verschiedenen
Arten von Litaneien hat Fux nur die Marienlitaneien bear-
beitet. Sie heissen Litaniae Lauretanae und haben ihren
Namen von der Marienkapelle von Loretto , weil die dort ange-
brachten allegorischen Inschriften und Gemähide in den Worten
der Litanei ausgedrückt sind. Sie haben bei Fux auch andere
Benennungen als: Litaniae 5. Dei genürix, Mater divinae gru-
tiae, Mater sahatoris, Mater amabüis u. dgl. Die Litanei be-
schliesst jedesmal der Hymnus Sub tuum praesidium.
Die meisten sind im concertierenden Stile für Stimmen und
Instrumente geschrieben, die Litanei (X. 119) hat auch für die
Orgel concertierende Passagen, die Litanei 118 ist aber a cap-
pella gesetzt und ungeachtet des ziemlich gedehnten Textes sehr
kurz gehalten. Sie scheint es diesem Umstände und ihrer Frische
zu danken , dass sie auch nach dem Tode des Componisten von
1743 bis 1775 74 Wiederholungen erfuhr.
Im Vergleiche mit anderen Kirchencompositionen sind
die Litaneien minder bedeutend zu nennen , obgleich an sich sie
wieder ihre eigenen Verdienste der Behandlung besitzen.
An die Litaneien sehliessen sich die Completorien, wo-
mit der katholische Priester sein geistliches Tageswerk vollendet.
1 Beil. X. 88.
Fux, Gradoalien — OfFertorien. 137
Das Completorium besteht aus vier Psalmen^ nüd 2 Hymnen,
nach deren jedem das Gloria patri et filio wiederholt wird. Die
meisten Completorien sind a cappella componiert, gewöhnlieh vier-
stimmig, einzelne Sätze auch zwei- oder dreistimmig. Im Com-
pletorium X. 126 hat jeder Vers der zwei ersten Psalmen seine
abgesonderte Behandlung gefunden. Ungeachtet der im allge-
meinen kürzeren Fassung der einzelnen Sätze wusste der Meister
den Cantus firmus zu trefflichen Compositionen zu benützen. Ein-
zeln componierte Psalmen daraus , welche wie bei den Vespern
zu Einlagsstüeken dienten, sind für eine oder zwei SolostiiAmen
(X. 132, 133) und ihrer besonderen Bestimmung gemäss reich-
lich figuriert gesetzt.
IV. Graduale (Staffelgebeth) ist ein Bestandtheil der
Messe, welcher nach dem Kyrie eintritt, nachdem ein Priester
an den Stufen des Altars stehend die Epistel gelesen hat. Als
Musikstück wird es als ein Einlagestück zur Messe betrachtet,
und ist nicht unter den Hauptnummem derselben componiert, da
es in gewissen Fällen wegbleibt. Fux hat die grössere Zahl der
Gradualien (X. 137 — 142) für die Adventzeit, eines auch flir
die Fasten, zwei iür das Requiem zurückgelassen. Sie enthalten
kurze Bibeltexte und zur Adventzeit zum Schlüsse ein AUeluja.
Sie sind sämmtlich a cappella, meistens auch mit Cantus firmus
componiert und ungeachtet der Beschränktheit des Umfanges ist
der Raum mit canonischen Wendungen gründlich ausgenützt. Im
Graduale (X. 140) ist die öftere Wiederholung veni — veni (ut
salvos facias nos) durch alle Stimmen von bester Wirkung.
V. So wie die Gradualien werden auch die Offertorien als
besondere Einlagestücke in die Messe componiert, und finden
ihre Stelle nach dem Credo und vor dem Sanctus , während vom
Priester unter stillem Gebethe die- Hostie und der Kelch geopfert
werden. Gewöhnlich sind die Musikstücke während dieses Vor-
ganges nicht sehr ausgeführt auf einen Text, welcher dem Feste
entspricht. Fux hat für den Advent vier, und für die Fasten
ebenfalls vier Offertorien zurückgelassen, welche ebenso viele
Perlen genannt werden können. Sie sind a cappella, meistens
1 Ps. 4 Cum invocarem — P*. 30 In te Domine speravi — P«. 90' Qui
habitat — PsASS Ecce nunc benedicite — Htfmnus: Te lucis ante terrninum —
Cant. Simeonis: Nitnc dimittis sermtm, sämmtlich in Beil. IX abgedruckt.
::i
138 Fux, OflFertorien.
auch mit einem Cantus firmus gesetzt, und da der Text gewöhn-
lich nur zwei Verse eines Psahnes enthielt und doch eine be-
stimmte Zeit ausftlllen musste, so war eine öftere Wiederholung
der Textesworte unvermeidlich. Aber gerade in der Auswahl die-
ser Worte und noch mehr in der contrapunktischen Behandlung
zeigte sich der Meister. In dem Offertorium Ad te Domine (X. 153)
wird das oft wiederholte bedeutende Wort non confundentur — non
mit einer Innigkeit des Ausdruckes vorgetragen, die an. einen
gelehrten Contrapunktisten gar nicht denken lässt. In dem Offer-
torium (X.154) wird der Eingang Tollite portas und in 159 de
Apostolis die Worte Estote forte» in hello wie ein Mahnruf ;Kum
Kampfe aufgefasst und doch zugleich die Eignung des Motivs zur
Durchftlhrung nicht aus dem Auge gelassen. In diesen Offerto-
rien stecken ihrer Kürze ungeachtet tiefe Studien und fordern
den Strebenden zu Studien daran auf. Es ist darum auch nicht zu
verwundem, dassFux selbst einen besonderen Werth auf dieselben
legte und zwei daraus im Gradus seinem Schüler als Muster hin-
stellte und sie mit ihm analysierte. Das eine ist das Offertorium
(X. 153) Ad te Domine \ welches er im Gradus (pag. 254) mit
folgenden Bemerkungen begleitet: „Sieh, Josef, diesen gebunde-
nen Öatz mit beständig verketteten Subjecten (Themen). Betrachte
zuerst und erwäge den Sinn des Textes Ad te Domine levavi ani-
mam menm, und du wirst finden, dass das Subject mit wachsen*
der Stimme und immer aufsteigend nach dem Bilde eines mit
Vertrauen Bethenden, der Bedeutung der Worte ^anz besonders
angeschlossen sei. Bemerke dann die zweite Stimme, welche
eintritt, ehe die erste das Subject ganz vollendet hat, und wie
durch eine kurze Modulation mit einem Trugschluss der dritten
Stimme, dem Tenor, Gelegenheit zum Eintritte gebothen ist. Hier^
auf fahren der Sopran und Alt anstatt einer Modulation mit Auf-
nahme eines fremden Scheinsubjectes bei den Worten animam
meam inzwischen an nicht ungefällig zu spielen. Femer, damit die
Modulation durch unnöthigc Wiederholung der Worte nicht zu
sehr in die Länge gezogen werde, imitiert nach einer dazwi-
schen gestellten halben Pause .der Alt das Subject bei dem Worte
levavi, welche Imitation nach einer Pause der Sopran ebenfalls
1 Es i8t in der Beilage VII. 3. f. abgednickt.
Fux, Offertorien. 139
aufnimmt. Hierauf modulieren etwas die Stimmen mit dem Qnasi-
subjecte bei den Worten ahimam meam und bilden einen Ton-
schlusB in jD, worin der Sopran nach vorhergegangener Pause
mit der neuen Periode des Textes ein neues Subject einführt ; die
ausdruckende Kraft dieses Subjeetes bei den Worten Deus mens
scheint der Beachtung nicht unwerth zu sein. Betrachte ausser-
dem ^ aaf welche Art die Stimmen dieses Subject so enge auf-
nehmen ^ dass gleichsam eines dem andern dasselbe aus dem
Munde nimmt, bis bei den Worten in te canfido ein anderes Sub-
ject, das sich von der Bedeutung des Textes nicht entfernt, vom
Basse fortgeftahrt wird , welches von den übrigen Stimmen aufge-
nommen , dann mit dem frttheren Subjecte Deus mens vermischt
bis zum Tonschluss Bfa fortgeführt wird. . . . Erwäge femer das
Subject, welches mit der folgenden Periode nan erubescam unter
der obigen Cadenz im Basse eintritt, von den übrigen Stimmen
in strenger Aufeinanderfolge wiederholt und fortgeführt wird zur
Cadenz F, wo neuerdings der Bass mit der Periode neque irrt'
deant me inimici ein neues Subject einftihrt , das dem Sinne der
Worte keineswegs widerspricht und dann in langer Durchftihrung
mit engansehliessenden' Stimmen fortgesetzt wird^. — So spricht
sich der denkende Künstler ans über, sein klares Wollen und
lässt uns zugleich in die Werkstätte seines schaffenden Geistes
hinabsteigen, wie das nur selten in so interessanter Weise ge-
schieht. Dai3 OffertoriuAi Ave Maria (X. 151) gibt Fux Gele-
genheit über die Auffassung einer Composition a cappella in Ver-
bindung mit einem Cantus firmus sich also auszusprechen^: „Hier
hast du ein Beispiel einer Composition , die mit obligatem Cantus
firmus oder Gregorianus gearbeitet ist. Wenn die Subjecte min-
der sangbar und nicht so bedeutend sind , als in den vorher-
gehenden Mustern, so musst du das der Beschränkung durch den
Cantus firmus zuschreiben, denn in dieser Compositionsgattung
steht es nicht frei , was immer fllr ein Subject zu wählen , son-
dern nur jene, welche an den Choralgesang sich anschliessen
können. Ausserdem sind gewönlich die Subjecte aus dem Gre-
gorianischen Cantus entnommen oder doch üachahmend einge-
richtet. Wenn die Worte öfter als genug ist , wiederholt werden,
1 GraduB. p. 262.
140 Fux, Mottette.
80 schreibe das dem Tractus' des Choralgesanges uud seiner
Kürze zu, das aber für das ganze OfTertoriam ausreichen. soll.
Obschon einerseits solche Zwangsobliegenheiten nicht wenig dem
Schmucke der Composition entziehen , so findet man doch ande-
rerseits im Anhören des Cantus firmus etwas Einschmeichelndes
und die Andacht Förderndes y das die Zuhörer auf der Stelle zur
Sammlung aufruft.^
Ausser diesen Compositionen a cappella sind die Offertorien
161 und 162 für eine und zwei Solostimmen reich figuriert und
instrumentiert und heiter festlich, wie die Bestimmung des
Textes dazu Veranlassung gab.
VI. Mottette. So wie der etymologische Ursprung des
Wortes ist auch der Character des MusikstUckes dieses. Namens
verschiedenartig aufgefasst worden. Darin stimmen wohl die
meisten tiberein, dass das Mottett ein zur Figuralform gehöriger
Kirchengesang, aber mit freierer Bewegung sei, und sich da-
durch dem Madrigale nähere, aber durch den stäts biblischen
Text und durch Vorwalten des künstlichen Contrapnnktes, der
Imitation, des Canons und der Fuge davon entferne. In dem
letzten Sinne hat Fux ein einziges Mottett a cappella componiert
hinterlassen über die zwei, ersten Verse des Psatanes42 Utcervus
ad fontes ^, das ganz in der Strenge seiner schönen Adventoffer-
torien gehalten ist und sich von diesen nur dadurch unterschei-
det , dass es die Aufschrift Mottetto fllhrt. Alle übrigen Compo-
sitionen dieses Namens gehören bei Fux dem concertierenden
Stile an, sind fUr eine oder zwei Solostimmen oder a tre, seltener
a quattro gesetzt und gewöhnlich reich instrumentiert. Die Solo-
stimme , wenn sie nicht durch das ganze Stück allein den Instru-
menten gegenübersteht, intoniert gewöhnlich eine Phrase, die
der Chor wiederholt > oder es nehmen die Stimmen in verschie-
denen Combinationen die Texte auf und führen sie zuletzt ge-
meinschaftlich zu Ende. Ihre Bestimmung konnte nach den Tex-
tesworten, welche gewöhnlich kirchliche Hymnen sind, an den
Festen verschiedener Heiligen , die besonders genannt sind, vor-
züglich aber an Marientagen als Einlagstücke der Messe oder zu
1 Tr actus ist eine Melodie, welche in der Fastenzeit an der Stelle
des auf das Graduale folgenden AUeluja gesungen wird. ^ Beil. X. 184.
►
Fux, Hymnen.
141
andern liturgischen Zwecken sein. Durch die freiere Behandlung
der concertierenden Mottette ist auch hier den Sängern Gelegen-
heit gegeben, ihre Kunstfertigkeit zu zeigen , während die Auf-
fassung des Textes durch viele feine Zttge das genaue Verständ-
niss desselben von Seite des Componisten verräth.
Vn. Hymnen. Unter dieser CoUectivbezeichnung wurden
die zahlreichen Kirchencompositionen eingereiht, welche nicht
unter eine der früheren Rubriken der Gradualien, Offertorien
u. 8. w, gebracht werden konnten, obschon es wahrscheinlich ist,
dass mehrere der Hymnen zu solchen Zwecken verwendet wur-
den. Die Texte dazu sind theils Psalmen , theils wirkliche Hym-
nen zur Ehre von Heiligen, oder mit Rücksicht anderer kirch-
licher Zeiten, als des Advents, der Ostern u. dgl. oder zu Dank-
festen ftlr bedeutende glückliche Ereignisse, als Siege, Friedens-
schlüsse, zuweilen aber auch zu kleineren Litnrgien, wie Äsperges,
Libera bestimmt. Den bei weitem grösseren Theil machen die
Hymnen an die Mutter des Heilandes aus, wie denn Fux auch bei
den früheren Abtheilungen für den Mariencultus viel und mit
Vorliebe componiert hat. Unter den Hymnen sind einige Texte
oft wiederholt von ihm gesetzt, so Alma Redemptoris mater 18
Male, Salve Regina 10, Ave Regina 22 Male. Mit welcher Innig-
keit Fux an diese Texte gieng , möge die Auffassung der Worte :
„0 Clemens^ o pia, o dulcis tirgo Maria" aus dem Salve Regina
259 (der Beil. X) dienen.
Soli seiiBa stromentL
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mens o
pi - a
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pi - a, o dul - ds
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0 de - mens o pi - a o pi
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142
Fux, Hymnen.
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dul - eis vir
go Ma - ri
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dul - ci» vir - go Ma - ri
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a.
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I
dul - eis vir
go Ma
n
a.
Die Mehrzahl dieser Hymnen ist a cappella ohne oder mit
Ripieninstrumenten vierstimmig, häufig auch dreistimmig gesetzt,
da Fux seine Vorliebe für den dreistimmigen Satz auch hier an
den Tag legte. Die Hymnen für Solostimmen oder für zwei Stim-
men y hie und da auch andere sind im concertierenden Stile ge-
schrieben zum besonderen Frommen virtuoser Kehlen. Dass sich
Fux im concertierenden Stile freier bewegte , hat er im Gradus
selbst für erlaubt erklärt, doch schwebt auch über diese freiere
Bewegung das stäts wache Bewusstsein des Gesetzes, das nur
seltene Ausnahmen gestattet. Im Hymnus (249) Nunquam ira
nähert sich die Behandlung dem dramatischen, jedoch ohne dem
kirchlichen Ernste Eintrag zuthun; in der Hymne (192) Alma
Redemptoris erlaubt sich Fux im Eingange wiederholte Sprünge,
Alma Bedemp - to - ri8 Redemp • to - ris ma
ter
wie man sie in solcher Folge bei ihm in der Kirchenmusik nicht
gewohnt ist, doch auch da lenkt er bald ein, als wollte er zeigen,
dass man bisweilen auch ungewohntes wagen dürfe. Der mehr-
mals vorkommende Quintensprung beim Eintritte des Alma (X. 1 85,
186, 187, 190, 191, 20Ö, 202) hat wahrscheinlich seine Veranlas-
sung in irgend einem Cantus firmus, von dem er sich in mehreren
Hymnen nicht geringe Fesseln anlegen lässt, welche aber dem
Fux, Hymnen. 143
Hörer niemals beschwerlich werden, da er sie mit erhöhter conti*a-
punktischer Ennst zu umhüllen weiss.
Als Compositionen fUr Feste ersten« Ranges treten aus den
Hymnen zwei Te Deum (X. 270 und 271) hervor durch die Grösse
und Feierlichkeit der Auffassung so wie die überaus zahlreiche
Verwendung von Instrumenten. Es ist auch aus den Vormerken
der gleichzeitigen Stimmenabschriften zu entnehmen, dass sie
1723 bei der Krönung in Prag, 1725 wegen des abgeschlossenen
Friedens mit Spanien, 1716 bei der Geburt des sehnlich erwar-
teten Thronerben Erzherzog Leopold , 1 736 zur Vermählung der
Erzherzogin Maria Theresia mit dem Herzoge Franz Stephan von
Lothringen zur Aufführung kamen. — Aus dem Verzeichnisse X
ist auch ersichtlich , wie einige andere dieser Hymnen zu ihrer
Zeit die zahlreichsten Wiederholungen erfuhren, woraus hervor-
zugehen scheint, dass Fux selbst zu einer Zeit, wo man den ver-
führerischen Tönen der lockeren Opernmusik begierig lauschte,
doch dasselbe Publicum für den Ernst seiner Kirchenmusik em-
pfänglich zu erhalten wusste.
IX.
Chronik (1719—1721) - Abfertigimg für die eTenteeUe Witwe —
Seine Oper Costansa e Forteisa in Prag (1728) — Caldara's Oper
Enristeo (1724).
Im Jahre 1719 componierte Fux zwei Textbücher seines
Pietro Pariati: die Oper Elisa ^ zum Geburtsfeste der regieren-
den Kaiserin Elisabeth (sie erschien zehn Jahre später gedruckt),
und das Oratorium Gesu Cristo negato da Pietro *. — Desselben
Jahres erhielt Fux das Hofquartier „zum goldenen Bären ^" auf
dem alten Fleischmarkt, wo er 22 Jahre wohnte und auch seine
Tage beschloss.
1 720. Ausser dem Oratorium La Cena del Signor, Text von
P. P a r i a t i * componierte Fux gemeinsam mit Caldara die Operette
Psiche % Text von ApostoloZeno, der einzige Fall, in welchem
Fux mit anderen in Gesellschaft componierte. Die Veranlassung
dazu war sehr wahrscheinlich seine oft wiederkehrende Kränk-
lichkeit. Zur Leichenfeier der am 19. Jänner verstorbenen Kai-
serin-Witwe (nach Kaiser Leopold I.) Eleonora Margaretha
Theresia wurde das grosse Kequiem von Fux gegeben. — Der
neu eingetretene Hofcomponist Gius. Porsile beginnt seine
Thätigkeit.
1721. Die Vorsorge, seine eventuelle Witwe nicht nach
seinem Ableben den Wechselfällen einer Gnadenpension auszu>
setzen, bestimmte Fux, bei seinen andauernden chronischen
Leiden den ihm so gnädig gestimmten Kaiser um sofortige Ge-
währung einer Abfertigungssumme statt einer Pension zu bitten. In
seinem Gesuche vom 6. März 1721^ führt er an, dass er während
seiner langen Dienstzeit in den „flirgewesten schweren Zeiten,
und bei seinen vielfaltigen dispendiosen Krankheiten'^, keine
1 Beil. VIU. 551. 2 Eb. 556. 3 Haus Nr. 6 (neu), 697 (alt). Beil. II.
20. * Beil. Vm. 567. & Beil. VIII. 563. • Beil. U. 10.
Abfertigimg für die Witwe F u x. 145
Mittel ftlr den benöthigten Unterhalt der Seinigen naeh seinem
Ableben habe bei Seite legen können ^ znmal er ansser der Be-
soldung irgend eine Adjnta ; wie viele andere , niemals genossen
habe, bei seinen erschöpften Kräften aber dem Allerhöchsten ge-
fallen könne, seine Tagei in kurzem zu endigen und da seine Frau
Anspruch auf irgend eine Pension habe, so bittet er statt der-
selben um ein Capital, dessen Interessen einer jährlichen Pension
seiner Witwe gleichkämen, damit er noch bei seineu Lebzeiten
den Trost habe, sein armes Weib, „bq ihm jederzeit mit sonder-
barer Liebe und Treue alle Hilfe erzeigt habe^, versorgt zu
wissen.
Der Ob'ersthoftneister führt in dem Gutachten ^ über dieses
Gesuch zwei ähnliche Fälle der letzten zwei Vorgänger im Kapell-
meisteramte Antonio Draghi und Marc Antonio Ziani an,
deren Angehörigen bei deren Lebzeiten Pensionen in der Höhe
von 800 fl. zugesichert wurden. „Gleichwie dieser Supplicant
(Fux) es jenen beiden in der Capacität und Fleiss wo nicht bevor
wenigstens gleich gethan hat^, so dürfe die! Witwe desselben
ebenfalls eine Pension von jährlich 800 fl. erwarten und diese
leicht zehn , wo nicht mehrere Jahre gemessen dttrfen , daher hat
der Obersthofmeister kein Bedetiken getragen, „Ew. kais. Msge-
stät für den- Supplicanten , als seiner langjährigen und fleissigen
Dienste halber besonders meritierten Hofkapellmeister, einzu-
rathen, dass ihm ein fttr allemal ein Capital von 8000 fl., jedoch
erst in den vier nächstfolgenden Jahren- ratenweise zu bezahlen,
eben so viel, als die Pension von 800 ü. in 10 Jahren austrägt^\
Unter diesen Antrag schrieb Kaisei* Karl VI.: „Placet^.
In diesem Sinne wurde auch das Decret fttr Fux^ ausge-
fertigt.
Wenn diese Abfertigungssumme von 8000 fl. für die even-
tuelle Witwe des Kapellmeisters beträchtlich erscheint — und sie
ist es auch wirklich, besonders bei dem Geldwerthe jener Zeit —
so steht doch das ganz analoge Begehren des Vice-Kapelhneisters
Antonio Caldara von 12.000 fl. beschwichtigend entgegen, da auch
diese Summe ihm bewilligt wurde — ohne Fux zu einer gleich-
stellenden Forderung zu veranlassen.
J Beil. II. 11. 12. 2 Beil. IL 11.
Köehef, J. J. Ftix. 10
146 Fax, Oper Oostanza e fortezza.
1722. Ausser der brillanten Oper Le Nozze di Aurora ^ Text
von P. Pariatiy znr Vermählungsfeier der Erzherzo^n Amalia
mit dem Kurprinzen Albert von Baiem componierte Fux nach-
träglich die 1 720 von Caldara componierten Nummern zur Operette
Pnche^ neu und brachte sie als seine alleinige Composition am
Geburtstage des Kaisers zur Aufführung.
1723. Das Wiener Diarium vom 23. März berichtet die
Wiederholung des Oratorium Cristo neU orio^ vom Jahre 1718. —
Ein grosser Triumph erwartete den kranken Mann in Prag.
Im August und September des Jahres 1723 bereiteten sich
zur Krönung des Kaisers und der Kaiserin mit der königlichen
Krone von Böhmen in Prag Festlichkeiten vor, wie sie selbst in
jener prachtliebenden Zeit ungewöhnlich waren. Ausser den
glänzenden Gefolgen der zahlreichen Wilrdenträger des Kaisers
hatten Theilnahme und Neugier eine grosse Menge inländischer
und ausländischer Personen aus den höchsten Ständen herbeige-
zogen, welche zugleich den Festen zu würdiger Folie dienten.
Dass dabei die Musik einen wesentlichen Antheil zu nehmen be-
stimmt war y Hess sich erwarten , da von allen Seiten die ausge-
zeichnetsten Künstler aus ganz Europa, wie der berühmte Violin-
virtuose Giuseppe Tartini^, entweder ausdrücklich dazu auf-
gefordert wurden, oder aus freiem Antriebe sich dabei einfanden.
Fux war beauftragt worden , die Festoper zu schreiben , welche
am Geburtsfeste der Kaiserin (31. August) gegeben werden sollte.
P. Pariati hatte als Verfasser des Textes das Motto des Kaisers
Costanza e fortezza zum Titel der Oper gewählt und seine Auf-
gabe in den Vorgängen des Kampfes des Porsenna gegen Bom
mit den Episoden des Mutius Scävolä , des Horatius Codes und
der Clölia mit vielem Geschicke gelöst. Zur Darstellung wurde
in dem grossen Hofraume des königlichen Schlosses auf dem
Hradschin ein prachtvolles Amphitheater erbaut , das 4000 Zu-
schauer zu fassen vermochte. Das noch erhaltene Textbuch gibt
in sechs Kupferstichen des grössten Formates die Zeichnungen
der vorzüglichsten Decorationen und Maschinerien , worunter die
Heereslager der Römer und Etrusker , dann eine grosse Wasser-
1 Beil. VUI. 584. « £b. 582. « Eb. 547. ^ Geb. 1692, gest. 1770.
Kam 1723 mit seinem Freunde dem Violoncellisten D. Ant. Vandini nach
Prag nnd blieb dort mit ihm drei Jahre bei Graf Kinsky.
I
Fux, Oper Coatanaa e fortezza. 147
masse , welche sich aus dem Tiber erhebt und dann die Burg des
Flaasgottes sehen iässt; besonders hervortreten. Von dem Reich-
tbum der Belenchtnng , der Kostbarkeit der Kleider, der anser-
lesenen Musik ^ den zierlichst ausgeftthrten Tänzen , erzählt das
Wiener Diarinm ^ dass sie wohl bewundert aber nicht beschrieben
werden können. Die Vorstellung währte von 8 Uhr Abends bis
1 Uhr nach Mittemacht. Ueber den Eindruck, welchen die Musik
des Fux auf die Zuhörer ausübte, haben wir zu gutem Glttcke die
Aufzeichnungen eines kunsterfahrenen Theflnehmers, des preussi-
sehen Kammermusicua und Hofcomponisten Johann Joachim
Quantz', der sich in seiner Lebensgeschichte' darttber also
vernehmen lässt :
,,Im Jahre 1723 that Quantz mit (S. Leop.) Weiss, dem
Lauteiuusten^ und dem (nachmaligen) Kapelhneister Graun^ eine
Reise nach Prag. Um diese Zeit hatte Kaiser Karl VI. die meisten
berühmten Virtuosen aus Europa nach I^ag verschreiben lassen.
Die Geschichte hat keine glänzendere Begebenheit für die Musik
aufzuweisen als diese Feierlichkeit , noch ein ähnliches Beispiel,
da so viele grosse Meister irgend einer Kunst auf einmal an einem
Orte versammelt gewesen.
Bei dieser Gelegenheit ward eine Oper in freier Luft aufge-
führt , wo hundert Personen sangen und bei zweihundert spielten.
Die Oper hiess La Cosianza e la Fortezza, componiert von Fux,
dem alten berühmten kaiserlichen Oberkapellmeister. Die Compo-
sition war mehr kirchenmässig als theatralisch, aber sehr prächtig.
Das Concertieren und Binden der Violinen gegen einander, welches
in den Ritomellen vorkam, ob es gleich grösstentheils aus Sätzen
bestand, die auf dem Papier steif und trocken genug aussehen
mochten, that dennoch hier im Grossen bei so zahlreicher Be-
setzung und in freier Luft eine sehr gute, ja viel bessere Wirkung
als ein galanterer , mit vielen kleinen Figuren und geschwinden
Noten gezierter Gesang in diesem Falle gethan haben würde. Die
Chöre dienten nach /ranzösischer Art zu Balleten. Der Kapell-
1 Vom 4. Sept. 1723. « Geb. 30. Jänner 1697, gest. 12. Juli 1773,
bekannt durch seine Anweisung die Flöte zu spielen. ^Marpurg, hist.-
krit. Beitr. I. 216 f. — Burney, Tagebuch (1773). 1. 117 ff. * Geb. 1684,
gest. 1750, sächsischer Kammermuflicus, ein ausgezeichneter Lautenspieler.
^Karl Hein r. Graun, geb. 1701, gest. 1759, preussischer Kapellmeister.
10*
148 Fux, Oper Costanzaefortezza.
meister Caldara gab den Tact^ Fax selbst hatte das Podagra:
der Kaiser hatte ihn also von Wien in einer Sänfte hertragen
lassen, nnd er hörte diese so angewöhnliehe prächtige AoffUhrong
seiner Masik nicht weit vom Kcüser sitzend an K Unter den Haapt-
oder concertierenden Stimmen war keine einzige mittelmässig, sie
waren alle gat. Die Sängerinen waren die beiden Schwestern
AmbrevillC; Italienerinen^ deren eine nachher mit dem Violon-
cellisten Perroni, die andere mit dem Sänger Borrosini sich
vermählte. Die Sänger waren der berühmte GaetanoOrsini^
Domenico (Genovesi), Carestini, Pietro Casati^ ein
grosser Actear, (Franc.) Borrosini, ein lebhafter Tenorist and
aach geschulter Acteur und (Christ.) Praan, ein Deatsoher, and
angenehmer Baritonist, welcher besonders das Adagio so rttiirend
aosfUhrte , als man irgend von einem braven Contraltisten hätte
erwarten können.
Gaetano Orsini, einer der grössten Sänger, die jemals
gewesen , hatte eine schöne , egale and rtthrende Contraltstimme
von einem nicht geringen Umfange, eine reine Intonation, schönen
Trillo und angemein reizenden Vortrag. Im AUegro accentaierte er
die Passagen, besonders die Triolen mit der Brust sehr schön und
im Adagio wusste er auf eine meisterhafte Art das Schmeichelnde
und Rtthrende so anzuwenden , dass er sich dadurch der Herzen
der Zuhörer im höchsten Grade bemeisterte.
Domenico (Genovesi) hatte eine der schönsten Sopran-
stimmen, die ich jemals gehört habe. Sie war voll, durchdringend
und rein intonierend. Im ttbrigen aber sang nnd agierte er eben
nicht mit sonderlicher Lebhaftigkeit.
Giovanni Carestini hatte frtther eine starke und volle
Sopranstimme, welche sich später in eine der schönsten, stärksten
und tiefsten Contralte verwandelte. Er hatte eine grosse Fertig-
keit in den Passagen , die er der guten Schule des Bemachi ge-
mäss mit der Brust stiess. Er unternahm in willkttrlichen Ver-
änderungen sehr vieles, meistentheils mit gutem Erfolge. Seine
Action war sehr gut und so wie sein Singen feurig.
1 In den Cameralzahlamts-Rechnungen von 1723 wird bemerkt, dass
das I. Quartal des Gehaltes von Fux für 1723 in dem Prager Reiseparticu-
lare vorkomme. Damit ist auch die Anwesenheit desselben in Prag amtlich
nachgewiesen.
Caldara, Oper Euristeo. 149
Alle diese Sanger stunden in wirklichen kaiserlichen Dien-
sten. Von dem wienerischen Orchester waren aber nur etliche
zwanzig Personen gebracht worden. Die übrigen Instrumentisten
wurden in Prag zusanunengesucht und bestunden aus Studenten,
aus den Mitgliedern einiger gräflichen Kapellen und aus fremden
Musicis. Der Anführer des Orchesters war der kaiserliche Con>
certmeister (Giov. Ant.) Piani. Der bertthmte Francesco
Co n t i; ein erfindungsreicher und f euriger, obzwar manchmal etwas
bizarrer Componist fbr die Kirche sowohl als für das ernsthafte
nnd komische Theater , dabei einer der grössten Teorbisten j die
jemals gewesen sind; spielte die erste Teorbe. Die Chöre waren
mit Schttlem und Kirchensängem aus der Stadt besetzt. Weil
nun wegen Menge der anwesenden Menschen vielen , auch sogar
Personen von vornehmem Stande der Eintritt in die Oper ver-
sperrt war j so liessen meine beiden Gefährten und ich uns auch
mit zum Orchester werben. Weiss spielte die Teorbe , Graun
das Violoncell und ich Oboe als Bipienisten. Wir hatten dadurch
zugleich' Gelegenheit die Oper wegen der vielen nöthigen Proben
desto öfter zu hören. ^
Auch in später Zeit sprach Quantz mehr als einmal mit
g^sser Aehtung von der Wirkung , welche diese Oper von Fux,
die er in seiner Jugend gehört hatte^ in ihm zurttckliess ^
Ausser der Festoper wurde in Prag das grosse Tedeum^ am
Krönnngstage (5. Sept.), wahrscheinlich noch mehrere Kirchen
compositionen voii Fux gemacht. — Johann Dismas Zelenka,
der Schttler des Fux, sang im Chor der Oper Costanza und com-
ponierte dort die Musik zu dem Melodrama de Sancto Weftceslao ^.
So wie es bereits unter den früheren Kaisern Leopold I.
und Josef I. die Begel war , dass jährlich im Fasching von Cava-
lieren und Damen scenische Darstellungen, gewöhnlich Comödien
oder Burlesken mit und ohne Tänze, bei Hofe aufgeführt wurden,
setzte sich diese U^bung auch unter dem gutmusicalischen Kaiser
Karl VI. fort, ja sie steigerte sich im Jahre 1724 bis zu einer Oper,
deren Gesangs- und Instrumentalparte so wie die Tänze aus-
schliesslich von Herren und Damen des höchsten Adels mit dem
iFr..Nicolai,Rei8©.1781.IV.524. aßeü.X.270. »Fürstenau,
Oesch. Dresdn. Mus. IL 71^83.
150 Oaldara, Oper Enristeo.
•
Kaiser als Dirigenten an der Spitze ansgeftlhrt worden. Das
Wiener Diarinm vom 17. Mai 1724 referiert darüber angewöhnlieh
ausführlich in folgender ftlr die Zeit charaeteristischen Weise:
..Gegen Abend wurde bei Hof auf einem eigens dazu verfertigten
theatro in Beisein der Allerhöchsten kaiserlichen Monarchen dann
der durchlauchtigsten Leopoldinischen Erzherzoginen, des Erb-
prinzen aus Lothringen Durchl., wie auch des hiesigen und fremden
höchsten Adels eine noch niemals dahier und fast durch ganz
Europa gesehene lob- und sehenswürdigste Opera, wobei auch die
DurchL Carolinischen Erzherzoginen und Infantinen , als Maria
Theresia^ und Maria Anna die Tänze aufgeflihret und die
Actores , Tänzer und Tänzerinen und der völlige Chorus musicus
aus lauter Adelichsten Personen bestanden mit grösster Magni-
ficenz und Buhm zum ersten Male vorgestellet. Obgedachte herr-
lichste Opera , so Eurystheus (Euristeo) ^ benamset ist , war auf
allergnädigsten Befehl Ihrer kaiserlichen und königlichen katho-
lischen Majestät von Herrn ApostoloZeno^, kaiserUchen Poeton
und Historico verfasset und von Herrn Antonio Caldara, kais.
Vice-KapeUmeister in Musik gebracht worden.
Die vorstellenden Personen sind :
I»meney Prinzessin von Argo — Margaritha Orsini
Gräfin von Piakai. — Erginda, Tochter des Thersander —
Judith Gräfin von Stahrenberg. — Aglaiida, Töchter
des Königs Cisseus — Josefa Gräfin von Berg. — Ormond,
der Feldoberste des Königs Cisseus — Karl JosefMarchese
Gallerati. — Cisseus, König von Macedonien — Ludwig
Prinz Pio von Savoyen. — Clearcus, Fürst von AetoUen —
Ferdinand Graf von Harrach. — Glaucio, Fürst von
niyrien — Pietro Marchese Stella.
Die Instrumentalmusik versahen:
Herr Adam Graf vonQuestenberg . , Tiorbe
„ Ludwig Graf von Saleburg . . . Travers
„ Ferd. Graf von Lamberg Violin
j, Christ. Fürst Lobkowitz Violin
p Friedr. Graf Cavriani Fagott
1 Die nachmalige Kaiserin, damals 7 Jahre alt.
2 Beil. VIII. 604. 3 Poesie drammatiche. Vol. VI.
r
y
r»
r
Caldara, Oper Euristeo. 151
Herr Karl Bob. Graf Tmchsess v. Zeil Haatbois
j, Christ. Graf von Proskan .... Violin
r Ferd. Graf Fergen das zweite Cymbal
^ Karl Graf Apermont Yiolin
Job. Bapt. Graf von Pergen . . . Violoncell
Jos. Graf Stnbenberg Violin
Karl Graf von Rotal Violin
Christ. Graf Pertnsati Violin
Kasimir Graf V. Werdenberg . . Violin
.. Siegfr. Graf v. Lengheim Hantbois
• Oct. Graf Piccolomini Violin
^ Ad. Phil. Graf Logi (Losy) Contrabass
,. Sigm. Graf Herberstein Violoncell
r Const. Bar. Figher Fagott
^ Job. Karl Graf von Hardeck . . . Violoncell
^ Franz Graf Pachta Violin
;, Mich. Bar. Lazari Violin.^
Am 20. Mai desselben Jahres wurde dieselbe Oper zmn
dritten nnd letzten Male gegeben. Nach vollendeter Vorstellnng
wurden unter den Damen nnd Cavalieren der Opera y,einige
Prämia^ so in Geschmnck und anderen kostbaren Galanteriesachen
bestanden, nach gehobenen Loszetteln ansgetheilet^^.
Ein Berichterstatter in einer englischen Zeitung von J. 1724*
meldet über die Darstellung der Oper Euristeo: Der Kaiser ist
höchst zufrieden mit der Ausflihrung der Oper, die nun schon
2mal dieseWoche gegeben ward und heute zum dritten Male dar-
ankommt. — Der Componist, Mifangs besorgt um die Ausführung
seiner Oper, war entzückt, als er hörte, dass es so vortrefBich
gieng, denn die erlauchten Personen sangen und spielten über
alle Erwartung gut. — Zwischen den Acten fllhrten folgende er-
lauchte Personen Tänze auf: Nach dem ersten Acte: Bosa Gräfin
Thurn — Gräfin Christiana von Salm — Gräfin Josefa
Henklin — Gräfin Antonia von Zinssendorf — Graf Kar^
Salm — Graf Anton Strasoldo — Graf Josef Zobur —
Bar. Christ, von Westenrad (?Questenberg?). Nach dem
1 Wiener Diar. 20. Mai 1724.
3 Allg. muB. Zeitg. 13. Jänner 1869. p. 12.
152 Cal dar a, Oper £uristeo.
zweiten Act: Erzherzogin Maria Theresia mit 4 Damen und
4 Herren. Nach dem dritten Act die Erzherzoginen Maria The-
resia und Maria Anna mit 4 Damen und 5 Cavalieren.
Nicht minder befriedigt spricht sich ein anderer Augen- uüd
Ohrenzeuge, der Poet Apostoio Zeno ttber die Ausführung
seiner Oper in einem Briefe in seine Heimat aus ^ : ^Ich kann euch
nicht entsprechend den Beifall schildern, den mein Drama erhielt,
das zur allgemeinen Bewunderung von jenen Damen und Cava-
lieren dargestellt, gespielt und getanzt wurde, welche immer an
der Spitze des Orchesters am Clavier den Allerhöchsten Herrn
gehabt haben, der mit der grössten und feinsten Meisterschaft
wie ein Professor spielt. Nach einem beiläufigen Ueberschlag
mag dieses prachtvolle Schauspiel dem kaiserlichen Säckel an
100.000 fl. gekostet haben. Die drei singenden Damen insbeson>
dere leisteten wunderbares und wären sie Musiker von Profession
und mttssten sie mit Singen ihren Unterhalt verdienen, so würden
sie auch in Italien unter den ersten eine erste Erscheinung sein^ .
Die Musik Caldara's, ttber welche der Poet mit Still-
schweigen weggeht, ist offenbar den darstellenden Kräften ange-
messen mit leicht zu überwindenden Schwierigkeiten, wie man es
Dilettanten zumuthen darf, dabei angenehm und doch dankbar
vom Componisten bedacht. Alles in allem vermochte jene Zeit
in den höchsten Kreisen musicalische Kräfte aufzubringen, um
welche die Gegenwart nicht wenig verlegen sein dürfte.
1 Ap. Zeno Lett. III. 446 f.
X.
Der ftradns a4 Pamsssmi (1726). .
Das Werk, durch welches Fox den Ruhm seines Namens in
der musicalischen Welt ttber den Wandel der Zeit hinweg yer>
breiten sollte ; wnrde im Wiener Diarium vom 25. Juli 1725 in
folgender einfachen Weise angezeigt : ^N. B. Bei mir Johann Peter
T. Gehlen, der Böm« Kais, und Königl; Catholischen Majestät Hof-
Buchdruckern -gegen dem Hof-Ballhaus ttber ist nunmehro zube>
kommen und verlegt ein neues musicalisches Opus intitulieret:
GraduB ad Pamaasum, sive Manuductio ad Compositionem Musicae
regulärem elaborata a Joanne Josepho Fux Kostet
ungebundener 3 fl.^
Die Ausstattung desselben war würdig seines kaiserlichen
Gönners, der die Kosten dazu bestritt : ein ansehnliches Format in
Folio, der Druck dem Auge bequem, die Notenbeispiele mit be-
weglichen Typen zahlreich und deutlich. Ohne alle Beclame
musste es seinen Weg durch seinen (jchalt und seine Brauchbar-
keit machen : und es hat ihn gemacht.
Was fttr ein Ziel Fux bei der Herausgabe des Gradus im Auge
hatte und durch welche Mittel er dieses Ziel zu erreichen hoffte,
darüber spricht er sich in dem Werke selbst ganz deutlich aus.
Schon der Titel bezeichnet das Wesen des Buches dahin, es sollte
eine „Anleitung sein zur regelmässigen musicalischen Composi-
tion nach einer neuen und zuverlässigen Methode, dergleichen
früher niemals in solcher folgerichtigen Anordnung veröffentlicht
wurde. ^ Er legt daher schon damit den besonderen Nachdruck
auf die Neuheit und Zuverlässigkeit der von ihm zuerst erfunde-
nen Methode und die consequente Gliederung seiner Theorie,
welche er bis dahin in keinem Werke ttber die Satzkunst seiner
Vorgänger finden konnte.
In grösserer Ausführlichkeit verbreitet er sich darüber in
dem Yorberichte an den Leser, wo er sagt : Es werden sich viel-
154 Der GraduB ad Parnassnm.
leicht einige verwundern, da doch Schriften so vieler ansgezeich-
neten Männer vorliegen, welche über Musik eben so gelehrt als
weitläufig gehandelt haben, wie denn ich dazukomme, mich an
eine derlei Abhandlung gemacht zu haben, und ttberdiess zu einer
Zeit, wo die Musik ein Gegenstand der Willkür geworden, die
Componisten an keine Vorschriften, an keine Lehre sich gebunden
glauben , den Namen von Gesetz und Schule wie den Tod verab-
scheuen ? solchen Fragenden will ich meine Ansicht darlegen.
Allerdings gab es sehr viele durch Gelehrsamkeit und An-
sehn bertthmte Männer, welche über theoretische (speculativa)
Musik sehr gehaltreiche Schriften zurückgelassen haben, über
practische Musik sind der Schriften wenige und ausserdem sind
diese nicht durchaus deutlich. Diese Schriftsteller begnügen sich
gewöhnlich mit der Aufstellung einiger Muster und sind gar nicht
bekümmert, eine leichtfassliche Methode zu erfinden, bei welcher
die Anfänger Sehritt für Schritt , wie auf einer Treppe empor-
steigen, und zur Aneignung dieser Kunst gelangen könnten ....
Schon seit mehreren Jahren überlegte ich bei mir und liess es
weder an Fleiss noch an Nachdenken fehlen, eine leichtfassliche
Methode zu ersinnen, ähnlich derjenigen, durch welche das zarte
Alter zuerst die Buchstaben kennen lernt, dann sillabieren, hier*
auf mehrere Silben verbinden, zuletzt lesen und schreiben gelehrt
wird. Denn da ich mich einer solchen Methode beim Unterrichte
bedient habe und gewahr geworden bin, dass die Schüler in
kurzer Zeit überraschende Fortschritte gemacht haben, meinte
ich, dass ich eine nicht zu verachtende Förderung dieser Erkennt-
niss dadurch zuführen werde, wenn ich sie zum Frommen der
lernbegierigen Schüler veröffentlichte und das, was ich durch eine
dreissigjährige Praxis mir eigengemacht, auch dem ganzen Reiche
der Musik getreulich mittheile. ^
Ein näheres Eingehen auf den Inhalt des Werkes wird dar-
thun, auf welche Art er sein Wort gelöst hat. Fnx hat in diesem
Werke, das seiner Anlage nach nicht auf Deutschland allein be-
schränkt sein sollte, der lateinischen Sprache sich bedient, damals
die Sprache der Diplomaten und Gelehrten, ausserdem zu jener
Zeit in allen gebildeten Kreisen verständlich. Das Latein des
Gradus ist, ungeachtet der vielen gebrauchten Neologismen in
den Kunstausdrücken, gewählt zu nennen, dabei jedoch nicht
n
Der Gradng ad ParaasBum. 155
geschranbt oder gesucht. Im practischen Theile bedient sich Fnx
der Gesprächsform: ein erfahrner wohlwollender Meister, den
Fnx nach seinem Ideale Pierlnigi PiJestrina Aloysins nennt,
begleitet einen eifrigen begabten Schiller (nach seinem eigenen
Namen Josephns genannt) belehrend, berichtigend, auAnun-
temd durch das ganze Gebieth der Compositionslehre. Liegt
anch diese Art des Vortrages unserem Zeitgeiste femer, so lässt
sich doch nicht läugnen, dass die socratisierende Behandlung
eines solchen Stoffes, welche das so natürliche Verhältniss eines
dankbaren, wissbegierigen Schttlers zu einem verehrten, weit-
tlberlegenen Lehrer auf eine einfache , ungesuchte Weise bis ans
Ende fortführt, durchaus dem Ernste des Gegenstandes nicht ab-
trftgUch wirkt, vielmehr das Interesse der Theilnahme an diesem
Verhältnisse selbst zu erwecken geeignet ist.
Den ganzen Lehrstoff theilt Fux bekanntlich in zwei Theile,
die theoretische (Musica speculativa) und in die practische
Musik (M. practica). Im ersten Theile werden die Zahlenver-
hältnisse der Intervalle nach dem griechischen Systeme, ihre ge-
ringe Brauchbarkeit wegen Mangels an geeigneten Intervallen
so wie die kaum zu überwältigende Schwierigkeit in der Anwen-
dung besonders bei TastenJnstrumenten besprochen und mit dem
Siege der gleichschwebenden Temperatur der in zwölf Intervallen
abgestuften Octave über da« Überwundene Komma geschlossen,
welchen Sieg er freudig als das Werk der Erl()sung aus dem
Kerker des Mheren Zwanges begrüsst und als Uebergaug zur
freien Bewegung auf dem unermesslichen Felde der Modulation
preist. Der Anhang dazu gibt noch die kurze Darstellung des
(damals) modernen diatonischen, und des modernen
chromatischen Genus, so wie des aus der Vermischung von
beiden entstandenen Genus mixtum, gegen welches er sich
nicht sträubt und nur vor Misbrauch warnt, endlich die Haupt-
begriffe der Consonanzen und Dissonanzen und die vier Funda-
mentalgesetze ihres Gebrauchs. Den letzten Abschnitt ausgenom-
men, dessen Werth ein bleibender ist, wurden die demselben vor-
hergehenden Betrachtungen von der Zeit Oberholt und haben
nur noch historischen Werth.
Der bei weitem überwiegendere Theil der Compositionslehre
wird im zweiten Buche, der practischen Musik (Musica prac-
156 Der Gradus ad Parnassum.
tica) abgehandelt. Die hier entwickelte methodiscfae Kunst des
Meisters beruht nicht blos in dem Fortschreiten von den einfachsten
Formen zu den verwickelteren; sondern auch in der Durchführung
desselben Grundsatzes unter verschiedenen Modalitäten; in der
Kürze und Zweckmässigkeit der aufgestellten Muster, die keine
Ermüdung aufkommen lassen, in dem Besprechen und Lösen der
Schwierigkeiten, die nicht alle auf einmal, sondern nach und nach
bei Gelegenheit der neuen Voraussetzungen auftreten und in der
belebenden Form des Gespräches vieles von der Trockenheit kate-
gorischer Kegeln verlieren.
Fux beginnt mit dem zweistimmigen Satze, indem über
einen kurzen Cantus firmus abwechselnd in der Unter- und in der
Oberstimme, bei beständigem Festhalten an dem diatonischen Ge-
schlechte der Schüler den Contrapunkt zu machen hat, und zwar
zuerst Note gegen Note gleicher Zeitmessung, wobei alle Tonarten
(modi)durchgegangen werden. Dasselbe geschieht hierauf mit 2 oder
3 Noten des Contrapunkts gegen eine des Cantus firmus — in
gleicher Weise mit 4 Noten gegen eine; dann folgt als vierte Art
des Contrapunkts die Ligatur (Syncope), endlich schliesst die
Lehre des zweistimmigen Satzes mit dem blühenden Contrapunkte
(Contrapunctum floridum) als fünfte Art, bei welchem sämmtliche
vorausgegangene 4 Arten vermischt in freie Anwendung kommen.
Es ist einleuchtend , dass diese letzte Art nicht blos eine Anwen-
dung des früher Erlernten, sondern zugleich eine Anregung zu
selbständigen kleinen Erfindungen mit sich bringt und bei dem
Schüler das Bewusstsein des bereits Erlernten so wie die Lust an
dem Gewonnenen geweckt wird.
Ist nun der Schüler sicher der Elementarlehren des zwei-
stimmigen Satzes, so wird er hierauf angeleitet nach derselben
strengen Folge an den dreistimmigen Satz zu gehen, abermals
von Note gegen Note beginnend, und dann die übrigen vier Arten
des Contrapunkts, wie vorher im zweistimmigen Satze, einübend,
indem die hiebei neu vorkonunenden Schwierigkeiten gehoben
werden.
Im ganz gleicher Ordnung der Behandlung durch die 5 Arten
wird beim vierstimmigen Satze vorgegangen, und mit der
Lehre von der Imitation der allgemeine Theil geschlossen. Fux
versäumt es nicht, besonders bei dem wichtigen dreistimmigen
'
Der Grados ad Parnassam. 157
»Satze zu vieler Uebnng und Strenge anzuregen^ und erst nachdem
der Schiller darin seine Sicherheit der Anwendung erprobt hat^
wird ihm der strenge Zttgel des Cantns firmns erlassen nnd er
durch eine knrze Lehre von der Imitation für die Fuge vorbe-
reitet. Fux bemerkt hier seinem Schüler, er gestehe, der Weg, den
dieser bisher beschritten habe , sei domig nnd mache schwitzen,
die Mnsen sollen aber auf einem Berge wohnen , und wer ihnen
nahen will, muss sich nicht scheuen mühsam zu klettern.
Aus dem bisher mitgetheilten ist klar zu entnehmen, dass
eben die methodische Behandlung dieses Theiles den
Meister verräth durch ihre Einfachheit, Durchsichtigkeit und
strenge Consequenz, wobei von nicht geringem Belange ist, dass
bei gehörigem Eifer des Schtüers das Studium keineswegs so
trocken ist, als es dem Femstehenden erscheinen mag , da in dem
abgestuften theilweisen Freilassen im Contrapunctum floridum
der Schüler eine ermuthigende Bückschau auf das bisher erlemte
zu machen im Stande ist, ganz abgesehen davon, dass damit die
sicheren Gmndvesten für den künftigen Bau gelegt sind.
Auch in der nun folgenden Lehre von der F u ge geht Fux
abermals einen dem früheren analogen Weg, von der zweistim-
migen zur drei- und vierstimmigen Fuge in den verschiedenen
Tonarten fortschreitend. Diesen folgt die wichtige Lehre de^
doppelten Contrapunktes, zuerst in der Octav mit der un-
mittelbaren Anwendung auf die Fuge mit Gegensubjecten, in
gleicher Weise des doppelten Contrapunktes in der Decime und
Duodecime, immer in sofortiger Anwendung auf die Fuge, zuerst in
dem strengen diatonischen Genus, dann auch freier im Genus
mixtum. — Rascher geht es durch die Lehren der Figuren der
Variation und Anticipation — zur Lehre von den Kirchen-
tonarten, welche auf sechs reduciert und nur einige Modi trans-
positi zugelassen werden, alles zur Vermeidung jeder unnöthigen
Künstelei und mit stäter Rücksicht auf das practische Bedürfhiss ;
daran schliesst sich die nähere Betrachtung des modernen Genus
mixtum.
Nach kurzen Bemerkungen über den Geschmack in der
Musik geben die verschiedenen Stilarten, besonders des Kirchen-
stiles und des Stile a cappella Veranlassung, mehrere Ton-
stücke eigener Komposition als Muster dem Schüler vorzuführen.
158 Der GradtiB ad Parnassum.
sie mit ihm zu analysieren, wobei dem Meister im Bewusstsein
dessen, was er zu leisten vermochte, nicht verwehrt sein darf,
sich mit Genagtlmung dartlber auszulassen.
Bemerkungen über das Recitativ machen denSchluss des
ganzen Werkes.
Wie viele bedeutende Winke fUr den lernenden und ftar den
ausübenden Musiker Fux als das Ergebniss vielfacher und tief-
eingehender Studien noch in dem besonderen Theile über die
Fuge, den doppelten Contrapunkt und an anderen Orten gegeben
hat, ist hier nicht näher zu erörtern : der erfahrene Musiker kennt
sie und der lernende wird sie zu seinem Yortheile benützen.
Für die Greschichte der Musik ist es gewiss von Interesse,
auch die äusseren Schicksale eines theoretischen Werkes über
Musik , an welchem sich wie an einem Canon die Musiker durch
beinahe anderthalb Jahrhunderte bis auf unsere Tage herange-
bildet haben, die Art ihrer Verbreitung in den verschiedenen
Ländern in wenigen durch Thatsaehen festgestellten Umrissen
zusammenzufassen.
Die Stellung des Verfassers als erster Kapellmeister am
kaiserlichen Hofe, der Ruf welcher ihm durch seine Leistungen
als Lehrer und Componist vorausgieng, die Anzahl bedeutender
Schüler wie Zelenka, Wagenseil, Muffat, die von ihm ge-
bildet, wieder als Lehrer auftraten, machen es begreiflieh, dass
die rasche Verbreitung des Gradus nicht lange auf sich warten
liess. Schon im folgenden Jahre nach dessen Erscheinen konnte
der Buchdrucker vanGhelenim Wiener Diarium vom 27. No-
vember 1726 anzeigen, es seien noch „einige Exemplarien^
dieses Werkes bei ihm zu bekommen. Im Jahre 1748 erklärt
Lorenz Mizler (Mus. Bibl. IL 4. Theilpag. 118) die lateinische
Ausgabe von Fux' Gradus sei „gar bald durch ganz Europa ver-
führet worden, so dass es schon einige Jahre her nicht mehr zu
bekommen gewesen.^ Aehnlieh sagt 1761 der Herausgeber der
italienischen Uebersetzung von Manfredi, er habe durch die
Herausgabe der Uebersetzung des Fux besonders den Kapell-
meistern die enormen Kosten ersparen wollen, welche die An-
schaffung der lateinischen Ausgabe verursacht, die bereits sehr
selten geworden sei.^
Der Gradns ad Parnassum. 159
Die gro88.e Nachfrage in den bedeutendsten Musikländern,
und fttr viele das Bedttrfniss, dieses Werk mit grösserer Bequem-
lichkeit in der Muttersprache lesen zu können , waren die natttr-
liehe Veranlassung zu den Uebersetzungen, von denen vier be-
kannt sind, aus denen allerdings manche bedeutendes zu wünschen
übrig lassen, so dass man in unseren Tagen in den meisten Fällen
nach der Originalausgabe greift. Von den Uebersetzungen erschien
zuerst im Jahre 1742 die in deutscher Sprache von Lorenz
Mi zier, der freien KUnste Lehrer auf der Academie in Leipzig^;
ihr folgte im Jahre 1761 die in italienischer Sprache von dem
Priester und Professor der Musik in Keggio, Alessandro
Manfredi ,,getreu aus dem Lateinischen übertragen mit dem
Titel „Salito al Parnasso^ . • • *; die französische Uebertragung
durch den Sieur Pietro Denis erschien 1773 zu Paris^ als
Traüd de composiiion ; von ihr weiss F^tis in seinen Biographies
wenig rühmliches zu sagen. — Ohne Namen des Uebersetzers er-
schien endlich die englische Uebersetzung mit dem Titel : Fmtx»
praetical rules for leaming camposition, London 1791^ mit dem
Zusätze „dieses Buch ist im grössten Ansehen in ganz Italien und
Deutschland". Diese Uebersetzung ist sehr wenig bekannt.
Von den in verschiedenen Werken veröflTentlichten Urt hei-
len über den Gradus sollen nur einzelne, aber grossentheils
von bedeutenden Männern hier folgen zum Beweise dass die
TheUnahme und Anerkennung seines Werthes früh eintrat und
in allen Zeitperioden bis auf unsere Tage sich ungeschwächf er-
halten hat.
Die früheste Notiz bringen die ,,Neuen Zeitungen von
gelehrten Sachen (Leipzig) auf das Jahr 1725, 6. Deoember,
pag. 935, welche das Erscheinen dieses Werkes mit dem Beisatze
anzeigen: „Es besteht aus zwei Th eilen und handelt im ersten
de Musica Theoretica und im zweiten de Musica Practica. Der
letzte Theil ist sonderlich sehr vollkommen und das Latein nicht
zu verachten." — Vor dem Jahre 1731 hatte Georg Philipp
Telemann, ein berühmter, höchst fruchtbarer Componist, (geb.
14. März 1681 zu Magdeburg) von 1721 bis zu seinem Tode
(25. Juni 1767) Musikdirector in Hamburg, in dem ,,Catalogue
1 Beil. IV. 4. «Ebd. «Ebd. * Ebd.
160 Der GraduB ad P&rnassQm.
des (Bnvr^g en mnsiqne de Mr. Telemann'^ eine lieber-
Setzung des Gradns angekündigt. Znr Ansfühmng kam dieses
Vorhaben zwar nicht, aber man kann daraus den Schlnss ziehen,
dass dieses Werk schon frühzeitig nach seinem Erscheinen einen
tüchtigen Musiker zu einer Uebersetzung angeregt hatte ^
Lorenz Mizler, der Uebersetzer des Gradus nennt (Mus.
Bibl. Leipzig 1743, U* Band, pag. 118) diese regelmässige
Anfbhrung zur musicalischen Composition das beste Buch unter
allen, so wir von der practischen Musik und derselben Com-
position zur Zeit haben. — Der wackere Musikdirector des Fürsten
Thum und Taxis, Josef Riepel (gestorben 12. October 1782),
bricht in seinen bekannten Anfangsgründen der musicalischen
Setzkunst 1 752 für den Gradus eine Lanze , indem er voll heili-
gen Eifers schreibt : „Es gibt ehrenräuberische Gemüther (unter
den Componisten) die sich schämen, öffentlich zu bekennen, dass
sie ihr ganzes Einsehen nur derFuxischen manuductio zu
danken haben" (pag. 77). In den folgenden Theilen der Satzkunst
beruft er sich in kritischen Fällen immer auf den ,, seligen unsterb-
lichen Kapellmeister Fux" , über dessen Autorität ihm keine zu
stehen scheint. — Das von Riepel geforderte Geständniss legt
P. Georg Pasterwitz*, Professor im Stifte Kremsmünster, ein
1 In der grossen Generalbassschule (Hamburg 1.731 , p. 172) findet
J. Mattheson Gelegenheit, wie er diese überall und zu allem findet, eine
„Ode" einzuschalten gerichtet an Telemann, welcher vorher dem Mattheson
wegen der Generalbassschule überschwänglichen Lobweihrauch gespendet
hatte. In dieser „Ode bei Erblick ung der in dem Catalogue des Oeu-
vres en Musique de Mr. Telemann ehmals angemeldeten Ueber-
setzung der Fuxischen Graduum ad P ar na ssum" (wahrlich eine
seltsame Hippokrene) sagt Mattheson, dass er
„ . . . . mit Ergetzen
Vernommen, was man hoffen kann
Vom grossen Telemann.
Dass er nicht lauter Noten schreibt^
Das wird uns nun gelehrt:
Indem er Theoriam treibt
Und F u X e n s Arbeit ehrt
Mit seinem deutschen Wörter-Schatz
Und reinem Uebersatz'' u. s. w.
2 Geb. 7. Juni 1730, gest. 26. Jänner 1803. Der citierte Brief ist vom
26. November 1801 und im Autograph im Wiener Mus.-Ver.
Der Gradus ad Parnaasum. 161
gelichteter und kenntnisBreicherComponist streDgen Stiles in einem
Briefe ab, wo er sagt: „Es glttckte mir, durch meine Musik in
Kremsmünster erst als Musiker, dann gar als Geistlicher aufge-
nommen zu werden. -^ Nun (etwa um 1760) gieng's über Fux
Gradum ad Parnassum her, dem ich alles was ich in der
Musik verstehe zuerst, weiters aber hernach der Einsicht der Parti-
turen berühmter Männer zuzuschreiben habe*^. — Von Bedeutung in
mehrfacher Beziehung ist das Urtheil, welches 1761 ein berühmter
Italiener über den deutschen Theoretiker und sein Werk ausspricht.
Es ist Nicolaus Piccinni ^, der berühmte Componist und grosse
Rivale des grösseren C h r. v o n G 1 u c k in Paris, damals Professore
di Musica in Beggio, welcher an den Uebersetzer und Herausgeber
des Gradus P. AI. Manfred! einen Brief* schreibt, aus dem fol-
gendes entnommen ist: ,,Sie konnten. Hoch würdiger Herr, den
Freunden der Musik keinen besseren Dienst leisten , als dadurch,
dass Sie der Oeffentlichkeit die grundgelehrte Abhandlung des
Fux wiedergaben, welche schon sehr selten geworden war. Dieser
Mann verdient in jeder Beziehung den Namen des vollendeten
Schriftetellers. Demi er hat über die Wissenschaft der Harmonie
mit solcher Schärfe gedacht, dass man iim einen Deutschen, er-
*
ftlUt von italienischem Geiste, nennen kann Es war ein
glücklicher Griff von ihm, seinen Gegenstand in Form von Dia-
logen zu behandeln, in welchen ma^ mit Behagen einen Ani'änger
gewahrt, welcher Schritt für Schritt in die Kenntniss der Harmonie
eindringt und gleichsam ohne es selbst zu merken aus der Schule
als Meister hervorgeht. Aber warum soll ich lange um Lobes-
erhebungen über Fux herumsuchen? Ich habe ja an mir selbst die
Erfahrung der Trefflichkeit seines Werkes gemacht, als mir das
Studium desselben von dem berülimten Professor Dur ante warm
empfohlen wurde, der schon in Neapel meiil Musiklehrer war, und
ich fühle mich vielleicht gedrängt jenem Schriftsteller zu sagen,
wie Horaz der Muse sagt : Si placeo tuum est. Daher sollen die
Jünglinge , die in Italien geboren der Kunst der Harmonie sich
widmen, nie müde werden, immer von neuem Fux zu studieren,
• 1 Nicoiao Piccinni (nicht Piccini, wie er gewöhnlich geschrieben wird)
geb. 1728 zu Bari, gest. zu Paris 7. Mai 1800. (Gerber.)
^ Im Salito al Parnasso abgedruckt.
Kbcktly J. J. Fax. 11
162 Der Gradua ad Parnassum.
und sich nach seinen Lehrsätzen zu üben. Wenn sie an der
Schwelle der Professoren angelangt sind, wird ihnen die grösste
Befriedigung gewähren das treffliche Werk, welches der tief-
gelehrte P. Martini^ zum grossen Buhihe Italiens endlich zum
Abschlüss gebracht hat^. — Das nicht, minder bedeutende Urtheil
dieses weltberühmten P. Martini über Fux bringt der bekannte
Abt Vogler (Choralsystem. 1800). Nachdem dieser unstäte
Geist, welcher in dem Wahne lebte in der Musik alles neu erfinden
und aufbauen «u müssen, den Gradus eben so geringschätzig als
oberflächlich bekrittelt hatte, erzählt er (pag. 6): „Carl Theodor,
Kurftlrst von der Pfalz schickte mich (1773) von Mannheim aus
zu Pater Martini, der als Historiker, als Menschenfreund und
Meister so vieler Meister in der Practik berühmt war. Mit einer
schüchternen Verehrung, die mir sein Name eingeflösst, kam ieh
nach Bologna und näherte mich ihm. Aber welche plötzliche Aen-
derung gieng bei mir vor, da er mir gutmüthig sagte : wir haben
kein anderes als das FuxischeSystem?" — Ein anderer gründ-
licher italienischer Theoretiker Fr. Giuseppe Paolucci führt
in seiner Arie pratica 4i amtrappufäo , dimostrata con esempj di
varj autori 1765—1772, im HI. TJjeile, pag. 3 — 14 als Muster
die Fuge aus Fux gradus , Exerc. V. Lect. 5 an. Nachdem er die
Fuge in allen ihren Theilen mit Anerkennung durchgegangen,
schliesst er: „Das ist die Methode eine kurze Fuge zu machen,
in welcher die Einheit des Subjects bewahrt wird; aus dieser
kann der Lernende so viel herausnehmen, als ihm genügen mag.^
— Es wäre nicht schwer, aber vielleicht zu ermüdend, die Citate
tüchtiger Männer zu vermehren, welche von Fux und seinem
Gradus mit Bewunderung ja Begeisterung sprechen, dessen Werk
in den Händen jedes Musikers sein müsse: man darf nur an des
Abtes Martin Gerbert de Cantu et Musica sacra 1768 — 1774,
an den klaren, besonnenen Kapellmeister in Kopenhagen Joh.
Adolf Scheibe in seinem Werke über die Compositionslehre
(1773) erinnert zu werden, um aus diesen allein einen Panegy-
ricus des Gradus zusammenzustellen. Allein es. bedarf eines
1 Padre Giambattista Martini, Franciscaner und Kapellmeister
in der Klosterkirche in Bologna, geb. 1706, gest. 1784. Das berühmte Werk,
auf welches Piccinni anspielt , ist : Sag'gio fondamentale pratico di Cmitra-
punto, 1774—1775.
'
Der Gradus ad Pamassum. 163
solchen nicht. Ein Werk das der scharfzersetzenden Zeit durch
weit mehr als ein Jahrhundert zu trotzen yermochte, mit welchem
dieBrüder Josef und Michael Haydn, mit welchem Mozart';
unerwähnt der nicht zu zählenden Dii m^jorum et minorum gen-
tium, ihrem Genie den weise beschränkenden Zügel angelegt
haben, trägt in sich selbst das Criterium seines unvergänglichen
Werthea. — Ungeachtet Job. Phil. Kirn berger in seiner
kleinen Schrift „Gedanken ttber die verschiedenen Lehrarten in
der Composition^ (Berlin 1782) sagt, dass zwar die Musik dem
Berardi, Bononcini und Fux die reinsten Lehren zu verdanken
habe, dieselben aber ttbertrieben streng seien, folgten doch spä-
tere bedeutende Theoretiker, darunter Job. Georg Albrecht s-
b e r g e r (Domkapellmeister zu St. Stephan in Wien) in seiner
Anweisung zur Composition (1790) durchaus, und der hochbe-
rtthmte M. L. Cherubini in seinem Cours de Conirepoini et de
fugue (1835) in der Lehre des Contrapunkts der Methode des
Gradus.
Eine neueste Stimme von grossem Gewichte ttber den Werth
der Methode des Gradus ist jene des eben so grttndlich in der
strengen Schule gebildeten als gelehrten Lehrers Heinrich
Bellermann in Berlin. Sein treffliches Werk: „Der Contrapunct
oder Anleitung zur Stimmführung in der musicalischen Compo-
sition^ (Berlin 1862) hat er seinem Lehrer dem Professor
August Eduard Grell zugeeignet und sagt in der Widmung:
„Wenn ich in diesem Buche der von Ihnen als allein richtig er-
kannten und empfohlenen Methode des JosephFux gefolgt bin,
80 werden Sie darin das Streben erkennen, Ihren mir einge-
prägten Grundsätzen treu zu bleiben." Nachdem in der Vorrede
(pag. X.) darauf hingewiesen ist, dass die Musiker der Gegen-
wart „nach einem eben so fliessenden Gesang der einzelnen
Stimmen wie die Alten streben sollen'' und damit die Wichtigkeit
der Stinmiftihrung, welche schon der Titel des Buches als Haupt-
ziel hervorhebt, betont wird, heisst es im weiteren Verfolge:
pWie hätten unsere grossen Meister, wie hätten Bach, Händel,
1 Das im Mozarteum in Salzburg aufbewahrte Heft: Uebungen des
jungen W. A. Mozart im Contrapunkt, hat die als Cantus firmus gewähl-
ten Choralmelodien aus Fux' gradus ad Parnassum. — 0. Jahn, Mozart.
Neue Aufl. I. 49.
11*
164 Der Gradus ad Parnassum.
M 0 z art Q. a. in oft nnglanblich kurzer Zeit ihre grössten Meister-
werke herstellen können, wenn sie . nicht die Stimmführung be-
herseht hätten? Und gerade bei den schwierigen Formen in
grossen und ausgeführten und fugierten Chören ist alles wie aus
einem Gusse hingeworfen, und klingt, als verstände sich das
folgende von selbst und ist dennoch in jedem Augenblicke unter-
haltend und neu.^ Es ist schwer bei diesen goldenen Worten
an andere nicht genannte fibrigens grosse Meister der neueren
Zeit zu denken, welche wohl das Gefühl der Nothwendigkeit
einer strengen Schule — leider zu spät — empfanden, als das Ver-
säumte nicht mehr einzuholen war. Bellermann hat in seinem
höchstverdienstlichen Werke „in der Anordnung fast ganz dem
zweiten TheUe des Fuxischen Werkes sich angeschlossen upd
fast alle seine Beispiele herttbergenommen.^ So ehrt ein würdiger
Mann das fremde wahre Verdienst, indem er dem Reize, neues
zu bringen, wo er das alte für gut erkennt, widersteht und in
dieser Selbstverläugnung eigenen Ruhmes ein edleres Streben für
die Wissenschaft an den Tag legt.
XI.
CoBJIiet mit Principe Pio — Die Cicilien-Concregation — Chronik
(1725—1728) — Fanstina in Wien.
In demselben Jahre 1725, in welchem Fux durch die Heraus-
gabe des Gradus ein besonderes Zeichen kaiserlicher Huld zu
Theil wurde, sollte dem alten, gichtleidenden Manne eine schwere
Kränkung bereitet werden, welche ein Erlass des Cavalier Diret-
tore di musica Principe Pio verursacht hatte.
Der Principe Luigi Antonio Pio di Carpi, mit dem Prädi-
cate di Savoia* hatte im spanischen Successionskriege zwischen
dem Hause Oesterreich und Bourbon die kaiserliche Partei er-
griffen, während sein Bruder Franz auf der entgegengesetzten
Seite' kämpfte, wie diess in den Kriegen in Italien öfter der Fall
war. LuigiAntonio diente mit Auszeichnung unter den Truppen
Karl in. von Spanien, des nachmaligen Kaisers Karl VI. Als
es diesem gelang, die Franzosen aus Italien zu vertreiben , wollte
derselbe 1709 aus Grossmuth ihm die Lehen überlassen, welche in
Italien dem erstgebomen Bruder waren confisciert worden . Luigi
Antonio wurde 1710 Commandant des Regiments Lucini, dann
Kammerherr und 1716 General-Feldwachtmeister. 1721 wurde er
Cavalier direttore di musica Karl VI. und blieb es, bis er
1732 zum Gesandten in Venedig ernannt wurde. — Apostolo
Zeno nnd Metastasio wiederholen, dass er dem Kaiser sehr
ergeben gewesen und bei demselben in hoher Gunst gestan-
den sei. Diess liess sich bei seinen mannig&chen geselligen
Talenten , darunter auch in der Musik kaum anders erwarten und
diesen Eigenschaften hatte er zugleich die Ernennung zum
1 Pio ist daher' der Familienname, nicht der Tauf name Pius, wie
hie and da irrig geglaubt wird. Der Principe Luigi Antonio Pio entaagte
1743 allen Aemtern und zog sich «nach Padua zurück, wo er am 18. März
1756 starb. — Lüta, famil, celebre itai. fasc, XIL Milano 1824.
166 Conflict mit Principe Pi o.
Cavalier Direttore der Hofmusik zu danken , ein Hofamt , worin
die Leitung der damals so beliebten italienischen Oper verbun-
den war. Da durch dieses Amt der frühere Wirkungskreis der
Hofkapellmeister, als der Chefs der gesanmiten Hofinusik (Capi
di musica) beschränkt Wurde, so Hess sich begreifen, dass es an
Competenzstreitigkeiten und anderen Conflicten zwischen den
beiden Musikmächten nicht fehlte, wie diess in den Referaten des
Obersthofineister- Amtes öfter betont wurde.
Nun geschah es , dass Fux im guten Glauben , innerhalb der
ihm zustehenden Disciplinargewalt als Hofkapellmeister zu han-
deln , dem kaiserlichen Organisten Georg Reinhardt — ohne vor-
ausgegangene Anzeige — erlaubte, auf einige Tage nach Prag zu
reisen um dort bei dem heil. Johann von Nepomuk seine Andacht
zu verrichten.
Kaum war dieser wieder nach Wien zurückgekehrt, so er-
hielt er von dem Principe Pio wegen dieser Entfernung einen sehr
strengen Verweis, und Fux folgende empfindliche Note': „Der
Principe Pio begrüsst mit Achtung den Herrn Kapellmeister Joh.
Jos. Fux und gibt ihm bekannt, dass der durchlauchtigste Kaiser
befiehlt, dass von jetzt für die Zukunft kein Angestellter der
kais. Musik sich von den kaiserlichen Diensten entfernen dürfe
ohne Vörwissen des hier Schreibenden, welcher als Chef der
Musik (Capo della Musica) Kechenschaft geben muss dem
AUergnädigsten Herrn von seinen Untergebenen, da ihm (dem
Principe Pio) niemals das Recht zugestanden wurde, irgend
jemand die Erlaubniss zu geben , auswärts über Nacht zu bleiben
ohne vorausgegangene Kenntniss und. Genehmigung Sr. Majestät,
dessen Befehle hier nachgekommen wird.^
Fux fühlte sich hierdurch sowohl für seine Person als auch
in seinen Rechten als Hofkapellmeister schwer verletzt und
wendet sich um Aufklärung und Abhilfe an den Obersthofineister
Graf Sigmund Sinzenstorfin einer Beschwerdeschrift, welche
der Ausdruck des Unmuths über diese und mehrere vorausgegan-
gene Kränkungen ist*. Er sagt darin: „Obwohl ich Eure Excel-
lenz ungern mit Klagen behellige und mich ungehindert ver-
schiedener hierzu gehabten beweglichen Ursachen bisher ent-
1 Beil. II. 23, vom 30. Oct. 1725. 2 Beil. II. 23.
Conflict mit Principe P i o. 167
schlagen habe, so kann ich jedoch , nachdem mir immer gröSBere
Beeinträchtigung zngefUgt wird, nicht länger an Inich halten, und
Denenselben dasjenige womit ich mich beschwert fühle , gehor-
samst vorzustellen. . . . Von der Zeit an^ dass des Herrn Prin-
cipe Pio Excellenz die Carica als Protector der kais. Musik ange-
treten haben, war aus dem von Derselben öftermalen gethanen Ver-
such und allerhand Eingriffen, die ich mit Stillschweigen übergehe,
sattsam abzunehmen, dass Ihre Absicht dahin gerichtet sei, den
Kapellmeister zu unterdrücken, und dessen von verschiedenen
kais. Majestäten befestigte und in ruhigem Besitz hergebrachte
Gerechtigkeiten über den Haufen zu werfen ; wie denn Herr Prin-
cipe Pio Excellenz mit der Ihnen zuständigen Protection und Be-
sorgung des kaiserlichen Theaters nicht zufrieden, auch die
Direction der vöUigen (gesammten) Musik , die von Niemand als
einem in arte perito der Gebühr nach versehen werden kann,
wider den Gebrauch an sich zu ziehen trachten und laut hier an-
verwahrter Abschrift eines mir jttngsthin zugeschickten Billets ^
Sich als ein Capo der ganzen kaiserlichen Musik be-
nennen, wohingegen in der von Ihro kais. Majestät Leopoldo
herabgegebenen und von der jetzt regierenden kais. Majestät auf
meine einst geschehene unterthänigste Anfrage allergnädigst gut-
geheissene Instruction artic. 13' die Kapellmeister flir Capi
der Musik erklärt sind, welcher ihnen zugeeigneter Character
um so mehr bekräftigt wird, als die Kapellmeister der gesammten
Musik vorgestellt worden und der erstere beeidigt ist: in dem
ganzen Inhalt der besagten Instruction von dem jeweiligen als
Protector der Musik angestellten Cavaliere keine Meldung ge-
macht ist". (Nun folgt die Auseinandersetzung des Falles mit
1 Des obigen Erlasses.
^ Der Artikel 13 dieser Instruction (Beil. II. 24) lautet in der
Uebersetzung „dass sie (die Hofmusiker) unter sich eine gute aufrichtige
Herzlichkeit und Eintracht pflegen, indem sie einander wechselseitig die
gebührende Achtung bezeigen, so wie das gleiche erweisen gegen den Ka-
pellmeister und Vicekapellmeister als ihre von mir eingesetzten Chefs
(Capi), und sollte jcftaals eine Verstimmung oder Unzufriedenheit zwischen
ihnen und dem Kapellmeister oder Vicekapellmeister entstehen, so hat der-
jenige der sich beschwert findet, sich an meinen Oberstho&ieister zu wen-
den, welcher als ihre Obrigkeit die volle Macht haben wird, die Differenzen
beizulegen und jedem Recht zuzuerkennen.
168 • Conflict mit Principe Pio.
Reinhardt) und Fnx fährt dann fort: „dasB der Prinz den
Organisten desöwegen mit Arrest bedroht habe, nicht zwar aas
Eifer fllr die kais. Dienste, die durch solche Abwesenheit , indem
ein Ueberfluss an Organisten dermalen vorhanden ist, nicht ge-
litten, sondern allein um den Kapellmeister hierdurch zu kränken,
als ob derselbe derlei Erlaubniss zu ertheilen nicht befugt wäre ;
da do4h nicht allein ich als dreissigj|lhriger Diener, sondern auch
noch altere Musici bezeugen mögen,,.jäas8 der Kapellmeister oder
in Abgang dessen der Yice-Kapellmeister einem Musiker auf eine
kurze Zeit zu verreisen, hat erlauben können, als welchem am
besten die Zeit und Gelegenheit bekannt ist, wie und wann
solches ohne Nachtheil der kais. Dienste sich thun lasse. Ohne
Zweifel auch aus dieser Ursache, damit Ihro kais. Majestät mit
dergleichen Kleinigkeiten nicht beunruhigt werden und auf dass
derjenige, so die Musiker zur Schuldigkeit anhalten muss , ih|]ien
auch eine Ergötzlichkeit zu gestatten bevollmächtigt sei. Es
möchte vielleicht eingewendet werden, alle derlei Eingriflfe ge-
schehen darum , weil der Kapellmeister nicht jederzeit im Stande
sei, dem Dienst vorzustehen, welches ich zwar bekenne, und
höchst bedaure, zu diesem Ziel und Ende aber und dessen Stelle
zu vertreten ist der Vice-Kapellmeister, ein Mann von grosser virtü
und Capacität angestellet. Bei dieser Bewandtniss der Sache ge-
langt an Eure Excellenz mein gehorsamst angelegenstes Bitten,
Dieselbe geruhe den bedrückten Kapellmeister in Schutz zu
r
nehmen, und bei Sr. Majestät dahin zu wirken, dass die Kapell-
meister bei ihren alten zur Besorgung des kaiserlichen Dienstes
so nothwendigen Gerechtigkeiten erhalten werden, und ich meines
Orts von den mir nachkommenden den üblen Nachklang, dass
unter meinem Magisterio ein oder anderes abgebracht worden
nicht zu befahren habe. Sollte aber Sr. kaiserl. Majestät aller-
gnädigster Befehl und Wille sein, dass diese umgekehrte Admini-
stration Fortgang habe, so unterwerfe ich mich in Demuth dieser
allergnädigsten Verordnung und muss gedenken , dass , weil ich
etwa meiner Vorfahren Fähigkeit nicht besitze, die ihnen ertheil-
ten Prärogative zu gemessen unwürdig sei, obwohl ich an Eifer
keinem nachgegeben zu haben erachte. In diesem schmerzlichen
Falle bäthe ich Se. kais. Majestät allergnädigst zu entscheiden,
was fUr Gerechtigkeiten dem Kapellmeister eigentlich zustehen
Die Cäcilien-Bruderschaft. 169
und eingeräun^t bleiben würden, anf dass ich mich hiernach richten
könne and in meinem ohnehin betrübten Zn8ta,nde nicht eiye
Mortification über die andere leiden müsste, sondern die noch
übrigen wenigen Tage in gewünschter Ruhe beschliessen möge^.
• lieber diese Beschwerdeschrift erfolgte keine schriftliche Er-
ledigung, und da nach diesem Vorfalle der Principe Pio noch
durch sieben y Fux durch ftlnfzehn Jahre in ihren Stellungen
blieben, wie bisher, so wird dieser Zwischenfall wahrscheinlich in
begütigender Weise mündlich beigelegt worden sein. Die Be-
schwerdeschrift zeigt aber, dass der alte würdige Kapellmeister
in seinem Amte keine Einsprache auch von sehr hochgestellten
und einflussreichen Persönlichkeiten duldete und seine Sache mit
Gewandtheit und. Festigkeit zu vertreten wusste.
Neben den zahlreichen Vereinen, welche unter Kaiser Leo-
pold I. und seinen beiden Reichsnachfolgem in Wien florierten
und ausser religiösen Uebungen auch verschiedenartige humani-
täre oder ähhliche weltliche Ziele sich setzten, und Bruder-
schaften hiessen, wurde im Jahre 1725 eine neue, die Cäci-
lien-Brudei^schaft, begründet, welche auch die Bruder-
schaft der Tonkünstler unter dem Schutze der heili-
gen Cäcilia bei St. Stephan genannt wurde. ,,Diese Bruder-
schaft wurde zum Lobe Gottes und zu Ehren seiner Heiligen,
besonders zu Ehren der heil. Cäcilia, der Patronin der Tonkunst,
und zum Nutzen der Seelen errichtet. Weil aber die Urheber da-
.von andächtige Tonkünstler waren und sie diese Bruderschaft
verwalteten, wurde sie die musicalische Congregation ge-
nannt. Das Hauptfest feierten sie an dem Cäcilientage, daher man
sowohl am Vorabende in der Vesper, als an dem Festtage selbst
bei dem Hoch%mte und der zweiten Vesper dies vortrefflichste
Musik hörte *. Den Tag darauf wurden nebst vielen heil. Messen
für die todten und lebenden Mitglieder die Exequien für alle ver-
storbenen Brüder und Schwestern gehalten. Die Kosten bestritten
sie von den Beiträgen die theils jährlich, theils bei der Einverlei-
bung gemacht wurden". Mit dieser Characterisierung in Ogesser's
1 Von Compositionen des Fux wurde nach den Aufzeichnungen Dixi t
Dominus (Beil. X. 75) an drei Cäcilientagen, NisiDominus (Eb. 107)
an sieben solchen Tagen gemacht.
170 Die Cäcilien-Bniderechaft.
Beschreibung der Metropolitankirche zu St. Stephan in Wien *
8t;}mmen im wesentlichen auch die Statuten dieser Bruderschaft ^
Nur geht aus diesen noch weiter hervor, dass die Congregation
sich des Schutzes des Kaisers zu erfreuen hatte und aus den
Kapeil- und Vice-Kapellmeistem der kais. Kapelle, den Compo-
«itoren, Yocalisten und Instrumental-Musicis eben so auch aus
andern Zugethanen und Liebhabern der Musik bestand. Ausser
den bereits erwähnten religiösen Uebungen, denen die Mitglieder
beizuwohnen hatten, waren auch zwei Krankenbesucher, ein
Priester und ein Weltlicher bestimmt , die Kranken der Congre-
gation zu besuchen, sie mit christlicher Liebe zu trösten, und falls
sie den Kranken in einem bedürftigen Stande fanden , der Con-
gregation die Anzeige zu machen und Vorbitter, zu einer christ-
lichen Hilfeleistung zu sein.
Die Congregation zählte 1725 ausser dem Präsidenten (dem
Prinzen Pio von Savoyen, der Cavaglier Direttore der Hof-
musik war) folgende Functionäre :
L Beständige Officianten.
Ein geistlicher Präses der fUr ordentliche Verrichtung
der geistlichen Functionen zu sorgen hat. Kein Name genannt.
Zwei Decane: Joh. Jos. Fux, Kapelhneister, Antonio
Caldara, Vice-Kapellmeister.
Ein Schatzmeister (der die Kasse verwahrt): Graetano
Orsini.
Ein Secretarius (der die Einverleibungen vominmit und
dartlber Buch führt): Sebastian Zeitlinger;
IL Officianten, so alle zwei Jahre verändert werden.
Sechs Käthe: Franc. Conti, Gius. Porsil^, Giov. Anton.
Piani, Joh. Georg Beinhard, Friedr. Götzinger, Jakob
Hoffer.
1 1779. p. 293.
^ Articalen und Puncten, oder sogenannte Statuta der musicalischen
Congregation , welche unter glorreichem Schutz der röm. kais. und königl.
spanischen Catholischen Majestät Caroli des VI. anno 1725 allhier in Wien
aufgerichtet worden. Wien, J. Pet. van Ghelen. '— Ed. Hanslik, Ge-
schichte des Concertwesens in Wien. 8. Wien. I. 11 ff.
Die Cäcilien-Bruderschaft. 171
Zwei Rechnungs-Reyisores: Franc. Borrosini, Kilian
Reinhard.
Ein Oeeonomns: Christoph Prann.
Zwei Collectores: Pietro Cassati, Amadens Mnffat.
Zwei Festarnoli (Veranstalter der Fest-Begängnisse):
Domenico Genovesi, Franz Reinhard.
Zwei Friedens-Conseryatores (welche die Misver-
ständnisse oder Uneinigkeiten beilegen): Oaetane Borghi, Georg
Hintereder.
Zwei Krankenbesucher: Johann Vincenti, Christian
Payer*.
Ein Pideil.
Die Statuten bestimmten femer, „dass bei allen dnplierten
Aemtem als : Räthen, Collectoren, Krankenbesuchern, Festaruolea
und Friedensconservatoren die Hälfte von Deutschen die andere
Hälfte von Ausländern sein soll^. So schwer fiel damals das
Uebergewicht der Italiener in die Wagschale. Drei nachträgliche
Capitel vom Jahre 1726 gestatteten, dass auch Damen gegen
dieselben Bedingungen Mitglieder werden dürfen, doch sind
„unter dem Titel und Namen der Damen nur diejenigen begriffen,
80 den Zutritt bei dem kaiserl. Hofe haben". Daraus geht herror,
dass, während die verwandte Bruderschaft der Musiker unter dem
Schutze des heil. Niclas in der St. Michaels-Pfarrkirche die
musicalische Zunft repräsentierten, der Cäcilienverein dagegen
die modernere, freiere und vornehmere Congregation war.
£d. Hanslick (a. a. 0.) bemerkt mit Recht, dass von der
Cäcüien-Bruderschaft ein historischer Faden zur späteren „Ton-
kttnstler-Societät" hinttberziehe, und diese wurde nach Aufhebung
aller Bruderschaften durch Kaiser Josef H. (30. Juni 1783) nicht
blos culturhistorisch sondern auch thatsäehlich im civürecht-
liehen Sinne Erbe der alten Musik-Congregation, da ihr Fonds im
Betrage von 7450 fl. der Tonkttnstler-Societät über deren An-
suchen eingeantwortet wurde.
In diese Zeit fällt auch ein bedeutendes musicalisches Er-
eigniss: die gefeierte Faustina wurde ftlr einige Gastrollen in
Wien engagiert.
1 Ausser den Geistlichen waren sämmtliche Functionftre kais. Hof-
musiker.
172 ' FauBtina in Wien.
FaustinaBordoni-HaBse; eine Sängerin ersten Ranges,
geboren 1700 in Venedig, war der edlen Familie der Bordoni
entsprossen. Mit der sehönsten Sopranstimme begabt und einer
glühenden Seele wurde sie von dem trefflichen Meister Michel
Angelo Gasparini gebildet, und eiitzückte schon bei ihrem
ersten Auftreten im Jahre 1716. In allen Städten, wo sie sich
hören liess, erregte sie Enthusiasmus: man nannte sie die neue
Sirene, in Florenz wurde eine Medaille auf sie geprägt. Im Jahre
1724 wurde sie in Wien mit 12.500 fl. engagiert und blieb dort
bis im März 1726^, wo siei einem Rufe nach England folgte. In
Wien trat sie im Jahre 1725 im August in Caldara's Oper
Semiramide in Ascalone^ im Part der Semiramide, dann im No-
vember in desselben Oper Venceslao^ im Part der Lucinda, in
Ginnone plaeata von Fux* als Juno, endlich vor ihrer Abreise
im Februar 1726 in Porsile's Oper Spartaco^ im Part der Buffa
graziosa der Gianisbe' auf. — In England rivalisierte sie hierauf
mit der berühmten Cuzzoni, was zu ärgerlichen Auftritten Ver-
anlassung gab; Ende 1728 verliess sie England, vermählte sich
in Venedig mit dem Kapellmeister Hassß, mit dem sie 1731
einem glänzenden Rufe nach Dresden folgte und verliess die
Buhne im Jahre 1753. Sie lebte noch 1772. Ihr Gesangsvortrag
characterisierte sich nach Quantz^, der sie 1727 in London hörte,
im Vortrag schwieriger Passagen bei ^össter Deutlichkeit und
dem feinsten Geschmack in Verzierungen und einem tadellosen
Triller. In Wien wurde sie nicht nur vom Hofe ausgezeichnet,
sondern auch in Gesellschaften des höchstefa Adels bei dem
Fürsten Lichtenstein, beim französischen Botschafter u. a. aufge-
fordert, durch ihre Kunst die Geselligkeit zu beleben und zugleich,
wie Apostolo Zeno* bemerkt, reichlich dafür gelohnt zu
werden, „wie sie es auch verdiente durch ihre artigen und feinen
Manieren, durch welche sie nicht minder, als durch ihren edlen
Gesang sich die Zuneigung und Achtung des ganzen Hofes ge-
wonnen hatte".
1726. P. Pariati hatte abennals zwei Libretti für den Com-
ponisten Fux zurecht gemacht: das Oratorium // Testamento di
1 Ap. Zeno, lettere. IV. 66. « Beil. VIU. 614. 3 Eb. 617. * Eb.
618. ö Eb. 625. cinMarpurg, Beiträge. I. 240. ' Lettere. IV. 66.
Chronik (1726—1728).
173
nostro Signore sul Calvario^ und die Festa teatrale per musica
La C&rona iTArianna*, Ueber die DarBtellnng der letzten in der
Favorita sagt das Wiener Diarium ^om 28. August, dass, ^diese'
Opera bei den kaiserlichen Majestäten AUergnädigstes Wohlge-
fallen, und bei dem ganzen Hofstaat und Adel ein allgemeines
Lob gefunden^, habe.
1727. Am 8. April wurde das Orätori|^m // Tesiamefito di N, S,
vom vorhergegangenen Jahre wiederholt. — In einem Gutachten
vom 15. November klagt Fux, dass der Componist Fr. Conti in
gänzliche Unvermögenheit (zu componieren) verfallen sei , wahr-
scheinlich durch Krankheit In der That. ist der wackere, thätige
Kttnstler von 1727 bis 1731 ganz aus dem Repertoire verschwun-
den und lässt nur im Jahre 1 732 mit einem Oratorium (703) und
einer Oper (691) sich vernehmen um bald nachher im selben
Jahre Air immer zu verstummen. — Fux klagt auch in demselben
Gutachten ttber sich selbst, dass er wegen hohen Alters und
Kränklichkeit wenig mehr vermöge. Dessungeachtet componierte
er im Jahre 1 728 das bedeutende Oratorium La Deposizione di
Gesü Crisio^f allerdings auch das letzte seiner Oratorien, die wir
hier im Zusammenhange näher betrachten wollen.
1 Beil. VIU. 635.. « Eb. 626. 3 X'. 300.
XII.
Die Oratorien Ton Fax ^714—1728) — Chronik (1729—1780) — Die
Oper Elisa — Die Opemdichter P. Metastasio (1780—1740) und Clau-
dio Pasquini (1788—1742).
Die Oratorien hatten am kaiserlichen Hofe die Bestim-
mnngy in der Hofkapelle während der Fastenzeit je eines in jeder
Woche gesangen za werden. Es kamen daher nach der wechseln-
den Länge der Fastenperiode vier, fünf auch sechs Oratorien
jährlich zum Vortrage. Sie inraren nach der Sitte am österreichi-
schen Hofe im XVU. und Anfangs des XVIE. Jahrhunderts in
italienischer Sprache verfasst und hiessen Oratorio^Azione
Sacra, Istoria sacraund diejenigen, welche fbr den Charfrei-
tag bestimmt waren Sepolcro (Grabmusik). Die Textstoffe wur-
den aus dem alten und neuen Testamente genommen, auch aus den
Legenden einiger Heiligen, nicht selten waren es allegorische
Personen (Personificationen) wie der Glaube, die göttliche Liebe,
die Gnade u. dgl., welche im Kampfe mit weltlichen Leidenschaf-
ten zuletzt den Sieg ttber bussfertige Sünder davontragen, durch-
aus ohne alle Beziehung zur Kirchengeschichte, blos Allegorien
mit religiösen Betrachtungen.
Die Verfasser der Texte zu den Oratorien waren ge-
wöhnlich dieselben mit jenen der Opemtexte. Für die zehn Ora-
torien-Compositionen von Fux war am meisten PietroPariati
thätig; Ton ihm sind die Texte zu den Oratorien 291, 292, 296,
297, 298, 299 des Verzeichnisses^, für einzelne auch Bernar-
dino Maddali (294) und Claudio Pasquino (300), von zwei
Textbüchern (293, 295) ist der Verfasser nicht genannt. Im
ganzen können die Texte entsprechend genannt werden, da die
Aufgabe fbr das Oratorium im wesentlichen mit jener der Oper
zusammenfiel und die Verfasser nur auf eine kürzere Fassung,
^ Hier ist immer Beilage X gemeint.
Fux, Omtorien. 175
hinlängliche Contraste der Affecte nnd Wechsel der Musikstücke
bedacht sein mussten. Am besten gelang es bei den Sto£Fen;
die an Geschichtliches der Bibel oder Heiligenlegenden sich an-
schlössen, weniger konnten die zu häufig eingemischten Betrach-
tungen^ am wenigsten wesenlose Personificationen den Componi-
sten zu einem höheren Schwünge anregen. Aus dem alten Testa-
mente entnommen componierte Fux die Texte zu La Fede sacräega
(291), La Donna forte (292) und II Diafacimenio dt Siaara (293) ;
Episoden aus der Passion, die bei dem Sepolcro vorgetragen
wurden, behandelten Criato nelV orio (296), Gesu Cristo negnio
da Pietro (297), La Cena del Signore (298), II Teatamento dt No-
atro Signare (299) und La Depoaixume della croce (300), auch die
blos betrachtenden ohne irgend einen historischen Untergrund //
Fanie della aaluie (293) und // Trionfo della fede (294) wurden
geeignet geftiuden, als Musik des heiligen Grabes am Charfreitage
gesungen zu werden.
Die Oratorien waren mit keiner liturgischen Kirchenfunction
verbunden und hatten nur den Zweck der Erbauung und Andacht
durch Vorführung kirchlicher Begebenheiten oder religiöser Be-
trachtungen. Im allgemeinen war die musicalische Auffas-
sung dieser Oratorien dem Dramatischen bei weitem näher als
dem Kirchliehen, und das Oratorium unterschied sich von der
Oper hauptsächlich nur darin , dass die Handlung im Oratorium,
nieht wie bei der Oper zugleich für den Zuschauer auf einer Btthne
dargestellt wurde, sondern durch die Musik allein auf die Zuhörer
wirkte. Im Oratorium kamen, wie in der Oper, bestimmt bezeich-
nete und benannte Personen , Affecte mit mehr oder minder be-
deutenden Conflicten, Verwicklungen und Lösungen durch die
handelnden Personen oder durch höhere Mächte vor, ausserdem
ein Chor, welcher bei den Handlungen der Einzelnen die Em-
pfindungen der Mehrzahl betrachtend ausspricht. Die Musik hatte
daher im Oratorium zugleich die Bestimmung, den Entgang einer
vor den Augen des Zuschauers — oft mit vielem Gepränge —
vorgeführten Handlung zu ersetzen, und darin eher eine schwie-
rigere Aufgabe als die Oper, wo der Antheil des Auges nicht
selten jenen des Ohres überwog. Da femer bei den Oratorien durch
die Musik nicht nur das Gefallen an dem Gehörten sondern auch
eine sittliche Erhebung des Gemttthes erzielt werden soljite, so
176 Fux, Oratorien.
konnte der Componist des Oratoriums die Forderung an seine
Kunst im Oratorium nicht leicht zu hoch stellen.
Der äusseren Einrichtung nach bestand das Oratorium ge-
wöhnlich aus zwei Abtheilungen ^ welche mehr wegen der Ruhe-
punkte für die Sänger und Zuhörer gemacht wurden, als aus
innerer Kothwendigkeit her\'orgiengen. Innerhalb dieses Rahmens
lösten sich die Sologesänge, Recitative und Chöre in passender
Abwechslung mit Instrumentalsätzen ab. Wenn der Gesang auch
im Oratorium die Hauptsache war, so hatten die Instrumente
zugleich eine nicht viel minder bedeutende Aufgabe. Sie hatten
das Oratorium mit einer, oft weiter ausgeführten Introduction ein-
zuleiten, die Gesänge mit Ritornellen und Zwischenspielen zu be-
leben und im Gesänge selbst häufig concertierend einzutreten.
Die Gesangsnummern hatten mit der Oper das meiste
gemeinschaftlich, nur erhielt ihre Auffassung durch den kirch-
lichen Zweck eine Beschränkung, die zwar das wesentlich Dra-
matische nicht aufhob, aber den Ernst und die Würde einer in
der Kirche und zur Erweckung der Andacht vorzutragenden
Musik niemals aus den Augen verlieren durfte. Die Behandlung
der Arien war ganz die ttbliche der Zeit, wie in der Oper. Sie
traten bald unmittelbar aus dem Recitative ein, bald gieng ihnen
ein Ritomell der Instrumente voraus und schloss sie häufig auch
ab, die Instrumente hatten bei grösseren Arien den Gesang con-
certierend zu begleiten und eigene Zwischenspiele auszuführen.
Kleinere Arien waren nur von einem Basso continuo begleitet,
der aber auch bei grösseren Arien mitgieng und dort, wo die
Instrumente schwiegen, allein begleiten musste. Die Gliederung
der Arie war ebenfalls von jener in der Oper nicht verschieden.
Der erste Theil, mit der Durchführung des Hauptmotives beschäf-
tigt wurde nach dem Schlüsse des zweiten minder ausgeführten
Theiles wiederholt, wobei die Gesangskünstler die Gelegenheit
sich nicht entgehen liessen melismatische Ausschmückungen an-
zubringen, welche wohl den Beifall des Publicum» ttber die
Kunstfertigkeit des Vortragenden einbringen mochten, aber, wie
Fux im Gradus sagt, dem Componisten nicht zu seiner Freude,
oft Muhe machten, seine eigene Melodie herauszufinden. In den
seltener vorkommenden Duetten war es in die Hand des Com-
ponisten gegeben, durch contrapunktische Kunst der Imitationen,
Fux, Oratorien. 177
durch die polyphon geftthrten Stimmen den Beiz seiner Musik zu
erhöhen ohne der Deutlichkeit Eintrag zu thun. Dass dabei, wie
auch in Terzetten , öfter widerstrebende Empfindungen der sin-
genden Personen harmonisch verbunden werden mussten, lag in
der Aufgabe eines guten Textbuches und stellte eine erhöhte For-
derung an den Componisten. Die Chöre, welche die Abtheilungen
abschlössen, bisweilen auch nach der Ouvertflre eintraten, waren
gewöhnlich Madrigale, welche zu Anfang des XVIII. Jahr-
hunderts sich noch grosser Beliebtheit erfreuten. In der Auffassung
des Madrigales, als eines Chorliedes mit genauem Anschlüsse an
die Worte des Textes, erlaubte sich Fux manche Abweichung
von deijenigen Behandlung , welche Instrumentalbegleitung und
häufigere Wiederholung einzelner Worte fernhielt ^ Beides kommt
in seinen Madrigalen durchaus vor und doch findet man sich in
der contrapunktischen aber dabei heiteren , anmuthigen Haltung
reichlich für diese Abweichung entschädigt, wobei am Ende noch
gefragt werden kann , ob es dem Meister nicht frei stehe , bei
einer schwankenden Theorie seiner eigenen Ansicht zu folgea.
Indess liess Fux in der contrapunktischen Verarbeitung des Ma-
drigals sich niemals zur Anwendung einer eigentlichen Fuge her-
bei, welche allerdings dem Wesen eines Chorliedes widerstreben
würde, ungeachtet der am Schlüsse angebrachte pointierte Satz
manchen ändern dazu verleitet haben dürfte.
Wenn gewisse Coloraturen, die in den Arien mehr angedeutet
als ausgeführt sind , als der Stimmung femer liegend hie und da
befremden möchten, so wäre zu bedenken, dass Fux unter den
ausführenden Künstlern seiner Oratorien fast ausschliessend
Sänger und Sängerinen ersten Banges zählte, die zu keiner
Zeit es gut aufnahmen, wenn der Componist ihre Kunstfertigkeit
nicht bedacht hatte. Es sangen damals in der Hofkapelle bei den
Oratorien die Sopranistinen Begina Scoonjans (171 7 — 1 740)
die hochbertthmte Maria Landini-Conti (1713 — 1722), die
talentvolle, aufstrebende Therese Holzhauser (Beutter)
(1728— 1740), der SopranistDomenicoTollini (1711—1717),
dann neben dem ausgezeichneten Contraltisten P i e t r o Casati
(1717—1740) der unvergleichliche Gaetano Orsini (1711—
1 Arey Dommer, mus. Lexicon.
Köch9l, J. J. Fux. 12
178 Fux, Oratorien.
1740), ferner die Tenoristen Francesco Borrosini (1712 —
1729), Silvio Garghetti (1712— 1729), Carlo Costa
(1712—1740) endlich die Bassisten Caspare Corvo (1713 —
1728) and Christian Praun; bei einer solchen Zahl solcher
Namen darf man nur verwundert sein, wenn der Componist nicht
häufiger über die Vortragenden das Vorzutragende zurttckstellte.
Wenn wir nun die einzelnen Oratorien rasch durchgehen, so
soll dabei das jedem EigenthUmliche mehr angedeutet, als eine
eigentliche Analyse beabsichtigt werden.
1. La Fede aacrilega nella morte del Precursor S, Giovanni
Battista. (1714)*. Text vonPietro Pariati. — Interlocutori:
S. Giovanni Battista — Erode — Ero'diade — Oletria — Aronte
— Coro di popolo — Coro di Ministri. — Der Text verfolgt ziemlich
genau das Geschichtliche nach Ev. Matth. 14, 3—11. Herodes
Antipater hat seines lebenden Bruders Weib Herodias geheuratet.
Johann der Täufer macht, ihm darüber die bittersten Vorwürfe
und dringt in ihn, sich von seiner unrechtmässigen Frau zu
scheiden. Herodias, welcher diese Zumuthung äusserst unb^uem
war, verbündet sich mit ihrer Tochter Oletria, Johann den Täufer
als Rebellen darzustellen, und nachdem der König, von dem
Tanze seiner Stieftochter entzückt, ihr eidlich gelobt hatte , alles
zu gewähren, was sie ihn bitten würde, verlangt diese, von ihrer
Mutter unterrichtet, das Haupt des Johannes auf einer Schüssel.
Der König glaubt sich durch sein leichtsinnig gegebenes Wort
gebunden und befiehlt Johannes zu enthaupten. Dieser nimmt den
Ausspruch des schwachen Mannes mit dem ungebeugten Sinne
eines starken Gottesstreiters hin. — Zwei bis zur Wuth entflammte
Frauen , ein sinnlicher schwacher Fürst im Gegensätze zu einem
strengen Manne Gottes, both ein sehr passendes Sujet für
dramatisch gehaltene Situationen, und dieses Textbuch war viel-
leicht das beste das Fux in Musik setzte. Nach einer trefflich auf-
gefassten Arie der Oletria, worin diese leidenschaftlich erregt
dem Könige Feigheit vorwirft, weil er nichts gegen Johannes zu
unternehmen wage, tritt Johannes auf, der in denselben König
dringt, nichts zu besorgen, wenn er auf dem Wege des göttlichen
Gesetzes wandle; Herodias mahnt den König an seine Liebe,
1 Beil. Vni. 509 und X. 291.
Fux, Oratorien. 179
Johannes dagegen beharrt , ungeachtet er sieht, was kommen
wird, fest auf der Auflösung des gesetzwidrigen Ehebundes.
Herodias biethet Thränen und Drohungen auf, von ihm zu gehn,
er sei nicht mehr ihr Gatte, nur ihr Tyrann ; der König schwankt ;
es treten beide Frauen in dem Trio Tu morraifellan in der Sieges-
freude ihrer künftigen Rache gegen Johannes auf, der erftlllt von
dem Triumphe seines zukünftigen Martyrthumes, wie mit Ironie,
da^ Motiv seiner Oegnerinen mutierend ihnen entgegenhält. Ein
betrachtendes Madrigal schliesst dann diese Abtheilung schön ab.
— Einer neuen racheschnaubenden Arie der Oletria, worin sie
Johannes geradezu als Rebellen anklagt, folgt ein entgegenge-
setzter Angriff auf den König in der Arie L'odio n&n parla in me,
ma $ol Tamante^ wo die Königin mit den schmeichelnden Tönen
geheuchelter Liebe den König zu fangen hofft. Nach einer erneuten
Strairede des Johannes kommt es zu einem Duett zwischen der
aufs höchste erregten Herodias und Johannes der ihre Pläne
durchschaut. Nun folgt das Tafelfest mit Chor und dem Tanz der
Oletria, nach welchem der König das frerelhafte Versprechen
macht, alles zu gewähren, was seine Tochter verlangen werde,
und diese das Haupt des Johannes verlangt. Der König schwankt
aber gewährt (Arie Piu che Vira). In einer grossen Arie mit
Teorbensolo {Mesto amore) spricht Herodias ihr befriedigtes glü-
hendes Rachegefühl aus, Johannes nimmt den Urtheilssprueh des
Königs ruhig auf und fleht nur zu Gott, der König möge vor
dessen Tode diese That bereuen. Ein neues Madrigal krönt mit
einer ruhigen Betrachtung das Ganze. Der Ernst, wie die Lust
an der Arbeit spricht sich in der Stimmung jeder Nummer dieses
Werkes deutlich aus. Unbeschadet der ernsten Haltung des
Ganzen werden Coloraturen der Sänger nicht abgewiesen, selbst
Johannes der Täufer nicht völlig davon dispensiert.
2. La Donna forte nella tnadre de" setie Maccabei (1715).
Text von P. Pariati*. — Interlocutori : Antioco — Eliodoro
— Nicanore — Maccabea — Giacobbo , ultimo figlio di essa —
Coro di fratelli Maccabei. — Der Text hält sich ziemlich genau
an die Erzählung Maccab. 7, 1 — 42: Die Mutter der Maccabeer
sieht sechs ihrer Söhne auf Befehl des grausamen Königs Antio-
1 Beil. VIII. 516 und X. 292.
12*
180 • Fux, Oratorien.
chus vor ihren Augen sterben, um den Gott ihrer Väter gegen
die Heidengötter nicht aufzugeben, und fordert noch den siebenten
und letzten Sohn auf, dem Beispiele seiner Brüder zu folgen. An
der starken Frau prallen Drohungen und Anerbiethungen des
Königs wirkungslos ab und muthig geht sie selbst dem Henker-
tode entgegen. Der Schlusschor singt zu ihrem letzten Gange:
y^Madre^ che al Creatore per la gloria dt lui rende i 9Uoi figli^' —
Dem Gange der Handlung gemäss, die nur eine Reibe von immer
gesteigerten Gräueln vorführt, schlägt auch die Musik ohne Ab-
wechslung ernste und strenge Töne an. Schwungvoll zwischen
den Drohungen des Antiochus wiederholt sich der Chor der Mac-
cabeer y^Grande e pietoso k 7 noBtro Dio^ , der die Glaubensfreu-
digkeit unter den schwersten Leiden kräftig ausspricht. Wehmuth,
aber ohne Schwäche , drttckt üur die Arie Dämmt düeita madre
ans , wo der letzte Sohn Jacob vor seinem Gang zur Hinrichtung
die Mutter um den letzten Kuss bittet. Di^ beiden Madrigale am
Schlüsse der Abtheilungen sind auch hier mit eben so viel Sorg-
falt als Wirkung gearbeitet. Den Leistungen der ersten Sänger
werden schwierige Aufgaben zur Lösung gestellt.
3. II Fönte della aalute, aperto dalla grazia nel Calvario
(Charfreitag 1716)* Text von? — Parlano: La grazia — La
misericordia — La giustizia — II peccatore contrito — II pecca-
tore ostinato — II demonio — Coro d'Angeli — Coro di peccatori
penitenti. -^ Ein verstockter Sünder, vom Demonio aufgestachelt^
widerstrebt dem Quell des Heiles und der Gnade , der im Leiden
des Heilandes (nel Calvario) sich öffnet. Durch die Ermahnungen
des reuigen Sünders, der Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und
Gnade erweicht fleht zuletzt der verstockte Sünder um Gnade.
Der Demonio zieht darüber verzweifelnd ab. — Irgend eine bibli-
sche Handlung ist in dieser Passionsmusik durchaus nicht zu
finden. — Die wiederholten Ermahnungen zur Besserung würden
Gefahr laufen zu ermüden , wenn nicht der Demonio und der ver-
stockte Sünder durch ihre musicalischen Gegensätze eine gewisse
Abwechslung hineinbrächten. — Als etwas minder gewöhnliches
darf die Begleitung der Arie des Demonio Puoi pecear durch zwei
virtuose Fagotte, und der Arie des reuigen Sünders „JVoa famo^
1 Beil. Vm. 586 und X. 293.
Fux, Oratorien. 181
mit Baryton so wie einer dritten mit Schalmei bezeichnet werden.
Das Terzett: Dio ti pole ist ein schön gehaltenes Madrigal.
4. n Trianfo della fede (1716). Text von Bernardino
Maddali ^. — Interlocutori: D Secolo — Uamor profano —
Uamor divino — La fede — Uinnocenza. — Die verirrten Söhne
der Erde das Secolo and TAmor profano läugnen Gott and wollen
nur der Sinnenlast fröhnen. Nachdem Tamor divino , l'innocenza
und la fede ihre klagenden Betrachtungen darüber angestellt,
lässt la fede einen göttlichen Strahl in das Herz der verirrten
Erdensöhne fallen and beide werden dadurch zur Reue und Um-
kehr bestimmt. — Ungeachtet die wiederholten, einander ziemlich
ähnlichen Betrachtungen der Vertreter des göttlichen Princips und
jener der Kinder der Erde den Componisten wenig anregen
konnten , so ist doch die sinnlichere Auffassung der Erdensöhne
gegen jene der überirdischen überall klar geschieden. Insbeson-
dere verdienen die feingeftthrten zwei Duette, so wie die
eharacteristischen Wendungen in mehreren Arien , wie un Secolo
die Stelle yfChe rinßuenza delle sfere son chimere^ aller Beachtung
werth. Unstreitig gebührt aber unter sämmtlichen Nummern der
Vorrang den beiden zierlich gehaltenen Madrigalen a cinque am
Schlüsse der Abtheilungen, besonders der letzten, bei welchen
die contrapunktische Durchführung durch einen kurzen gebeth-
artigen homophonen Satz anmuthig unterbrochen wird.
5. // Disfacimento di Sisara, (1717). Text von? * — Pariano :
Jabin — Sisara — Jahel — Barac — Debora. — Die biblische
Episode, Buch der Richter 4, 1 — 24, wird mit dramatischer Leben-
digkeit dargestellt. Sisara, Jabin des Königs von Canaan Feld-
herr, der Israel durch 20 Jahre bedrängte, wird unter Barac's
Leitung über Antreiben der Seherin Debora von den Israeliten
geschlagen, konmit auf der Flucht zu Jahel, dem Weibe des Habor ;
erhält von dieser in der gereichten Milch einen Schlaftrunk,
worauf ihm Jahel einen Nagel durch die Schläfe treibt. — Die
kriegerische Bewegung der Handlung wird schon in der kräftigen
bitroduction angekündigt, und steigert sich in den siegessrcheren
Gesängen des Königs Jabin und noch mehr seines Feldherm
Sisara, ebenso auf der Seite der Israeliten, wo die Seherin Debora
1 Beil. Vni. 524 und X. 294. « Beil. Vm. 535 und X. 295.
182 Fux, Oratorien.
■
nach einem demtithigen Gebethe um den Sieg den Feldherm
Barac begeistert auffordert^ die Israeliten gegen Jabin zu fuhren.
Barac nimmt die Auffordemng an y wenn Debora ihm zur Seite
bleibt, nnd beide rufen ihr Heer zum Kampfe auf, wie Sisara die
Seinigen. Sisara wird geschlagen, wird vergeblich von JabiB auf-
zurichten versucht, muss sich flüchten, kommt ermattet zu der
Israelitin Jahel und wird von dieser im Schlafe getödtet. Barac
und Debora finden den verderblichsten Feind IsraeFs vernichtet
und preisen die Frau, durch welche diese That vollbracht ward.
Jahel weist alle Anerkennung von sich ab und gibt Gott die Ehre,
welcher dem schwachen Weibe die Kraft des Vollbringens einer
solchen That verlieh. Mit einem Chor des Dankes an den Herrn
der Heerscharen schliesst das Ganze. — Die erhöhte kriegerische
Stimmung der Gottesstreiter wird von der Musik bis ans Ende
festgehalten und gibt zu zahlreichen wirksamen Kmnmem mit
glücklich erfundenen feurigen Motiven und bedeutender Durch-
fUhrung und Begleitung Veranlassung, wobei auch mehrere Vio-
linsolo und von minder gewöhnlichen Instrumenten die Schalmei
und Flfite allemande angewendet werden. — Das Madrigal
a 5 „ Fa sempre la vittoria^ am Schlüsse der ersten Abtheilong
tritt *hier im Harnisch auf. Die Sänger haben bedeutende Aufgaben
zu lösen.
6. Crisio neir orte (1718); Text von Pietro Pariati ^
— Cantano : Cristo — L'amor divino — La giustizia divina —
Un' anima contemplativa — Un angelo confortatore — Coro di
Angeli. — Die Schrifttexte über die Todesangst und die Gebethe
des Erlösers im Garten Gethsemani waren für den Umfang des
Oratoriums keineswegs ausreichend; es mussten daher die Be-
trachtungen der göttlichen Liebe, der ewigen Gerechtigkeit, des
beschaulichen Engels, so wie die Trostesworte des tröstenden
Engels den grössten Theil des Textes ausfüllen. Es war unver-
meidlich, dass sämmtliche Betrachtungen im Wesen wenig von
einander abweichend sein konnten und daher dennoch einige Ab-
wechslung hineinzubringen, war eine schwierige • Aufgabe der
Musik. Wir begegnen dessungeachtet in der kunstvoll contra-
punktisch gearbeiteten Einleitung, in den beiden Madrigalen an
1 Beil. Vni. 546 und X. 296.
Fax, Oratorien. 183
den Schlüssen der Abtheilnngen und in mehreren treffenden
Anffasmingen wie der Stelle j^Luamo ch'^ polve e niente^ in der
Arie ifon tnerta Vuomo den sprechenden Spuren des Meisters,
welcher auch dem spröden Stoffe das mögliche abzugewinnen
versteht.
7. Gern Cristo negaio da Pietro (1719). Sepolcro. Text von
Pietro Pariati*. — Cantano: L'amor divino verso Tuomo —
L'umaniti peccatrice — S. Pietro Apostolo — Ballila, ancilla
di Caifa — L'odio di Giudei contro di Gesti — Coro di Giudei
ostinati — Coro di peccatori, che sperano la redenzione. — Die
behandelte Episode beginnt mit der Gefangennehmung des Er-
lösers und schliesst mit der letzten Verläugnung durch Petrus. An
betrachtenden Personificationen fehlt es auch hier nicht : die gött-
liche Liebe, die sündhafte Menschheit, der Hass der Juden gegen
Christus so wie die Chöre der verstockten Juden und der Sünder
welche auf Erlösung hoffen, äussern ihfen Antheil an den Vor-
gängen in verschiedenem Sinne. Ungeachtet das häufige Eintreten
dieser betrachtenden Stimmen den Gang der Handlung eher
hemmen als befördern , geben sie doch wieder Anlass zu bedeu-
tenden musicalischen Sätzen und regen auf andere Art an. — Der
eben so kunstvoll durchgeführten als lebhaften Sinfonia schliesst
sich an die Schlusstacte unmittelbar der leidenschaftliche Chor
der Juden an , der Christus bei der Gefangennehmung verhöhnt.
In der bezeichnenden Arie Manche agli altri sagt Petrus, auf
seine That gegen Malchus hinweisend, nicht ohne Selbstüberhebung,
dass wenn auch alle den Herrn verlassen sollten, er ihn nicht
verlassen werde. Die göttliche Liebe hat dagegen ihre Bedenken.
Der Judenhass spricht sich in der darauffolgenden Arie V inno-
cenza non vive, und noch mehr in der späteren E troppo orribüe
mit dem Hohne einer derben Leidenschaftlichkeit aus : man könnte
versucht sein zu glauben, Fux habe in den brüsken Sprüngen
der Bassstimme eine Färbung orientalischer Heftigkeit beabsichtigt.
Die Verläugnungen gehen während der Becitative vor. Der Chor
der Sünder macht Petrus in dem Schlussmadrigale der ersten Ab-
theilung „TV« virtü vatäi^ empfindliche Vorwürfe über seine
Schwäche. Nach der letzten Verläugnung bereut Petrus in der Arie
t Beil. Vm. 556 und X. 297.
184
Fux, Oratorien.
Del mio cor unter Thränen sein Vergehen gegen seinen geliebten
Meister. Das Madrigal des Schlusschors der Sttnder Mortale
'specchiati in Pietro macht die Nutzanwendung , dass wer sich
erhebt, dem Falle am nächsten sei. — Aach dieses Oratorium
liefert den Beweis, wie wesentlich die dramatische Musik durch
wirkliche, menschlich handelnde und empfindende Personen ge-
tragen werde.
8. La Cena del Signore (1720). Text von Pietro Pariati ^
— Cantano: Gesü Cristo Salvator nostro — Pietro Apostolo
— Giovanni Apostolo — Un' anima contemplativa — Lo Spirito
profetico — Giuda ü traditore — Coro degli Apostoli. — Der
Text hält sich im Wesentlichen an die Passionsgeschichte der
Evangelien und ftthrt die einzelnen Scenen der Fusswaschung —
der Worte: Einer wird mich verrathen — und der Einsetzung
des Altarssacramentes im Abendmahle aus. Die beschauliche Seele
und der prophetische Gfeist übernehmen die Rolle des antiken
Chors, theilnelunend aber nicht eingreifend. — Da viel Text zu
bewältigen und neles daraus für Einzelgesänge nicht geeignet
war, so musste einen grossen Theil das Recitativ auf sich nehmen.
Dessungeachtet sind viele Nununem ausgeführter behandelt und
die verschiedenartigen Charactere der Apostel, des feurigen Petrus,
des sanften Johannes, des Verräthers Judas in ihren Gesang-
stücken gehörig wiedergegeben. Eine Eigenthttmlichkeit hat Fux
in die Arie LHmpossibü del mistero gelegt, wo Judas seine hart-
näckigen Zweifel an der Möglichkeit der Wandlung, bei den
Worten „F« contrasto a la mia fede^ in den mannigfachsten
Sprüngen, wie
C
^ . I
Bg
^
e
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I I I
^
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r impoB - si - bil del ini - ste-ro fa con tra
V'k r T j
t
±
z:
m^
8to fa con - tra - sto
a
la mia fe - de
ausdrückt, die in der Reprise sich sogar zu Decimensprüngen
1 Beil. Vm. 567 und X. 29ik
Fux, Oratorien. 185
steigern. Der tüchtige Bassist Praun, der den Jadas sang, mag
darin seine Stärke gehabt haben. — Die schönen Schiassmadrigale
und ein besonders ansprechendes Dnett 0 beute Falme umane,
welches an ein ähnliches in der Deposizione erinnert , wird man
anch in diesem Oratorium nicht vermissen.
9. // Tesfamento di Nostro Signor Gesü Cristo sul Calvario.
Oratorio (1726). Text von Pietro Pariati'. — Cantano:
La santissima Vergine — L'angelo Gabriele — Giovanni evange-
hsta — n peccatore — Lucifero — Coro di Giudei — di Scribe
e Farisei — di Peccatori. — Nachdem die Juden, Schriftgelehrten
und Pharisäer den Erlöser auf dem Kreuze gehöhnt, werden die
Kreuzesworte Christi: Herr, verzeihe ihnen — Heute wirst du mit
mir im Paradiese sein — Hier Frau, sieh deinen Sohn — Mein
Gott, warum hast du mich verlassen — Mich dürstet — In deine
Hände empfehle ich meinen Geist — als die letzten Worte Christi
vor seinem Ende sein Testament genannt, von der Jungfrau,
von dem Evangelisten Johannes, von dem Engel Gabriel, von
einem Sttnder, dann von Lucifer nach ihren eigenthttmlichen
Standpunkten in Betrachtung gezogen, da diese Worte am Kreuze
als etwas bereits Geschehenes hier nur erzählt werden. Die Par-
titur dieses Oratoriums ist die umfangreichste von allen geworden;
der Grund davon lag aber in der Masse des Textes, da der Ver-
fasser darin sich einer unangenehmen Redseligkeit beflissen hatte,
wovon der Componist nichts auszuscheiden gewagt hat. Unge-
achtet ein grosser Theil in Recitativen aufgenommen wurde, so
bothen auch die einförmig klagenden Betrachtungen wenig Anre-
gendes und Abwechselndes für den Componisten der Arien. Im-
merhin verdienen ausser dem höhnenden Chor der Juden Ecce
Vucm auch die beiden kräftigen Schlussmadrigale und die rührend
einfache Arie der Jungfrau AI tuo pib auszeichnend genannt zu
werden. Als etwas ganz apartes muss die Begleitung der Bassarie
Lucifer's Son de Vuomo erwähnt werden, wo vier Fagotte im
Einklänge mit Figuren die Arie umschwärmen.
10. . La Deposizione dalla Croce di Gern Cristo Salvator
nostro, Sepolcro (comp. 1728, wiederholt 1738). Text von
Claudio Pasquini*. — Cantano: Maria Vergine — Maria
1 Beil. VIII. 635 und X. 299. » Beil. VIII. 654 und X. 300.
186 Fux, Oratorien.
Maddalena — Giovanni Apostolo — Gioseppo Arimateo — Nico-
demo — Coro di peccatori. — Die Herabnahme des Heilandes
vom Kreuze im ersten Theile, die Grablegung im zweiten Theile
werden von den Sprechenden: der Jungfrau Maria, Maria Mag-
dalena, dem Apostel Johannes 9 den Jttngem Josef von Arimatea
und Nicodemus und dem Chor der Sünder mit Betrachtungen be-
gleitet f welche sich entweder auf das allgemeine des Erlösungs-
werkes oder die besonderen persönlichen Verhältnisse des Spre-
chenden zu dem Heilande beziehen. — Der tiefe Ernst , welcher
dieser Handlung zum Grunde liegt, ist auch ttber die ganze Musik
ausgebreitet, Schmerz und Klage in verschiedenen Aeussemngen
abgestuft, und bald sanfter bald lebhafter ausgedruckt, zieht
sich durch das ganze Werk. Die Mutter wünscht am liebsten mit
dem erhabenen Sohne gestorben zu sein und verweilt in weh-
müthiger Erinnerung an die Kinderjahre des Hingeschiedenen;
der sanfte Apostel Johannes , der einst im Schöosse des Herren
•
lag, stimmt ein in die Klage der Mutter, der er nun selbst ein
Sohn sein soll; Maria Magdalena, die aus einer bussfertigen
Sünderin die glühendste Verehrerin des Heilandes geworden war,
wird auch in ihrer Klage lebhafter und möchte mit ihren Thränen
ihre frühere Sündenschuld abwaschen. Nicodemus tritt kräftiger
auf und prophezeiht der Stadt Jerusalem ftlr ihre ruchlose That an
dem Heilande den Untergang, auch Josef von Arimatea wirft den
Juden den Undank vor, welchen sie an Gott, der sie aus Aegypten
geführt und vor allen Völkern gesegnet hat , durch die Tödtung
des Erlösers begangen haben, während der Chor der Sünder
seine Mitschuld an dem Leiden und Tode des Heilandes
bekennet. — Unter den Musikstücken treten die characteristische
Einleitung der Instrumente, das schmucklose aber wirkungsvolle
Duett der Jungfrau und des Apostels Chi H conoscey wo die
Stimmen abwechselnd sich imitierend trennen und wieder vereini-
gen, femer die Bassarie des Nicodemus Se pure piü nel core
mit brillanter Fagottbegleitung, endlich die madrigalartig gehal-
tenen Schlusschöre, besonders hervor.
Im Jahre 1729 erschien bei Jeanne Roger in Amsterdam die
Oper£/wa*, welche Fux im Jahre 1719 componiert hatte, und
1 Beil. Vm. 551 und X. 312.
Fux, Oper Elisa. 187
nach dem gleichzeitigen Textbuche (1729 bei Van Ghelen) im
Jahre 1 729 wiederholt gegeben wurde. In der k. k. Hofbiblipthek
befindet sich ein Exemplar in einem Prachtbande von rothemSammt
mit reicher Goldstickerei. Wenn die oft wiederholte — aber darum
doch nicht völlig verbürgte — Anecdote von Kaiser Karl VI. und
Fux sich wirklich zugetragen hat, so konnte die nirgends bestinmit
bezeichnete Oper des Fux, die der Kaiser dirigiert haben soll, mög-
licherweise die £/Ma gewesen sein. Gerber in der zweiten Ausgabe
seines Lexicons erzählt die Begebenheit, die ihm so viele nach-
geschrieben haben, in folgender Weise : Dem Kaiser, welcher die
ganze Oper auf dem Flttgel begleitete , wurde beim Eintritte ins
Orchester im Namen der Kaiserin die aufs kostbarste gebundene
Partitur der Oper überreicht, worauf sich der Kaiser nach einer
Verbeugung gegen die Kaiserin an den Flttgel setzte und das
Zeichen zum Anfange gab. Bei dieser Gelegenheit war es, wo
Fux, welcher hinter dem Kaiser stand, nach vielen Proben von
des Kaisers gutem Benehmen bei den schwierigsten Stellen und
nach wiederholtem Bravo endlich ausrief: „0 es ist Schade, dass
Eure Majestät kein Virtuose geworden sind!^ Worauf der Kaiser
sich umdrehte, indem er antwortete: „Hat nichts zu sagen, hab's
halter^ so besser!^ Se non 6 vero, non k mal trovato.
Eine s^hr bedeutende Veränderung in dem Personale der
Hofpoeten bereitete sich in eben demselben Jahre 1 729 vor.
Als Apostolo Zeno sich anschickte in seme Heimat
zurückzukehren und PietroPariatiseit mehreren Jahren wenig
mehr producierte, richtete der Kaiser sein Augenmerk auf den
jungen Abate Pietro Metastasio*, der sich seit 1724 als
1 Da es bei den norddeutschen Brüdern von jeher üblich war , die
armen Oestreicher mit dem „halter" lächerlich zu machen , so sei hier er-
wähnt, dass in Oesterreich kein Mensch sich jemals des Wortes „halt er«
bedient hat noch jetzt bedient. Das im Norden verhöhnte Wort heisst
„halt", und ist ähnlich dem in ganz Deutschland üblichen gelt, schau,
u. dgl. eine Interjection , welche in den meisten Fällen die Bedeutung dea
nicht viel mehr bezeichnenden norddeutschen „eben** oder „nu 'mal^ hat.
In obiger dem Kaiser beigelegten Phrase hätte „halt'' gar keinen Sinn.
^Pietro Antonio Domenico Bonaventura Trapassi, ge-
nannt Metastasio, war 1698 zu Assisi geboren, ward der Erbe seines
Gönners des Kechtsgelehrten Gravina zu Born, der ihn sorgfältig hatte
erziehen lassen und endete seine Tage in Wien 1782.
188 Metastasio.
Operndichter einen Jbedeutenden Namen ei^worben hatte — um in
ilim eine frische tüchtige Kraft zu gewinnen. Principe Pio trat
deshalb 1729 mit ihm in Unterhandlung und Metastasio erklärte
sich ohne Zögern mit VergnUgen bereit , als ^Poet im Theatral-
fitaat" in die Dienste „des ersten Monarchen der Welt" (Met. Lett.)
zu treten*. 1730 im Juni kam er nach Wien, wo er die beste Auf-
nahme fand und blieb daselbst, hochgehalten von den verschie-
denen Monarchen und allen Ständen , durch 52 Jahre bis an sein
Lebensende*. In dem Zeitabschnitte von 1730 bis 1740, der uns
hier berührt, wurden 32 seiner in Wien gedichteten Texte* für
Opern, Serenaden und Oratorien zur Aufführung gebracht ; davon
componierteCaldara 14, G. Reutterö, Predieri4, Hasse 3,
einzelne V i n c i», Fux, F. Conti, 6. Porsile, ßonno.
Metastasio'sRuhm hatte sich durch ganz Europa verbreitet, bei
den Italienern wurde er classisch wegen Reinheit, Klarheit, Anmuth
der Sprache, wegen des vollendeten Wohllauts und ausdrucks-
vollen Rhythmus seiner Arien: er beherschte in seinem Fache
unbedingt seine Zeit. Apostolo Zeno folgend suchte er in $einen
Opemdichtungen ein wahres Drama zu schaffen, und machte die
psychologische Darstellung der Charactere und Leidenschaften,
eine aus diesen hervorgehende folgerichtige Handlung zu seinem
Hauptziele. Metastasio ist keine grosse, kräftige Natur, starke
Leidenschaften fasst er nicht; seine psychologische Auffassung
ist klar und verständig, aber beschränkt, wie seine Gesinnung
anständig und wohlmeinend , aber nicht frei noch gross ist. Den
grössten Einfluss auf die Componisten sowohl als auf das Publi-
cum übte seine Sprache, welche correct, fliessend und von hin-
reissendem Wohllaut ist, im Ausdruck einfach und natürlich, nur
80 weit rhetorisch, als italienische Sprache und Poesie es ver-
langt. Als Operndichter zeichnete ihn noch besonders aus : seine
1 In den Hofrechnungen erscheint sein Gehaltsbezug schon vom
1. April 1729.
2 Anziehende Details von Metastasio's Verhältnisse zum Hofe enthält
Th. G. V. Karajan „Aus Metastasio's Hofleben". Wien, 1861.
8 Opern: Beil. VIII. 666. 679. 682. 691. 693. 697. 708. 712. 714. 719.
724. 743. 746. 749. 788. — Serenaden: 732. 735. 739. 766. 768. 774. 775.
779. — Oratorien: 676. 689. 705. 717. 728. 742. 772. 784. 791. — AUacci,
Drammaturgia, zählt im ganzen 71 dramatische Texte Metastasio's auf.
G. Claudio Pasquini. 189
Poesie war musicalisch. Er hatte im Verkehr mit Sängern und
Componisten seine mnsicalische Anlage so weit ausgebildet, dass
er flihlte und wusste, worauf es bei einem zur Composition be-
stimmten Texte ankam. Die wohllautende Sprache kam der
Musik auf halbem Wege entgegen , die einfache jedoch wech-
selnde Bhythmik; die zweckmässige Gliederung der entsprechen-
den und contrastierenden Gedanken, wie der syntactischen Con-
struction zeichnete dem Componisten die musicalische Periodi-
sierung vor, ohne ihn zu beschränken. Dadurch ward es erklär-
lich , dass Metastasio Bühnen wie Componisten beherschte und
das unerreichte Muster für alle Opemdichter wurde , die freilich
am gltlcklichsten seine Schwächen nachahmten K
Noch eines Opemdichters ist zu erwähnen, der neben Apo-
stolo Zeno, Pariati und Metastasio ausnehmend thätig
für die Wiener Hofoper arbeitete. Es war dies Giovanni Clau-
dio Pasquini, der zu Siena 1695 geboren^, um 1726 nach
Wien kam und bis 1740 nicht weniger als sieben und sechzig
Texte für musicalische Compositionen zu Stande brachte. Mit dem
Beweise seiner Anstellung als kais. Hofpoet hat es eine eigen-
thümliche Bewandtniss. Die Hof - Schematismen und -Bechnun-
gen fuhren ihn erst vom Jahre 1 740 bis letzten März 1 742 als
Hofpoet auf, von 1733 (in welchem Jahre Pariati gestorben
war) konmit er in den BechenbOchern bis zum Jahre 1739 als
Tenorist vor; möglich, dass er zugleich auch Sänger war, oder
ihn nur ein Irrthum des Bechnungsbeamten in die Sängerreihe
versetzte. Seine bedeutende Befähigung zum Opemdichter wurde
ausser den vorhandenen Partituren auch durch die ehrende An-
erkennung Metastasio's^ in seinen Briefen dargethan, zugleich
auch durch die bereite Aufnahme als Hofpoet , welche ihm nach
seiner Entlassung von Wien (1742) am Hofe zu Dresden zu Theil
wurde*. Metastasio's Briefen zufolge war er von 1750 bis 1759
in Siena, wohin er sich für seine älteren Tage zurückgezogen zu
haben scheint.
1 Otto Jahn, Mozart. « Quadrio Storia. V. 293.
3 In einem dieser Briefe (Op. poBtume, I. 235) schreibt Metastasio an
OL Pasquini (1747): In somma ripetendo ciö che miUe volte vi ö detto, io
non ritrovo molti al presente , che in queste poetiche facolta mi contentino
par di voi. ^Fürstenau, Gesch. der Op. in Dresden. IL 239 f:
190 G. Claudio Paaquini.
Erwähnenswerth ist der Fall mit dem Texte zu der Oper
Don Chisciotte in Corte della duchessa (Beil. VIU. 637). Diese
Oper wurde mit Musik von A. Caldara im Jahre 1727 in Wien
gegeben und auf der gleichzeitigen Partitur, auf den zu der ersten
Aufführung in Wien bei Ghelen gedruckten italienischen und
deutschen Textbüchern, femer in dem Wiener Diarium von 1729
ist, wie in Allacci Drammaturgia als Verfasser der Poesie dazu
der Abate Giovanni Claudio Pasquini angegeben. Nun
erschien im Jahre 1786 in Orleans bei L. P. Couret de Villeneuve
eine Gesammtausgabe der Poesie drammatiche diApostoloZeno
in 1 1 Bänden , wo im 1 1 . Bande unter den Poesie drammatiche
di Apostolo Zeno composte insieme con Pietro Pariati die-
selbe Oper Don Chisciotte in Corte della duchessa mit dem
Beisatze pubblicato per la prima volta in Vienna 1719 und tlber-
dies mit dem Argomento des Pasquini vollständig abgedruckt
ist. Der leichtfertige Redacteur dieser Ausgabe wusste aus Ap.
•
Zeno's Lettere IT. UI., dass im Jahre 1719 Ap. Zeno in Ver-
bindung mit Pariati mit einem dort nicht näher bezeichneten
Don Chisciotte beschäftigt war — der auch zur Aufführung
kam — und nahm ohne Bedenken die Oper des Pasquini vom
Jahre 1729 dafür. Im Jahre 1719 wurde aber von den beiden
Verfassern die Oper Don (Chisciotte in Sierra Morena (Beil. VIÜ.
549. Musik von F. Conti) gegeben, welche jedoch in der
erwähnten Ausgabe der Poesie drammatiche di Apostolo Zeno
nicht aufgenommen ist. Die im Jahre 1729 in Wien anwesenden
Dichter Zeno und P a r i a t i würden es gewiss nicht stillschwei-
gend hingenommen haben, als unter ihren Augen die angeblich von
ihnen herrührende Oper Don Chisciotte in corte della duchessa
unter P. Pasquinfs Firma gedruckt erschienen war.
xin.
Die Opern Ton Fox (1702—1781) — Chroiük (1731-1788) — Giiadea-
gäbe für den Neffen HatthBas.
1731. Am 28. August wurde zum Namenstage der regieren-
•
den Kaiserin Elisabeth Christina die Festa teatrale Enea ne-
gV Elisj 0 R Tempio delV etemitä *, Text von M e t a s t a s i o in der
Favorita gegeben (Wr. Diar.). Metastasio bemerkt in seinen
gesammelten Werken (Vol. IV) über die erste AufiPührung: „ß
tempio delV etemitä, festa teatrale . . .' sontuosamente representata
la prima volta con mustca delPux nel giardino imperiale Favorita".
— IGt diesem „Tempel der Unsterblichkeit" schloss Fux die
Reihe seiner dramatischen Compositionen ab — in seinem ein
und siebzigsten Lebensjahre. Wir wollen nun darangehen , uns
eine Vorstellung der Auffassung und Ausführung seiner sämmt-
liehen dramatischen Compositionen zu bilden und darum zugleich
die Zeit und die Verhältnisse berücksichtigen, in welchen sie
entstanden.
Dichter und Componisten durften nie aus den Augen ver-
lieren, dass die drao&atischen Compositionen mit Musik,
mit Ausnahme der Faschingsopem, zu Festen für den Hof be-
stimmt seien, durch Welche irgend eine Persönlichkeit oder ein
erfreuliches Ereigniss des regierenden Hauses gefeiert werden
sollte. Damit war schon in der Anlage und später durch das Her-
kommen bedingt, dass man zum Schlüsse der Darstellung an die
gefeierte Person eine eigene verbindliche Ansprache in Musik
richtete, welche man Licenza hiess. Diese Licenza war ge-
wöhnlich schon im Gange der dramatischen Handlung vorbereitet
und diese enthielt mannigfache Anspielungen darauf, ja in man-
chen Fällen war das ganze Schauspiel nur eine erweiterte Li-
1 Beil. VIU. 679.
192 Fux, Opern.
cenza; in einigen Fällen jedoch , wo der dramatische Vorgang
weiter ablag, wurde am Schlüsse eine rasche unvorbereitete Wen-
düng genommen, um die Licenza durch das darstellende Perso-
nale anzubringen. — In dem Herkommen und der Entwicklung der
Oper in Italien, welche auch in Wien aufgenommen wurde, lag
es femer, dass das Stijet der Oper entweder der Mythologie oder
doch der antiken Geschichte oder Sage entlehnt, seltener nach
Zaubermährchen gegriffen wurde, da diese vorzugsweise zu
reichem Decorationswechsel und phantastischen Aufztlgen Ge-
legenheit bothen.
Die von Fux componierten Texte aus historischen Stof-
fen waren La Cletnenza (f Augusto (Beil. X. 301), Pulcheria
(303), Julo Ascanio (304) und Costanza e fortezza (314), welche
letzte die Sagen von Horatius Codes, Mutius Scävola und Clölia
behandelte. Alle übrigen Stoffe , mit Ausnahme der Zauberoper
Angelica vincitrice (T Alcinda (310) waren. aus der alten Götter-
mythe genommen und dramatisch behandelt, oder einzelne Zttge
daraus willkürlich weiter entwickelt. Zu den ersten gehören
Dafne in Lauro (308), Orfeo ed Euridice (309), Diana placaia
(Ifigenia) (309), Psicke (und Amore) (313), Le Nozze di Aurora
(314), La Corona d* Arianna (317); mit blossen mytholo-
gischen Anklängen aber desto häufigeren Personificationen und
Allegorien, welche gewöhnlich schon beim Beginne odßr doch
im Verlaufe des Stückes den Zweck des Festes ankündeten,
waren die übrigen acht dramatischen Compositionen.
Die Verfasser der Operntexte aus früherer Zeit waren
Antonio Bernardoni (1702, 1708) (X. 301, 303, 304), Do-
nato Cupeda (1702, 1709) (302, 305), Silvio Stampi-
glia (1709) (306) und G. B. Ancioni (1710) (307); aus
späterer Zeit vorzüglich Pietro Pariati* mit acht Texten
(1714—1726) (308—312,314, 315—317), endlich von den her-
vorragendsten Schriftstellern Apo8toloZeno(l 720) die Paiche
(313), und von P. Metastasio (1731) Enea negli Elisj (318),
zugleich die letzte von Fux componierte Oper.
1 Von ihm sind mehrere Texte mit Ap. Zeno gemeinschaftlich bear-
beitet, und sein Aqtheil von diesen gerühmt. Op. di Ap. Zeno. III. 11.
Fax, Opern. 193
£8 ist einleuchtend ; dass die historischen Stoffe mit rein-
menschlichen Empfindungen, Affecten nnd Conflicten ein erhöhtes
dramatisches Interesse zu erwecken geeignet waren j wenn anch
hier die Grenze des Schicklichen jeden schärferen Ausdmck der
Leidenschaft im guten, wie im schlimmen Sinne zu yermeiden
geboth. Daher gelangen solche Stücke den Textverfassem in der
Regel besser, und Bernar-doni's Puleheria verdient in dieser
Richtung besonders hervorgehoben zu werden, auch Pariati's
Cogtanza efortezTM gehört in Erfindung der Situationen und Aus-
führung zu den glllcklicheren Eingebungen. Die Texte aus der
antiken Göttermythe hatten zwar wie Dafne^ Orfeo^ Paiche,
Diana placata einen poetischen Hintergrund , allein da die alte
Götterwelt nicht mehr im Glauben der Zuhörer anklingen konnte,
so standen sie nur eine Stufe höher , als die wesenlosen Personi-
ficationen und Allegorien, welche als das Product leerer Abstrac-
tionen, selbst empfindungslos, auch keine Mitempfindung erwecken
konnten und höchstens dazu dienten, eine lose Verbindung meh-
rerer Musikstücke herzustellen , die nur durch die Geschicklich-
keit des Componisten und die Virtuosität der Sänger einiges.
Interesse zu erregen im Stande waren. Es ist übrigens sämmt-
liehen Verfassern der Texte das durch viele Uebung entwickelte
Geschick nicht abzustreiten , die Oeconomie ihrer Libretti so ein-
zurichten, dass die Sänger und Chöre in gehöriger Reihe und
Abwechslung eintreten konnten und dass insbesondere in den
Arien und verwandten Musiknununem eine durch das vorherge-
gangene Recitativ vorbereitete Stimmung eingehalten wurde.
Auch in den Chören fehlt in der Regel der passende Ausdruck
für die theilnehmende Empfindung einer grösseren Menge an den
Ereignissen des Drama ^ nicht. War die Diction auch nicht von
einem gewissen Schwulste freizusprechen, so drückte sie doch
die Situation in gewähltem Ausdrucke aus und half durch das
Sangbare der gebildeten italienischen Sprache dem bedrängten
Componisten über manche Steppe der Handlung hinweg. Ausser
Bernardoni hat auch P. Pariati darin entschiedene Ver-
dienste, nur in den beiden von Apostolo. Zeno und Meta-
stasio herrührenden Texten ist die Ueberlegenheit ihres Talen-
tes nicht eben in jeder Rücksicht zu rühmen.
Kbehel, J. J. Fax, 13
194 Fux, Opern.
In den musicalischen Dramen wurde von jehfer ein wesent-
licher Unterschied gemacht zwischen der grossen Oper,
welche Dramma per musica oder Festn teatrale hiess , und der
Operette, welche mit dem Namen Serenata oder Componi-
mento per camera oder einfach Camponimento per musica — etwa
noch mit dem Beisatze pasfarale — sich begnügen musste. Die
grosse Oper mit ihrem pomphaften Auftreten war ausschlies-
send nur auf die grössten Feste der Namens- und Geburtstage des
Kaisers oder der regierenden Kaiserin , ihrer Vermählung und
Krönung, bei der Geburt eines Thronerben oder auf ähnliche
Ereignisse beschränkt, und wurde nach der ersten Auflftthrung
drei- bis viermal wiederholt. Ausser der Entfaltung besonderer
Pracht in Decorationen, Costtimen und Tänzen war auch die
ganze Anlage eine grössere, die Handlung war in zwei oder drei
Acte abgetheilt, die Anzahl der Musiknummem eine grössere und
ihre Entwicklung bedeutender, die Chöre beim Beginne und zum
Schlüsse jedes Actes unerlässlich und auch während des Actes
nicht selten eintretend, das Locale die glänzend eingerichtete
Schaubühne zunächst der Burg, oder der beleuchtete Teich der
Favorita. Solcher grossen Opern wurden von Fux sechs com-
poniert (Beil. X. 310. 312. 314. 315. 317. 318). — Die beschei-
denere Operette war durch ihre Synonyme Serenata nur zu
kleineren Abendunterhaltungen, oder als Componimento da Ca-
mera in den Appartements der Burg oder Favorita dargestellt
worden. Sie bestand inmier nur aus einem Acte, die Zahl und
Bedeutung der Musikstücke war geringer, der Chor wurde ge-
wöhnlich durch Madrigale der darstellenden Hauptpersonen er-
setzt, Pracht und Glanz der Auflftthrung fielen weg, kurz es waren,
wie man es später nannte, musicaliscl) - dramatische Unterhal-
tungen in untergeordneter aber deshalb keineswegs unbedeuten-
•
der Darstellung, wozu Fux zwölf Compositionen lieferte.
Ueber die Behandlung der musicalischen Nummern ist ge-
legentlich der Oratorien bereits mehreres erwähnt, wesshalb hier
nur einiges abweichende davon angedeutet werden soll.
Die Ouvertüren. Fux hatte bereits durch seine zahl-
reichen Instrumental-Compositionen, den Concentus' musico-in-
strumentalis, die ganz ausgezeichneten Partite a tre u. m. a. einen
solchen Namen sich erworben, dass er von Antonio Lotti zu
1
Fux, Opern. 195
Bemer Oper Costantino (1716) und von Giov. Bononcini zur
Operette Pro/co sul Beno (llOS) , von zwei so berühmten Com-
ponisten angegangen wurde , die Ouvertüren zu schreiben. Dass
Fux an die Ouvertüren seiner eigenen Opern mit geringerem
£ifer gegangen sei, ist kaum anzunehmen, besonders da er in
dem auserlesenen Orchester der Hofkapelle eine specielle Auf-
forderung finden konnte, solchen Kräften würdige Aufgaben zu
stellen.
Ungeachtet die noch vorhandenen Partitaren in der Regel
nur vierstimmig gesetzt sind, so ist doch ausser Zweifel, dass die
Zahl der zusanmienwirkenden Instrumente keine geringe war,
welche im einzelnen aus der vierstimmigen Partitur herauszu-
ziehen das Geschäft des geschickten Notisten war, dem nur hie
und da Andeutungen in der Partitur gegeben wurden. Gewöhn-
lich besteht bei Fux die Ouvertüre aus einem Satze von lebhafter
Bewegung, der aber nicht selten von einem Andante unterbro-
chen wurde und mit einem Minuett schloss. Die Behandlung ist
jedesmal polyphon, einfach imitierend, in einigen auch zur cano-
nischen Verarbeitung sich steigernd. Die Auffassung ist immer
dem Character der Oper angepasst, bald kriegerisch, bald fest-
lich-glänzend, aber niemals der künstlerischen Architectonik ent-
behrend, und eben so wenig an Motive der übrigen Oper erin-
nernd. Häufig geht sie in den ersten Chor oder das erste Becita-
tiv über, wie ein einleitendes Ritoniell dazu. Bei Opern ersten
Ranges, wie Costanza e fortezza, Angelica, Elisa ist das Orchester
in zwei Chöre getheilt, besonders wenn auch ein Doppelchor der
Sänger darauf einzutreten hat.
Die Chöre. Ungeachtet vielstimmige Gesänge dem ge-
wandten Contrapunktisten willkommene Gelegenheit zu polypho-
nen Compositionen biethen, so widerstand Fux doch in der Regel
dieser Verlockung, da die Oper sie principiell fernhielt, nur in
den Madrigalen und einigen madrigalartigeu Chören erscheinen
leichtere Imitationen. Die Chöre sind durchweg ausdrucksvoll
und im Character der Oper, besonders wenn sie, wie in Costanza
e fortezza, in Alcinda u. a. als gegenüberstehende Doppelchöre
Ruf und Antwort schwunghaft auszusprechen haben. In den
grösseren Opern umrahmen sie oft mehrere aufeinanderfolgende
Arien und gewähren damit diesen selbst eine kräftige Unterlage.
13*
>1
196 Fux, Opern.
•
Wenn am Schluss des ActeB oder des Ganzen Ballettänze aufge-
führt werden ; so sind die Tanzweisen gleichfalls vom Gesänge
des Chors begleitet.
Die Seccorecitative folgen gewissenhaft dem Sinne and
den Einschnitten der oft langgedehnten Perioden in üblicher
Weise ; allein da die Texte keine bedeutenden Steigerungen der
Affecte in der Regel enthalten , konnte auch die Musik sie nicht
in die Recitative hineinlegen.
Die Arien schUessen sich überall an die Stimmung des
vorhergehenden Recitativs an, als dessen erhöhter Ijrrischer Aus-
druck. In dem melodischen Antheil der Arie , welcher nirgends
Anklänge an das Kirchliche hat, fehlt es nicht an Ausdruck und
Empfindung , wo der Text ein menschliches Gefühl darstellt , nur
durfte auch der Componist die dem Dichter des Textes vorge-
zeichnete Schranke nicht überschreiten. Dass Fux dem treiben-
den Strome der Zeit sich nicht schroff entgegenstellen wollte^
zeigte er besonders in letzter Zeit durch manche melodiöse Auf-
fassung im Geschmacke der allbeherschenden Italiener \ jedoch
ohne sich im Satze ihre von ihm selbst oft scharf gerügte Zügel-
losigkeit zu gestatten, vielmehr ist anzunehmen, dass seine
Strenge auf mehrere der Besseren von ihnen wohlthätig zurück-
gewirkt habiß. Die Arienpartituren verrathen keine bedeutenden
Zumuthungen an die Virtuosität der Sänger, im Gegentheile ent-
hielt sich Fux absichtlich derselben, da er wohl wusste, dass
diese virtuosen Ausschmückungen von den Sängern selbst bis
zum Ueberdrusse des Componisten vorgenommen wurden. — Die
Gliederung der Arie in zwei Theile mit der Reprise des ersten
Theiles nach dem zweiten war dieselbe, wie sie noch bis Ende
des XVIII. Jahrhunderts in der italienischen Oper üblich war. —
Eine Eigenthttmlichkeit in der Behandlung der Arie bestand
darin, dass nach dem Beginne des Ktomells der Sänger mit den
Anfangstacten seiner Arie einsetzt, die Instrumente ihn durch das
fortgesetzte Ritomell ablösen , worauf der Sänger die Arie noch-
mals beginnt und damit weiter fortfährt. — Die Begleitung bei
ij. A. Scheibe, der krit. Musicus, p. 548, sagt über die Italiano-
manie jener Zeit: „Man lobt niemals ein Stück, welches nicht von einem
Italiener verfertigrt, oder wenigstens, wie sie sagen, auf italienische Art ein-
gerichtet ist."
Fux, Opern. 197
Arien zweiten Ranges war ein einfacher BasBO continno, welcher
auch bei grossen Arien mitgieng, wenn die concertierenden In-
strumente schwiegen. Diese hatten die Ritomelle zu Anfang and
am Schlosse der Arien , so ¥de die concertierenden Zwischen-
spiele zu besorgen, oder auch als Bipienstimmen den Gesang zu
tragen. In grossen Opemarien sind selbst virtuose Begleitungen
durch einzelne Instrumente nicht selten , wozu vorzüglich die
Violine, Viola da gamba, der Fagott, die Teorbe und Posaunen
durch ihre ersten Meister in der Hofkapelle berufen wurden. Als
unserer Zeit ganz entfremdete Instrumente der Begleitung erschei-
nen hie und da die Schalmei, der Zinken, die deutsche Flöte und
selbst die Tromba.
Die Gesangsduette sind in den Opern seltener, eines
höchstens zwei machen sich geltend , wahrscheinlich aus Rttck-
sichf fllr die Sänger, welche den Beifall ihrer Virtuosität nicht
gerne mit einem zweiten theilen woUten. Für unsem Meister
waren sie aber ersichtlich ein Gegenstand der Vorliebe. Im zwei-
stimmigen Satze konnte sich ja die Kunst der durchsichtigsten
Polyphonie in schönen imitatorischen Verschlingnngen der Stim-
men zeigen, was die gewöhnlichen Künstler der Rosalien und der
homophonen Gänge in Terzen und Sexten als eine herbe Frucht
weislich bei Seite liessen.
Ueberblickt man unsers Meisters Gesammtleistung im musi-
calischen Drama, so zeigt jede seiner Partituren, dass er als um-
sichtiger, denkepder Künstler den Character seiner Aufgabe mit
klarem Bewusstsein, mit Ernst und Wärme anfgefasst habe, und
mit den reichen Hilfsmitteln seiner Kunst darzustellen bemüht
war. Wenn auch das Ernste, Festliche — seiner Anlage und der
Richtung seiner Studien näher lag, so findet man doch zugleich,
dass die Darstellung des Heiter -Anmuthigen, ja selbst des
Humoristischen nicht ausserhalb des Kreises seiner Auffassung
blieb. Die mit ihm verwachsene Strenge seines Stils verläugnete
sich selbst in den Concessionen nicht, welche er der Zeit machen
zu müssen glaubte und bewirkte zugleich, dass man seinen
Stinunftlhrungen überall mit Behagen und Leichtigkeit folgen
kann, ohne besorgen zu müssen, auf mistönende Regelwidrig-
keiten zu stossen. — War das Dramatische auch nicht derjenige
Zweig d6r Musik, in welchem Fux über seiner Zeit stand und
198 Fux, Opern.
wirkte , so ist doch gewiss , dass seine Leistungen in Erfindung
und Auffassung bedeutender Motive jenen der ersten Kunstgenos-
sen ebenbürtig zur Seite stand, in der kunstreichen Durchführung
die meisten überragte. Es ist ebenso vielfältig nachgewiesen, dass
man auch von Seite des Hofes seine Opemmusik vollkommen
würdigte, da seine Compositionen bei der Krönung in Prag, bei
mehreren grossen Festlichkeiten in Wien nicht nur mit entschie-
denem Beifalle gegeben, sondern auch nach Jahren durch öftere
Wiederholungen ausgezeichnet wurden und selbst der kunstver-
ständige Kaiser Karl VI. es nicht verschmähte seine Oper Elisa
in Person zu dirigieren.
In der nun folgenden kurzen Betrachtung seiner dramatischen
Werke werden die Operetten (n. 1 — 12) jener der grossen Opern
(n. 13 — 18) vorangehen.
1. La Clemenza d*Augu8to. Poemetto drammatico (1702),
Text von P-ietr' Antonio Bernardoni*. — Die Partitur
dieser Oper fehlt der k. k. Hofbibliothek und war auch sonst
nirgends aufzufinden. Lione AUacci (Drammaturgia accresciuta.
4. Venezia 1755, pag. 197) bemerkt hierüber: y^Clemenza di Au-
gusto, Poemetto drammatico nel giomo del gloriosissimo nome
della S. Ges. R. M. di Leopolde Imperadore de'Romani sempre
Augusto per comando della S. C. R. M. dell' Imperadrice Eleonora
Maddalena Teresa Tanno 1702 in Vienna per gli Eredi Cosme-
roviani 1702 in 4. Poesia di Pietr' Antonio Bernardoni
Bolognese. — Musica di Giov. Giuseppe Fux". — Das Per-
sonenverzeichniss dieses Poemetto nach P. Ant. Bernardoni poemi
drammatici 8. Bologna 1706. pag. 207 ff. lautet: „C. Ottavio Au-
gusto, — Clauditty figlia di Marc' Antonio, nemica di Ottavio —
EmiUüj figlia di Marco Lepido Triumviro — Agrippa, Coman-
dante Generale deir armi d' Ottavio — Marco Cinna , nipote del
gran Pompeo — Vaisrio, un de' Capitani delle guardie d' Augusto —
Lepido, figlio di Marco Lepido triumviro. — // Tevere — Com-
porse di guardie cou Angusto — Paggi con Claudia e con Emilia.
— Deitä tutelari de fiumi e de fonti vicini a Roma col Tevere." —
Eine Verschwörung gegen Ottavio, an deren Spitze Claudia, die
verschmähte Geliebte Ottavio's steht , wird rechtzeitig vor dem
1 Beil. VIII. 399 und X. 301.
Fux, Opern. 199
Aasbrache entdeckt and Ottavio vergibt den Verschwomen. —
Licenza aaf K. Leopold I. Milde übergehend.
2. Offendere per amare ovrero La TelesiUa, Dramma per
masica (1702). Text von Donato Capeda^ — Die Partitor
dieser Oper war wie jene von Oper 1 ananffindbar. Allacci,
Drammatargia p. 570 führt an: ^Offendere per amare, owero la
TelesUla, Dranuna per masica rappresentato nel felicissimo giomo
natalizio della S. R. M. di Amalia Willelmina, Regina de' Romani
per comando della S. R. M . di Oiaseppe I. R6 de Romani V anno
1 702 — in Vienna per Snsanna Cristina Vedova di Matteo Cos-
merovio 1702 in 8. Foesia di Donato Cnpeda, Napolitano.
Masica di Giov. 6ias. Fax". Das Textbach fehlt gleichfalls. —
Der Bnchdracker van Ghelen kündet 1725 verschiedene Opern
in Partitar saaber geschrieben and in rothem Saffian gebanden
zom y erkaafe an , daranter : ^L' offendere per amare. Poesia di
Don. Capeda^ la masica del Sgre. Fax. 3 Atti". (Wiener Diar.
vom 3. Nov. 1725.)
3. Pulcheria, Poemetto drammatico (1708). Text von Pietr'
Antonio Bernardoni*. — Personaggi: Palcheria — Mar-
ciano — Irene — Leone — Antemio. — Die weise Kaiserin Pal-
eheria soll einen Gemal wählen nach einem Senatsbeschlasse.
Antemio and Leone werden als Bewerber bezeichnet: von ihnen
liebt Leone die Irene, die Freandin. der Kaiserin and Schwester
des Marciano. Die Kaiserin überlässt die Wahl dem Aassprache
des Marciano ; welcher selbst die Kaiserin liebt and erklärt, zwi-
schen beiden Bewerbern könne er keinen als den Würdigeren
bezeichtien, die Kaiserin müsse selbst entscheiden. Diese wählt
— Marciano , ihren erprobten Feldherm and Freand ; Leone er-
hält die Hand der früher eifersüchtig erregten Irene. — Die karze
aber klag abgewogene Dichtang gibt itn kleinen Rahmen G^-
legenheit za verschiedenen and lebhaften Affecten , welche vom
•
Componisten mit Erfolg benützt sind. Am meisten hervortritt als
masicalische Characterzeichnang die Arie des Antemio Da me
«^e««o, welche das stolze Selbstgefühl, seinem eigenen Werthe,
nicht einer fremden Empfehlnng die Hand der Kaiserin verdanken
za wollen , dann dessen Arie Me infelice^ welche die gekränkte
1 Beil. Vm. 397 und X. 302. 2 ßeil. VIU. 450 und X. 303.
200 Fux, Opern.
Ambition mit Entschiedenheit wiedergibt. Anch das Eifersuchts-
Duett Taci infido zwischen Irene und Leone hat eine sehr gate
Haltung und Bewegung. Die Arie des Leone Sd che d^Aquüa ist
in der Melodie und Begleitung musicalisch malend und wie auch
die tlbrigen Solonummem auf virtuosen Vortrag berechnet. Der
Chor fehlt in diesem Poemetto gänzlich, nur die Solosänger haben
am Schlüsse a cinque die Licenza an die Kaiserin Amalie zu sin-
gen. Es unterliegt keinem Zweifel ^ dass dieses dem Umfange
nach kleinere Werk ohne Prunk der Scenerie und Costllme, blos
durch den Gehalt der Charactere des Textes und ihres musicali-
sehen Ausdruckes gefallen haben muss.
4. Julo Ascanio, Rh (fAlba. Poemetto drammatico (1708).
Text von P. A. Bernardoni*. — Personaggi: Ascanio primo
Rfe d' Alba — Evandro principe Arcade — Carmenta, madre di
Evandro — Emilia sorella di Evandro — Teuero Confidente di
Ascanio. — Ascanius hat nach Besiegung des Teucer das Reich
von Alba gegründet, wurde aber durch die Beize der besiegten
Königsschwester Emilia besiegt, diese sträubt sich anfangs zum
Scheine, gibt aber leicht dem Wunsche ihrer Mutter Carmenta und
ihres Bruders Teucer nach und willigt in die Verbindung mit Asca-
nius.— Dieses Poemetto hat gar keine ernstliche Verwicklung, denn
alle Partheien sind in der That gleich anfangs ttber das einver-.
standen, was später geschieht. Die Musiknummem sind eine
Reihe von Bravourstücken mit brillanten Begleitungen, in welchen
abwechselnd Fagottduo, Sehahneien, dieTrombe, das Cembalo,
2 Viele di gambe mit virtuoser Betheiligung eintreten. Ein einzi-
ges a dne unterbricht die Reihe der Arien und am Schldsse ver-
einigen sich die fünf Singparte zur Licenza an den Kaiser Josef I.
Das Ganze ist daher ein fortgesetztes Concert der ersten Sänger
und Sängerinen ohne eigentliches dramatisches Interesse.
6. Gli Ossequi della Notte. Componimento per niusica (1709).
Text von Donato Cupeda*. — Personaggi: La Notte —
Urania — Pasitea — Architettura — 11 Sonno, amante di Pasitea
— n Silenzio. — Die Nacht will dem Namensfeste der Kaiserin
ihre Huldigung bringen, sie fordert dazu die Baukun^, die Muse
Urania, die Grazie Pasitea auf, welche dazu bereit sind, nur das
1 Beil. Vm. 448 und X. 304. « Beil. VUI. 462 und X. 305.
Fax, Opern. 201
Schweigen und der Schlaf machen gegen die Störung der Ruhe
schwache Opposition, als sie aber hören, um was es sich handelt,
so stimmen sie ein in den Chorus der Hymnen, und es dürfte
kaum eine Tugend geben , die der Kaiserin in den Lobgesängen
nicht im höchsten Grade beigelegt wird. Text und Musik sind
gleich leicht und heiter gehalten , selbst bis zu einem gewissen
Humor versteigen sich die Unsterblichen, wenn auf den lebhaften
Mahnruf zur Mitwirkung der Schlaf und das Schweigen mürrisch
ihr y^Deh postUe ! Deh tacete !^ in den kleinsten Intervallen ent-
gegenbrummen und das Schweigen die Geliebte schlafen heisst,
während der Schlaf in schläfrigen Bythmen seine Betrachtungen
macht. Desto lebhafter sind die anderen Göttinen und haben an
ihren Arie di bravura Gelegenheit ihre Kunstfertigkeit zur Gel-
tung zu bringen. Auch die Ouvertüre ist voll Bewegung und
breiter ausgeführt, in den Begleitungen der Arien kommen neben
andern Soloinstrumenten vier Yiole di gamba vor, die im Ein-
klänge zu spielen haben. Die Hauptstimmen im Vereine sind der
einzige Chor, der während des Verlaufes der Handlung häufig
nach den Arien antwortend eintritt und am Schlüsse zur Licenza
in einem Madrigale sich vereinigt.
6. U Mete di Marzo cantecraio a Marie. Componimento per
musica (1709). Text von .Silv. 'Stampiglia K — Personaggi:
Cleria — Sabina — Emilio -r Menzio. — An eine idyllische Fabel
von zwei Liebespaaren, deren Männer Soldaten sein wollen, knüpft
sich lose genug an, dass in Bom der Monat März dem Mars durch
einen Priester geweiht wird, der dann prophezeit, es werde ein
kriegsbertthmter Deutscher als römischer König seinen Namens-
tag im März haben, worauf alle Singenden in einen Päan des
Römischen Kaisers Josef ausbrechen, dessen Namensfest in den
März fällt. Diese gesuchte Combination von Umständen gab doch
Veranlassung zu mehreren Bravourarien besonders der Sänge-
rinen nebst einem Männerduett mit Trillerketten , und es ist nir-
gends bemerkt, dass das Auditorium mit diesem kleinen Musik-
feste nicht befriedigt worden wäre.
^ 1. La Dfcima fatica iTErcole, ovvero La Sconßta di Ge-
rumemSpagna. Componimento pastorale-eroico (1710). Text von
1 Beil Vm. 459 und X. 306.
202 Fux, Opern.
G. B. A n c i 0 n i *. — Personaggi : Elpino — Clpri — Amalteo —
Mirene — Ercole. — Die Hirten kttnden an , dass Hercnles kom-
men werde, nachdem er ihren Tyrannen Geryon überwunden hat,
daneben werden zwei leichte Hirten-Liebesangelegenheiten mit
obligaten Schmerzen beigelegt. HerculeB erscheint als Sieger,
weist aber vielmehr prophetisch auf einen Fttrstensprossen am
Ister, der viel später kunimen werde, am heutigen Tage sein Ge-
burtsfest haben und alle iberischen Völker durch seine Tapferkeit
in Erstaunen setzen werde. — Dieser Fürst vom Ister, der durch
das Gomponimento gefeiert wird, ist König Karl HL von Spanien,
welcher wenige Monate früher (27* Juli 1710) einen Sieg bei
Almenar in Spanien über die Franzosen erfochten hatte. Dadurch
wird die Sehergabe des Hercules be^eiflich. — Wie der Titel
der Composition aussagt, ist die Musik zum Theile heroisch, zum
Theil pastoral. Die contrapunktisch durchgeführte Introduction
und die wiederholten Chöre haben martialische Anklänge , wäh-
rend die Liebesepisoden von Hirtenglück triefen. Von den Hir-
tenliedem ist eine anmuthige Siciliana Amor i un bei desnr sehr
einfach und ansprechend, die Chöre sind theils in Madrigalform
und aus den 5 Sängern beigestellt ; auch die Licenza wird durch
den Schlusschor gesungen. An Abwechslung und einzelnen Bra-
vourstücken fehlt es hier durchaus nicht. Schalmei und deutsche
Flöte durften in dem Schäferstücke erwartet werden, die Teorbe
hat manche concertante Begleitung auszuführen.
8. Dafne in Lauro. Componimento per camera (1714). Text
von P. Pariati*. — Interlocutori: Diana — Dafne — Apollo —
Amore — Mercurio — Coro di Ninfe e Pastori. — Das Sujet ist
so einfach als die Mythe. Apollo will dem Amor trotzen , dieser
schiesst ihn aber mit einem glühenden, seine Schöne, Dafne, mit
einem kalten Pfeil. Sie widersteht Apoll's Bewerbungen und
wird zuletzt in einen Lorber verwandelt. Apoll weiss dann nichts
geeigneteres zu thun , als einen Zweig davon der Stime Kaiser
Karl VI. entgegenzubringen. Den Character des heiteren Spiels
verlässt die Musik auch während des Liebesjammers Apolls nicht,
und der Amor buffo macht sich , muthwillige Töne anschlagend,
vielmehr lustig darüber. Besonders hervortretend sind zwei
1 Beil. Vm. 477 und X. 307. 2 Beil. VIU. 504 und X. 308.
Fux, Opern. 203
Duette, das eine Nun v' i pace von Diana und Dafne, worin sie sich
über den Gram der Liebenden erlnstigen, das andere Nel penHer
di non amarti in welchem Apoll nm Liebe fleht, Dafiie ihn
zurückweist. In beiden bewährt sich die contrapnnktische Kunst
in mannigfaltigen Imitationen auf das glänzendste. Im Ganzen
fUUt es auf, wie Fux gewisse musicalische Wendungen der Ita-
liener immer mehr zu den seinigen macht, aber sich selbst darum
keineswegs aufgibt.
9. Orfeo edEuridice. Componimento da camera (1715). Text
von P. Pariati *. — Persone, che cantano: Orfeo — Euridice
— Plutone -:- Proserpina — Amore — Aristeo — Coro di spiriti
degli Elisi — Coro di ombre infemali — Coro di amorini. —
Orfeo kommt in die Unterwelt , seine geliebte treue Euridice sich
für die Oberwelt zurückzuerbitten. Aristeo, der ans Liebe für
Euridice sich den Tod gegeben hatte, macht vergebliche Einstreu-
ungen , Amor und Proserpina legen Fürbitte ein , und Pluto , der
wankende, gibt mit Rücksicht auf den hohen Geburtstag (des
Kaisers) den man auf Erden feiert, nach und lässt die Liebenden
ohne Bedingung ziehen. Die Zahl der Gesangsnummem ist ausser
den langen Recitativen nicht unbeträchtlich , die einzelnen aber
mit Rücksicht auf den ausgedehnten Text kurz und nicht über das
gewöhnliche sich erhebend.
10. Diana placata, Componimento da camera (1717). —
Text von.P. Pariati'. — Persone, che cantano: Agamemnone
— Iflgenia ed Erifile, figlie di Agamemnone — Achille — Ajace
— Calcante — Coro di Ministri e Sacerdotesse di Diana — Coro
di Vergini di Micene e di guerrieri. — Die oftbearbeitete Mythe
der Versöhnung Dianens durch Iphigenia liegt hier in wenig ent-
wickelter Handlung zu Grunde. Iphigenia und ihre Schwester
Eriphile konmien auf Geheiss des Vaters Agamemnon nach Aulis
in der Absicht, von Achilles und Ajax gefreit zu werden. Diana
verlangt aber durch den Seher Kalchas wegen Tödtung einer
Hirschkuh durch Agamemnon den Tod der Iphigenia. Agamem-
non sieht sich genöthigt, dem Götterspruche sich zu ergeben,
aber in dem Augenblicke, als Iphigenia geopfert werden soll,
schickt Diana eine Hirschkuh, die an Iphigenia's Stelle getödtet
1 Beil. Vni. 513 und X. 309. 2 Beil. .VUI. 534 und X. 311.
204 Fux, Opern.
werden soll, und die letzte erhält die Bestimmong, als Priesterin
der Diana nach Tanris zu gehen. — Ungeachtet der ganze bedea-
tnngSYolle Vorgang nur mehr in Umrisaen behandelt wird, so sind
doch mehrere der wichtigsten Nummern ausgeführter, und die
dramatische. Auffassung characteristisch, so Agamemnon's Arie
n colpevole son io^ nachdem er den Ausspruch der Göttin erfahren
hat, ebenso ist in Iphigenia's Arien Ernst, und Festigkeit ausge-
sprochen, jede Ausschmückung entfernt gehalten, auch Achilles
tritt entschieden auf, zuletzt musste freilich auch der Virtuose des
Gesanges (Gaetano Orsini) mit einer Trillerkette bedacht werden.
11. Psiche. Componimento da Camera (1720-rl 722). Text
von Apostolo Zeno*. — Interlocutori : Venere — Amore —
Psiche — Mercurio — Doleria, Orgia, sorelle di Psiche — ,
Giove. — Apostolo Zeno folgt in der Behandlung des Textes
ziemlich genau der Mythe. Venus ist erzürnt, dass ihre Altäre
verlassen werden und Psyche , die schöne Sterbliche , göttliche
Verehrung erhält. Sie sendet Amor aus zur Rache , dass Psyche
in den hässlichsten Sterblichen sich verliebe. Allein Amor ver-
bindet sich selbst mit Psy«he , besucht sie nur Nachts und ver-
biethet ihr, ihren ungesehenen Geliebten sehen zu wollen. Die
Schwestern Psyche's machen sie durch die Einflüsterung, der
Geliebte sei ein Ungeheuer, bestürzt und neugierig, ihn beim
Scheine der Fackel zu besehen , Amor erwacht , macht ihr die
bittersten Vorwürfe, liebt sie aber dennoch, Veniis, ^ie ihr mit
dem strengsten droht, wird durch seine Bitten erweicht, Jupiter
erscheint, macht Psyche zur Unsterblichen und verbindet die
Liebenden. — Wahrscheinlich war eine Krankheit des Fux die
Veranlassung, dass er im Jahre 1720, nachdem er 14 Nunmiem
der Operette componiert hatte, den Best zu componieren an Cal-
dara überlassen musste. Im Jahre 1722 liess es ihn aber nicht
ruhen, bei einem ähnlichen Anlasse, seine angefangene Composi-
tion gänzlich zu vollenden und in dieser Gestalt seinem Kaiser vor-
zuführen. Durch die doppelte Composition desselben Textes ist die
Gelegenheit gebothen, die verschiedenartige Auffassung und Be-
handlung der beiden Meister zu vergleichen. Der grösseren Be-
weglichkeit des Italieners in der melodiösen Richtung setzte der
» Beil. Vm. 563. 582 und X. 313.
Fux, Opem. 205
ernste strengere Deutsche, obschon den welschen Formen nicht
nngeneigty eine characteri6tisch*festere; durch Kunst verschönte
Auffassung entgegen , wie dies in Jnpiter's Arie n. 19 geschah,
wo Fux glücklich die Form des Madrigals wählte. Auch die Con-
trastierung der Musik in „Fierguardo^ mitAem ^ün dir lu»inghiero^
ist Fux wohl gelungen. — Dem Texte fehlt es an vielen Stellen
an Abwechslung des Gedankens und Ausdrucks, wenn Venus
ohne Ende der Psyche vorwirft, dass sie schön sei und die Men-
schen ihr Altäre bau'n ; auch darf man es wohl unfein nennen,
wenn Psyche beim Anblick ihres Geliebten ruft: „fi un mostro di
beltade" , abgesehen von den selbstverstandenen Bemerkungen,
dass Psyche sich nicht selbst so schön gemacht und die Menschen
nicht aufgefordert habe, ihr Altäre zu bauen u. dgl.
12. Giunone placata. Festa teatrale (1725). Text von?* —
Personaggi: Giove — ^ Giunone = La Faustina. — Venere —
Mercnrio. — Coro di Dei con Giove — Coro di aurette con Giu-
none. — Ueber Jupiter's Untreue erzürnt hat sich Juno vom
Himmel entfernt und in Stymphalos, ihrem Lieblingsorte ange-
siedelt, wo ihr als Juno- Witwe ein Tempel erbaut wurde. Jupiter
entbrannte für die abwesen^^e Gemahlin mehr als früher für die
anwesende, und hat Verlangen, dass Juno in den Olymp zurück-
kehre. Das gelingt durch die List der Venus und des Mercur,
welche der Juno das Gerücht zukommen lassen, dass Jupiter
eine andere rechtmässige Gemahlin nehmen wolle. Darüber kehrt
die stolze und eifersüchtige Götterkönigin nach dem Olymp zu-
rück und versöhnt sich mit Jupiter. — Das Ganze ist ein lose
gewebtes Intriguenspiel im Götterkreise und den heiteren Ton
hat die Musik in auffällig italienischen Formen bis ans Ende
festgehalten. Die lockeren Gesänge der Venus , die gute Laune
des Vaters der Götter, der die sonderbarsten Geständnisse macht,
die falsche Demuth der stolzen Götterkönigin, dann auch die
beliebten Sprünge des Götterbuffo Mercur biethen der Abwechs-
lung und des Anmuthigleiehten genug, während die Chöre mit
herzlichem Jubel die gefeierte Kaiserin begrüssen. Zu wundem
ist nur, dass für Fanstina, welche den Part der Juno sang, nicht
mit mehr Bravour in den Noten vorbedacht ist, allein däfUr wird
1 Bell Vni. 618 und X. 316.
206 Fux. Opern.
wohl die Künstlerin selbst in den Beprisen reichlich besorgt ge
wesen sein.
13. AngelicavineüricediAlcina. Festateatralein3atti(1716).
Text von Pietro Pariati*. — Cantano: Angelica, Regina di Ca-
tfgo — Alcina , Maga — Medoro — Bradamante — Buggiero —
Atlante/ Mago — La felicitä publica. — Eine Zauberoper, in
welcher (nach Arriost) eine tngendreiche Königin, Angelica, ttber
die Zanberkünste ihrer eifersüchtigen Rivalin , der Zauberin Al-
cinda , znletzt siegt und mit ihrem treugeliebten Medoro verbun-
den wird, nachdem beide vorher allerlei Fährlichkeiten zu ttber-
stehen hatten, während ein zweites Liebesverhältniss zwischen
Bradamante und Ruggiero nebenher läuft und ebenfalls glücklich
sich löst. — Die Veranlassung zu diesem Feste war die glück-
liche Entbindjang der regierenden Kaiserin Elisabeth von einem
lange ersehnten Thronerben, dem Erzherzog Leopold, worüber
Oesterreich und Wien insbesondere von einem Freudenjubel er-
füllt wurde, der natürlich auch in einer dramatisch-musicalischen
Prachtdarstellung einen entsprechenden Ausdruck finden sollte.
Man griff zu einer Zauberoper , worin Gelegenheit zu festlichen
Aufzügen, Verwandlungen, Gefechten und Tänzen hinlänglich
gebothen war, und da die Vorstellung auf dem grossen Teiche in
der Favorita statt hatte, so konnten zur Verherrlichung dieses
Abends alle vier damals bekannten Elemente aufgebothen wer-
den, wie das auch aus dem mit grossen Illustrationen erschie-
nenen Programme sattsam hervorgeht. Ungeachtet fllr die Per-
sonen der feenhaften Handlung nicht leicht eine menschliche
Theilnahme zu erreichen war, .so bothen doch die abwechselnden
Momente des Schauerlichen, des Kampfes und endlichen Sieges
der guten Sache^ Gelegenheit zu spannender und in einzelnen
Nunmiem sehr wirksamer Musik. Ausser den zahlreichen Ge-
sangsbravourstücken treten, wie gewöhnlich die Duetten (n. 18
und 32) durch kunstreiche Verschlingung der Stimmen, beson-
ders das letzte hervor , in welchem contrastierende Affecte musi-
calisch neb^n einander zu gehen hatten. Das Ziel einer glänzen-
den Musik zu einer glänzenden Schaustellung zu schaffen, ist
jedenfalls erreicht worden.
1 Beil. Vm. 520 und X. 310.
Fux, Opern. 207
14. Elisa. Festa teatrale per Musica (1719). Text von
Pietro Pariati*. — Lepersone, che eantano: Elisa, Kegina de
Fenici — Venere ßotto nome di Arpalice — Iride sotto nome di
Oronta — Enea — Imeneo — Arcate, compagno di Enea —
Amore, crednto ABcanio, figliuolo di Enea — Jarba, r^ di 6e-
tali. — Das St\jet dieser festa teatrale ist die bekannte Episode
der Aeneis, wo durch Dazwischentreten der Venus, des Amor
und HymenäuB auf der Jagd während eines Gewitters die Ver-
bindung des Aeneas und der Elisa (Dido) vermittelt wird, womit
hier alle Götter einverstanden sind. — Es liegt nahe , dass der
Name der Kaiserin Elisabeth ^ welche zu feiern war, auf die
Dichtung des Poeten bestimmend eingewirkt habe. Tieferes Ein-
gehen war bei einer Aufgabe, wie sie hier vorliegt, nicht leicht
denkbar. Man wollte am Geburtstage der Kaiserin der Gefeierten
eine musicalisch-scenische Huldigung bringen durch eine mähr-
chenhafte Handlung, in welcher nichts als der Name der Fürstin
(Elisli), die mit einem andern Prinzen verbunden wird, mit der
Gefeierten gemeinsam ist. Denn weder die sittlichen, noch weni-
ger die religiösen Principien der Stifterih dieser Verbindung
(Venere) dürften den Ansichten des frommen Hofes entsprochen
haben. Dass aber ein solcher Text componiert und ohne anstössig
gefunden zu werden, bei Hofe aufgeführt werden konnte, ist ein
Beweis, dass man in der Handlung nichts als eine Fabel, in den
antiken Göttergestalten und ihren Kundgebungen nichts als con-
ventioneile Schemen und Redewendungen annahm, genug wenn
sie Anlass gaben zu brillanten Schaustellungen mit Gepränge
und Musik. Daran fehlte es auch in unserem Falle nicht.
Trojaner, Phönicier, Jäger und Jägerinen, Amoretten, Grazien
und an deren Spitze Venus und Amor selbst, nebstbei Jagdlust,
Gewitter, Verwirrungen und Entwirrungen Hessen den Zuschauer
schwer an das Einzelne des Textes einen strengeren Massstab
anlegen. — Die Musik ist festlich und bequemt sich in vielen
Nummern der italienischen Auffassung. Zum Eingang und am
Schlüsse ist ein Doppelchor der Sänger und Instrumentisten
feierlich glänzend, die Arien der Venus, der Elisa und des Hy-
menäus haben zu Ausschmückung der Sänger überall Gelegen-
1 Beil. Vm. 551 und X. 312
208 Fux, Opern.
heit gebothen^ mid sie theilweise angedentet, die Nummern 4,
12; 18 nehmen ganz italienische Fonnen an, jedoch ohne ihre
Leichtfertigkeit; in der Bassarie des Jarba liegt etwas bnffo-
artiges. Die Cavatine des Amor Me credendo ist ein artiges Stro-
phenlied; eben so liegt in seiner Anette In quel che volgi a me
etwas einschmeichelndes nnd verlockendes , das Dnett n. 21 , in
welchem Venus den verliebten Aronte hänselt, hat etwas iro-
nisch-neckendes. Aus dem Ganzen geht hervor, dass der sonst
so ernste Componist sich auf ein ihm femer gelegenes Gebietb
des heiteren Verkehres einliess und darauf nach seiner Weise mit
Anstand freier bewegte.
15. Le Nozze di Aurora. Festa teatrale per musica (1 722). Text
von P. Pariati*. — Cantano. Nel prologo: Iride e due Cori. —
Nella festa: Giove — Giunone — Aurora — ^^Titone -r- Diana —
Imeneo — Amore — Mercurio — Destino. — Alle Götter geben sich
Mlihe, Tithon mit Aurora zu verbinden : Eeus, Juno, Amor, Hyme-
näus, Mercur ; Tithon und Aurora willigen ein, die wohIerzo*gene
Götterprinzessin Aurora dringt auf einen ausdrücklichen Befehl
des Göttervaters Zeiis, auch den erhält sie; nur Diana macht
einige Einstreuungen, damit die Handlung nicht zu rasch ablaufe.
Uebrigens scheint es im Olymp ganz ähnlieh zuzugehen, wie es
auf der Erde bei der Vermählung der Erzherzogin Amalie mit
dem Kronprinzen Karl- Albert von Baiem zugegangen sein mag,
denen die Licenza zum Schlüsse die schönsten Dinge wünscht und
prophezeit. — Der Text leidet mitunter an argen Längen und auch
der Componist wird darunter gelitten haben, welcher sich nur
durch außgiebige Recitative retten konnte um den vielen Arien ftor
die reichbetzte Göttertafel und die zahlreichen Chöre zu genügen,
welche die meisten Arien umrahmen. Die Musik der ganzen
Oper athmet Heiterkeit und Festlichkeit, angemessen der Zeit
und dem Orte, zugleich auch in manchen Arien, besonders in der
Arie Toglieste me eine Leichtigkeit und Grazie der melodiösen
Erfindung, welcher die ultramontanen Vorbilder nicht vergeblich
da gewesen sind. Zu den Zierden gehören auch zwei Duette und
um auch den Mann der Teorbe, Franc. Conti, auf den Kampf-
platz zu ftlhren, ist die Sopranarie Se chiedi al pino mit brillanter
1 Beil. Vni. 584 und X. 314.
Fax, Opern. 209
Teorbenbegleitnng gesetzt. Kurz Meister Fnx hat sich mit allen
Ehren ans seiner Sache gezogen.
16. CoMtama e fariezza. Festa teatrale (1723). Text von
Pietro Pariati*. — Attori: Publio Yalerio Pnblicohi — Por-
senna, S^ di Etmschi — Tito Tarqninio — Valeria^ figlinola di
P. Valerio — Clelia, nobile Bomana — Orazio — Mozio — Er-
minio; figliuolo cU P. Valerie — U fimne Teyere — H Genio di
Roma — Diversi Cori. — Der Wahlspruch Kaiser Karl VI. : C4mr
stantia et fartitudine gab dem Verfasser des Textes Veranlms-
sang zun S^jet dieser Festa teatrale die Verherrlichung der römi-
schen Costanza e Fortezza zu wählen , welche sich in den be-
kannten Scenen der Vertheidigung der Tiberbrttcke durch Hora-
tins Cocles, des Verbrennens der eigenen Hand durch Mutius
Scäyola, nachdem er nicht Porsenna, wie er beabsichtigte, son-
dern dessen Geheimschreiber erdolcht hatte und durch die Flucht
der Clölia mit den mitgefangenen Geiseln durch die Tiber dar-
stellt. Porsenna^ bereits an den Thoren von B/om stehend, um
T. Tarquinius als König dort einzusetzen, gibt sowohl dieses
Vorhaben als auch seine Bewerbungen um Valeria, die edle
Bömerin auf und biethet die Hand zum Frieden. — Nebenbei
gehen mehrere sich kreuzende Bewerbungen um Clölia durch
T. Tarquinius, Horatius und Erminins, dann der Valeria durch
Porsenna und Mutius, welche Gelegenheit zu verschiedenen
musicalischen Situationen geben. Ein Doppelchor singt am
Schlüsse : Fan Cottanza e Fwrtezza i sammi EroL — Es war nicht
blos die äussere Pracht, welche auf die Darstellung dieser Oper
bei der Krönung in Prag verwendet wurde, ausserdem wirksamst
unterstützt durch die besten Kräfte der Hofkapelle und der gela-
denen zahlreichen Instrumentalvirtuosen, wie Quantz u. v. a., wo-
durch der glänzende Erfolg erzielt wurde, es kam hinzu auch die
Bedeutung der Handlung, die kunstreiche kraftvolle, edle Musik,
welche daran ihren unwiderleglichen Antheil hatten. Aus jeder
der 41 Gesangsnommem dieser Oper geht der Ernst und die
Weihe hervor, mit welchen Fux bei seiner Aufgabe war, zu dem
Feste einer Krönung eip Werk, seines kaiserlichen Gönners und
seines eigenen Namens wttrdig zu schreiben. Der gesammten
1 Beil. Vm. 593 und X. 315.
iTöVAW, J. J. Fax. 14
2JL0 Fux, Opern.
Mnsik ist der Gharacter der Würde und der Kraft aufgeprägt,
jede einzelne Arie, auch die Liebesecenen, bleibt diesem Charae-
ter gemäss 9 wenn anch die darstellenden Bravoorsänger bei
einem solchen Feste an Bravonrparthien nicht leer ausgehen
durften, die aber niemals zu nichtssagendem Getändel herab-
sanken. Vor allem bedeutend und voll Leben sind die Chöre:
schon der erste Doppelchor am Eingang der Oper lässt die bei-
den Heereslager der Etrusker und Römer ihr y,Ceda Roma^ und
„Roma nonpavenia^j gleicherweise am Schlüsse des dritten Actes
ihr „Pac^" und ^Guerrä^ wie herausfordernde Schlachtenrufe ein-
ander kräftig entgegentönen, und bei jedem bedeutenden Fort-
schritte der Handlung treten die Chöre als Massentheilnehmer
ein. Mit besonderer Vorliebe ist femer der instrumentale Theil die-
ser Oper behandelt, da vorzüglich in der feierlichen zweichörigen
Ouverttlre auch der Contrapunktist mit seinen wirksamen Mitteln
zur Stelle war. Unter den reichen Begleitungen geht im Chor der
Flusse (n. 4) eme die Wellenbewegung sehr glücklich mahlende
Figur durch das ganze Stück mit, und die Wirkung des gebun-
denen Stiles im Freien hebt schon Quantz hervor, welcher der
ersten Vorstellung beiwohnte. Wenn ihm später aus seiner Jn-
genderinnerung. vorschwebte , dass die Musik mehr kirchenmässi-
ges als theatralisches an sich gehabt habe, so muss ihm diese Er-
innerung sich verdunkelt haben. Die Musik ist wohl durchaus ernst
und festlich, aber doch weit entfernt vom Kirchlichen, das Fux
in ganz anderer Weise auffasste, vielmehr klingen aus dieser
wie aus andern dramatischen Compositionen jener Zeit die Con-
cessionen, welche Fux dem Verlangen der Zeit gemäss gewissen
welschen Opemwendungen in der Melodie machte, heraus, von
denen in seinen Kirchenwerken keine Spur anzutreffen ist, ab-
gesehen davon, dass das lyrische Element* erhöhter subjectiver
Empfindung nur in seinen Opern überhaupt und in dieser insbe-
sondere den geeigneten Platz fand. Da die Chöre so häufig und
bedeutend eintreten, war zu erwarten, dass Fux bei mehreren der-
selben die Madrigalform nicht bei Seite liess, besonders da auch
die Chortexte der epigrammatischen Wendung am Schlüsse nicht
entbehren. Es wird nicht fehlgegriffen sein zu behaupten, dass Fux
selbst, als er gichtkrank in Prag der ersten Aufführung seiner
Fux, Opern. .211
Opei als Zuhörer beiwohnte, mit diesem seinen Werke znfneden
war : YoUe Ursache hatte er mindestens dazn.
17. La C&nma d Arianna. Festa teatrale (1726). Text
von P. Pariati*, — Personaggi: Venere — Teti — Arianna —
Bacco — Peleo — Simardo, principe di Nasso — Asterio, am-
bassiatore. — Das St^et dieses theatralischen Mnsikfestes behan-
delt die Mythe der Yermählong der Ariadne mit Bacchns. —
Ariadne ist von Thesens verlassen nnd mn diesen klagend auf
Kaxos zurttckgeblieben. Bacchus voik seinem Siegeszuge in Indien
zurückgekommen findet sie und wird von ihrer Schönheit ent-
zückt. Die Klagen um Theseus werden immer schwächer, durch
Vermittlung der Venus und das Geschenk einer Krone, die den
Kununer vergessen macht, verstummen sie gänzlich und schliess-
lich willigt Ariadne in die Verbindung mit Bacchus. Um diese gar
zu einfache Handlung etwas zu verwickeln, erscheinen noch zwei
Bewerber um Ariadne: Peleus und Asterios, welche aber ohne
Schwierigkeit beseitigt werden, indem durch Verknpplung der
Venus Peleus mit Thetis verbunden wird, Asterios einfach nach
Creta sich zurückzubegeben hat. Zum Schlüsse kündigt Bacchus
der Geliebten an, dass die Krone der Ariadne zum Lohne
treuer (? !) Liebe unter die Sterne werde versetzt werden. —
Schon aus der grossen Zahl der Gesangstücke (35), noch mehr aus
den vielen Tänzen und Decorationen , welche auf dem bekannten
Teiche der Favoritä ihre Pracht verdoppelt entfalten konnten,
geht hervor, dass dieses Musikfest, ungeachtet es aus einem ein-
zigen Acte bestand, zu den grossen Schaustellungen gezählt
werden muss. Dass übrigens diese Götterhofgeschichte auf ge-
.ringe menschliche Theilnahme berechnet sein konnte, ist im vor-
aus klar, man war befriedigt, eine Reihe abwechselnder Musik-
stücke von den ersten Gesangskünstlem zu vernehmen, in wel-
chen kaum mehr als die Situation der Personen im Momente des
Vortrages in der musicalischen Auffassung berücksichtigt wurde.
Diesem wurde in jeder Hinsicht genügt, sogar für einen mythi-
schen Semibuffo in der Person des Bothschafters Simardo ge-
sorgt, imd daher eine concertartige Festmusik in jedem Sinne,
wenn auch mit geringer dramatischer Wirkung^ gebothen. — Das
1 BeiL Vm. 626 and X. 817.
14*
212 Fux, Opern.
Wiener Diariiun vom 28. August 1726 bemerkt ttber die .Auf-
nahme der ersten Aufführung, dass „diese Opera bei den kaiser-
lichen Majestäten allergnädigstes Wohlgefallen, und bei dem
ganzen Hofstaat und Adel ein allgemeines Lob gefunden hat".
18. Enea negli Elisi ovvero // Tempio delV Etemitä, Festa
teatrale (1731). Text von Metastasio^ — Interlocutori: Dei-
fobe — Enea — L'Eternitä — La Gloria — La Virtü — II
Tempo — L' ombra di Anchise — L' ombra di Lino — L' ombra
d' Orfeo — Cori. Das St^et jsttttzt sich (nach Virgil) auf Aeneas'
Besuch in der Unterwelt. Dort findet er die Zeit, die Ewigkeit,
die Tugend , den Buhm beschäftigt ein Bild zu entwerfen von der
in fernster Zukunft erscheinenden Römischen Kaiserin Elisa und
ihrem Geburtslage. Zum Schlüsse findet Aeneas den Schatten
seines Vaters Anchises, doch auch dieser lenkt seine Aufmerk-
samkeit auf die Kaiserin, welche durch die Römer und den
Römischen Kaiser mit Aeneas, dem Grttnder des Römischen Vol-
kes in Verbindung stehe. — War es schon ein sonderbarer Ein-
fall Metastasio's, dass man in der Unterwelt nichts eifriger zu
thun weiss, als eine nach Jahrtausenden mögliche Fürstin mit
allen Vollkommenheiten auszustatten, so war es eine noch bizar-
rere Zumuthung durch eine Reihe von Schatten der Unterwelt
und durch gestaltlose J^ersonificationen irgend ein dramatisdies
Interesse erwecken zu wollen ; denn der einzig mögliche Moment
dazu, das Begegnen von Vater und Sohn wird vom Dichter ganz
als Nebensache behandelt. Wenn also Fux, nur durch die gewähl-
tere melodiösere Sprache unterstützt wie es scheint, sogar mit einer
gewissen Wärme nur den Wortlaut, nicht die Handlung (denn
diese war null) berücksichtigend eine Anzahl dankbarer Musik-,
stücke von Werth niederschrieb, so dürfte jedenfalls seine be-
geisterte Anhänglichkeit an das kaiserliche Haus einen wesent-
lichen Antheil daran gehabt haben.
Im Jahre 1731 sollte den alten hilfsbedürftigen Mann noch
eine schwere Heimsuchung treffen: am 8. Juni starb seine Gattin
Juliane \ durch 35 Jahre die treUe Freundin und theilnefamende
Pflegerin in seineä langwierigen Leiden. Fux fühlte sich durch
1 Beil. VIII. 679 und X. 318. « Todtenprot. Beil. I. 21 [5].
Fux, Chronik. 213
diesen Todesfall so erschüttert; dass er sich im nächsten Jahre
1732^ daran machte ^ sein Testament aufzusetzen, in welchem
er seine brave Nichte Eva Maria Fux, die seit mehr als
30 Jahren im Hanse ihres Oheims als Adoptivkind gelebt hatte,
zur Erbin einsetzte. Ihr war es auch vorbehalten ihrem Wohl-
thäter die letzte Treue zu erweisen. Neben ihr lebte zugleich ihr
unmündiger verwaister Bruder, Matthäus Fux, als Adoptivsohn
im Hause, fbr den der Oheim, ungeachtet er ihm ein bedeuten-
des Legat vermacht hatte, dennoch weitere Schritte um einen Er-
ziehungsbeitrag bei dem Kaiser unternehmen zu müssen glaubte.
Schon im Jahre 1727 hatte* Fux dem Kaiser ein Gesuch
überreicht, worin er um einen Erziehungsbeitrag ftlr seinen sie-
benjährigen Neffen bittet, den er neben dessen Schwester an
Kindesstatt angenommen hatte. In seiner Eingabe^ dankt Fux
zuerst für die im Jahre 1721 bewilligte Pensions- Abfertigungs-
summe von 8000 fl. für seine eventuelle Witwe, und bittet für
seinen Neffen, der gute Talente verrathe, aber erst sieben Jahre
alt sei und ihm in seinem hohen Alter die Vollendung seiner Er-
ziehung nicht voraussehen lasse, in fernerem Anbetracht seiner
eigenen vieljährigen Dienste um einen Erziehuiigsbeitrag. In
dem Gutachten über dieses Gesuch' hat die Concertations-Com-
mission (der Obersthofmeister mit dem Finanzminister) zwar
*„des Supplicanten (Fux) besondere, ganz offenkundige virtü,
nebst seinen seit 1698 zu vollständiger Satisfaction geleisteten
guten Dienste und andurch erworbenen Meriten gar wohl er-
kannt^ wagt es aber nicht, besonders in Anbetracht der hohen
Besoldung und der vor wenigen Jahren erhaltenen 8000 fl. auf
eine Gnadengabe für den Neffen einzurathen. — Darüber er-
theilte der Kaiser keine Resolution, was einem abschlägigen Be-
scheide gleichkam.
Im Jahre 1733, 9. April erneuert Fux sein Gesach* um
einen Beitrag zur Prosequierung der Studien für seinen Neffen
Matthäus, bis ersieh zu einer Dienststelle fähig gemacht haben
würde. Der Obersthofmeister beantragt darüber*, dass dem Sup-
plicanten Gnade genug sein könnte, „wenn der Kaiser dem adop-
■
1 Beil. I. 5. a Beil. U. 13. » Beil. n. 14. * Beil. H. 15. » Beil.
n. 16.
214 Pux, Chronik.
tirten dreizehnjährigen Sohn Matthäus nicht jetzt gleich, sondern
a die des sapplicierßnden KapeUmeisters erfolgten Todfalles
bis zu des Knaben eintretender Vogtbarkeit jährlich 400 fl. ailer-
mildest verwilligen wollte^.
Darüber erfolgt des Kaisers eigenhändige Besolution: „Soll
ihm/ was ein Scholar Gehalt erhält, geben werden^.
Damit waren jährlich 360 fl. bewilligt. — Wenn es auf den
ersten Anblick befremden kann, dass Fax nach so oft wieder-
holten Onadenbezengnngen nicht absteht, um neue VergtLnsti-
gungen zu bitten, so ist zu bedenken, dass die AengstUchkeit^
mit dem Vorhandenen nicht auiSzukommen, eine im hohen Alter
nicht seltene Erscheinung ist, besonders wenn man aus drücken-
den Verhältnissen in der Jugend sich emporarbeiten musste. Da
diese Sorge überdies einen armen nahen Verwandten betraf,
den Fux zugleich nach seinem Ableben in Verbindung mit dem
kaiserlichen Hofe wissen woUte, so wird diese Sorge dadurch
wenn auch nicht begründet doch erklärbar. Sicher ist aber, dass
die Grossmuth des Kaisers von mehreren Kunst- und Zeitgenossen
des Fux in weit auffallenderer Weise ausgebeutet wurde, und
man weiss, wie verführend solche Exempel in ähnlichen Lagen
zu wirken vermögen.
XIV.
Die kaiserliehe Hofkapelle unter Ihrem Kapellmeister Fax
(1716-1740).
Ungeachtet Fnx bis an sein Ende als Hofkapellmeister ftin-
gierte, so brachte es doch seine körperliche Schwäche mit sich,
dass er als Dirigent der Musik seit lange durch seinen Vice-
EapeUmeister Antonio Caldara sich vertreten lassen musste,
bis auch dieser am 28. December 1736, 66 Jahre alt, mit Tode
abgieng. Fux war nun ohne Yice-Kapelhneister, bis zum 6. Febr.
1739, wo von Fux empfohlen, Luca Antonio Predieri in
diese Stelle eintrat und 1 746 selbst Hof kapellmeister wurde.
In dieser letzten Periode des Wirkens unseres Fux waren im
Hof-Musikstatus mehrfache Veränderungen vorgegangen , welche
an die Vergänglichkeit irdischer Grösse mahnen konnten: Der
Cavagliere Direttore di musica, Principe Luigi Pio machte,
da er 1732 Gesandter bei der Republik Venedig geworden war,
Pkttz dem Grafen Ferdinand Lamberg, mit dem Fux, wie
es scheint, ohne Conflicte siel; benelmien konnte. — Von den Com-
positoren war der geniale Francesco Conti am 20. Juli 1732,
Carlo Ag. Badia am 23. September 1738 durch den Tod aus
der bereits sehr gelichteten Reihe der grossen Hofcomponisten
geschieden. Neue Kräfte mussten herbeigezogen werden, die
Lttcken zu fllUen, darunter einige' nicht unbedeutende Talente,
wie Georg Reutter der jüngere, welcher wegen seiner Brauch-
barkeit von Fux viele Anerkennung erfuhr und am 1. März 1731
Hofcompositor wurde. Nach dem Tode des Fux wurde er anfangs
zweiter, dann erster Hof kapellmeister, entsprach aber den geheg-
ten Erwartungen wenig. Matteo Palott a wurde 1733 vom
Kaiser zum Compositor ernannt, 1741 entlassen, 1749 aber
reactiviert, ohne dass über seine Thätigkeit erhebliches bekannt
geworden wäre. Georg Christian Wagenseil, ein Schüler
des Fux, wurde zugleich mit Giuseppe Benno im Jahre 1739
216 Fux als Hofkapellmeister.
m
Hofcompositor; von denen dem von Fnx als minder begabt er-
klärten Bonno in spätem Alter (1. Februar 1774) die Hofkapell-
meister-Stelle zufiel, während Wagenseil sich niemals ttber
den Hofcompositor erheben konnte. Die jungen Kräfte Hessen es
gewiss nicht an Fleiss und Eifer fehlen, sie leisteten was sie
konnten, aber sie vermochten eben nicht, den Glanz und Buhm
der Hofkapelle zu erhalten, welche ihnen die ausgeschiedenen
grossen Yormänner als ein gefährliches Erbe zurückgelassen
hatten. •
Von Compositionen des Fux, welche in dieser letzten Periode
zur Aufführung kamen, wird nur bei zwei Anlässen erwähnt. Es
war im Jahre 1736 bei der Vermählung der Erzherzogin Maria
Theresia mit Herzog Franz von Lothringen, wo das
grosse Tedeum ^ gemacht wurde, und bei dem Tode des Prinzen
Eugen, wo dem sinkenden Sterne Oesterreichs das öfter er-
wähnte grosse Bequiem von Fu« die letzten Ehren erwies.
Nahe dem Ende seiner Ettnstlerlaufbahn können wir die
Gesammtthätigkeit des Hofkapellmeisters Fux tibersehen,
wozu er durch die glücklicherweise erhaltenen zahlreichen amt-
lichen Gutachten ein äusserst schätzbares Material zu seiner eige-
nen Würdigung zurückgelassen hat.
Schon in der Natur der Sache liegt es, dass die Stellung des
Kapellmeisters eines zahlreichen Musikkörpers an einem glänzen-
den Eaiserhofe, wo so viele grosse «und kleine Interessen in be-
ständiger Beibung sind, mit nicht geringen Schwierigkeiten
verbunden sein müsse und. dass kein unbedeutendes Mass von
Selbständigkeit und Klugheit dazu gehöre, sich darin wie
Fux durch 25 Jahre mit allen Ehren zu behaupten. Das
dornenvolle einer solchen Stellung steigerte sich noch dadurch,
dass die tonangebenden Hofcavaliere nicht blos Deutsche, sondern
auch Italiener und Spanier waren und unter den Musikern selbst
der Vice-KapeUmeister und die Compositoren, dann der Chor der
männlichen und weiblichen Sänger , so wie ein Theil der Instru-
mentisten Italiener waren. Aber keine Klugheit und Festigkeit
dürfte ausgereicht haben, dass der Deutsche, Fux, gegenüber den
grossentheils widerstrebenden fremden Elementen erfolgreich die
1 BeU. X. 270.
F u X als HofkapellmeiBter. 217
Stirne gebothen hätte, wäre er nieht eines kräftigsten Rückhaltes
in der Person des Monarchen versichert gewesen. Diesen Rflck-
halt j auf den er sich in seinen Gutachten öfter — auch zum Mis-
yergnflgen des Obersthofimeisters — bezieht, verdankte aber Fux
keiner andern Protection , als dem Namen und Ansehen, welches
er sich durch seine eminenten Fähigkeiten in trefiftichen Com-
Positionen, durch seinen Gradus ad pamassum, durch die Schüler,
welche von ihm ausgiengen, verbunden mit einem durchaus ehren-
haften Character zu erringen wusste. Dieses Ansehen behielt er
auch zu einer Zeit, wo seine körperliche Gebrechlichkeit und
zuletzt sein hohes Alter ihn an der vollen Ausübung seiner Be-
rufspflicht nach seinem eigenen Geständnisse vielfach hinderlich
waren und daher seinen Gegnern willkommene Blossen gegeben
hatten. Dessungeachtet beliess ihn sein Kaiser unangefochten
an der Spitze der Musik, welche er so trefflich zu leiten verstand.
Es lag durchaus keine Ueberhebung, sondern nur gerechtes
Selbstgeftlhl der Bedeutung seiner Stellung zu Grunde, wenn
Fux. das Andringen Mattheson's um biographische Daten ableh-
nend mit den Worten schliesst: „Indessen sei mir genug, dass
ich würdig geschätzt werde , Garoli VI. erster Kapelhneister zu
sein^^. Auch dem Dilettanten Principe Pio di Savoja, der sich
als Capo della Musica imperiale gerieren wollte, stellt er ent-
gegen, dass die Direction der Musik von niemand als einem in
arte perüo der Gebühr nach versehen werden könne * , da ttber-
diess „in der kais. Instruction articulo 13^ die Kapellmeister für
Capi der Musik erkläret seien. ^ Sogar der Meistertitel in
der Musik , erklärt Fux gelegentlich , „könne keinem mit Recht
beigelegt werden , welcher die Composition nit aus dem Grunde
versteht^ . Die Entschiedenheit, mit welcher er in der Beschwerde-
schrift gegen den Protettore Principe Pio , einem ausgesproche-
nen Günstlinge des Kaisers entgegentritt und bittet, dass die
Kapellmeister bei ihren alten, zur Besorgung des kais. Dienstes
so nothwendigen Gerechtsamen geschützt werden , gieng jedoch
nicht dahin, sich mit seinen vorgesetzten Behörden und Personen
in schroffe Gegensatz zu bringen, im Gegentheile bittet er am
Schlüsse seines ersten Musikreferates ^ als Hof kapellmeister (17 15)
1 Beil. in.'4. 2 Beil. n. 23. » BeU. VL 19.
218 Fax als Hofkapellmeister.
den Obersthofineister^ „er möchte sieh belieben lassen, sein in der
Wahrheit und Aafiichtigkeit gegründetes Einrathen mit Dero Re-
ferat nnd hohen Protection zu secnndieren^ damit dadurch gleich
anfangs seiner carica er bei der Musik in Credit gesetzt nnd mithin
znr Befbrdemng Ihre Majestät Diensten ein hauptsächlicher Vor-
schub gegeben werde" .
Der Grundzug, welcher durch alle seine Gutachten bei An-
stellungen, Oehalterhöhungen, Pensionierungen altverdienter Mu-
siker oder ihrer Witwen und Waisen hindurchgeht, ist Billigkeit,
Wohlwollen und Humanität , da er oft das fbrbittende Wort um
Unterstützung solcher Personen ergreift, welche ausserhalb seines
Bemfskreises liegen, und sie mit grosser Wärme zur Berück-
sichtigung empfiehlt, ja als der Aspirant, Bernardod'Aprile^
um eine Hofcompositorstelle einsehritt, äusserte Fux, dass der
Supplicant, wenn er mit ruhigem Oemüthe arbeiten könnte und
nit um das tägliche Brot fttr sich , Weib und sechs Kinder sorgen
mttsste, Tor allem andern „in den hiesigen Stylum" sich schicken
müsse, wozu Fux das seinige beizutragen bereit sei. Wo Talent
und Kunstfertigkeit hervortrat, fanden sie in Fux immer einen
warmen Fürsprecher, ohne Unterschied, ob die Individuen Deut-
sche oder Italiener waren. Seine Verträglichkeit mit Fremden
bewies Fux vorzüglich in dem Verhältnisse zu seinem Vice-Ka-
pellmeister Ant. Caldara, der in gewisser Richtung, besonders
in Composition von Opern, die vorzugsweise im Oeschmacke
des Hofes waren, als sein Bival anzusehen war. Ungeachtet
Caldara in untergeordneter Stellung einen höheren Oehalt (von
3900 fl.) als sein Chef und eine bedeutend grössere Abfertigung
(von 12.000 fl.) für seine eventuelle Witwe bezog, ist doch nirgend
ein Zug von Neid oder Misgunst in den Gutachten des Fux
gegen Caldara zu bemerken : Fux bezeichnet ihn immer als einen
Künstler „von grosser Virtü und Capacität***, trat auch nicht,
vne das Obersthofmeister-Amt besorgte^, mit gleichen Ansprüchen,
wie jener hervor, und nach Caldara's Tode beftlrwortete Fux
sogar das Gesuch seiner Witwe um eine Pension^. Besonders
waren es jugendliche Talente, die Fux mit Nachdruck unterstützte
wie Max Hellmann, Gottfr. Muffat, Chr. Wagenseil,
1 Beil. VI. 151. a Eb. 16. « Eb. 179. * Eb. 246.
F 11 X als Hofkapellmeister. 219
Georg Rentter Jan., Theresia Holzhansen n. a.; er
wnsste sogar tttr die Schulden des genialen Cimbalisten M.
Hei Im an n die Entschuldigung, dass er in diesen elenden Noth-
stand wohl auch aus der Jugend gemeiniglich angebomen ttblen
Wirthschaft verfallen sein mag, bittet dringend um kais. Gnade
,,weil höchst schade wäre um dessen unvergleichliche und mit
grossen kais. Unkosten erlernte virtt^. Diese Nachsicht hinderte
aber nicht, dass Fux in andern Fällen einen Hofscholar ^ als
einen jungen, verderbten Menschen bezeichnet, der wegen unnütz
gemachter Schulden von 3000 ß, von Wien weggetrieben wurde.
Als der Violinist E. GigP um eine Violonistenstelle ansuchte,
äusserte sich Fux streng genug : '„Da dieser Supplicant den Yio-
Ion niemals gespielet hat, mithin fbr einen Violonisten mit Wahr-
heit sich nit ausgeben kann, als folgt von sich selbst, dass ich in
dessen vermessene Anmassung nit einrathen soll^. Besonders
empfindlich wurde Fux , wenn man seine Amtierung als Kapell-
meister angriff. Als ihm von M. Jos. Hammer, dem Vater
eines jungen Violinisten vörgertickt wurde , Fux habe den Hof-
scholaren Salviati seinem Sohne vorget^etzt . (wobei aber Fux
im vollen Rechte war), sagt dieser am Schlüsse seiner Rechtferti-
gung': „Ueberlasse demnach Ihro Excellenz (dem Obersthof-
meister), ob diese vermessene Anklage nit mit einem Verweis
abzustrafen sei^. Dieser Fall ist aber der einzige, wo ein Musi-
ker mit einer Beschwerde gegen den Kapellmeister auftritt.
lieber den Wirkungskreis des Musik - Oberdirectors
oder Gavalier Protettore di Musica, deren erster im
Jahre 1 709 unter K. Josef I. erscheint, erfahren wir durch die bereits
erwähnte Beschwerdeschrift gegen den Principe Pio di Savoja,
dass in der Instmetion für die Hofkapellmeister, die von K. Leo-
pold I. erlassen, und von seinen Nachfolgern K. Josef I. und
Karl VL bestätigt wurde ^, von einem solchen Cavaliere noch gar
keine Rede sei und die oberste Leitung der Hofkapelle jederzeit
und in jeder Beziehung dem Hofkapellmeister* zugestanden sei,
und später dem Cavaliere nur die Protection und die Leitung der
Oper, wahrscheinlich auch des Balletes und aller kleineren musi-
1 Beil. VI. 125. ^ Eb. 141. » £b. 146. « Sie ist abgedruckt Beil
n. 24.
220 Fux als Hofkapellmeister.
caliechen* Festins bei Hof ttberlasBen wurde, wozu die Kapell-
meister und Compositoren die Compositionen zn liefern , und die
Kapelle den grOssten Theil der Sänger and sämmtliche Instm-
mentisten zu stellen hatten. Natttrlieh fiel auch das Einstudieren
und Dirigieren des mnsicalisehen Theiles dem Kapellmeister oder
Vice-Kapellmeister zu.
An kleineren Reibungen scheint es zwischen der Theater-
porthei und der Hofkapelle im engeren Sinne nie gefehlt zu
haben , wie ans einer gelegentlichen Bemerkung des ' Fux im
Jahre 1722 wegen eines zweiten Copisten hervorgeht. Er schreibt:
„Zu K. Leopold I. Zeiten hatte das Theater andere und die
Kapelle andere Copisten , darum , weil wenn Opern, serviq di
camera, Serenaden und Oratorien zu copieren sind, was schier
unaussetzlich geschieht , die Kapelle zurückstehen muss und nüt
Copiatur nicht kann versehen werden, gleich ich selbst es hab
erfahren müssen K^
Da Fux schon um 1 723 an einer hartnäckigen chromschen
Fussgicht zu leiden begann, so fiel von dieser Zeit an wohl der
grösste Theil der Direction seinem Yice-Kapellmeister Ant. Cal-
dara zn, der von seinem Antritte im Jahre 1716 bis zu seinem
Ableben (28. Dec. 1 736) diensttauglich geblieben zu sein scheint.
Später bis 1739 war Fux ohne Yice-Kapellmeister, wo hierauf,
wie erwähnt, Luc' Xntonio Predieri als solcher eintrat und
auch seinen KapeUmeister überlebte. Allein ungeachtet seiner kOr-
perlichen Infirmitäten versah Fux doch immer bis zum Jahre 1740
die Pflichten seines Amtes wenigstens in jenem Theile, welcher die
Gutachten über Anstellungen , Gehalterhöhungen und Pensionie-
rungen der Musiker betraf, wie die noch vorhandenen Acten be-
zeigen, nur musste er in den letzten Jahren sich dabei einer
fremden Hand bedienen.
Der Stand der Hofkapelle war unter den Kaisern
Leopold I. und Josef I. sowohl im Chor der Sänger als der In-
stmmentisten ein* sehr ansehnlicher und darum auch sehr kost-
spieliger geworden. Dieser letzte Umstand und die Unordnung in
der Ausbezahlung der Gehalte waren hauptsächlich der Grund,
warum auf kais. Befehl (3. September 1711)*' dem Obersthof-
1 Beil. VI. 81. 2 Beil. IL 27.
F uz als Hofkapellmeister. 221
mei8ter aufgetragen wnrde y „von den mnsicis nur diejenigen zu
behalten, welche die besten sind, und allein zu dem Kapelldienst er*
fordert werden, die ttbrigen, wie auefa die Cantatricinen, Composi-
toren und was zu den theatris gehört zu lieenfiieren^. Der dama-
lige Vice-Eapellmeister Ziani wurde beauftragt, den Vorschlag
zu machen, und zugleich die Gehaltstufen festzustellen. Nach
diesem Vorschlage wurden yon den 95 wirklichen Musikern 30
entweder einfach entlassen oder pensioniert, während der Rest
von 65 sich im Jahre 1712 in folgender Weise vcalheilte *:
1 Kapellmeister, 2 Altisten, 1 Teorbist,
1 Vice-Eapellmeister, 3 Sopranisten, 3 Fagottisten,
1 Compositor, -1 Sängerin, 2 Posaunisten,
1 Concertmeister, 16 Violinisten, 6 Oboisten,
3 Organisten, 2 Gambisten, 1 Comettist,
3 Bassisten, . 3 Violoncellisten, 1 Lautenist,
4 Tenoristen, 2 Violonisten, 8 musical. Trompeter.
Diese eingreifende Regulierung der Hofkapelle wurde Re-
formation oder Reformierung, und die ausgeschiedenen
Musiker Reformierte, die Wiederangestellten Gonfirmierte
genannt. Als Fux wenige Jahre später Hofkapellmeister wurde,
klagt er wiederholt ttber die unglückselige Reformierung und
hatte wohl fdr seine Person Grund , sie so zu nennen , da er oft
genug mit Gesuchen bestttrmt wird um Wiederanstellung ron
solchen, „die das Unglttck hatten reformiert zu werden^. Wenn
auch im Princip nicht zu misbilligen war, dass das Uebermass
minder tauglicher Kräfte eingeschränkt wurde und man eine
Ordnung in den financiellen Haushalt zu bringen suchte , so war
doch die Lage derjenigen, welche keine andere als eine musi-
calische Bildung sich angeeignet hatten und ihre Anstellung bei
Hofe fttr eine dauernde betrachten durften, durch die plötzliche
Entlassung ohne alle oder mit einer dürftigen Sustentation eine .
beklagenswerithe zu nennen.
Viel und für die Dauer war auch durch die Reformierung
nicht gewonnen, denn wenige Jahre nachher (1715) war die "Zahl
der bei der Hofmusik angestellten Personen auf 100, im Jahre 1723
auf 134 gestiegen und es blieb auch bei dieser Zahl bis 1740
1 Beü. V.
222 F u X als Hofkapellmeister.
mit geringer Schwankung. Zu der Vermehrnng dieses Standes trug
vor allem das gesteigerte BedUrfniss für die mit immer erhöh^r
Pracht ausgestatteten grossen Opern bei. Wurden dazu auch aus-
gezeichnete Kräfte besonders für Gesang ausschliessend flir eine
gewisse Zahl von Vorstellungen engagiert, so fanden sich darun-
ter doch nicht wenige , die zugleich dem Status der Hofmusiker
einverleibt zu werden sich bemühten. Dass die Instrumentisten
weder an Zahl noch Leistungsfähigkeit gegenüber den Sängern
zurückbleiben durften, war eine natürlil^he Folge. Dazu kam noch,
dass schon damals ältere verdiente Mitglieder noch als activ mit-
zählten, obschon sie grösstentheils oder völlig dienstunfähig waren
und darum einen Ersatz von jtlngeren Kräften erheischten. So
führt Fux 1732 an, dass unter 20 angestellten Violinisten nur 12
dienstfähig seien, während 16 zu Bestreitung der Hofdienste
unumgänglich nöthig befunden wurden ^ Zum Theile wurde in
einigen Abtheilungen, als der Componisten, der Organisten, vor-
übergehend eine Ueberzahl dadurch herbeigeführt, dass befä-
higte Scholaren untergebracht werden mussten. Dagegen trat
wieder in anderen Zweigen wirklicher Mangel ein , wie bei den
Sängern', wo im Jahrel737 zu Bestreitung der Hofdienste man
zwei fremde Discantisten und eben so viele Tenoristen herbei-
ziehen musste. Auch über Mangel an Altisten ist eine lange sich
fortspinnende Klage und die Ueberzahl von 7 Organisten des
Jahres 1724 war im Jahre 1733 auf zwei „zum Dienen taugliche^
herabgesunken.
• Ungeachtet über die meisten Mitglieder der Hofkapelle die
Gutachten, welche später zusammengestellt werden, den besten,
ja in den meisten Fällen den einzigen Einblick in die Leistungs-.
fähigkeit der Einzelnen gewähren, so wird es doch nicht über-
flüssig sein, einige allgemeine Betrachtungen über den Stand der
Hof kapelle unter Fux und ergänzende Bemerkungen über einzelne
bedeutende Persönlichkeiten vorauszuschicken, welche in den
Gutachten nicht erwähnt sind.
*Die Periode der Musik, welche uns hier berührt^, fällt mit
der Blüthezeit der Italiener zusammen ,. welche aber in mehreren
1 Beil. VI. 193. ^ £b. 236. s Vgl. K ö c h e 1 , die kais. Hof-Muaik-
kapeile in Wien von 1543 bis 1867. Wien, 1869.
F u X als Hofkapellmeister. . 223
Zweigen besonders der Instnunentalmasik in« den Deutschen Ri-
Talen fanden. Die Oper blieb aber ihren Texten ^ Compositoren
und Sängern nach beinahe ansBchliessend italienisch and sagte
dem Geschmacke des Hofes sichtlich am meisten zu, wesshalb
auch die deutschen Compositoren ^ Fax nicht aasgenommen , ita-
lienische Texte in Musik setzen und willig oder widerwillig dem
italienischen Geschmacke huldigen mussten. Unter den italieni-
schen Componisten stand Ant. Caldara den anderen allerdings
voran y ungeachtet in einzelnen Partien Francesco Conti
(1713 — 1732) trefiniches leistete ^ und auch Carl. Aug. Badia
(1712—1738), Gius. Porsile (1720—1740), Matt. Palotta
(1733—1740) und später Luc. Antonio Predieri (1739—
1740) mit anerkennenswerthen Leistungen hervortraten.
Von 'jüngeren deutschen £j-äften gab GeorgReutterd. j.
(1731_1740) und Georg Christ. Wagenseil (1739—1740),
ein ausgezeichneter Schüler des Fux, die besten Hoffnungen.
Dennoch hat Fux 1 728 Febr. Ursache zu klagen : „Dermalen ist
ein Abgang an Compositoren, indem fast alle Arbeit auf den Vice*
Kapellmeister Caldara allein fällt ^ ^
Unter den zahlreichen Organisten zeichnet Fux vorzüg-
Uch seinen Schüler Gottlieb Muffat (1717—1740) aus, zu-
gleich als Organist, als Componist und Informator im Cla\der bei
den Erzherzogen; auch die besonders virtuosen Dienste des Anton
Karl Kichter (1718 — 1740) werden von Fux hervorgehoben.
Der Sänge rchor bestand aus den gewöhnlichen Männer-
stimmen der Teuere und Bässe, dann aber waren in.frtthester und
auch noch in ziemlich später Zeit (bis 1798) die Alt- und Sopran-
stimmen zum Theile von Männern gesungen, welche Falsettisten
Messen, zwar nicht die völlige Höhe der Knaben- und Frauen-
stimmen erreichten , aber zu ihrer Zeit vocum miraculä genannt
wurden. Einen ähnlichen Namen wegen ihrer Vortrefflichkeit er-
hielten in denselben Parten die Castraten, welche ausschliesslich
Italiener waren und in der Hofkapelle bei der Oper bis zum
Jahre 1740 eine vorzugsweise Verwendung fanden. Allerdings
ist bei jedem einzelnen erwachsenen Sopranisten und Altisten
nicht mit Gewissheit anzugeben, ob er nicht etwa Falsettist war ;
1 Beü. VI. 151.
224 Fnx als Hofkapellmeister.
allein bei den italienischen Namen dürfte die Annahme gegen
einen Falsettisten begründet sein, während Niederländer, Dentsche,
Spanier niemals ein Contingent der Castraten stellen. Die Knaben-
stimmen waren in den Verzeichnissen in der Regel nicht der Zahl
nach angegeben, sollten aber nicht nnter der Zahl 12 gehalten
werden, überstiegen aber diese äfter um 4 bis 7 Individuen und
mehr. Wegen dieser Unbestimmtheit können sie bei der Verglei-
chnng nicht mitzählen, dabei sind daher jederzeit erwachsene
Sänger gemeint. .
Die Frauenstimmen erscheinen in grosserer Zahl als Hofsän-
gerinen zur Blüthezeit der Oper, daher von 1718 bis 1740, wo
ihre Zahl in keinem Jahre unter 4 herabgieng, sich aber von
1728 bis 1737 inmier zwischen 8 und 9 bewegte; darunter waren
2 bis 3 deutsche gegen den Rest italienischer Kehlen.
Die Stärke des ganzen Chors erwachsener Sänger hob sich
in der Periode von 1720 bis 1740 von 30 bis 44, um später nie
wieder diese Zahl zu erreichen.
Unter den Namen von Sängern mit hervorragenden Leistun-
gen in dieser Periode sind hervorzuheben :
Die Bässe: Friedrich Götzinger (1711—1735) mit
seiner starken und ausgiebigen Stinune; Anton Berti (1729 —
1740), den Fux einen Fundamentalmusicus nennt; aber als der
vorzüglichste Christian Praun (1715—1740) ebensowohl in
der Oper, im Kammerdienste, als in der Kapelle.
DieTenore: mehr der vorhergehenden Periode angehörig
Silvio Garghetti (1702 — 17:^9); von Fux am höchsten ge-
stellt: Christian Payer mit vortrefflicher Stimme, auch in
welschen Cantaten sich auszeichnend; Gaetano Borghi (1720
— 1740) vom Kaiser berufen.
Die' A-ltisten: Gaetano Orsini (1699—1740), für
dessen vortreffliche Methode Fux nicht Lobsprüche genug findet ;
Filippo Anton elli (1734 — 1740), von Loretto nach Wien be-
rufen; Giuseppe Appiani (1739 — 1740) „ein Virtuos di prima
sf era" .
Die Soprane: Domenico Gen o v es i (1717 — 1740), von
Fux der erste Sopran der Hofkapelle genannt ;GiuseppeMon-
teriso (1716 — 1740), höchst verlässlich, der beste Sopran nach
Fux als Hofkapellmeister. 225
Genovesi; Feiice Salimbeni (17ä3 — 1738), nach Wien beru-
fen, galt ftlr einen der edelsten Opernsänger.
Die Sängerinen Maria Landini (Conti) (1713 — 1732)
nndM. A.Loren zoni (Conti) (1723—1732), beide Sängerinen
ersten Banges mit Gehalten von 4000 fl. — den höchsten üblichen
— nach Wien berufen und angestellt; Anna Lisi Badia
(1711—1726) und Bosa d'Ambreville (Borrosini) (1721—
1740), den vorhergehenden zurttckstehend; aus der früheren Pe-
riode Begina Scoonians (1717 — 1740), — von Fux besonders
hochgestellt Theresia Holtzhauser (Beutter) (1728 — 1740)
mit ihrer drei Octaven umfassenden gleichen Stimme und selte-
nen musicalischen Festigkeit; Anna Barbara Bogenhofer
(Schnautz) aus der trefflichen Schule Gaetano Orsini's.
Die Zahl der Instrumentisten schwoll von 48 im Jahre
1712 — im Jahre 1721 auf 73, welche in folgender Weise ver-
theilt waren :
6 Organisten, 2 Comettisten,
23 Violinisten, 4 Fagottisten,
1 Gambist, 5 Oboisten,
4 Violoncellisten, 4 Posaunisten,
3 Contrabassisten, 1 Jägerhomist,
1 Teorbist, 16 Trompeter,
1 Lautenist, 2 Pauker.
Die Zahl von 70 und darüber hielt sich bis 1 740, hatte aber
dabei mehrere ganz oder theilweise dienstunfähige mitgezählt. —
Der Nationalität nach treten aber in dieser Periode der Italiener
immer mehr Deutsche ein, so dass nach und nach die Italiener
die Ausnahme werden.
Wir treffen in jener Zeit auf eine Anzahl von Orchester-In-
strumenten, die mittlerweile aus dem Gebrauche geschwunden
sind, ohne einen eigentlichen £rsatz durch neue Erfindungen zu
erhalten^ sondern nur durch den zweck- und kunstmässigeren
Gebrauch der vorhandenen überbothen wurden, so beispielsweise
mehrere Arten von Geigen u. dgl. Von ganz neu erftmdenen
Orchester-Instrumenten, die sich zugleich bewährten, ist nur die
Clarinette zu erwähnen; diese kam aber erst viel später
(1787) an der Hofkapelle in Gebrauch.
Kachel, J. J. Fux. . 15
226 Fax als Hofkapellmeister.
•
Zu den später aufgegebenen Instrumenten, welche in der
Hofkapelle durch eigene Individuen gespielt wurden j gehört der
Zinken, die Laniie, die Teorbe, die Viola da gamba,
der Baryten und das Cymbal. Die Componisten aus jener
Zeit setzten aber auch für Schalmei , Violetta , Flute allemande
u. dgl. , welche wahrscheinlich yon andern angestellten Musikern
gespielt wurden, da man früher sich nicht mit der Kenntniss eines
einzigen Instrumentes begnttgte.
Der Zinken (Cometto), ein sehr altes und primitives
Holzblasinstrument, bestand aus einer geraden oder gekrümmten
Röhre mit Löchern und einem trompetenartigen Mundstück,
welches an das eine Ende der Röhre gesteckt wurde. Sein Ton
soll ziemlich scharf und rauh gewesen sein, doch schützte ihn
die lange Gewohnheit und der Mangel des Ersatzes, welcher end-
lich in der weiteren Verbreitung der Oboe gefanden wurde. In
der Hofkapelle f&nd der Zinken durch 2 Jahrhunderte viele Ver-
wendung und war mit je 1 bis 3 Bläsern besetzt. Der letzte Zin-
kenist starb 1746.
Die Läute, bekanntlich ein Saiteninstrument, dessen Saiten
mit den Fingern gerissen wurden, ein wegen der endlosen Ver-
stimmungen wenig verlässliches Werkzeug, fand aber vielfache
Verwendung als Begleitinstnunent zum Solo- und Chorgesang,
allein oder zugleich mit andern Saiteninstrumenten. Bei der Hof-
kapelle war je ein Luttinist seit dem Jahre 1566 bis zum Jahre
1728 angestellt. •
Die Teorbe (Tiorba), der Basslaute nahe verwandt, wurde
in der Kirche und in der Oper statt des Claviers gebraucht. Die
Hofkapelle besass in Francesco Conti (1701 — 1732) den
ersten Teorbisten der Welt.
Das Cymbal, die ältere Form unseres jetzigen Flügels, wo
die Saiten durch Stäbe mit Rabenkielen gerissen wurden, war
durch den genialen Max Hellmann, einen Schüler des
berühmten Pantaleon Hebenstreit von 1724 bis 1763 besetzt.
Die Viola dagamba, von dem verwandten Viploncell
vorzüglich durch die Bünde auf dem Griffbrette verschieden, er-
hielt sich auch lange neben diesem und war in der Hofkapelle
von 1682 bis 1740 mit 1, 2 bis 4 Gambisten besetzt, von denen
Franz Hueffnagel excellierte.
Fnx ala Hofkapelimeister. 227
Der Bary ton, der Viola da gamba ähnlich, mit 5 — 7 Darm-
saiten ; die mit dem Bogen gestrichen werden und daneben mit
8 — 16 Drahtsaiten, die mit der Spitze des Daumens gerissen
werden, fand in der Hofkapelle nur zwischen 1721 und 1740 An-
wendung, ungeachtet er von edlem, angenehmen Klange gewesen
sein soll.
Die Violine. So wie die Instrumentalmusik anfieng selb-
ständig anfzutreten, war die Wichtigkeit der Violine im Orchester
für alle Zeiten entschieden. In der Hofkapelle wurden 1712 und
später 16 Violinisten zur Bestreitung der Hofdienste für unab-
weislich nothwendig befunden ; man ttberschritt diese Normalzahl
während dieser Periode bis 27 (1724), und dennoch wurde 1730
geklagt^, dass nur 13, dann 1732^ dass gar nur 12 diensttaug-
liche darunter seien, da das Alter und körperliche Gebrechen be-
deutende Verheerungen angerichtet hatten. Fux lobt beinahe aus-
nahmslos die virtuosen Dienste seiner Violinisten ^ aber als die
bravsten unter den braven hebt er doch noch J. G. Hintereder
(1721—1740), F. K. Pernember (1727—1740), Ferdinand
Grossauer (1732—1740) und Ign. Stadimann (1736—1740)
hervor.
Das Violoncell war in der Hofkapelle seit etwa 1680
neben der Viola da gamba in Verwendung, brauchte aber 60 Jahre,
um diese ältere ßivalin völlig zu verdrängen. In der letzten Periode
stieg die Zahl der Cellisten bis 4, aus denen Fux dem Gio van ni
Perroni (1721^-1740) auszeichnendes Lob ertheilt. Den höheren
Gehalten zufolge mttssen aber auch Pietro Adö (1720 — 1740),
Ant.Rajola(1721— 1740) und Franz Alborea (1721— 1739)
virtuose Leistungen für sich gehabt haben.
Der Contrabass. Fux spricht 1722* „von den dermal
üblichen so schweren Bässen^, lobt Andreas Freitig (1701 —
1718), noch mehr aber Anton Schnautz (1721 — 1740), der mit
grösstem Ruhme gedient, „ein Virtuos, dergleichen kaum mehr zu
ho£fen ist^.
Die Posaune (Trombone) war einst ein beliebtes Instrument
Air Begleitung des Gesanges, besonders in der Kirche; man
componierte ftir Alt-, Tenor-, Bassposaunen, auch noch ftlr
1 Beil. VI. 177. 2 Eb. 193. » Eb. 68.
15*
228 Fux ala Hofkapellmeister.
eine vierte. Fux hielt 4 Trombonisten in der Hofkapelle nnam-
gänglich nöthig', erklärt sich aber gegen die Quartposanne^
welche der kais. Musik keine Verbesserung beitragen könne ^,
sondern im Gegentheile wegen ihres unannehmlichen Klanges sie
deteriorieren würde. Auf der Posaune excellierte die Familie
Christian über ein Jahrhundert (1679 — 1783), Fux sagte von
ihr^, „dass dieses Instrument denen Christian angeboren sei, und
Leopold christian sen. (1679 — 1 730) der erste Virtuos in der
Welt auf diesem Instrumente sei ; auch LeopoldChristian den
jüngeren (1712 — 1740) nennt er einen Virtuosen, dergleichen
weder in vergangenen Zeiten, weder vielleicht in zukilnfligen
keiner sich finden wird.
Das Jägerhorn. Jägerhomisten, meint Fux^, haben selten
und wenig Dienst bei der Musik, und wusste von seinen 2 Horni-
sten nichts rühmliches nachzusagen.
Die Tro*mpeter. Aus den * musicalischen Trompetern hebt
Fux den Josef Holiandt (1712 — 1740)^ wegen seiner raren
virtü distinguiert hervor; von Job. Hainisch (1730 — 1740) be-
hauptet er, dass es ihm kein Trompeter bevorthun wird, und der-
selbe auch gewisse Töne auf der Trompete erfunden habe , die
kein Trompeter bisher zuwege bringen konnte.
Der Fagott. Von den 3 — 4 Bläsern auf diesem Instrumente
wird von Fux Johann Jacob Fried erich (1725 — 1741)® ein
ganz besonderer Virtuos genannt, der auch im Soloblasen vor-
züglich ist ^.
Die Oboe. Die Vorliebe für dieses Instrument mnss zu An-
fang des vorigen Jahrhundertes rasch zugenommen haben, da
dessen Besetzung von 1701 — 1711 von 2 auf 6 stieg, in den
Jahren 1712 — 1740 sogar die Zahl 9 erreichte. In diesem Instru-
mente thateu sich hervor als ausgezeichnete Virtuosen aus der
Familie Glätzl die drei Brüder Franz (1701—1717), Roman
(1701—1727) und Xaver Glätzl (1705—1726); femer An-
dreas Wittmann (1721 — 1740); von ihm sagt Fux , derselbe
sei auf seinem Instrumente dergestalt virtuos , „als ich noch all-
Mer einen gehört habe"^ Auch Johann Gabrieli (1705 —
1 Beil. VI. 99. 2 Eb. 120. » Eb. 102. * Eb. 14. » Eb. 39.
6 Eb. 214. 7 Eb. 243. » Eb. 57.
Fux als Hofkapellmeister. 229
1740) moss seinem Gehalte nach den genannten nicht nachge-
standen sein.
Ausser diesem Stamme virtuoser Musiker musste auch für
einen Ersatz der dienstuntauglichen in der kaiserlichen Hpfka-
pelle gesorgt werden. Das BedUrfniss dazu stellte sich zuvörderst
bei den Knabenstimmen oder wie sie in früheren Zeiten hiessen
bei den „Cantoreiknaben" heraus. Die erste Verordnung, wodurch
das Institut der Gantoreiknaben festgestellt wurde, wurde
von Kaiser Ferdinand I. im Jahre 1554 erlassen und von seinen
Nachfolgern im Jahre 1567, 1576 und 1612 theils bestätigt theils
modificiert K Aus diesen Erlässen geht hervor, dass eine nach Be-
darf wechselnde Zahl von Sängerknaben, welche aber nicht unter
die Zahl 12 herabgehen dürfte, unter Aufsicht des Kapellmeisters
gestellt, in allem beköstigt, in der Musik ebensowohl als in anderen
Lehrfächern unter eigenen Meistern Unterricht genossen und nach
ihrer Mutierung entweder mit Reisegeld in die Heimat geschickt
wurden, oder wens sie studieren wollten , noch einige Jahre mit
einem Stipendium versehen wurden.
Neben diesen Kapellsängerknaben war man auch bedacht,
eine Pflanzschule fUr Instrumentisten und erwachsene Sänger zu
grtlnden, welche Hofscholaren hiessen und ein Stipendium von
360 fl. bezogen. Fux spricht sich. mehrfach^ über ihre Bestim-
mung und Beschränkung aus. „Scholaren werden zu diesem Ziel
und Ende gehalten, dass Ihro Majestät an guten Virtuosen keinen
Abgang habe, und wenn selbe sich qualiflciert gemacht haben, in
wirkliche Dienste allezeit ohne Observation der Zahl angenom-
men werden. Anspruch zu Hofscholaren haben , welche an dem
kais. Hofe entweder eigene, oder von Vorältern Meriten haben."
Aber schon 1715 äussert er^: „Ich kann für die Scholaren nit ein-
rathen , weil die Spesen bei der Musik immer höher steigen und
man nicht versichert ist , ob dergleichen Scholaren reüssieren
möchten." Noch entschiedener lautet ein Ausspruch von 1722
und 1725*: „Weil einige Scholaren, sich verlassend auf die
Wirklichkeit sehr Übel bishero sich erzeiget, als haben Ihro kais.
1 Röchel, Hofmusikkapelle, p. 26 f. 124. 126. » Beil. VI. 165. 69.
79. 105. 191. 8 Eb. 9. * Eb. 74. 108. 118.
230 Fax als Hofkapellmeister.
Majestät allergnädigst 'resolvieret^ keinen wirklichen Scholaren
* mehr zu halten, aber wohl denjenigen, welchen Ihre Majestät eine
Gnad thun wollen, accidentaliter jährlich etwas auszuwerfen.^
Durch diesen letzten Ausnahmsfall war aber das Princip ziemlich
erschüttert und auch nach 1725 florierten die Hofscholaren be-
deutend, denn ihre Zahl war in der nachfolgenden Zeit von 5 auf
7, 9 und 13 gestiegen, nur die letzten 5, welche 1740 bestanden,
werden später in immer verminderter Zahl aufgeführt, bis sie um
1770 ganz verschwinden. Die Gegenstände des Unterrichtes
waren grösstentheils Orgelspiel, daher auch Generalbass, Contra-
punkt , Yiolin , Gesang und noch einzelne Instrumente , wie eben
ausgezeichnete Lehrer und befähigte Lehrlinge sich zusammenfan-
den. Unter den Meistern dieser Epoche (1715 — 1740) werden
genannt: Joh. Jos. Fux (Gontrapunkt), Gaet Orsini, Chr.
Praun (Gesang), Paul Alber, Franz Reinhard (Violine),
Max Hellmann (Cymbal), Franc. Conti (Teorbe), Gottl.
Muffat (Ciavier), Leop. Christian sen. (Posaune). •
Den meisten der Hofscholaren gelang es , Anstellungen
als wirkliche Hofmusiker zu erhalten, allerdings oft nach 7, 10,
12 und mehr Jahren; wie dies aus folgender Liste hervorgeht,
wobei die Jahre ihrer Lehrzeit in Klammem beig^esetzt sind :
Composition: Christ. Wagenseil (1735-.-1739) —
Gius. Bonno (1738— 1739).
Orgel: Gottl. Mnffat (1711—1717) — Franz Rn-
sovsky (1721—1726) — Karl Math. Reinhard (1723—
1739) _ Wenzel Pttrk (1726— 1739).
Gesang: Franz Timmer (1709—1728) — Anton
Werndle (1707—1727) — Pietro Petazzi (1722—1728) —
Jos. Moser (1724— 1729).
Violi-ne: Joh. Ign. Angermayr (1715?— 1721) — Fil.
Salviati (1718—1727) — Franz Reinhard (1725—1731)
— Jac.Jo8.Wolter(1732— 1736) — Karl Jos. Denk (1731
—1737) — Ign. St adl mann (1734—1741).
Violon: Joh. Ign. Schnautz (1735— 1752).
Posaune: Leop. Christian Sohn (1725 — 1736). -
Aber nicht allen Hofscholaren wollte der Stern der „Wirk-
liohkeit'' aufgehen; die Rechenbücher haben uns drei bemooste
Häupter aufbewahrt, die nach einer langen Reihe von Jahren als
F u X als Hofkapellmeister. 231
Scholaren ztir ewigen Ruhe eingehen mnssten; diese waren:
Jos. Muffat (Ciavier), der von 1734—1756 dnrch 22 Jahre,
Joh. P. Gumpenhuber (Cymbal), ^er von 1733 — 1767 durch
34 Jahre, endlich Ign. Conti (Teorbe), für den Fux wegen
kleiner Compositionen vergeblich auf den Compositortitel antrug \
worauf er von 1720 bis 1769, durch 40 Jahre, als Scholar in den
Hof kalendern paradierte, bis ein milder Genius des Todes ihm die
Augen schloss.
Bei ganz ungewöhnlichen Talenten bewilligten die Monar-
chen auch fieisestipendien zu weiterer Ausbildung, besonders
nach Rom, nach Neapel, dann auch nach Dresden zu dem berühm-
ten Cymbalisten Pantaleon Hebenstreit. Allein die Referate
der Ministerconferenzen und des Fux selbst fbhren nicht selten
Klage darüber, dass diese Stipendisten auf Reisen so grosse
Summen kosten, um zuletzt nur in seltenen Fällen den Erwartun-
gen zu entsprechen.
Ungeachtet im Vorhergehenden das wesentliche tlber den
Bestand der Hofkapelle in jener Periode erwähnt wurde, so dürfte
doch durch die Aneinanderreihung der Gutachten des Kapell-
meisters , hervorgegangen unter dem frischen Eindrucks der Ge-
genwart, ebensowohl zur Characteristik der einzelnen Mitglieder
der Hofkapelle, als auch ihres Leiters und des Treibens hinter
den Coulissen eine deutlichere Vorstellung erzielt werden, als
diess trockene Auszüge vermögen. Der endlose Jammer über die
traurige Lage der Musiker und ihrer Angehörigen war wohl bei
einem Theile derselben besonders in der üblen Wirthschaft und
der unregelmässigen Bezahlung der Gehalte begrtlndet, wenn aber
die Witwe Caldara nach dem Tode ihres Gatten , welcher 3900 fl.
Gehalt und 12.000 fl. Aversionalsumme ftü* die Witwe bekommen
hatte, noch über Noth klagt und eine Pension anspricht, dann wird
es wohl erlaubt sein an der Stichhältigkeit solchen Jammers zu
zweifeln.
1 Beil VI. 257.
232 Fux als Hofkapellmeister.
Gutachten des Hofkapellmeisters J. J. Fox ron 171&— 1740.
Kapellmeister und Vice-Kapellmeister.
Feiice Sances. 1715. Ich weiss keinen Kapellmeister,
welcher so viel geschrieben hätte ; als er Sances, massen mit
seinen Compositionen der meiste Theil der Kapelle annoch ange-
füllet sich befindet. (VI. 4.)
1715. Antonio Caldara will Kapellmeister oder erster
Compositor di camera werden. „Weil Ihre Majestät von diesem
Virtuose;! vollständige, ich aber wenige Wissenschaft habe, als
überlasse dieses Höchstgedacht Ihro kais. Majestät a. g. Dispo-
sition". (VI. 16.)
1730 28. Jänner. Derselbe kommt ein um eine Zulage von
1200 fl. zn seiner Besoldung von 1600 fl. und noch mit dem Bei-
satze, dass jene 1200 fl. seiner eventuellen Witwe zugesichert
werden. [Ohne Gutachten von Fux. Blieb für diesesmal in sus-
penso.] (VI. 174.)
1731 5. März. A. Caldara, der bereits 3900 fl. an Besol-
dung und Adjuta genoss , sprach nochmals für seine eventuelle
Witwe eine Pension von 1200 fl. oder ein für allemal 12.000 fl. in
barem an. [Obersthofmeister ist entsetzt, der Kaiser nicht sogleich
entschieden, aber später bewilligt er das Gesuch.] (VI. 179.)
1737 2. Mai. A. Caldara's Witwe sucht über die seiner Zeit
erhaltenen 12.000 fl. um die gewöhnliche Gnadenpension an;
Fux meint, ungeachtet möchte die Wittib in Ansehung der
Meriten ihres Mannes mit einer jährlichen Gnadenpension pr.
500 fl. versehen werden (erhielt sie auch später). (VI. 246.)
Luca Ant. Predieri, wurde 1738 4. December von Bo-
logna, wo er Dom - Kapellmeister war, berufen, seine Befähigung
zum Amte eines Kapellmeisters darzuthun. Fux sagt: „Wann
dieser Supplicant alle hierzu erforderlichen Eigenschaften und virtü
besitzet, auch sonder Zweifel mit seiner Composition Ihro kais.
Majestät ein sattsames contento gibt^, so räth Fux zu seiner An-
stellung ein. (VI. 249.) [Predieri wurde 6. Februar 1739 als Vice-
Kapellmeister mit 1600 fl. Gehalt und 400 fl. adjuta aufgenonmien.]
Fux als HofkapellmeiBter. 233
Compositoren.
Francesco Conti f 1732. „Der kais, Compositor und
Teorbist hat durch 33 Jahre ganz besondere virtuose Dienste ge-
leistet". (VI. 205) 1733, Jänner.
Giuseppe Porsile 1715. Kommt um einen Posten bei
der Hofkapelle ein. „Ich finde ihn einen guten Virtuosen von
gutem gusto".
1720 20. Mai. Ohne weiteres Gutachten von Fux wurde
Porsile mit 100 Thlr. Monatgehalt als Compositor aufgenommen.
(VI. 53.)
Georg Reutter jun. 1724. Zum Hofscholaren nicht an-
genonmien (VI. 105.) Ebenso. (VI. 118.) 1726.
1728. „G. Reutter jun., ein Jüngling von 19 bis 21 Jahren
spielet nit allein fein die Orgel, sondern gibt auch in der Compo-
sition gute Hofihung von sich." (VI. 154.)
1731 12. Febr. „Reutter hat Oratorien und andere Festinen
componiert und zeigt damit in seiner Jugend, was künftighin
vermög des besonderen talento aus ihm werden kann." [Desshalb
zum Compositor vorgeschlagen und angestellt.] (VI. 182.)
1733 17. Jänner. „Da diesem Supplicanten (R.) bei meiner
dermaligen ünvermögenheit nit wenig zu componieren aufge-
tragen wird" so räth Fux ein, dass Reutter 600 fl. als Compositor
beziehe. (VI. 202.)
1733. April. Reutter begehrt Gehalterhöhung bis 1500 fl.
Fux sagt: „Reutter sollte wie vorhin die 1200 fl. zugemessen
haben, die 300 fl. betreffend, weil es nur ein unzeitiges Begehren
scheint, kann ich nit einrathen. (VI. 218.)
Matteo Palotta, Priester. 1733 Febr. zum Compositor
vom Kaiser berufen für die kais. Kapelle „in einer Gattung Com-
position, welche ohne Orgel und Instrumenten pflegen abgesungen
zu werden". Fux sagt: „Weil von dergleichen Art Composition in
der kais. Kapelle ein ziemlicher Abgang ist und hierin nit ein jeder
Compositor reüssiert, dieser Palotta aber vermöge guten Funda-
ments hierzu „sonderbar tauglich wäre, so möge er mit 600 fl.
angestellt werden. [Wurde mit 400 fl. angestellt.] (VI. 209.)
Georg Christ. Wagenseil 1735. „Wann Ihro kais.
Majestät ja einmal einen Scholaren in der Composition aufzu-
234 Fux als Hofkapdllmeister. .
nehmen a. g. beliebten ^ so könnte ich pflichtmässig für diesen
Snpplicanten einrathen, weil Wagenseil nit allein schon dermalen
so gut als. andere Hoforganisten in der Orgel dienen könnte^
sondern auch nach den wahren Grundregeln des Contrapunktes
nit geringe Progressen gemacht hat, dergestallt^ dass von diesem
Subjecto in beiden , sowohl in der Orgel, als auch in der Com-
Position virtuose Dienste zu hoffen wären" . (VI. 234.)
1738 December. „Da dem alten Gebrauch nach einem
Scholar, der in seinem Studium so weit gelanget; dass er sich
getraue, virtuose Dienste zu leisten, und der Supplicant vor
andern in den Grundregeln des Contrapunktes zu schreiben sich
befleissigt'', so räth Fux zu seiner Anstellung als Compositor „um
so mehr, als durch denselben bei dermaliger licentioser Schreibart
die regelmässige Composition könnte erhalten werden. (VI. 250.)
[Wurde 1739 Februar mit 360 fl. angestellt.]
Giuseppe Bonno, 1737 März, welcher mit allerhöchstem
Gonsens nach Neapel gereist ist, um dort in Musik und Composition
instruiert zu werden, ist zurückgekommen und will Musices Com-
positor werden. „Weil ich nun aus des Supplicanten Compositionen
habe abnehmen können , dass er in den Giimdregeln des Contra-
punkts noch nicht genugsam unterrichtet ist, so ist meine Meinung,
dass er indessen als Hofscholar mit gewöhnlichem Gehalt aufge-
nommen und ihm aufgetragen werde , dass er in dem , was ihm
noch ermanglet, sich instruieren lassen soll". (VI. 242.)
1 738 4. December. Kommt um den Hofcompösitor-Titel ein.
„Da Ihro Majestät durch 3 Jahre hindurch verschiedene Compo-
sitionen des Supplicanten angehört, dafem solche A. H. Deroselben
zu gefallen das Glück gehabt haben möchten" könnte ihm der Titel
Compositor beigelegt werden. (VI. 251.)
Concertmeister.
KilianReinhard, 1 725 Concert-Dispensator und Concert-
meister, „ein hochmeritierter, alter Diener" (VI. 109) [braucht
einen Gehilfen.]
1728 April hat Seiner Majestät dem Kaiser ein von ihm mit
grosser Mühe und Emsigkeit verfasstes Diarium aller musicali-
schen Hofdienste überreicht. (VI. 157.) Fux empfiehlt dessen Ge-
such um Berücksichtigung seiner eventuellen Witwe und Töchter.
. Fux als Hofkapellmeister. 235
Andr. Amiller, 1722 von Fux als Noten-Copist empfohlen,
weil er dem verstorbenen Salki in das elfte Jahr im Copieren Bei-
hilfe geleistet, beinebens auch eine feine nnd correete Handschrift
hat (VI. 81.)
1729 April. Fux räth ein, dass dem Amiller die Stelle des
jüngst abgeleibten Concertmeisters Kilian Beinhard cum titulo
et vitnlo verliehen werde, jedoch mit dem Beding „dass er mit
dem Titel eines Concert-Dispensatoris sich begnügen lasse, indem
der Meister-Titel bei der Musik keinem mit Recht kann beigelegt
werden , welcher die Composition nit aus dem Grund versteht" ;
den Titel eines Musici möge er bekommen. (VI. 159.)
«
Organisten.
1728 Februar. „Vor dem waren nit mehr als 2 höchstens
3 Hofbrganisten, nach und nach ist aber die Zahl derselben bis auf
7 angewachsen, deren 5 noch wirklich dienen. Beinebens haben mir
Ihro kais. Majestät aufgegeben, selbe möchteii den Ueberfluss
der Organisten nach eines und des andern Ableben abgethan und
auf den alten Fuss gesetzt oder aufs meiste auf 4 stabiliert haben.^
(VI. 154.)
1733 Juni. „Dermalen sind nur zwei zum dienen taugliche
Organisten bei Hof«. (VI. 225.)
Reutter Georg sen. 1715 Juni kais. Organist hat die
Essential-Kapellmeisterstelle neben dem schon vorhin gehabten
Gnadenbild bei St. Stephan angenommen. (VI. 3.)
1 738 f. „hat allezeit virtuose Dienste geleistet und sonder-
bar mit Accompagnieren bei den Opern sich signalisiert.« (VI. 252.)
Gottlieb Muffat 1717-3. April fiofscholar, hat sich durch
„unermttdeten Fleiss und emsiges Studium fähig gemacht , dass
ihm nicht allein alle Dienste können anvertraut werden, sondern
dass er sich auch vor jedermann mit grossem Ruhme dürfe hören
lassen«. Fux schlägt ihn deshalb zum Hof Organisten vor, und
„möchte ihm zu seiner bevorstehenden Reise eine erkleckliche
Besoldung ausgeworfen werden.« (VI. 25.) ;
1723 März. Muffat, Hof- und Kammerorganist „wircl vor an-
dern wegen seiner erworbenen virttii mit Accompagnierung bei allen
Opern und Eammerfestinen verwendet, beinebens macht er seine
236 Fux als Hofkapellmeister.
Compositionen bei Hof mit Vergnügung Seiner Majestät hören."
(VI. 92.)
1733 17. Jänner. „Hat schon in das 18. Jahr nit allein in der
Kapelle, sondern auch bei allen Opern und Kanunerfestinen vir-
tuose Dienste prästiert, und . . . neben andern Meriten die Durchl.
Erzherzogin schon in das 6. Jahr in dem Ciavier informieret
ohne ein einziges anderes Emolomento, indem doch die übrigen
Informatores desshalben Besoldung oder aber andere Ergötzlich-
keit zu gemessen haben." (VI. 203.)
Anton Karl Richter 1715. Ich finde den Scolaren Anton
Karl Eichter noch nit qualificiert genug zu einem Hoforganisten,
daher erachte ich für nöthig, dass er vorhero noch mehr studiere
und bis zur besseren Perfection mit dem Scolarengeld sich zufrie-
den stellen möge." (VI. 6.)
1718 3. August. Fux findet ihn (zum Organisten) „capace,
gestalten er auch schon etliche Jahre dienet, weshalb Richter in
Ansehung seines Vaters seligen (Ferd. Tob. Richter, f 1711)
grossen Meriten mit der supplicierten Wirklichkeit consoliert
werde." (VI. 33.) [Wurde als Organist angestellt.]
1726. Gelegentlich eines Gesuches um Gehalterhöhung hebt
Fux Richter's eigene in das elfte und des Vaters in das 33. Jahr
treufleissige und besonders virtuose Dienste hervor. (VI. 126.)
Joh. B. Payer 1721 .„ehmals Organist der verstorbenen
Kaiserin- Witwe (Eleonora) ist ein guter Virtuos, hat auch im
langwährenden Dienst bei Ihrer Majestät sich Meriten erworben,
ausserdem in äusserster Armuth." Fux schlägt ihn zum Hoforga-
nisten vor. (VI. 67.) [Wurde nach Antrag angestellt.]
1727. leistet gute Dienste, besonders in der Kapelle.
(VI. 132.) .
1733. ist „ein vortrefflicher Organist, und leistet mithin in
der Kapelle sonderbar gute Dienste." (VI. 206.)
1733 f 11. April, war einer von den besten Hoforganisten.
(VI. 220.)
Franz Rusovsky, 1731, „etliche Jahr wirklicher Hoforga-
nist, leistet gleich andern Hoforganisten gute und virtuose Dienste,
dergestalt, dass niemal wider ihn eine Klag vorgekommen ist";
verdient Gehalterhöhung. (VI. 183.)
F u X als Hofkapellmeister. 237
Anton Werndle 1733, früher kais. Bassist, „aus Mangel
der Stimme ein weit besserer Organist als Singer." (VI. 225.)
[Wurde Organist.]
Bassisten.
1731 Februar. Gelegentlich zählt das Obersthofmeister- Amt
10 besoldete und noch dienstvermögliche Bassisten mit 2 — 4 —
500 _ 1080 — 1300 fl., zusammen 6680 fl. Gehalt auf. (VI. 178.)
Friedr, Götzinger, Bassist 1715, „hat für die Kapelle
eine sehr starke und ausgebige Stimme, der die Last der be-
schwerlichsten Dienste gar oft allein zu tragen hat, ist beinebens
einer von den fleissigsten Dienern." (VI. 10.)
Christ. Praun, Bassist 1721, „vor allen distinguiert, hat
sich in allen Opern, Kammerdiensten, Oratorien mit sonderbarem
Lob zu dienen qualificiert gemacht." (VI. 58.)
1727 „gibt an Emsigkeit und virtü keinem nach." (VI. 147.)
1736 „wie das erwähnte jedermann bekannt ist." (VI. 238.)
Math. H nett er, 1720, „ehmals Bassist der Kaiserin-Witwe
Eleonore, ist ein guter Virtuos^ und da von den kais. Bassisten
theils wegen Unpässlichkeit gar nicht mehr dienen, theils Alters
halber sehr abzunehmen beginnen", so empfiehlt ihn Fux zur kais.
Anstellung. (VI. 52.) [Wurde angestellt.]
Ignaz (Leop.) Piellacher, 1722 Bassist, „ehmals im
Dienste der Kaiserin- Witwe Eleonore, jetzt der regierenden kais.
Majestät ist wegen seiner starken und ausgebigen Stinune der
kaiserl. Kapelle sehr anständig." [Gehalterhöhung bis 500 fl.]
(VL 77. 96.)
AntonPöck,1724 November Bassist, „hat eine gute Stimm
und Capacität, singt beinebens auch manierlich und ist noch jung
von Jahren." (VI. 103.)
1733 ist ein guter Bassist. (VI. 216.)
1736 leistet schon 13 Jahre sowohl in der Kapelle als bei
der Tafel emsige und virtuose Dienste. (VI. 241.)
JosefMoser., 1728 kais. Hof-Scolar Bassist , „hat gleich
anfangs da er die Hofkapelle zu frequentieren angefangen, die
Kapell- und Tafeldienste gleich andern kais. Bassisten emsig und
mit Ihro kais. Majestät 'Zufriedenheit verrichtet und seither immer
mehr sich perfectioniert. Er möge mit 500 fl. angestellt werden,
238 F u X als Hofkapellmeister.
doch dass er daneben das Cimbalo erlernte, damit er zu Haus bei
seinem Studio sich selbst acoompagnieren lerne, auch seinen Lehr-
meister Cristoph Praun noch femer practiciere." (VI* 153.)
1729 seit 5 Jahren Hofscolar Bassist, „obwohl ohne sonder-
bare Tiefe hat eine gute ausgebige Stimme, singt beinebens sehr
manierlich und dergestalt fein, dass, als ich ihn kürzlich in der
Kirche habe singen hören, geglaubt habe, es sei dessen Meister
(Chr. Praun) selbst, gestalten er auch seiner Qualificierung halber
mit Oratorien und welschen Cantaten-Singen bei dem Tafeldienst
genugsam Prob abgelegt hat, auch fest in der Musik gleich
anfangs wie andere wirkliche kais. Bassisten hat angefangen zu
dienen. (VI. 165.)
'Anton Ign. Werndle, 1724, durch 1 7 Jahre Hofscolar.
Fux räth nicht ein die erledigte Bassistenstelle zu verleihen, wohl
aber da er für einen Scolaren ziemlich bei Jahren, ihm die
Wirklichkeit mit einer kleinen Zulage zu bewilligen. (VI. 104.)
Marco An t. Berti, Bassist, 1724, kann mit SOThlr. monat-
liche Besoldung nicht auskommen. (VI. 97.)
1729. „So viel kann ich bekräiftigen, dass Berti ein Funda-
mental-Musicus ist, mithin nit allein in der Kapelle bei den Con-
trapunktbttchem, sondern auch vermöge der Sprache bei der
Tafel und andern Functionen gute Dienste prästiere." (VI. 160.)
1734 „ist ein guter fundamentaler Musicus, dient schon lange,
ist verheuratet und sein- bedtlrftig." (^^. 229.)
1 736 „ist ein guter und fester Musicus, leistet sonderlich in
den Functionen, welche ohne Orgel abgesungen werden, vor
andern gute Dienste, hat 18 Jahre allhier und eine Zeitlang auch
in Spanien gedient." (VI: 239.)
Tenoristen.
1719 die kais. Kapelle hat an nichts mehr, als an Tenoristen
Abgang. (VI. 42.)
1 720 kfein gei-inger Abgang in Tenoristen. (VI. 60.)
TomasoBigelli, Tenorist 1715 Juni, „hat eine wofalaus-
gebende Stimme für die Kapelle." (VI. 8.)
Jo^efTimmer, 1719 April, gew, kais. Hofscolar, kommt
um die Tenoristenstelle ein. „Er ist nit allein ein sicherer Singer
sondern auch ein guter Violinist." (VI. 42.) [Wurde angestellt.]
Fux als Hofkapellmeister. 239
1*722 April y,i8t ein guter nnd der kais. Kapelle sehr an-
ständiger Virtuos.« (VI. 70.)
1733. Tenorist mit 700 fl. Gehalt sucht um Gehaltserhöhung
an. Wird von Fux nicht dazu vorgeschlagen, weil ein anderer
Tenorist in der kais. Kapelle von gleicher Besoldung sich befindet,
welcher ihn Timmer an Gttte der Stimme und Emsigkeit weit
übertrifft. (VI. 219.)
Giulio Cavalletti, Tenorist 1723 März, wvxAe zu König
Karl m. von Rom nach Barcelona berufen, „allwo er sowohl als
Musicus so wie auch als Vice - Kapellmeister zu Ihro Majestät
höchsten Vergnügung emsige. Dienste prästiert hat", auch ,,von
Ihrer Majestät der regierenden Kaiserin, welche er in der Musik
zu informiereil schon in Barcelona die höchste Gnad gehabt hat,
ist er hieher berufen worden", — sucht Alters halber die Jubilie-
rungen. (VI. 86.) [Wurde gewährt.]
Christian Payer, 1731 kais. Tenorist, „einer von den
besten Tenoristen, ja ich darf sagen in der Kapelle prästiert er
wegen seiner vortrefflichen Stimme vor allen andern gute Dienste,
auch mit Singen welscher Cantaten sich distinguierend." (VI. 187.)
Mathias Oettl, 1720 October „ehmals Kapellmeister der
f Kaiserin- Witwe Eleonore, will kais. Tenorist werden, leistete
auf kais. Befehl schon ein halbes Jahr Kapellendienste", wird von
Fux zur angesuchten Stelle empfohlen [und angenommen]. (VI. 50.)
Gaetano Borghi, Tenorist 1721 November«, wurde vom
Kaiser ohne das Einvernehmen von Fux angestellt. (VI. 65.)
Ignaz Finsterbusch, Tenorist 1727 Juni, hat seit dritt-
halb Jahren Zutritt zur kais. Hofmusik aber ohne Gehalt, sucht
die Wirklichkeit und einen Gehalt an. „Weil Finsterbusch damals
eine ziemlich schwache Stinmi und Brust gehabt, obwohl sonst die
Art zu singen gut ist, ich aber seither meiner Unpässlichkeit in
der Kapelle ihn nicht habe singen hören" ... so enthält sich Fux
des Bathes und compromittiert auf den Kaiser. (VI. 134.)
Altisten.
■
1729 Aug. „Von keiner Stimm ist ein grösserer Abgang als
an Contralten, indem kaum 3 oder 4 in concerto Dienste prä-
stieren können, die Übrigen nur in pleno zu brauchen sind."
(VI. 164.)
240 Fax als Hofkapellmeister.
1732 Mangel an Contralten. (VI. 194.)
Gaetano Orsini, Contraltist 1727. Fux lobt ausnehmend
die „vortreflfliche Schule des Gaetana Orsini, welche heutigen
Tags fast allein die wahre Singkunst emporhält." (VI. 131.)
Lorenzo Masselli, 1723 15. December Altist, hat
früher freiwilUg auf seinen höheren Gehalt verzichtet, als er
dienstunfähig wurde. Fux rühmt deshalb dessen zartes Ge-
wissen und fast niemalen erhörte Gutheit. (VI. 88.)
Pietro Galli, Musico contralto 1732 April, kommt ein
in kais. Dienste aufgenommen zu werden. „Obwohl er Galli noch
nit franco in Musica ist, doch weil er eine gute ergebige Stimm
hat und Mangel an Contraltisten ist. . . so möge er aufgenommen
werden, doch dass ihn die Wirklichkeit nit hindern, sondern
mehr Anlass geben soll , sich zu perfectionieren." [Wurde ange-
gestellt.] (VI. 194.)
Filippo Antonelli, Contralto 1734 Jänner, „wurde von
seinem stabilierten Dienste von M. Loretto* hieher berufen, ist
auch für die kaiserliche Kapelle sehr nöthig, auch tauglich". Fux
schlägt ihn daher zur Anstellung vor. [Wurde angestellt.] (VI. 237.)
Giuseppe Appiani, Musico Contralto 1739 December,
welcher vor Ihro kaiserlichen Majestät mit Dero gusto sich hören
zu lassen die Gnade gehabt, ist ein Virtuos di prima sfera und
zur Bestreitung der Hofdienste höchst nöfliig." [Nach Antrag mit
150 fl. monatlich angestellt.] (VI. 259.)
Sopranisten.
1717 seit 2 Jahren Mangel an Sopranisten. (VI. 24.)
1727 ein merklicher Abgang an Sopranen. (VI. 135.)
^ 1733 grosser Mangel an Sopranen. (VI. 222.)
Domenico Tollini, Musico Soprano 1717 April, bittet zu
wiederholtenmalen um Jubilierung, und verlangt „für seine Ab-
fertigung seiner angebomen Modestie nach nichts anders als den
speciosen Titel eines kaiserlichen Musici behalten zu können.
(VI. 24.)
Giovanni Vincenzi, Soprano 1721, konunt um Gehalt-
erhöhung bis 80 Thaler monatlich ein; Fux räth ein sie zu be-
willigen, weil „andere seines Gleichen, die noch nit so lang dienen,
dergleichen Besoldung gemessen." (VI. 59.)
Fux als Hofkapellmeister. 241
1 726 konunt um erneute Erhöhung bis 100 Thaler monatlich
ein. Fux sagt: „Wenn nun dieser Supplicant allein und ohne
Familie sich befindet, glaubte ich, er knnnte mit 80 Thaler
monatlich gar fein und ehrlich leben: es wäre dann, dass Ihro
Majestät ans besondem Ursachen ihn auf angesuchte Weis wollten
consolierter haben. ^ (VI. 123.)
Giuseppe Monteriso, Soprano 1721 sucht eine Oehalt-
erhöhungan. Fuxurtheilt: „Wann 'dieser Supplicant in den kais.
Dienstyerrichtung«n sehr emsig, auch diesen mehr und mehr habil
zu machen, eifrigst sich lässt angelegen sein, benebens auch
andere, welche das zu prästieren nit yermöge|^, was er Monteriso,
doch viel höhere Provision geniessen", so trägt Fux auf Zulage
bis 50 Thaler monatlich an, „durch welche höchste Genad sowohl
er als auch andere zu fernerem Studio und emsigen Dienstver-
richtungen würden angefrischt werden." (VI. 66.)
1724 Juli als er wiederholt um die Erhöhung einkommt,
sagt Fux, dass er „vermög seiner Befähigung und Emsigkeit weit
erspriesslichere Dienste leistet, als viele andere, welche 50 Thlr.
monatliche Besoldung gemessen." (VI. 100.)
1733 Apr. „Monteriso ist nach Domenico Genuesi dennalen
der beste Sopran, auch treffen Monteriso bei jetzigen grossen
Mangel die meisten Dienstfatiguen." (VI. 222.)
1734 März „dient schon lange und emsig und ist fast der
einzige, auf den man sich in der Kapelle in jedem Falle zu ver-
lassen hat", daher Fux auf Gehalterhöhung bis 1400 fl. anträgt.
[Erhielt sie.] (VI. 231.)
1718 „Domenico Genuesi Soprano ist von einer sehr
guten und starken, auch annehmlichen Stimme, beinebens «icher in
der. Musik, noch jung von Jahren, also dass er nit allein in der
KapeUe, sondern auch in teatro und allen Begebenheiten gute
Dienst leisten wird." Fux räth zu seiner Aufnahme in die kaiser-
lichen Dienste mit 80 Thlr. monatlicher Besoldung. [Nach Antrag
aufgenommen.] (VI. 30.)
1733 April, Fux sagt, er sei „der beste Sopran der Hof ka-
peile." (VI. 222.)
Giovanni Carestini, Soprano 1724 wurde vom Kaiser
liieher berufen. Fux findet ihn „für die kais. Hofkapelle und
Köehei, J. J. Fax. 16
242 Fux als Hofkapellmeister.
andere Dienste branchbar. ^ [Wurde mit 80 Thlr. monatlich anf>
genommen.] (VI. 93.)
Giacomo Yitali; Soprano 1727 nach Wien berufen, um
mit 1000 Thlr. Besoldung aufgenommen zu werden. Fux findet :
^er sei ein guter Virtuos (wann er in der Kapelle, wo ich ihn nit
hab hören können, eben so gut ist, als in camera und teatro.)
[Wurde angestellt.] (VI. 135.)
Pietro Petazzi, Soprano 1 722 sucht an, als Hofscholar
anzukommen ; Fux empfiehlt ihn dazu, „da der Supplicant schon
ttber ein Jahr die kaiserliche Kapelle frequentiert, auch gute
Hoffiiung von siq)i gibt, beinebens ein Abgang an Sopranen
besteht.« (VI. 69.)
Feiice Salimbeni, Soprano 1733, wurde vom Kaiser,
ohne Fux darüber zu vernehmen, als Hofsänger mit 1000 Thlr.
Gehalt angestellt. (VI. 226.)
Sängeriueu.
1731 December waren beiHof besoldete Sängerinen: Scon-
jans = 2700 fl., Schulz sammt Mann 1200 fl., Borrosini 1800 fl.,
Borrosini 400 fl., Contini 4000 fl., Schnautz 720 fl., Holzhauser-
Beutter lOOOfl. (nächstens 1500fl.), zusammen 13.440fl. (IV. 198.)
Maria Monica Hillverding, 1720. Joh. B. Hillverding,
deutscher Comicus kommt ein, dass seine Tochter von 11 Jahren,
Maria Monica als Hofscholarin in der Singkunst aufgenommen
werde. „Weil nun die zwei gewöhnlichen Hofcantatrici schon
mehr im Ab- als Aufoehmen sich befinden, und dergleichen in
Italien dermalen sehr rar, mithin gar zu pretios sind, dieses des
Supplicanten Töchterl aber eine gute Disposition spttren lässt,
auch in der Musik einen ziemlichen Progress gemacht hat, ^uch
des theatri schon in etwas kundig ist , beineben auch die Gnade
gehabt hat, von Ihro Majestät gehört zu werden", so trägt Fux
auf Bewilligung des Ansuchens an. (VI. 49.)
Anna d'Ambreville, Cantatrice 1724 JuM, kommt ein
um Erhöhung ihres Gehaltes von 80 auf 100 Thaler monatlich.
,, Weil nun die meisten kaiserlichen Virtuosen von der ersten Linie
100 Thlr. monatlich geniessen, die Sängerinen aber jederzeit
distinguiert worden sind mit 3 — 4000 fl. jährlicher Besoldung^ ,
so ^IH^bpIflMI Mf Bewilligung des Ansuchens. (VI. 101.)
Fux als HofkapellineiBter. 243
1725 A. kann unter 100 Thlr. monatlich nicht leben. Fnx
stimmt für die angesnchte GehalterhOhnng^ „weil sonst eine
andere^ welche vielleicht auch nit viel virtuoser sein würde, wohl
mit doppelten oder dreifachen Spesen mttsste unterhalten wer-
den.^ (VL 111.)
Lucrezia Panizza, Cantatrice 1723, des verstorbenen
6iov. Pietro Panizza, gewesenen Burggrafen zu Trient hinter-
lassene Tochter „gibt an, dass sie in einer Oper gesungen habe,
worüber Ihro kais. Majestät Wohlgefallen hätte verspüren lassen,
auch auf kais. Befehl in Abgang anderer Parte hätte auswendig
studieren müssen. Sie kommt daher ein, in wirkliche kais. Dienste
aufgenommen zu werden mit einer geringen Provision, dass selbe
das Leben durchbringen könne. Da es sich nun zum öftem
ereignet, dass ein oder anderer Sänger oder Sängerin durch
Katarrh oder andere Umstände verhindert die Parte zurück-
schicken , mithin die Oper oder andere Dienste ihren Fortgang
nit haben können, diese Supplicantin aber capace ist, gar in
einer kurzen Zeit einen Parte auswendig zu lernen", so räth
Fux, dieselbe mit 400 fl. jährlich aufzunehmen. [Wurde aufge-
nommen.] (VI. 91.)
Anna Barbara Bogenhofer, Sängerin 1727. Jänner
„aus der vortrefflichen Schule GaetanoOrsini, nachdem sie sowohl
in Opern, als auch andern Begebenheiten bei dem kais. Hofe
öfters ihre Prob mit nicht geringem Lob erwiesen, komtnt ein,
als wirkliche kais. Sängerin aufgenommen zu werden. Wann nun
diese Supplicantin neben der guten Stimm und Capacität nicht
eine geringe virtü schon erworben hat, auch zu hoffen ist, dass
durch die vortreffliche Anfbhrung ihres Lehrmieisters eine von
den besten Sängerinen mit der Zeit werden wird, als ist meine
wenige, doch zum kais. Dienst erspriessliche Meinung, sie Rogen-
hofer möchte mit 40 Thlr. monatlich ad interim in die Wirklich-
keit aufgenommen werden, zur Consolation auch des Lehrmeisters,
welcher diese seine Scholarin bisher nit allein gratis informieret,
sondern auch auf seine eigenen Unkosten mit aller Nothdurft
verpfleget hat. (VI. 131.) [Wurde mit 400 fl. jährlich als Hof-
scholarin aufgenommen.]
1727 Juni wiederholt ihr Gesuch um wirkliche Anstel-
lung. Fux beruft sich auf sein früheres Parere, und auch ihr
16*
244 Fux als Hofkapellmeister.
Lehnneister Gaetano Orsini findet sie „nit allein capace, solche
Stelle zu vertreten, sondern auch zum kais. Dienst nöthig zn sein.^
Fux wiederholt seineu früheren Antrag auf 40 Thaler monatliche
Besoldung mit dem Anfang von 1726. (VI. 136.) [Erhielt das
Placet des Kaisers.]
1733. Rogenhofer - Schnautz kommt um Erhöhung des Gre-
haltes bis 1200 fl. ein. Fux stimmt bei. (VI. 223.)
Marianna Lorenzoni (Conti), Cantatriee 1726 August.
Nachdem Ihre kais. Majestät sich belieben haben lassen, selbe
in Dero Dienste zu nehmen mit 4000 fl. jährlicher Besoldung,
kommt a. u. ein um ihre Expedition. Dass also ich meines Ortes
nichts beizutragen habe, als einer hohen Obrigkeit sdches ge-
horsam zu hinterbringen. (VI. 119.)
Theresia Holtzhauser, 1728 Februar, „welche in Opera
und verschiedenen Begebenheiten bei Hof ihre Prob gesungen
hat, kommt ein als wirkliche Sängerin angestellt zu werden.
Da nun diese Supplicantin mit einer ohne allen Mangel trefflichen
Stimme begäbet, beinebens auch in der Musik dergestalt fest und
sicher ist, dass sie prima vista, fast alles singen kann, welches ihr
wenige Sängerinen nachthun können, mithin zu der Musik geboren
scheinet, als ist meine wenige, doch zu Ihro kais. Majestät Dienst-
beförderung hauptsächlich zielende Meinung, sie Holtzhauser
möchte in die, wirklichen Dienste aufgenommen werden, auf das
wenigste mit 40 Thalem monatlicher Besoldung. (VI. 156.)
1728 10. December wiederholt ihre Bitte um Anstellung.
Fux beruft sich auf sein irttheres Parere und fügt hinzu , „dass
die Supplicantin von einer vortrefflichen , und durch eine Exten-
sion von drei Octaven gleichen Stimme, guten Triller und beson-
deren talento, benebens auch, welches bei den Sängerinen sehr
ungemein ist, vollkommen fest in der Musik sei , dergestalt , dass
selbe viel beitragen würde zur Verbesserung der kais. Theatral-
und Kammermusik*, um so viel mehr, als selbe noch jung, mithin
innner besser werden kann." [Wurde mit 750 fl.. angestellt.]
(VI. 158.)
1730 September konunt um Erhöhung ihres Oehaltes auf
1000 fl. ein. Fux stimmt dem Gesuche bei, „da fast keine von
den Sängerinen ist, welche alles prima vista zu singen capace ist,
gleich diese Sängerin prästieret. (VI. 171. 172.) [Wurde genehmigt.]
Fux als Hofkapellmeister.. 245
1732 Februar kommt um Erhöhung ihres .GehalteB auf
1500 fl. ein. Fux meint ^ es wllrde für ihre Meriten nit viel sein,
wenn ihr Gehali bis zu diesem Betrage erhöht würde. — Die
Cöneertations-Commission fügt hinzu, dass andere, die ihr in virtti
niebt beikommende kais. Sängerinen, namentlich die mit 1800 fl.
stipendierte Borrosini und die mit 1620 fl. jährlichen Gehaltes
begnadigte Perroni eine weit grössere Besoldung als die Suppli-
cantin gemessen. [Nach Antrag genehmigt.] (VI. 192.)
1734 December kommt ein, der Sängerin Pisani, die jünger
als sie im Dienst und 3000 fl. erhalten habe , gleich gestellt zu
werden. Fux findet das Gesuch billig, um so viel mehr als die
Reutter (Holzhauser) an Festigkeit der Musik der Pisani weit
überlegen ist. (VI. 233.)
1737 Mai dankt lUr die allermildest geschenkten 4000 fl.,
womit sie jedocli«käum ihre Schulden habe bezahlen können,
und bittet um Vermehrung ifires bisherigen Gehaltes von 1500 fl.
Fux meint, „weil diese Supplioantin nit allein alle kais. Hofdienste
gleich den vorigen vornehmsten Sängerinen, welche eine jähr-
liche Besoldung von 4000 fl. genossen haben, verrichtet, sondern
auch selbige an Festigkeit in der Musik weit übertrifil , folgsam
gleichmässige Besoldung anhoffen könne, dass sie wegen der
jetzigen schweren Zeiten sich mit der Besoldung der Hofsän-
gerin Scoonjans von 2700 fl. begnügen werde." [Der Kaiser bewil-
ligte eine Erhöhung bis 2500 fl.] (VI. 247.)
Barbara Pisani, Sopramsta 1731 December, kommt ein
in die kais. Dienste aufgenommen zu werden. Fux meint: „Weil
diese Virtuosin eine vortrefBiche Stimm und eine gute Art zu
singen habe, so habe sich Se. Majestät dem Vernehmen nach
entschlossen, sie in Ihre Dienste aufzunehmen, lieber die Be-
soldung weigert sich Fux etwas auszusprechen, weil er nicht
wisse, wie -stark sie in der Musik sei, und wie sie sich auf
dem Theater aufführen werde. [Wurde mit 1500 fl. angestellt.]
(VI. 189.)
1733 Februar kommt wegen Schulden um Erhöhung ihres
Gehaltes von 1500 fl. ein: Fux räth wegen Kürze ihrer Dienst-
leistung nicht ein. (VI. 208.)
1734 März konmit abermals um Gehalterhöhung ein. Fux
meint : „Weil diese Supplicantin mit einem ordinari accresciment
246 Fux als Hofkapellmeister. .
nit züirieden sein wird^ ihr auch nicht geholfen würde , und anf
ein grosses Quantum wegen der Folgen nit einrathen könne , so
mtlsse es auf den Ausspruch des Kaisers ankommen.^ (VI. 228.)
1734 Juli erklärt ohne 3000 fl. Gehalt könne sie nicht aus-
kommen. Fux meint mit Rücksicht auf andere Sängerinen ; die
3.1—4000 fl. genossen haben y möge man auch der Bittstellerin ihr
Verlangen gewähren. (VI. 232.)
Violinisten.
Peter Schmelzer, kais. Violinist 1729 December, ist
wegen stropierten Fingers gar nicht mehr dienstfähig (VI. 167),
ebenso ganz oder grösstentheils unfähig sind die Violinisten:
Jos. (Joh. Jacob?) Hof er wegen Kränklichkeit, und Johann
(Jos.?) Franck altershalber, Nicolo Matteis, Paul Al-
ber wegen hohen Alters, Ferdinand Lemberger wegen
geschwundenen Armes, Nicola Angropoli wegen Krankheit
in Italien, Karl Hartmann wegen blöden Gesichts, Josef
Fasching stropiert, Leo.pold Libano ebenso. (VI. 167.)
* Joh. Alber, kais. Violinist 1733 Jänner sucht um Gehalt-
erhöhung an. Fux stimmt bei , „da des Supplicanten grosse Be-
scheidenheit in Consideration zu ziehen ist, dass er durch so
viele Jahre um kein accresciment eingekommen ist, welches ver-
mög seiner so emsigen und guten Dienste er gar wohl hätte thun
können." (VI. 200.) [Genehmigt.]
Franz Eeinhard, kais. Violinist 1722, gegen 22 Jahre,
ist ein distinguierter Virtuos. (VI. 74.)
Ferd. Woller, 1726 gegen 20 Jahr kais. Violinist, macht
ein Ansuchen um Gehalterhöhung, das Fux sehr billig findet.
(VI. 124.)
Johann Otto Eosetter, 1727 durch 20 Jabre kais.
Violinist von besonderer virtü. (VI. 145.)
Karl Tomaso Piani 1718 dient als kais. Violinist emsig
seit einem Jahre, und hatte in Baiem weit mehr als 30 Thaler
monatlich. (VI. 29.) [Wurde mit 75 fl. monatlich angestellt.]
1726, erhielt gelegentlich seiner Verheuratung vom-Kaiser
eine Erhöhung des Gehaltes bis 90 fl. monatlich. (VI. 113.)
Leopold Libano 1721 durch drei Jahre kais. Violinist
ohne Gehalt , war früher Hofscholar, ist ein guter Virtuos und in
Fux als Hofkapellmeister. 247
kaig. Dienet gar wohl zn gebrauchen. Fnx schlägt ihn fhr die
wirkliche Anstellung mit 30 Thlr. monatlichem Gehalt vor. [Nach
Anirag angestellt.] (VI. 62.)
. 1729 wurde im Dienst bei einer Fahrt nach Laxenburg ein
Krüppel, bittet um Erhöhung seines Gehaltes um sich eines
Wagens bedienen zu können. Fux räth, da Libano einer von den
besten und emsigsten Violinisten ist, auf eine jährliche Gehalt-
erhöbung von 100 fl. (VI. 161.)
Joh. Ign. Angermayer 1722December Hofscholar, „hat
sich dergestalten in der Violin qualificiert gemacht, dass er
schon durch etliche Jahr gleich andern wirklichen Hof- Violini-
sten seine Dienste prästieret. ^ Fux schlägt ihn zum wirklichen
Hofnolinisten mit 500 ' fl. Gehalt vor. ptVurde mit 450 fl. ange-
stellt.] (VI. 79.)
1726 September bittet er aus Mailand, wo er um die Com-
position zu studieren sich aufhielt und .ausser seinem Gehalt von
1600 fl. bis 5000 fl. Schulden gemacht habe, um Aushilfe in
seiner bedrängten Lage. Fux nennt ihn einen jungen verderbten
Menschen, der nicht um zu studieren , sondern von seinen Gredi-
toren gedrängt wegen unntltz gemachter Schulden von 3000 fl.
sich von Wien geflüchtet habe, wesshalb F. von sich weist auf
Unterstützung anzurathen. (VI. 123.)
Franz Josef Timmer, 1727 December „seit 1718 wirk-
licher Hofviolinist zugleich Musicus der Kaiserin- Witwe Eleonore
ist einer von den emsigsten Dienern, dergestalt, dass er sich
rühmen kann, nie einen Dienst ausgelassen zu haben.^ (VI. 149.)
1730, wiederholt sein Gesuch um Gehalterhöhung, Fux sein
Parere. (VI. 175.)
1732, T. entleibte sich aus Trübsinn. Fux rühmt noch nach
seinem Tode , dass er dem kais. Ofchestro trefflich angestanden
sei. (VI. 197.)
Bernhard Ziller 1736, 17 Jahre kais. Hofviolinist kommt
um Gehaltverbesserung ein. Wird auf spätere Zeiten vertröstet.
(VI. 240.)
Johann Georg Hintereder, 1718 Juni „Se. Majestät
haben resolviert den Violinisten H. in Dero Dienste aufzunehmen.
Als Gehalt schlägt Fux 30 Thlr. monatlich vor, wenn Ihre Majestät
248 Fux als HofkapellmeiBter.
nicht in Ansehung der virtü des Snpplicanten ihn mit etwas mehr
begnaden wollen." (VI. 31.)
1723 kommt um Gehalterhöhung ein, weil er heuraten will.
Fux stimmt bei, „da Snpplicant nit allein durch seine virtü und
emsige Dienstleistung^ sondern auch durch sein PriTatstudinm
sich distinguieret." (VI. 83.)
1731 ein ähnliches 6esu<;h. Fux begutachtet beisthnmend^
„weil der Supplikant einer von den stärksten in der Musik unter
allen kais. Violinisten ist, massen er auch in der Composition
gar wohl erfahren ist." (VI. 185.)
1733, ein gleiches Gesuch befürwortet Fux in gleicherweise.
(VI. 221.)
1740 März H. ist in Schulden gerathen und bittet um Au&-
hilfe. Fux empfiehlt ihn als einen der virtuosesten und in kais.
Diensten emsigsten Violinisten. (VI. 260.)
Franz Karl Pernember, 1726 Violinist, „welcher wegen
seiner virtü unter die ersten kann gezählt werden, wird von Fux
empfohlen, dass auf ihn wegen seiner virtü und eigenen Ver-
dienste, auch wegen der meriten seines Vaters, der über 20 Jahre
als kais. Hoftrompeter dient , bei Besetzung eines Platzes reflec-
tiert werde. (VI. 117.)
1727 kommt um eine kais. Violonisten-Stelle ein. Fux räth
nicht dazu ein, weil er den Violon nur per accidens spielt, denn
Fux kann nicht verwilligen , dass ein so guter Violinist in einen
schlechten Violonisten sollte verwandelt werden. (VI. 140.)
1731 März kommt um Erhöhung seine» Gehaltes von
400 fl. ein. Fux schlägt für ihn , der einer von den besten kais.
Violinisten und überhaupt ein grosser Virtuos auf seinem In-
strumente ist, wenigstens, 100 fl. jährliche Aufbesserung vor.
(VI. 184.)
1732 bittet neuerdings um Gehalterhöhung, weil er in Schul-
den bis über die Ohren stecke. Ungeachtet F. von den jüngeren
Violinisten, auch erst unlängst ihm 60 fl. sind zugelegt worden,
so meint Fux, „weilSupplicant ein guter Virtuos und in äusserster
Noth ist, so könnten ihm doch noch 80 fl. aus Gnade zugewiesen .
werden. (VI. 196.)
Filippo Salviati, 1718 December. „Weil dieser Knab
noch in so jungen Jahren ein sonderbares Naturell in dem Violin
Fnx als Hofkapellmeister. 249
spüren lässt nnd Ihre kais. Majestät ihm ein allei^ädigstes con-
tentö gezeigt haben^, so schlägt Fax denselben zum Hofscholaren
vor. (VI. 38.)
1721 April bittet als Hofscholar zu seiner Fortbildung nach
Italien reisen zu dürfen. Fux stimmt für ein Reisegeld, da die
hiesigen Meister keinen Scholaren in Kost und Wohnung nehmen,
welches doch sowohl zur Information als Education höchst noth-
wendig ist; sonderlich bei diesem Supplicanten, welcher wegen
seines frischen und feurigen Geistes niemals aus des Lehrmeisters
wachsamen Augen gelassen werden solle. (VI. 54.)
1727 November kommt, „nachdem er als Hofscholar fast neun
Jahr dem Studio in Violin und Contrapunkt unter Anführung der
berühmtesten Meister in Italien mit grosser Emsigkeit obgelegen
sei und zur Bestreitung der Unkosten seine assignierte Provision
nit zulänglich gewesen'^ — um die Wirklichkeit ein. Fux schlägt
ihn dazu vor, „als einen Hofscholaren, der sich capace gemacht,
virtuose Dienste zu prästieren." [Wurde angestellt.] (VI. 142.)
Joh. Ernst Muffat 1728 Violinist unter Kaiser Josef I.,
später (1714) reduciert, bittet um kais. Wiederanstellung. Fux
empfiehlt seine Bitte, da er bereits seit 14 Jahren vertröstet wurde
und er noch der einzige unconsolierte ist. (VI. 156.)
1730 kommt neuerdings um Wiederanstellung ein, die Fux
warm befürwortet. (VI. 169.) [Wurde angestellt.]
Johann Paul Hammer, 1729 August in das achte Jahr .
VioUnista supemumerarius kommt um die WirkHchkeit ein. Fux
kann ihn dazu nfcht vorschlagen, aber sagt, dass er lange emsig
und fleissig dient und wegen der vielen impotenten Violinisten
der Hofkapelle sehr nöthig .wäre. (VI. 166.) [Wurde 1732 an-
gestellt.]
Ferd. Grossauer, 1732 April Violinist bittet in die kais.
Kapelle aufgenommen zu werden. Fux sagt von ihm: „Dieser
Supplicant ist «in sehr guter Virtuos, welcher eine treffliche
areada, gute Intonation, perfectes Tempo und musicalisches Ge-
hör hat^, und empfiehlt ihn zur Aufnahme. [Wurde nach Antrag
aufgenommen.] (VI. 193.)
IgnazSt«dlmann, 1735 kais. Hofscholar 4n Violin kommt
um die Wirklichkeit ein. Fux räth dazu, „weil der Supplicant nit
allein genügsame Fähigkeit für einen wirklichen Violinisten hat.
250 Fux als Hofkapellmeister.
sondern wohl auch ein Virtuos kann genannt werden.^ [Wurde
angestellt.] (VI. 235.)
1737 kommt um Gehalterhöhung ein^ wozu Fux beistimmt,
^als derselbe ein Virtuos ist, so unter die besten zu rechnen ist.^
(VI. 244.)
KarlJos. Denk, 1731 bisher Balletspieler bei Hofe, Sohn
der Amme des Kaisers , bittet Hofscholar zu werden. Fux befür-
wortet diess, ,,da dieser Jüngling schon alle Dienste gleich andern
kais. Violinisten zu verrichten capace ist." (VI. 190.)
Violoncellisten.
Job. Gramme r, 1722 October in die 22 Jahre kaiserlicher
Violoncellist kommt um Vermehrung seiner Besoldung von 460 fl.
ein. Fux trägt an auf Erhöhung bis 600 fl., „weil er wegen Em-
sigkeit im Dienen und christlichen Lebenswandels andern zum
Exempel dienen kann, auch unlängst durch eine kostbare Krank-
heit völlig in Ruin kommen ist." (VI. 76.)
Franz Peter Schnautz, 1719 will als kaiserlicher Vio-
loncellist aufgenommen werden. Fux findet ihn dazu geeignet,
„da er sich bereits bei allen Hofdiensten mit seinem Violoncell
brauchen liess und er auch ein guter Virtuos auf diesem Instru-
ment igt." [Wurde angestellt.] (VI. 43.)
Giovanni Ferroni, 1725 bittet um Gehalterhöhung, da
^r Freunde in Mailand erhalten müsse und Schulden habe. Fux
begutachtet : ,,Ich lasse dieses Supplicanten Schulden und Fami-
lia an seinen Ort gestellt sein ; was aber dessen wtü und Dienst-
verrichtungen anbelanget, muss ich bekennen, dass an Emsigkeit
und unermüdenden Fleiss bei allen Diensten er andern zu einem
Exempel sein könne." (VI. 115.)
Franz Karl Drenger, 1718 hat als Flötist dem Kaiser
gefallen, bittet um Scholarengehalt, um seine Studien fortsetzen
zu können. Fux bemerkt: „Weil ich jüngst, da er sich abermals
bei der Tafel hören liess ein sonderbares Naturell hab abnehmen
können, so möge der Supplicant mit so viel consoliert werden,
dass er in Neapel in einem Conservatorio sein Studium fortsetzen,
und das Violoncell, welches nöthiger, als die Flöte, erlernen
könne." (VL 28.) [Wurde 1725 kais. Violoncellist.]
Fux als Hofkapellmeister. 251
VioloDisten.
1722. „Weil Supplicant (K. J. Gigl) den Violon nur per ac
cidens ein wenig streichen kann, finde ich ihn bei den dermal
Üblichen so schweren Bässen gar nicht tauglich flir einen
kais. Hof-Violonisten. (VI. 68.)
Andreas Freitig, 1719 f kais. Violonist, „hat in die 32
Jahre dem Durchl. Erzhaus von Oesterreich emsigst gedient."
(VI. 45.)
Anton SchnautZ; 1720 kais. Violonist. Fux ist für seine
Gehalterhöhung; weil er einer von den emsigsten Dienern ist.
(VI. 48.)
1727. „A. Schnautz, durch viele Jahre mit grössten
Ruhme kais. Violonist ist in erbarmungswürdige Armuth verfal-
len, dergestalt, dass er sein Weib sanunt fünf kleinen Kindern aus
Mangel nothwendiger Kleidung &uf ein Dorf hinauszugeben ist
gezwungen worden, er selbst aber aus Furcht des Personal-
Arrestes mehrentlieils flttchtig geht. Wann nun höchst zu be-
dauern ist , dass ein solcher Virtuos , dergleichen kaum mehr zu
hoffen ist verderben sollte", so räth und bittet Fux für ihn um
kräftige Aushilfe. (VI. 148.)
Franz Peter Schnautz, kais. Violoncellist 1722 18. April,
sucht an Violonist zu werden. Fux trägt darauf an, „da der Sup-
plicant den Violon auch sehr wohl spielet, und an Violoncellisten
ohnehin kein Abgang ist". (VI. 72.) [Wurde Violonist.]
1731. „S. hat schon 16 Jahr die kais. Instrumentenkam-
mer unentgeltlich verwaltet, auch ist ihm seit 1722 den Vio-
lon zu spielen aufgetragen worden , mithin habe er keine Woche
frei, weil sonst nur ein Violonist dermalen beständig vorhanden
ist, indem der aus Spanien gekommene Violonist Domenico
Apuzzo wegen schlechten Gesichts wenig mehr dienen kann." Fux
findet daher sein Ansuchen um Gehalterhöhung billig. (VI. 188.)
Gambist.
Franz Hueffnagel, kais. Gambist 1717. Fux rühmt ,,die
unvergleichliche virtü" des bereits verstorbenen. (^. 26.)
252 Fax als Hofkapellmeister.
Teorbist.
Francesco Conti f tais- Compositor und Teorbist 1733.
Fux rühmt des Verstorbenen „durch 33 Jahre geleisteten ganz
besonderen virtuosen Dienste." (VI. 205.)
Cymbalist.
•
MaxHellmann, 1724, „welcherungefUhrvor 5 Jahren von
Ihre kais. Majestät dem famosen polnischen Gymbalisten (Pan-
taleon) als ein Scholar ist mitgegeben worden, dieses difficultose
Instri^nent zu lernen, kommt a. u. ein, nachdem er nach
vollendeten Lehrjahren von Dresden wieder zurückberufen wor-
den, als kais. Cimbalista aufgenommen zu werden. Weil nun
Ihre kais. Majestät den Supplicanten mit Unkosten zu dem Ende
verschickt haben , folgt von sich selbst und ist auch meine Mei-
nung, dass, weil dieser Scholar in diesem beschwerlichen Instru-
ment solche Progressen gemacht hat, dass, wo er seinen Meister
nit übertrifft , aufs wenigste nicht nachgibt, der Supplicant billig
in die kais. Dienste soll aufgenommen werden, und zwar mit
1000 fl. Gehalt." [Wurde nach Antrag angestellt.] (VI. 95.)
1725 Juni Hellmann weiss sich wegen Schulden nicht
zu helfen und bittet um erkleckliche Aushilfe. Fux bemerkt
darüber: „Weil mir bewusst, dass dieses Supplicanten elender
Nothstand (in welchen er vielleicht wohl auch aus der Jugend
gemeiniglich angebomen üblen Wi^thschaft theiis verfallen mag
sein) also beschaffen ist, dass sofeme ihm nit durch eine kais.
Gnad geholfen wird, er unfehlbar verderben müsste. Weil nun
höchst schade wäre um dessen unvergleichliche und mit grossen
kais. Unkosten erlernte virtü, so möge er durch eine adjuta von
wenigstens 400 fl. vom Untergang gerettet werden." (VL 112.)
1727 kommt wegen kostbarer Besaitung seines Instru-
mentes um Gehaltvermehrung ein. Fux findet das Gesuch billig
und trägt auf Gehalterhöhung von 200 fl. an. (VI. 133.)
1732 bittet aus demselben Grunde um Erhöhung seines
Gehaltes von 1000 fl. um 400 fl. Saitengeld, wie der Teorbist
geniesset. Di«s scheint Fux gar billig zu sein. (VI. 199.)
Fux als Hofkapellmeifiter. 255
PosauniBten.
Leopold Christian^ 1715 kais. Trombonist kommt ein
um Gehalterhöhung. Fiix berichtet: „Wejg^en des Supplicanten^
welcher in seinem Instrument seines Gleichen nit hat, und daher
die schwer^sten Executionen ihn allein treffen , kann ich wegen
oben angezogener Motive nit anders als einratheu; dass ihm mo-
natlich noch 10 fl. allergnädigst beigelegt werden." (VI. 18.)
1724 derselbe kommt ein, dass sein Söhnlein von zehn
Jahren königl. Hpfscholar werde. „Weil nun diese Familie das
durchl. Haus von Oesterreieh schon über 50 Jahre her in diesem
der Kapelle so anständigen Instrumente auf eine ungemeine Weise
bedienet , dergestalt , dass offenbar ist^ dass dieses Instrument
denen Christian angeboren sei; als ist meine unmassgebliche
Meinung, der Supplieant möchte allergnädigst consoliert werden,
doch dergestalt, dass die Scholarenbesoldung von 360 fl. nit d6m
Knaben , sondern dem Vater beigelegt werde , bis der Sohn im
Stande sein wird, in kais. Dienste einzutreten, wodurch der Vater,
welcher der erste Virtuos in der Welt in diesem Instrumente ist,
angefrischet werde, den Sohn dahin anzuhalten, damit dieses In-
strument auf gleiche Weise der kais. Kapelle erhalten werde.''
(VI. 102.)
1727 derselbe sucht eine Gehalterhöhnng an. Fux äus-
sert sich hierttber: „Er, Supplieant, stehe in Gefahr, bei seinem
ohnehin beschwerlichen Instrument (durch äusserliche Dienste)
sich zu ruinieren oder aufs wenigste die kais. Dienste nit mit
solcher Perfection wie dermalen zu verrichten , und da derselbe
ein solcher Virtuos ist, der seines gleichen nit findet, auch schwer-
lich mehr einer zu hoffen ist, mithin an dessen längerer Cou^er-
vation nit wenig gelegen ist, sohlst meine zum kais. Dienste
vorträgliche Meinung, seine dermalige Besoldung von 750 fl.
auf 1000 zti vermehren, doch mit dem ausdrücklichen Befehl,
dass er gleich bei dem Antritt dieses Genusses den Dienst bei
St. Stephan aufgebe." (VI. 127.)
Leopold Christian der jüngere, 1721 bittet um Ge-
haltverbesserung. „Weil dieser Supplieant ein solcher Virtuos ist,
dergleichen weder in vergangenen Zeiten, weder vielleicht in zu-
254 Fux als Hofkapellmeister.
künftigen keiner sich finden wird", so trägt Fux anf Vermehrung
seiner Besoldung bis 40 Thaler monatlich an. (VI. 55.)
1726 bringt ein gleiches Gesuch ein. Fux wiederholt, dass
„der Supplicant vermög seiner besondern virtfi weit ein mehreres
ineritierte, massen er in seinem Instrument seines Gleichen nit
hat«. (VI. 121.)
Andreas Boog, 1720 October gewesener Eleonorischer
Trombonist kommt um die kais. Anstellung ein. „Weil in der
Kapelle dermalen ein einziger dienstfähiger Trombonist sich be-
findet, deren sonst aQezeit vier gewesen sind, so beantragt Fux
seine Anstellung. [Wurde angestellt.] (VI. 51.)
1721 über dessen Gesuch um Gehalterhöhnng begründet
Fux seinen Antrag auf Bewilligung damit , dass „Boog nit allein
ein guter Virtuos sei, sondern auch in seinen Dienstverrichtungen
sonderbar emsig sich au£Ptthre, benebens auch seine Armuth be-
kannt sei.« (VI. 64.)
1731 gelegentlich eines ähnlichen Gesuches bezeichnet ihn
Fux als einen sehr guten Virtuosen , der emsig im Dienen , auch
privatim auf seinem fatigosen Instrumente unaufhörlich sich
exercieret. (VI. 186.)
Anton Steinbruckner, 1721 kommt nach Johann Chri-
stian's Tode um die Stelle eines kais. Posaunisten ein. Fux nennt
ihn dazu sehr tauglich und einen guten Virtuosen. [Wurde ange-
stellt.] (VI. 63.)
Ignaz Steinbruckner, 1724 kommt nach seines Bruders
Anton Tode um die erledigte Trombonistenstelle ein. Fux schlägt
ihn als guten Virtuosen vor. [Wurde angestellt.] (VI. 99.)
Jägerhornisten.
Friedrich Otto und .
Wenzel Rossi, Waldhomisten 1715 kommen um Erhö-
hung ihres Gehaltes von 20 Thalern monatlich ein. Fux findet die-
sen Gehalt allerdings gering, beinebens sei aber zu reflectieren,
dass selbe selten und wenig Dienst bei der Musik haben. (VI. 14.)
1725 kommt Rossi ein, als Oboist mit 500 fl. angestellt zu
werden. Fux findet, „dass Rossi nicht capace sei, als Oboist zu
dienen, da er die Hautbois nur per accidens und für sein diver-
tissement tractieret hat. Auch würden ihm 500 fl. Besoldung in
Fux als Hofkapellmeister. 255
seinem Elend mit Weib nnd neun lebendigen Kindern wenig hel-
fen. Deshalb ihm die von R. länger angesnehte Licenz sich von
hier zu retirieren zu ertheilen sei." (VI. 107.)
Trompeter.
Sebastian Nassoto, 1719 musicalischer Trompeter
kommt um eine Scholarenstelle für seinen Sohn Josef ein. In An-
sehung der so vieljährig treu-emsigen Dienste des Vaters befllr-
wortet Fux das Gesuch. (VI. 40.)
Josef Hollandt, 1718 musicalischer Trompeter wird von
Fux in dessen Gesuch um Gehalterhöhnng unterstützt ^ „weil H.
vor allen andern vermöge seiner raren virtü sich distinguieret."
(VI. 34. 39.)
Ernst Sessler, 1727 früher der Kaiserin- Witwe Eleonore
jetzt kais. Hof- und Feldtrompeter kommt um einen erledigten
höheren Gehalt ein. Fux rühmt von ihm, dass er „bei allen vor-
fallenden Begebenheiten sehr gute musicalische Dienste prästie-
ret habe". (VI. 138.)
Johann Hainisch, 1727 musicalischer Hoftrompeter
kommt um höheren Gehalt ein. Fux rühmt von ihm, dass er „in
seiner virtü sich distinguieret und treffliche musicalische Dienste
prästieret." (VI. 137.)
1732 bei gleichem Anlass berichtet Fux: „Obwohl dermalen
keine musicalische Besoldung vacant ist, jedoch weil dieser Süp-
plicant ein ganz besonderer Virtuos ist, dergestalt, dass es ihm nit
allein kein Trompeter bevorthun wird, sondern er auch gewisse
Töne auf der Trompete glücklich erfunden hat, welche die Kapell-
meister zwar bisher gewünscht, aber kein Trompeter hat können
zuwege bringen , so ist meine pflichtmässige Meinung, Hainisch
möge wegen seiner ungemeinen virtti mit noch 200 fl. mithin bis
400 fl. jährlich allergnädigst accresciert werden, wodurch er mit
weniger Sorg seinem Studio obliegen könne und angefrischt
werde, ferner nachzusinnen." (VI. 195. 217.)
Fagottisten.
Joh. Franz Sturmb, kais. Fagottist f 1733 hat in das
42. Jahr gute Dienste geleistet. (VI. 215.)
256 Fux als Hofkapellmeister.
Karl Maillardy kaig. Fagottist 1733 Jänner „ist ein- sehr
alter nnd dergestalt miselsüchtiger Mann, dass er muthmasslich
garnit lang mehr leben wird." [f 15. März 1733.] (VI. 204.)
Franz Martin Sturmb, 1733 in die 33 Jahr kais. Fagot-
tist (des obigen Sohn) kommt um Gehalterhöhnng ein. Fux be-
fürwortet das Gesuch, „weil der Supplieant dermalen im Range
der älteste Fagottist, auch virtuos und emsig im Dienen ist."
(VI. 215.)
TobiasWoschitka, 1721 April fürstl. Liechtensteini-
scher Fagottist kommt ein, kais. Fagottist zu werden. Fux räth zur
Aufnahme, „obwohl dermalen vier Fagottisten sich befinden, aber
wenig zum dienen mehr* tauglich sind, wodurch zuvörderst der
Tafeldienst leidet, ausserdem ist der Supplieant ein guter Virtuos."
[Wurde angestellt.] (VI. 56.)
Joh. 6. Schindler, Fagottist 1722 April, war kön. Fagot-
tist in Spanien, wurde dann in Wien reformieret und vertröstet,
kommt ein, kais. Fagottist zu werden. Fux kann nicht einrathen,
weil er bereits einen andern in Vorschlag gebracht hat, „ungeach-
tet Seh. auch seine Meriten und Habilität hat." [Wurde angestellt.]
(VI. 72.)
Johann Jacob Friedrich, 1727 kais. Fagottist' kommt
ein um Gehalterhöhung. Fux sagt: „Obwohl Supplieant nit lang
in kais. Diensten stehet, weil er aber ein besonderer Virtuos und
s^hr gebraucht wird, massen fast keine Woche vorbeigeht, wo er
nit 1 oder 2 Mal mit seinem beschwerlichen Instrument mass
sich hören lassen nit mit geringer Satisfaction der allergnädig-
sten Herschaften", so befllrwortet Fux eine Zulage von 300 fl.
(VI. 129.)
1733 April kommt um Gehalterhöhung bis 1080 fl. ein. Un-
geachtet Fr. als einer der jüngsten Fagottisten doch bereits den
höchsten Gehalt von 1000 fl. geniesst, so ist doch Fux nicht
gegen die letzte angesuchte Erhöhung, weil Fr. ein besonderer
Virtuos ist, (VI. 214.)
1737 in der gleichen Angelegenheit rUhmt Fux, dass Sup-
plieant in seinem Instrument ein ganz besonderer Virtuos ist und
neben den ordinari Diensten die aller^ädigsten Herschaften
mit Soloblasen öfters divertieret. (VL 243.)
Fux als HofkapeUmeiBter. 257
Anton Maillard; kais. Fagottist 1733 wird wegen Gehalt-
vermehrang auf den nahen Tod seines ^miselsttchtigen^ Vaters
vertröstet. (VI. 204.)
Franz Philipp Friederich, 1739 December, ein Sohn
des kais. Fagottisten Friederieh kommt um die erledigte Stelle eines
kais. Fagottisten ein. Fox schlägt ihn dazu vor mit 500 fl. Ge-
halt, „dieweil dieser Snpplieant nicht allein die kais. ordinari
Dienste zu versehen ftlhig ist, sondern aach vermög des annehm-
lichen nnd reinen Tons , so er aus seinem Instramente hervor-
bringet, mit Soloblasen einen gnsto geben kann^. []Nach Antrag
angestellt.] (VI. 256.)
Oboisten.
Franz Xav. Glätzl, 1715 reformierter Hoboist kommt ein,
wieder in Dienst aufgenommen zu werden. „Weil der Supplicant
ein guter Virtuos und in drei Instrumenten , als Hautbois , Flute
allemande und Fagott excelliert; beinebcns auch statt seines kran-
ken Bruders schon eine geraume Zeit gedieuet hat, auch sie drei
Brüder als zusammen gewohnt ein gutes Concert machen, so ist
meine Meinung, es möchte ihm indessen bis zu einer Apertur
noch femer, doch ohne Besoldung zu dienen allergnädigst er-
laubt sein. (VL 15.)
1718 August kommt um die erledigte Stelle eines kais.
Oboisten ein. „Da Supplicant seit zwei Jahren anstatt seines
kranken nunmehr verstorbenen Bruders die kais. Dienste mit
grosser Emsigkeit versehen, so erachtet Fux die höchste Billig-
keit zu sein, ihm die vacante Stelle zu verleihen, zumal er ein
guter Virtuos in dreierlei Instrumenten ist". (VI, 37.)
1726 nach dessen Tode (f 1726) rUhnat noch Fux, dass
derselbe so wie seine andern zwei Brüder (Franz und Roman Gl.)
dergestalten gute Dienste geleistet haben, dass deren schon zwei
wegen des beschwerlichen Instrumentes und der Fatiguen in
jungen Jahren ihr Leben eingebUsst haben. (VI. 122.)
Josef Lorber, 1718 vormals kais. Hoboist kommt ein,
wieder in kais. Dienste aufgenommen zu werden. Fux unterstützt
sein Gesuch, „da zu Bestreitung der Tafel- und anderen Dienste
noch ein Hoboits höchst nöthig, dieser Supplicant aber nit allein
ni diesem Instrument, sondern auch in der Flflte allemande und
Köehel,J.J.¥nx. 17
258 Fux als HofkapellmeiBter.
Chalumeau ein sehr guter Virtuos ist, auch anbei schon • in vori-
gen Diensten sich Meriten gemacht hat^. (VI. 36.)
1723 kommt um Gehaiterhöhung ein, da er auf der Laxen-
burger Reise aus Unvorsichtigkeit des Lofankutschers umgewor-
fen, geschleppt und in Todesgefahr ein Ohr verloren hat. (VI. 84.)
Joh. Ludwig Schulz, 1737 kais. Hoboist klagt, dass er
durch unrichtige Bezahlung der Gehaltquartale in eine Schulden-
last von 3955 fl. gerathen sei , desswegen der grösste Theil
seines Gehaltes sequestriert werde und bittet um Aushilfe. Fux
bestätigt den Nothstand, mittelmässige Hilfe komme dem Snppli-
canten wenig zu statten, auf ein grosses Quantum unterfange sich
Fux nicht einzurathen, weshalb er des Supplicanten Elend der
Milde des Obersthofmeisters recommandiere. (VI. 245.)
Andreas Wittmann, Hoboist 1721 April kommt um die
Stelle eines kais. Oboisten ein. Fux ist für die Verleihung , da
eine Stelle durch Todfall vacant geworden und zwei wegen
Unpässlichkeit keine Dienste mehr leisten können, „der Snppli-
cant aber in der Hautbois und auch im Chalumeau dergestalt
Virtuos ist, als ich noch allhier einen gehört habe.^ [Wurde an-
gestellt.] (VI. 57.)
Zacharias Gazaroll, Hoboist 1731 will als Oboista
Supemumerarius eintreten. Fux findet das Gesuch zu berücksich-
tigen, „da er ein guter Virtuos ist, auch vorher diych sechs Jahre
Hofscholar war. Doch soll er bis auf den Todfall eines Oboisten
ohne- Besoldung zu dienen verbunden , und weder etwas zu be-
gehren befugt sein". (VI. 181.)
XV.
Sehfller des Fnx — Portrftte — Wohnnngreii — Krankheit und Tod
— Seine YerUltnisBe in leitgendssisehen Componisten — Ankang.
Als Organist bei den Schotten so wie als Kapellmeister von
St. Stephan war Fux mit Gesangsunterricht beschäftigt, gleich-
zeitig und auch später als Hofkapellmeister hatte er Schüler
im Contrapünkte. Er erwähnt es selbst in der Vorrede zu seinem
Gradus, dass er viel und lange über eine leichtfas^liche Methode
in der Compositionslehre nachgedacht und bei seinen Schülern
mit Erfolg angewendet habe. Sein methodisch- didactisches Ta-
lent ist auch gar nicht in Zweifel zu ziehen, eben so wenig dass
ein solcher Lehrer, der zugleich seine Theorie mit einer glänzen-
den Praxis verband, gesucht ward. Es scheint auch, dass der
Unterricht bei Fux nicht blos eine Quelle des Erwerbes, sondern
ein Gegenstand innerer Neigung ward, und das im Gradus geschil-
derte Verhältniss des Schülers zum Lehrer dürfte nicht reine Fic-
tion gewesen sein, mindestens in manchen Theilen auf wirklichen
Zuständen beruhet haben. Von den ausgezeichneten Schülern nun,
die sich und ihrem Meister Ehre biachten, sollen hier nur von den
nachgevriesenen vorzüglicheren einige Lebensumstände gegeben
werden. Diese waren: Gottjieb Muffat, Johann Dismas
Zelenka, Franz Thuma (Tuma), Ignaz Prustmanu und
Georg Christoph Wagenseil.
Gott lieb Muffat, geboren um 1690, gestorben in Wien
10. Dec. 1770, 80 Jahre alt. (Wr. Zeitg.) Er war 1711—1717
Hofscholar und ein Schüler von J. J. Fux, wurde 3. April 1717
Hoforganist und blieb es bis zu seiner Pensionierung im Jahre
1764 durch 47 Jahre. Er war zugleich Organist der Kaiserin-
Witwe Amalie Wilhelmine und gab Unterricht im Ciavier in der
Familie des Kaisers Karl VL Von seinen beliebten Ciavierwerken
wurden Componimenti nmsicali per il Cembalo gestochen (Gerber,
Künstlerlex. Alte Ausg.). Im Manuscript waren in Träg's Catalog
17*
260 Schüler des Fux.
ausserdem 6 Clavier-Parthien , 8 Parthien Toccaten und Fugen,
72 Versetten, 12 Toccaten angezeigt (Gerber, Neue Ausg.). A. von
D 0 m m e r (Musikgeschichte p. 450) sagt von ihm : „ In Deutschland
waren die grossen Organisten auch tüchtige Ciaviermeister, Fro-
b erger an der Spitze, nach ihm insbesondere aber Gott lieb
Muffat, des alten Fux wUrdiger Schüler, ein ausserordentlich
feiner und gewandter Claviercomponist, dessen Componimenti
musieali (Wien , 1 727) Stücke enthalten , welche an Geschmack,
angenehmer Erfindung und Solidität mit den besten ihrer Zeit ge-
trost sich messen können." Von seinen Compositionen für Ciavier
und Orgel werden sechs Nummern in Ausgaben der neuesten
Zeit durch Becker, Weitzmann, Schletterer, Eiegel in den Monats-
heften für Musikgeschichte 1871. Beil. pag. 141 angegeben.
Joh. Dismas Zelenka, 1681 zu Launowiß in Böhmen
geboren (Dlabaö, Künstlerlexicon p. 437) scheint seine Erziehung
im JesuitencoUegium in Prag erhalten zu haben und ward 1710 in
Dresden als Contrabassist angestellt. Anfangs 1716 war er in
Wien, wohin er wahrscheinlich schon früher mit Erlaubniss des
Königs gegangen war, um Unterricht in der Composition beim
berühmten Kapellmeister J. J. Fux zu nehmen. Letzterer soll
ausserordentlich zufrieden mit ihm gewesen sein und den König
in einem Schreiben gebethen haben, Zelenka nach Italien zu
schicken, „damit er alles machen lerne und nicht blos in meiner
maniera". 1716 gieng er mit mehreren CoUegen nach Venedig
und soll dort bei Ant. Lotti studiert haben. 1717 kam er von
Venedig abermals nach Wien um den Unterricht bei Fux fortzu-
setzen. 1718 wurde er dem Gefolge des dort verweilenden Kron-
prinzen von Sachsen beigesellt. Ein Studienband, den er von
dort zurückbrachte {Collectnneorum Musicorüm libb. IV de diver -
818 Authoribus in Dresden) war ein beweis seines Fleisses ^ Nach
seiner Eückkehr von Wien 1719 benützte er in Dresden noch
den Rath Lotti's. Im Jahre 1 723 war er während der Krönung
1 Zelenka schreibt darin nach dem Titel: „16 Magnificat a 4 del
Morales".
„Praesens Excellentissimi in Rebas Musicis Magistri opus copiandum
accepi a Magno illo capellae Caesareae Magistro P. ac Generoso Dno
Joanne Joseffo FUX meo tunc in compositione magistro reverandissimo
(sie) Viennae Austriae 1718."
Schüler des Fux. 261
Kaiser Karl M. in Prag, wo nach der berühmten Auflführung
der Oper Coatanza e fortezza von Fux unter Caldara's Leitung,
Zelenka die Musik zu dem Melodrama de Sancto Wenceslno ge-
macht hatte. 1735 erhielt Zelenka das Prädicat „Kirchencompo-
nist". Er starb unverheuratet 23 Dec. 1745, 64 Jahre alt. Seine
zahlreichen Compositionen blieben in Dresden : die wenigen Einge-
weihten sprechen mit grosser Achtung von seinen Compositionen
(besonders den Chören und Fugen) „als Muster im Kirchenstile".
In Dresden befinden sich noch von ihm 15 Messen, 3 Requiem,
10 Litaneien, mehr als 60 Psalmen und kleinere Kirchencompo-
sitionen. An Instrumental-Compositionen : Concerte, Symphonien,
Ouvertüren, Capriecio, Sonaten u. dgl. Abt Gerbert (de Cantu et
Musica Sacra T. ü. p. 371) sagte: „Josephus Fux insignem impri-
mis discipulum in musica Sacra reliquit Joannem Zelenka, regis
Poloniae musicae praefectum Dresda^ , tot aliorum insignium ea
in arte magistrum" ^ Auch Quantz erzählt in seinem Lebens-
lauf*, dass er „an Fugen immer ein gross Vergnügen gefunden,
zumal, da er vormals in Wien von dem künstlichen Kirchencompo-
nisten Zelenka, der damals (vor 1720) unter Fuxen studierte,
darüber Begriflfe erhielt".
Franz Thuma (Tuma) geboren in Kostelec (Böhmen) um
1701, gestorben 4. Februar 1774, 73 Jahre alt, in Wien». Nach
zurückgelegten philosophischen Studien kam er nach Wien (um
1720) wo der Fürst Kinsky sein Beschützer wurde und ihn Fux
übergab, um seine Studien im Contrapunkte zu leiten*. 1741
ward er Kapellmeister der Kaiserin Elisabeth (nach Kaiser
Karl VI. Tode) und blieb es bis zum Tode der Kaiserin -% worauf
er eine Pension aus diesem Titel bezog. Er lebte sechs Jahre lang
im Stifte Geras in der Miethe, kehrte kränkelnd nach Wien zurück,
und starb da im Kloster zu den barmherzigen Brüdern. Seine
classischen Kirchencompositionen werden in den Musikarchiven
als kostbare Schätze bewahrt und Böhmen ist mit Becht stolz auf
diesen würdigen Sohn®.
IM. Fürstenau, Oesch. Dresd. Mus. II. 71—83. «Marpurg,
hist.-krit. Beitr. I. 210. 3 Wiener Zeitung. * F^tis. 5 21. Dec. 1750.
<< Schilling. — Auch die k. k. Hofbibliothek hat mehrere Compositionen
Ton ihm.
262 Schüler des Fux.
Ignaz Prustmann^ ComponiBt. In der k. k. Hofbiblio-
thek befinden sich von seiner Composition zwei Mottette, welche
die Aufschrift haben: „Del Sgr. Ignazio Prnstmann, Scolare
del Sgr. Maestro Fux", femer ein Stabat mater mit dem
Datnm 21. März 1744^ und ein Requiem mit der Jahreszahl 1733,
welche sämmtlieh zeigen , dass er den Unterricht seines Meisters
mit Nutzen genossen habe. Von seinem Leben ist nirgends eine
Aufzeichnung zu finden : F6tis, Gerber, Schilling erwähnen seiner
nicht, ebenso erscheint er nicht in den Hofschematismen, nicht in
den Todtenlisten von Wien — er wäre ganz verschollen ohne
obigen Beisatz bei seinem Namen.
Georg Christoph Wagenseil, geboren zu Wien 1715,
gestorben daselbst I.März 1777, 62 Jahre alt^ Nachdem er
schon früher den Unterricht von Fux genossen hatte, empfahl
ihn dieser* zum Hofscholar, „da von ihm in der Orgel und Compo-
sition virtuose Dienste zu erwarten seien". Als er hierauf von
1736 bis 1738 das Stipendium als Hofscholar erhalten hatte,
schlug ihn Fux^ zum Hofcompositor vor, „da er vor andern in
den Grundregeln des Contrapunktes zu sdireiben sich befleissigt,
um so mehr, als bei dermaliger licentioser Schreibart die regel-
mässige Composition durch ihn könnte erhalten werden". Ueber
diesen Vorschlag wurde er" 6. Februar 1739 Hofcompositor und
blieb in dieser Stellung biß an sein Ende. Neben diesem Hof-
dienste erhielt er auch die Stelle als Organist in der Kapelle der
Kaiserin-Witwe Elisabeth Christina (von 1741 bis 1750, wo sie
starb) und war durch lange Jahre Musikmeister der Kaiserin
MariaTheresia, wofllr er lebenslang eine Pension von 1 500 fl.
bezog. Als der sechsjährige Mozart im Jahre 1762 am Hofe
in Wien spielen sollte, fragte er: „Ist Herr Wagenseil nicht
hier, der versteht es", und als dieser kam: „Ich spiele ein Concert
von Ihnen, Sie müssen mir umwenden"*. Er besass in seinen
Compositionen Originalität und ist einer der älteren Lieblings-
componisten für Kenner und Liebhaber gewesen. Gedruckt er-
schienen von ihm mehrere Ciavierwerke , wie der Suavis artifi-
•
1 Wien. Zeitg. — nicht 92 Jahre alt, wie Gerber und Fötis angeben.
2 Beil. VI. 234. « Eb. 250. * F. Niemets chek. Leben W. A.
Mozart's. p. 7.
Schiller des Fnx. 263
ciose elaboraius concantus muricus und ähnliches; im Mannscripte
hinterliess er anch Orchestersymphonien , Kirchensachen nnd
einige Opern *.
Ignaz Holzbaner^ geboren zn Wien 1711, gestorben zu
Mannheim 7. April 1783 als knrpfälzischer Kapellmeister nnd
Hofkammerrath y der geachtete Componist der seiner Zeit be-
rühmten Oper Gttnther von Schwarzburg nnd zahlreicher
anderer Opern, Kirchen- und Kammermnsiken, wird von Dlaba6
(Hist. Künstlerlex. für Böhmen I. 436) ein 8chlller des J. J. Fnx
genannt. Das war er nnn nicht ^ aber wie er in seiner Selbstbio-
graphie ' erzählt, verdankte er viel dem 8tndinm des Oradus ad
pamassnm und machte einen emzigen Besnch bei Fax. Holz-
baner sagt darttber wörtlich: „Ich bettelte endlich so lange bei
meiner Schwester, bis sie mir Geld gab das Faxische Composi-
tionsbuch kaufen zu können. Ich verstand die lateinische Sprache
nnd fieng also darin zu studieren an. Der Speicher war .der Ort
dazu , denn auf meiner Stube hätte es nicht sein können. Ich
componierte bald Symphonien , Concerte und allerhand derglei-
chen , und diese meine Arbeiten wurden immer von meinen Mei-
stern (jungen Musikern des Domes von St. Stephan) mit dem
grössten Beifalle aufgenommen. Einsmals fiel mir ein, zum Ka-
pellmeister Fux selbst hinzugehen und ihn zu bitten mich
in der Setzung zu unterrichten. Ich Hess mich melden. Dieser
gute Alte, welcher beständig am Podagra und Chiragra krank
lag, fragte mich, was ich wollte. Ich bath ihn, mich als Schiller
anzunehmen. Ja^ sagte er, aber können Sie denn schon etwas
Musik? 0 ja, antwortete ich, auch schon etwas schreiben. —
Gut, nehmen Sie ein Blättchen von dem Papier, das auf d^n Cia-
vier liegt und schreiben Sie mir einige Zeilen Kote gegen Note.
— Ich that es und überreichte es ihm aufs Bett; er sah es an
und sagte ganz erstaunt : Das können Sie schon ? Nun so kann
ich Sie nichts mehr lehren. Wo und von wem haben Sie dieses
erlernt? — Aus Ihrem Buche. — Gehen Sie nach Italien, damit
Ihnen der Kopf von überflüssigen Ideen gereinigt werde , dann
werden Sie ein grosser Mann werden, Sie sind ein gebomes
1 F^tis. Gerber. ^ MusicaliBche Correspondenz. Speyer 1790. pag.
107 ff. 132.
264 Porträte des Fax.
Genie. — Nie gieng ich freudiger nach Hanse, als damals.^ An-
derweitige Beziehungen Holzbauer's zu Fux sind nicht bekannt.
Gelungene Porträte, welche nach dem Leben gemahlt und
beglaubigt sind, gehören, nachdem von dem Bilde in dem Vater-
hause des Fux keine Spur mehr zu finden war , zu den Selten-
heiten. Bekannt ist nur ein einziges , in dessen Besitz das Archiv
des Wiener Musikvereines sich befindet.
Es ist dies ein gut gemahltes Oelbild, Bruststück im
Costümc der Zeit. Die Beglaubigung liegt eben dort und besteht
in einem Briefe , den der frühere Besitzer J(ohann) Ch(ristoph)
Westphal (geb. zu Hamburg 1. April 1773 und seit 1803 an der
dortigen Nicolaikirche als Organist angestellt *) an einen Herrn
Zahl-Commissär Henk daselbst (Hamburg?) schreibt. Er lautet:
,,Meinem Versprechen gemäss mache ich Ew. Wohlgeboren
auf Dero Anfrage meine endliche Entschliessung bekannt. Un-
gerne beraube ich meiner musicalischen Bildniss- Sammlung, jetzt
an Anzahl 518 Stück, kins der seltensten Stücke, indem meines
Wissens dies das einzige noch vorhandene Porträt von dem alten
Ober-Kapellmeister Fux ist. Derselbe hat es seinem lieben
Freunde dem Kapellmeister H e r t e P eigenhändig zum Andenken
verehrt , und von dem letzten dieser Familie , der hier starb , ist
es seit 30 Jahren in meinen Händen. Kann ich indessen für dieses
Porträt 20 Fdor. erhalten, nun so will ich es fllr diesen Preis ab-
stehen. Es hat eine Höhe von circa 2V2 Euss und eine Breite von.
1^4 Fuss und ist unbeschädigt.
V. H. den 30. Juni 1819. J. H. Westphal.
Josef Sonnleithner hatte dasselbe bei Westphal gesehen und
kaufte es 1827 aus dessen Nachlasse für den Musikverein.
Dieses ausdrucksvolle Porträt wurde von einem sehr geschick-
ten Künstler zum Behufe der Photographie in natürlicher Grösse
mit Kreide gezeichnet und liegt dem Titelkupfer zum Grunde.
Die übrigen bekannten Abbildungen sind von untergeord-
netem Werthe und dürfen schwerlich einen Anspruch auf Aehn-
1 Gerber und Fötiß. ^joh. Christ. Hertel, meklenburg-stre-
litzischer Concertmeißter, geb. 1699, gest. 1754. (Gerb.)
Wohnungen des Fnx. 265
lichkeit machen. Es sind dies sämmtlich Brustbilder und
zwar:
1. Aquarell in der Privatbibliothek Sr. Majestät des Kaisers.
2. Lithographie mit der Unterschrift „Fnx" ohne weitere An-
gabe; nach W. E. Drngulin (allg. Portr. Catalog p. 258) soll
sie von Winther 1821 lithographiert worden sein.
3. Eapferstieh. Auf einem grossen Tablean^ 42 meistens
italienische Tonkünstler in Medaillons gruppiert darstellend , ge-
zeichnet YonLuigi Scotti, gestochen in Florenz im Studio Raimondi.
In dem einen Medaillon y beinahe in der Mitte des Bildes ist das
Profil von J. J. Fux neben dem von Piccinni, Jomelli und Sacchini.
(In der Porträtsammlung Sr. Majestät des Kaisers. Tonkttnstler^
Blatt 112.)
Fux wohnte in Wien 1696 nach der Trauungsmatrikel als
Organist des Stiftes im Schottenhofe in der Städte
7. December 1702 wurde ihm, als Hofcompositor, ein
Quartier in des Paul Kautz Barbierer Haus auf dem Neuenmarkt
angewiesen*. (Dieses Haus des Barbierers Paul Kautz zu den
7 Körben genannt, ist ein Eckhaus mit der jetzigen Nummer 17,
alt Nr. 1067.)
20. Juli 1715 erhielt er als Hofkapellmeister eine an-
dere Wohnung „in der Weinburg in weil. Martins gewesten Schnei-
dermeisters Haus ^. (Weil. „Johann Martin, Hoff-Befreiten Schnei-
dermeisters Hans, ein Eck" ist nun Nr. 5, alt Nr. 907 in der
Weihburggasse.)
23. Oct. 1719 wurde ihm sein letztes Hofquartier zuerkannt,
worin er auch starb „in dem sogenannten goldenen Bern an alten
Fleischmarkht*'' (d. i. Fleischmarkt neu Nr. 6, alt Nr. 697^).
Schon in seinem sechzigsten Jahre, vielleicht selbst noch
früher war Fnx von einer schmerzlichen chronischen Fussgicht
gequält, die ihn bis an sein Ende nicht mehr verlassen zu haben
scheint. Im Jahre 1723 Hess ihn der Kaiser in einer Sänfte, wie
erwähnt, zur Krönung nach Prag bringen, um dort der Aufführung
1 Beil. 1. 1. 2. 2 BeU. IL 18. » Beil. II. 19. * Beil. II. 20. * Die
Ennittlung dieser Häuser mit ihren gegenwärtigen Nummern verdanke ich
dem verehrten Freunde Dr. Th. G. von Karajan.
266 Kränklichkeit and Tod des F n x.
seiner grossen Oper Costanza e Foriezza beizuwohnen. Vielfach
klagt er darüber in seinen amtlichen Berichten;, im Jahre 1725
sagt er im Vorberichte des Gradns^ „er sei dnrch häufige Kränk-
lichkeit, manchmal durch mehrere Monate , ja sogar durch ein
ganzes Jahr in seiner Arbeit unterbrochen worden und jetzt kaum
genesen" ; femer wiederholt er am Schlüsse des Werkes (p. 279)
auf die Frage des Schülers, ob er jetzt sein Werk schon ab-
schliessen wolle? „Bemerkst du nicht die Steifheit und Mattigkeit
meiner Gelenke, die Vorbothen meines drohenden Leidens, der
Fussgicht? Du weisst überdies, dass ich sowohl durch meine
Jahre und mein fast nie ganz aussetzendes Uebelbefinden, schon
so gebrochen bin , dass wenn jene Krankheit mit ihrer gewöhn-
lichen Heftigkeit mich anfiele und nach ihrer Gewohnheit dnrch
sechs Monate festhielte, mein Gemüth die nicht grundlose Furcht
befallen mttsste, dass ich dieses Mal nicht wieder an ein Aufkom-
men denken könnte. . . Bin ich doch jetzt schon an das Ruhbett
gefesselt." — Auch an den Schriftzügen der amtlichen Gutachten
wird seine zunehmende Schwäche ersichtlich: nach dem Tode
seiner Frau (1731), besonders seit 1732 wird seine sonst feste
Hand oft zitternd, von 1737 bis 1740 muss er sich einer fremden
Hand bedienen, die auch seinen Namen unterfertigt. Vom 10. März
1 740 ist sein letztes Gutachten. Nachdem er noch den Schmerz
erleben musste, an dem Sarge seines kaiserlichen Gönners^ und
Freundes zu stehen und ihm mit dem grossen Requiem seine
letzte Huldigung zu bringen, unterlag kaum vier Monate später,
am 13. Februar 1741* seine eigene körperliche HttUc einem
„hektischen Fieber". Am 15. Februar wurde er am Freithofe von
St. Stephan in der Gruft bei seiner vorangegangenen Gattin bei-
gesetzt. Bei seinem letzten Kampfe waren seine treue Nichte
Maria Eva und der NeflFe Matthäus, ihr Bruder um ihn. Er
endete damit als ein Mann , der lange siegreich durch die Kraft
des Geistes über die Gebröchen des Körpers, zuletzt überwunden
von dem Drude seiner Jahre und erschöpft an Lebenskraft erlag
im Alter von 81 Jahren^. — Konnte er doch beruhigt zurücksehen
auf eine Reihe schöner Werke der Kunst und eine reiche Saat,
1 Kaiser Karl VI. starb 20. Oet. 1740. s Gestorben den 13.) beschaut
den 14., bestattet den 15. Febr. 1741. (Wr. Diar. und Beil. I. 6—9.)
3 Wiener Diar. 15. Febr. und Beil. I. 6.
Characterzüg^e deß Fax. 267
die befruchtet und genährt durch seine Ftihmng Beinen Namen
anf eine späte Nachwelt zu tragen bestimmt war.
Am Tage nach seiner Beerdigung (16. Februar) gaben die
Hofinusiker in der Hofkapelle seine schöne Messe: In fletu
solatium.
Fassen wir die im Vorausgegangenen zerstreuten Character-
Züge unseres Fux zusammen, so geben sie uns das Bild eines
Ehrenmannes, dem seine Kunst und sein Amt das höchste im
Leben galten, und der zugleich als Mensch sich allseitiger Achtung
und Anerkennung erfreute. Ausser den Bemühungen, seine Frau
und seine nächsten Verwandten versorgt zu wissen, erwarb ihm
sein Wohlwollen auch Freunde durch sein ganzes Leben, ja selbst
über dieses hinaus, wie sich diess in dem nahen Verhältnisse
seiner Erben zu den Verwandten seiner Frau in der Familie
Schnitzenbanm noch in späten Jahren kundgab. Sein Haushalt
mnsste durchaus geordnet gewesen sein, da ungeachtet seiner
kostspieligen Krankheiten sein Nachlass beträchtlich gewesen
war, indem der Neffe und Legatar Matthäus Fux allein 10.000 fl.
erhielt. Sein humanes Benehmen sprach sich auch in seinem Ver-
hältnisse zu den ihm unterstehenden Mitgliedern der Hofkapelle
besonders in jenen Fällen aus , wo er hilfebereit eintritt, wenn er
auch durch seine Amtspflicht dazu nicht veranlasst war. — Dass
er im Bewusstsein seines mnsicalischen Verdienstes auf den Bang
des ersten Kapellmeisters des ersten Kaisers der Christenheit
grossen Werth legte, und gelegentlich den Meistertitel nur jenem
zuerkannt wissen will , welcher die Composition aus dem Funda-
ment versteht, darf wohl bei einem Manne nicht befremden, der
sich sagen musste, dass er seine Stellung und sein Ansehen in
der musicalisehen Welt nur seinem Talente , seinen Kenntnissen
und seiner Thätigkeit verdanke. Seinem Herrn und Kaiser gegen-
über genoss er zwar ein besonderes Vertrauen , allein er überhob
sich dessen nie und liess darum die Rücksicht gegen seine un-
mittelbaren Vorgesetzten, besonders den Obersthofmeister niemals
aus dem Auge. Wenn er sich, wie bei der Beschwerde gegen den
Principe Pio, dem kaiserlichen Ausspruche zu unterwerfen erklärt,
so geschieht es doch nicht , ohne die Rechte des Kapellmeisters
ftir sich und seine Amtsnachfolger zu wahren. In seinen schrift-
lichen Aeusserungen , besonders den Gutachten, ist neben der
268 Characterzüge des F u x.
veralteten Form des Ausdrucks die klare Ansicht des Sach-
verhaltes und bei manchen hochgespannten Forderungen der
Bittsteller die kluge Corabinierung aller Umstände und ein inrnier
volles Mass der Billigkeit niemals zu verkennen. Indessen, wo es
gebothen erscheint , tritt er auch fest und entschieden auf^ zur
Strenge erhebt er sich nur in den seltenen Fällen, wo er in der
Handhabung seiner Amtsbefugnisse angegriffen wird, oder offen-
bare Böswilligkeit zu Tage tritt*. Nicht ganz selten ergeht er
sich auch bei ämtlichen Berichten in einem harmlosen Humor. So
sagt er, als der Violinist Hintereder wegen bedeutender Schulden
um Gehalterhöhung ansucht, dass „noch mehrere in eben diesem
Spital krank liegen, welche noch weniger Besoldung haben, als
der Bittsteller 3". — Dann meint er: „da der Supplicant, der So-
pranist Vincenzi ohne Familie sich befindet, so könnte er mit
80 Thalern monatlich gar fein und ehrlich leben*". Den Thomas
Sandtner, kais. Einspänner, der für seinen Sohn um eine Hof-
paukerstelle ansuchte, beschied Fux: „als wird dieser Suppli-
cant die Unterhaltung fllr seinen Sohn in dem Futteramt zu suchen
haben"*. Endlich als Vincenzo Losara, der 13 Jahre auf einem
KriegsschiflFe als Schreiber gedient hatte, cassiert wurde und ein-
kam, Hofmusiker zu werden, formulierte Fux den abweislichen
Bescheid in folgender Weise: „Weil nun L. in seinem Memoriale
frei bekennt, dass er zur Musik untüchtig sei, als erhellt von
selbst, weil zur Musik Vocalisten und Instrumentisten, aber keine
Matelotten nöthig sind, dass ich für den Supplicanten nit ein-
rathen kann*."
Da Fux durch mehr als zwanzig Jahre bei heftigen Gichtan-
fällen sein Amt versehen hatte, konnte er mit Recht von sich
sagen: „UnterSchmerzen habe ich meine Pflicht erfüllt." Wieviele
hätten sich unter ähnlichen Verhältnissen längst von allen Ge-
schäften zurückgezogen. Das zeichnet aber den starken Character
des Mannes und Künstlers, der auch von schweren körperlichen
Leiden sich nicht übermannen lässt.
Wie es von seiner früh erworbenen Berühmtheit kaum ander»
zu erwarten war, wurde seine Kunst in weitesten Kreisen aner-
1 Beil. VI. 1. 94. « Eb. 125. 141. 146. » Eb. 98. * Eb. 123.
» Eb. 170. « Eb. 237.
YerhältniBse zu gleicfazeitigen KUnstleni. 269
kannt und seine persönliche Bekanntschaft von reisenden
Künstlern gesucht. Im Jahre 1702 kam Maxmilian Zeidler^
Kapellmeister in Nürnberg nach Wien, „allwo er das Glück hatte
mit dem itzigen (1740) Ober-Kapellmeister Johann Josef Fux be-
kannt zu werden, dessen Gewogenheit und Treu« er lebens-
lang zu rühmen hat'^. Graf Franz Losy, einer der grössten
Lautenspieler in Böhmen (geb. 1638) bezeigte nach dem Zeug-
nisse des verdienstvollen Kapellmeisters Gottfried Heinrich
Stölzel (1690 — 1749) über nichts ein grösseres Vergnügen, „als
wenn ein Gang ungefähr in den Lulli'schen oder Fuxi'schen Gusto
einschlug, deim diese zwei Meister Lulli und Fux hatten bei ihm
vor allen den Vorzug*. Auch Johann Francisci (geb. 1691),
Cantor und Chordirector in Neusohl hebt besonders hervor , dass
er auf einer Keise nach Wien Bekanntschaft mit den kaiserlichen
Virtuosen gemacht habe, absonderlich mit dem Herrn Ober-
Kapellmeister Joh. Jos. Fux^. In seinem Testament erwähnt Fux
einer goldenen Medaille mit Kette, die er entweder von seinem
Monarchen oder einem fremden grossen Herrn erhalten haben
mochte. — In Dresden befindet sich in der Hofbibliothek von der
Hand des Joh. Dismas Zelenka ein fllnfstimmiger Canon, welcher
den Concertmeister Angelo Ragazzi, zugleich Violinspieler
in der kais. Hofkapelle zum Verfasser hat und über die Worte
gesetzt ist : Inveni hominem aecundum cor meum » während zwei
Stimmen singen: Joannes Josef Fux, excellens musicus.
Ungeachtet es an Anerkennung der Verdienste des Fux
durch gleichzeitige italienische und deutsche Tonkünstler nicht
fehlte , wie dies bei der Besprechung des Gradus und seines
Kapellmeisteramtes erwähnt wurde , so war es bei der Richtung
der Musik am Hofe zu Wien natüriich, dass die Augen auch der
bedeutendsten Componisten mehr nach Italien als nach Deutsch-
land gerichtet waren , da neben Fux grösstentheils nur Italiener
als Componisten auftraten, von denen einige, wie M. A. Ziani,
A. Caldara, Fr. Porsile, Fr. Conti bleibend, einige, wie die
beiden Bononcini, der Singmeister Tosi vorübergehend neben
Fux an der Hofkapelle angestellt waren, andere wie Legrenzi,
1 Mattheson, Ehrenpforte, p. 401. * Mattheson, eb. p. 171 f.
345. 3 Mattheson, eb. p. 79.
270 Verhältnisse zu gleichzeitigen Künstleni. — Anhang.
A. Lotti, Ariosti, Porpora u. s. w. hatten Compositionen
eingeschickt und konnten keinen Falls den dortigen Hofkapell-
meister ignoriert haben. — Von Interesse ist, zu erwägen, in
welchem Verhältnisse Fux zu den um 25 Jahre jüngeren Johann
Seb. Bach^ und Georg Friedrich Händel* gestanden habe.
Von persönlichen Beziehungen derselben ist durchaus nichts be-
kannt: Bach kam nicht aus seinen sächsischen Kreisen, Händel
hatte auf seinen Reisen niemals Wien bertthrt; Fux machte
niemals Reisen. Als beide anfiengen , durch ihre Compositionen
grösseres Aufsehen zu erregen, etwa nach 1725, war Fux bereits
über 65 Jahre alt und hatte mit dem Gradus und seinen Haupt-
werken der Composition den Höhenpunkt seines Ruhmes er-
reicht und es wäre naturgemäss an den jüngeren gewesen, an
den älteren Kunstgenossen heranzukommen. Wenn dies aber
auch nicht geschah , so konnte doch Bach , der die Werke von
Froberger, Kerl, Pachelbel eifrig studierte, den Werken des Fux
nicht fremd geblieben sein, und Händel, dem neben Fux von
Mattheson das beschützte Orchester dediciert wurde, konnte un-
möglich von Fux keine Notiz genommen haben. Die Richtungen
dieser drei Tonmeister giengen allerdings auseinander, allein dem
eifrig Strebenden kann das Verdienst eines älteren, und diesem
das Auftauchen so grosser jüngerer Talente nicht ganz fremd ge-
blieben sein. Mehr jedoch als die Wahrscheinlichkeit dieser all-
gemeinen Beziehungen ist aus dem Leben dieser drei Korj^Dhäen
der Tonkunst nicht nachzuweisen.
Da die Hoffnung, irgend welche schriftliche Aufzeichnungen
über das Leben des Hofkapellmeisters Fux entweder von ihm
1 Johann Sebastian Bach, geb. 21. März 1685 zu Eisenach,
1714 Concertmeister zu Weimar, von 1723 Cantor und Musikdirector an
der Thomasschule zu Leipzig bis an seinen Tod am 28. Juli 1750.
« Georg Friedrich Händel, geb. zu Halle 23. Febr. 1685, war
von 1703 bis 1706 bei der Oper in Hamburg angestellt, machte hierauf
Studien in Italien, kam 1710 das erste Mal nach London, wurde 1712 Ka-
pellmeister in Hannover, von 17 J 7 bis 1720 Musikdirector des Herzogs von
Chandos in Cannons, 1720 bis 1740 bei der Londner italienischen Oper
thätig ; seit 1732 kamen seine ersten Oratorien zur Aufführung. Er starb
13. April 1759.
Matthäus und Maria Eva Fux. 271
selbst oder seinen Angehörigen herrührend aufzufinden , lange
nicht aufgegeben wurde, so wurden wiederholte und mtthsame
Forschungen angesteUt, ob nicht bei seinen Erben, der Nichte
Maria Eva Fux unddemNeffen Matthäus Fux und deren Erben
und Bechtsnachfolgem sich etwas dahin einschlägiges erhalten
habe. Die bisherigen Bemtthungen erwiesen sich erfolglos. Allein
um etwa spätere, glücklichere Forscher in Kenntniss zu setzen,
was bisher über die Rechtsnachfolge in dem Erbe des J. J. Fux
an den Tag zu bringen gelang, mögen folgende Notizen dienen.
Matthäus Theophilus Fux, Sohn des Bruders des
Kapellmeisters * geboren 16. September 1719, ward bei dem Tode
seines Oheims 1741 Candidatus juris genannt*, erhielt durch
Legat seiner Muhme (Mämb) der Schwägerin seines Oheims, Fi*äu-
lein Maria Theresia Schnitzenbaum 1000 fl. In der Quittung darüber
aus Klagenfurt vom 6. Juni 1749 nennt er sich „Einleitungs-
Rectifications- Actuarins Registrator und Protocollista in Kämthen^^ .
Von da ab war weder in Klagenfurt noch anderswo etwas über
seinen Tod und seine letztwillige Verfügung zu erfahren. In der
Quittung verzichtet er auf eine Sicherstellung jener weiteren
1000 fl., die ihm seine Schwester, falls sie heuraten sollte, nach
demselben Testamente zu leisten verpflichtet war. Daraus lägst
sich auf ein gutes Einvernehmen der beiden Geschwister schliessen.
Da aber die Schwester Eva Maria Fux in ihrem Testamente vom
5. März 1771 ihres Bruders Matthäus weder als Erben noch als
Legatars erwähnt, während sie allen noch lebenden Geschwistern
und den nachgelassenen Kindern der verstorbenen Geschwister
Vermächtnisse aussetzt, so ist anzunehmen, dass Matthäus Fux
im Jahre 1771 bereits verstorben gewesen sei.
Maria (Eva) Fux*, geboren 18. November 1696 zu Hirten-
feld in Steiermark, gestorben unvermählt in Wien 6 April 1773
daher 76 Jahre alt, nicht 73 Jahre, wie das Wiener Diarium vom
10. April 1773 angibt. Sie war nicht nur durch das Erbe ihres
Oheims, sondern auch die weitere, nicht unbedeutende Erbschaft
der erwähnten Maria Theresia Schnitzenbaum (f. 19. Mai 1749)
in die Lage versetzt, unabhängig und behaglich ihre Tage zu be-
1 Stammbaum n. 16. ^ Beil. I. 12. 3 Eine von Maria Theresia auf-
gestellte Steuer-Commission. * Stammbaum n. 5.
272 SchluBS.
8chliessen ^ Sie muss mit den Verwandten der Familie Schnitzen-
banm in bestem Vernehmen gelebt haben und nach den Legataren
nnd Zeugen ihres eigenen Testamentes zu schliessen mit Personen
der höheren Beamtenwelt verkehrt haben*. Dartiber hat sie aber
die Verwandten ihrer eigenen Familie Fux in Steiermark nicht
vergessen, denen sie testamentarisch bei 8000 fl. legierte^, woher
sich wohl der verbesserte Vermögensstand derselben bis in die
neueren Zeiten schreiben mag. Ihre Stiftung einer wöchentlichen
Messe, die in St. Marein bei Pickelbach zum Andenken der Familie
Fux gelesen werden muss, besteht noch heutzutage : die Urkunde
darüber befindet sich im dortigen Pfarrarchive*. — Da Maria
Fux die unvermählte Josefa Perger ^ zur üniversalerbin einsetzte,
diese sich später vermählte und ihren Gatten Johann Elias Link
zum Erben einsetzte, auch in der Folge mehrfache ähnliche Ver-
hältnisse eintraten, so zersplitterte sich der Nachlass des Johann
Josef Fux in einer Weise, dass kein l'heil davon mehr nachweis-
bar ist^. Ein einziges Recht aus dem Nachlasse hat sich bis auf
unsere Zeit erhalten. Maria Theresia Schnitzenbaum hat eine
Stiftung fdr eine PfrUndnerin des St. Johannsspitals in Wien ge-
macht und zur Präsentantin ihre Erbin Eva Maria Fux und ihre
Bechtsnachfolger testamentarisch berufen. Dieses Präsentations-
recht kam durch Vererbung an Jungfrau Anna Nimpfling in Gratz,
welche im Jänner 1867 noch lebte ^
1 Ihr Vermögen belief sich bei ihrem Tode auf 25.100 fl. (Beil. I. 16.)
2 BeU. I. 15. 3 Eb. 17. * Eb. 18. * Eb. 15. « Vgl. Vererbung des
Vermögens des Fux. Beil. I. 19. ' Beil. I. 19.
Register.
Die beigesetzien Zahlen keziehen sich auf die Seiten.
Abbatia Ant. Mar. 45.
Abraham a S. Clara 14.
Addimari Cav. Dichter 41.
Add Pletro Violoncellist 227.
Alber Job. yiolinist 230. 246.
Albers Paul 246.
Alborea Franc., Violoncellist 227.
Aibrechttberger Job. G. 71. 163.
Allegri Gregorio 120.
Amalia Wilhelmina, Kaiserin 63. 77.
AmaKeo Aarelio 24. 40.
Amatori, Sänger 29.
d'AmbrevIlle Anna 148. 242 f.
d'Ambrevllle (Borretlnl) Reta 148. 225.
Amiller Andreas 235.
AncionI Glov. Batt., Dichter 42. 202.
AnclonI P. 192.
Angellco Michelangelo, Dichter 41.
Angermayer Job. Ign., Violinist 230.
247.
Angropoli Nie. 246.
Animuccia Glov. 35.
Antonelii Fll., Altist 224. 240.
Apolloni Apollonio 24. 41.
Apoilonl Glus. 41.
Appiani Glus., Altist 224. 240.
Apremont Karl Graf 151.
Apriie Bern^ 218.
Ariosti Attillo 64. 270.
Arrlgoni G. Giacomo, Comp. 45.
Bach Job. Seb. 36. 163. 270.
Badia Anna Lisi, Sängerin 225.
Badia Carlo Agost. 49. 64. 65 f. —
215. 223.
Köckeli J. J. Fux.
Bartolaia Luigi, Tenorist 29.
Baryten, Saiteninstrument 226.
BassanI 34.
B«ttbyani (SiraHmann) Gräfin 83.
Bellermann Heinr. Urtheil über den
Gradns 163 f.
Benevoli Grazie 120.
Berg Josefa Gräfin 150.
Bernarbei Giamb. 46. •
Bernabei Gius. Erc. 120.
Bernachi Ant. 28. 29.
Bernardoni Pier AnL 40. f. 64. 192 f.
198. f.
Bernini Glov. 41.
Bertali Anton., 7. 17. 42 f. Oper In-
ganno d'amore 17.
Berti Antonio, Bassist 224. 238.
Bianeccbia Glus., Sopran 29.
de Bicilly Benigne 45.
Bigelii Tomaso, Tenor. 238.
Bodoaro Giac, Dichter 41.
Bonarelli Prosp., Dichter 41.
Bonaventura Qiov., Comp. 45.
Bonni Stoff., Tenor 29.
Benno Gius., Hofcomp. 188. 215. 230.
234.
Bononcini Giovanni Maria, Vater der
beiden Componjsten Marc Antonio
und GioY. Bononcini 66.
Bononcini Marc Antonio und Giovanni
64. 66 f. 269.
Bononcini Giovanni 34 f. 49. 64. 67 if.
75. 114. 269.
Bontempi Glov. Andr., Sänger 27.
Boog Andr., Posaunist 254.
18
274
Register.
Boreiti G. A., Comp. 45.
Borghi Gaet., Tenor 171. 224. 239.
Borrosini Franc, Sänger 148. 171.
178.
Borrosini Rosa s. Ambreville.
Brown« Dr. Eduard, Reisen 21 f.
Burnacini Ludov., Architect 19. 42.
ButUtett J. H. 102. 107. .
Caccini Glul., Sänger 27 f.
Cftcilienbruderscliaft 169 f.
Caldano Conte, Dichter 41.
Caldara Antonio 35. 79. 86. 91 f. 114.
148. 150. 170. 172. 188. 215. 218.
220. 223. 232. 269.
Camilla, Op. von M. A. Boncini 67.
Cantoreil(naben 229.
Cappellini 0.< Comp. 45.
Caproli Carlo, Comp. 46.
Carestini Giov., Sänger 28. 148. 241.
Carissimi Glacomo 27. 28. 34.
Cassati Pietro 148. 171. 177.
Castelii Paoio, Altist 29. Dichter 41.
Comp.. 46.
Castlieti ioli. 23.
Cavalli Franc. 33. 45.
Cavalietti Giui., Tenor 239.
CavellA Conte 114.
Cavriani Friedr. Graf 150.
Cesti Marc. Ant. 19. 34. 40. 43 f.
Clierubini M. L. 163.
Cliristian, Familie 86. 126. CKrittian
und Leopold, Posaunisten 228.
Leopold sen. 230. 253. Leopold |un.
230. 253 f.
Ciallls Rinaldo, Dichter 41 f.
Cianci Franc, Bassist 29.
CicogninI Giac Andr., Dichter 41.
CiinI Lib. Nie, Dichter 42. .
Cobentzel Graf 114.
Cocchi Lor^, Sopr. 29.
Collälto Graf 114.
Concentus muslco-instrumentalis. 54.
La Contesa doli' aria, Caroussel 20.
39.
Conti Francetco 35. 64. 86. 91. 94 f.
114. 149. 170. 173. 188. 215. 223..
226. 230 f. 233. 252. 269.
Conti Ignazio 95. 231.
Contilli Aless., Altist 29.
Corradi Giul. Ces., Dichter 41.
Corvo Gasp. 178.
Costa Carlo 178.
Crammer Job., Violoncellist 250.
Cupeda Oonato 24. 40. 192. 199 f.
Cymbal, Tasteninstr. 226.
Dafne, erste Oper des Perl 32.
Dario Franc M., Dicjiter 42.
Denis Pietro. 159.
Denk Karl Jos., Violinist 230. 250.
Olabaö , Fabeln über J. J. Fux 5. 6.
Donati Gius. Cos., Sopran .29.
Oonati Gius. Mar., Tenor 29.
Donner Raphaei 13.
Draghi Ant. 7. 44. 49. 145. Dichter 41.
Drenger Franz., Violoncellist 250.
Ebner Marcas, Organist 7.
Ebner Woifg., Organist 16.
Elisabetb (von WolffenbflHel) Kaiserin
84.
Eugen Prinz von Savoyen 63. '82 f. 97.
216.
Eumaschl A., Dichter 41.
Eurldice, zweite Oper des J. Pen 32.
Fasching Jos. 246.
Faustina Bordoni-ÜMse in Wien 172.
205.
Faustini Giov., Dichter 41.
Federlci Domen., Dichter 41.
Feo, Sänger 29.
Ferdinand IL Kaiser 16. 23. 36.
Ferdinand ill. Kaiser, Pflege der Mu-
sik 16. 36. Oomponist 36. erste
Oper 36.
Ferrari Bened., Dichter 41.
Ferrari Jac Fll., Altist 29.
Ferri Baldass, Sänger 28 f. Dichter 41.
Hegrister.
275
Ficiani Pier Uigi, Dichter 41.
Figher Bar. Consi. 151.
Filipeschi Domen., Dichter 41.
Finsierbusch Ign , Tenorifit 239.
Fischer von Erlacli, Joh. Bernli., Archi-
tect 12 f.
Foggia Franc. 120. .
Francitci Joli., Cantor 269.
Franck Jos. 24.
Fretchl Domen., Comp. 46.
Freiiig Andr., Contrabass. ^27. 251.
Friedericli Franz Phli., Fagottist 257.
Fried ericli Joli. Jac, Fagotüst 228.
256.
Froberger Joh. Jac. 16.
II Fuoco Vestale, Oper 18.
Fux Andrea«, Vater des J. J. Fux 2. 4.
Fux Jacob, Neffe des J. J. Fux 3.
Fux /ohann, Grossneffe des J. J.
Fux 3.
Fux Johann Josef, Hofkapellmeister.
Persönliches:
Heimatland und Geburtsort 1. —
Geburtsjahr 2. ~ Abstammung
und Vei'wandtschaft. 2. — Stamm-
baum 2 f. — Bildungszeit 3 'ff. —
Vermählung 9. — Organist bei
den Schotten 9. — seine Ehe
kinderlos 10. — er wird kais.
Hofcompositor 47 f. — sein Gehalt
wiederholt erhöht 50. — nimmt die
Tochter seines Bruders an Kindes-
statt an 60. — gibt (1702) den Orga-
nistendienst bei den Schotten auf
60 f. — neue. Gehalterhöhung bei
Hofe 60. — Hofquartier auf dem
Neuen Markte 61. — wiederholte
Gehalterhöhung 65. — wird Ka-
pellmeister am Dome von St.
Stephan 71. — - wird kais. Vice-
Hofkapellmeister 75. — zugleich
Kapellmeister der Kaiserin- Witwe
Wilhelmina Amalia 76. — wird*
Hofkapellmeister des Kaisers 86 f.
— erhält eine Aversionalsumme
iiir seine eventuelle Witwe 144 f.
bei .der Krönung in Prag seine
Oper Costanza e Fortezza 146 f.
— der Gradus ad Pamassum er-
scheint 153. — F. vertheidigt die
Bechte des Hofkapellmelsters ge-
gen Principe Pio 165 f. — Vird
Mitglied der Cäcilienbruderschaft
169. — Faustina singt in seiner
Oper 172. «-« seine musicalische
Thätigkeit (1726—1728) 172 f. —
seine jOper Elisa erscheint ge-
druckt 186 f. — Kaiser Karl VI.
dirigiert seine Oper Elisa 187. —
seine letzte Oper 191. — seine
Gatän Clara Juliana stirbt 212. — •
er macht sein Testament 212. —
erhält vom Kaiser einen Erzie-
hungsbeitrag für seinen Neffen
Matthäus 213 f. — Fux als Hofka-
pellmeister 215 ff. — Caldara stirbt
215. — Schüler des Fux 259 f. —
seine Porträte 264 f. — Wohnun-
gen 265. — Kränklichkeit und Tod
265 f. — Characterztige 218—267.
— . Verhältnisse zu Zeitgenossen
268 f. — Anhang : Matth. Teoph.
Fux, Neffe 271. — Maria Eva Fux,
Nichte von J. J. Fux 271 f. — und
* seine Erben 272.
Fux als Künstler:
Seine Instrumental-Composi-
tionen 50. — Geschichtliches 50 f.
— seine Partite a tre 54. 57. — der
Concentus musico-instrumentalis
51. 54. 57. — Ouvertüren 55. — So-
nate a tre 58. — Kirchensonaten
58 f. — Sonaten für Ciavier 60. —
Ouvertüre für Giov. Bononcini
60. — Mus. Chronik (1702—1703)
60. — Mus. Chronik (1708—1709)
65. — Singfundament 73. — mus.
Chronik (1714—1716) 89. — Oper
Angelica vincitrice eb. f. — Chro-
nik (1717) 97. ^ Solmiaationstreit
18*
276
Register.
mit J. J. Mattheson 97 ff. — seine
Kirchenmusik: Geschichtli-
ches: Palestrinastil 117 f. — Stel-
lung des Fux darin 120 f. — Sing-
Btimmen und ihre Führung 123. ~
Stilo a cappella und concertante
123 f. — Instrumtiemng 124 f. —
Messen 126 f. ~ Missa canonica
128 ff. — Requiem 131 f. — Ves-
pern 132 ff. — Litaneien 136 f. —
Gradualien 137. — Offertorien eb.
ff.— Mottette 140. — Hymnen 141 f.
Te Deum 143. — mus. Chronik
(1719—1723) 144. — Aufführung
der Oper Costanza e Fortezza in
Prag 146 ff. — sein Gradus ad
PamasBum erscheint 153. — Ver-
anlassung und Zweck desselben
eb. f. — Methode 154 f. — Ueber-
setzungen 159 f. Urtheile ausge-
zeichneter Musiker dartlber : Lor.
Mitzier 160. Jos. Riepel 160. G. Pa-
sterwitz 160 f. Nie. Piccinni 160 f.
Padre Martini 162. G. Paolucci
162. Abt Gerber eb. Ad; Scheibe
eb. Kimberger 163. Heinr. Beller-
mann .163 f. — mus. Chronik
(1726—1728) 173. — Oratorien
von Fux 174 ff. — Textverfasser
dazu 174 f. — Allgemeines über
Oratorienmusik 175. — Sänger
darin 177 f. — die Oratorien: La
Fede sacrilega 89. 178. — La
Donna forte 89. 179. — H Fönte
della Salute 89. 180. — H Tri-
onfo della fede 89. 181. — II
Disfacimento di Sisara 97. 181. —
Cristo neir orto 97. 146. 182. —
Gesti negato da Pietro 144. 183.
— La Cena del Signore 144. 184.
— H Testamento di N. S. 172.
185. — LaDeposizione della Croce
173. 185 f. — Seine letzte Oper
191. — üebersicht seiner sämmt-
lichen Opern 192. — Texte dazu
192. — die grossen Opern 194. —
Operetten 194. — Behandlung der
Opern 194 ff. — ihre Instrumentie-
rung 194 f. — Gesangstücke 195 ff.
— Die Operetten: La Clemen-
za d'Augusto 60. 198. — Offen-
dere per amave 60. 199. — Pul-
cheria 65. 199. — Julo Ascanio
65. 200. — Gli Ossequi della Notte
65. 200 f. — n Mese dl Marzo 65.
201. — La Decima fatica d'Ercole
65. 202. — Dafhe in Lauro 89.
202. — Orfeo ed Euridice 89. 203.
— Diana placata 97. 203. — Psiche
144. 146. 204. — Opern: Giunone
• placata 172. 205. — Angelica vin-
citrice 89 f. 206. — Elisa 144. 207.
— Le Nozze di Aurora 146. 208.
— Costanza e Fortezza 146 f.
209. — La Corona d'Arianna 173.
211. Enea negli Elisj 191. 212. —
Fux als Hofkapellmeister 215 ff.
Fux Katharina, Schwester des J. J.
Fux 3.
Fux Clara Jullana, Gattin des J. J.
Fux 9. 212.
Fux Maria Eva, Nichte des J. J. Fux
2. 4. 10. 60. 213. 266.
Fux Matthftus Theophil., Neffe des
J. J. Fux 2. 4. 10. 213 f. 266.
Fux Peter, Bruder des J. J. Fux 2. 4.
Fux Sebastian, Neffe des J. J. Fux 2.
Fux Ursula, Mutter des J. J. Fux 2. 4.
Gabbrini Gius., Comp. 45.
Gabriell Joh., Oboist 228 f.
Gabrlelll Oiamante, Dichter 41.
Gallerate Marchese 150.
Galli Pietro, Contralt 240.
Garghetti Pietro Santi, Tenor 29.
Garghetti Silvio, Tenor 178. 224.
Gaucquier Alard, 23.
Gazaroll Zach., Oboist 258.
GenovesI Domen., Sänger 148. 171
224. 241.
^
RegiBter.
277
Cl«rb«rt Abt, ttber den Gradus 162.
aet angtkunst in ItaliM 27. — Wien 28.
CMaaettino Anton., Compon. 46.
Gigl K. 219.
Qiordnni Torquato, Sopran 29.
Glltzi Franz, Roman und Xaver, Oboi-
sten 86. 228. 257.
Gtttzin^er Fried., Bassist 170. 224.
237.
Qradiis ad Parnaeeum 153 ff.
araun K.. Heinr., Kapellm. 147. 149.
areil A. E. 163.
GrimanI Vinc, Dieliter 42.
Qrossauer Ferd., Violinist 227. 249.
Guadagnl P., Dieliter 41.
Guido von Arezzo 100. 112.
Gumpenliuber J. B. Gymb. 231.
Hainisch Job., Trompeter 228. 255.
Hammer leb. Paul, Violinist 249.
Hammer M. Jos. 219.
Hlndel Georg Fr. 36. 98. 109. 163.
270.
Hardedt Job. Karl Graf 151.
Harraob Ferd. Graf 150.
Hartmann Karl 246.
Hartner Jos., Besitzer des Greburto-
hauses des J. J. Fux 1.
Haue 114. 172. 188.
Haidn Josef 163.
Hayda Miebael 130. 163.
Hellmann Max, Cymbalist. 86. 218.
226. 230. 252.
Henkel Jos. Gräfin 151.
Herberstein Sigm. Graf 151.
von Hlldebrandt Lucas, Arohitect 18.
Hillverding M. Anna, Sängerin 242.
Hintoreder Georg, Violinist. 171. 227.
247 f.
Hirtenfeld, Geburtsort des J. J. Fux 1.
Hofeompoeitoron, ihr Ursprung und
ihre Bestimmung 49 f.
Hoffer lac. 170. 246.
Hofkapeilo dos Kaisers. — Beformie-
rung nach Josef I. Tode 74 f.
221. — unter dem Hofkapell-
meister J. J. Fux. 216. ff. Compo-
nisten 223. — Organisten 223. —
Sängerchor 223. — Bassisten, Te-
noristen, Altisten, Soprane, Sän-
gerinen 224 £ — Instrumentisten
225 f. -^ Violinisten 227. — Vio-
loncellisten 227. -^ Contrabässe
227. — Posaunisten 227 f. -*
Waldhomisten 228. -^ Trompeter
228. — Fagottbten 228. — Oboi-
sten 228.
Hofscholaren 86. 229 f. — Lehrer der-
selben 230. — Anstellung von
Zöglingen 230.
Hollandt Jos., Trompeter 228. 255.
Holzbauer Ign., Componist, iLcin
Schüler des J. J. Fux 263 f.
Heizhäuser Heinr. 77.
Holzhäuser (Reutter) Theresia, Sänge-
rin 177. 219. 225. 244. f.
Hueffnagel Franz, Gambist 226. 251.
HueHer Matth., Bassist 237.
Instrumental-ComposiUoaen. Geschicht-
liches 50. — Fux, Partite 52. —
Suite 52. — Symphonien, Ouver-
türen 52. — Tanzrhythmen der
Suite 52.
isaak Heinrioh 23.
losof I., Kaiser 62. — sein Character
62. — versucht sich in Composition
62. ~ sein glänaender Hofstaat
62. — Förderer der Musik 63 f. —
Bau des prächtigen Opernhauses
63. — nimmt die Widmung des
Concentus an 51.
Die Kaiserllcbo Famiiis wirkt bei
^dramatischen Darstellungen mit
22 f.
Karl VI., Kaiser. — Character 80. —
Urtheil des Ap. Zeno über ihn 80.
— Förderer der Wissenschaft 81.
278
Register.
— Leibnitz, Petz, Bernhard 82. —
Hofstaat 82. — Jagd — Scheiben-
schiessen 83. — musikfördemd
84. — Theilnahme des Hofes
daran 85. — seine Hofkapelle 85 f.
— dirigiert Caldara's Oper Euri-
steo 150 — ebenso die Oper Elisa
von Pux 187.
Karl Josef, Erzherzog 21.
Kerl Kaspar, Organist 8.
Keysof Reinhard 98. 109.
Kircher Athanaslut 15.
KIrnberger loh. Phli. 163.
Kuhnau Joh. 109.
Lambeck Pet., Bibliothecar 14.
Lamberg Ford. Graf 150. 215.
Undini<Conti)Marla, Sängerin 177.225.
dl Lasso Orlando 28.
LaudI spirituall 36.
Laute, Saiteninstrament 226.
Lazzari Mich. Baron 151.
Legrenzi 269.
Leibnitz 14. 62.
Lomberger Ford. 246.
Lomeno F., Dichter 41.
Longhoim Frfodr. Graf 151.
Loo, Sänger' 29.
Leopold I., Kaiser. -^ Character 13 —
Pflege der Wissenschaft 18 f. —
der Musik : eigene Compositionen
17. 42. — Liebe zur Musik 18 f.
— zur Oper 18. — Theilnahme
der kaiserlichen Familie daran
22. — die italienische Oper 87. —
Kaiser Leopold stirbt 61.
Lotma Ang. Maria, Bassist 29.
LIbano Loop. Violinist 246.
Liechtenstein Ant. Flor. Fürst, Oberst-
hofineister installiert J. J. Fux 88.
Liochtonstein Hans Adam Fürst 63. •
Limplacabii gelotia, *2weistimmige
Composition (nachMattheson) von
Fux, erscheint in der Oper Poli-
femo von G. Bononcini 69.
LobkowHz Christ. Fürst 150.
Lorber los., Oboist 257.
Loronzoni (Conti) M. Anna, Sängerin
225. 244.
Losy Anton Phil. Graf 151.
Losy Franz Graf 269.
Lotti Antonio 77 f. 114. 270.
Luti Glamb., Dichter 41.
Maccioni Glov. Batt.,- Dichter 41.
Compon. 45.
Maddali Bern. 174.
Maossanus Petrus 23.
Malliard Ant., Fagottist 257.
Maillard Karl, Fagottist 256.
Malvezzi Ottav., Dichter 41.
Mancini Qiamb., Sänger 29.
Manfred! Aiess., Uebersetzer des
Gradus 159. 161.
Marcollo F. Giov., Dichter 41.
Maria Anna, Erzherzogin 85. 150 f.
Maria Theresia, Erzherzogin 84 f. 97.
150 flF. :216.
Martinolii Domen., Architect. 13.
Martini Padre, über den Gradus 162.
Masselti Lorenzo, Contralt 240.
MassuccI Ant., Tenor 29.
Mattel Lor., Dichter 41.
MaHeis, Violin 86. 246.
Mattheson Joh. über die Partite des
Fux 59. — Fehde mit Fux wegen
Solmisation 98 ff. — mit Fr. Conti
95. das beschützte Orchester 99 f.
104 f. — Critica Musica 109.
160.
Mazza Domen., Dichter 42.
Mazzeila Nie, Tenor 29.
Mazzocchi VIrg., Singmethode 27.
Medolago Ant., Dichter 42.
Melani Aless., Componist 45.
Metastasio P., kais. Hofpoet 115. 165.
187 f. 192. 212.
Minato Conte Nie, k. Hofpoet 24. 40.
Mizler Lorenz, Uebersetzer des Gra>
dus 159 f.
Register.
279
Mollart Fenl. Ernst Graf , Hoftnusik-
Oberdirector 74 f.
U MosarcfaU Utina, Oper 18. 20. 24.
Monsella Giov. Andrea, Dichter 41.
MontaiHis Laily Mary, über die Oper
Alcina von Fux 84. 89 f.
de Monte Phillppiis 23.
Monterlso Gins., Sopran 224 241.
Monteverde Claudio 33. 119.
Moreto Agost., Dichter 41.
Morselli Adr., Dichter, 41.
Moser Jos., Bassist 230. 237 f.
Mozart W. A. 163 f. 262.
Mnffat Amad. (Gottl.), Organist 86. 126.
171. 223. 230. 235. 259.
Multet Joh. Ernst, yioUnist 249.
Miiflat Jos., Clav. 231.
MDIIer Jeach., Staatscabinet 20.
Musik am Vsterr. Hofe vor Kaiser Leo-
pold L unter Ferdinand Ol. 16. die
Niederlande!: 28. die Italiener 50 f.
— Sprache der Deutschen nnd
der Italiener an der Oper 24 f.
NaninI Giov. M. 119.
Nassotto 8ob., Trompeter 255.
del Negro Ant., Dichter 42.
Nerl HHppo 35 f.
Neri Qlanbatt., Dichter 42.
Neubauer, Organ. 86.
Noris Matt., Dichter 41.
Oper, italienische. — Ursprung 29 f.-*
Giacoppo Peri31 f.-* Claudio Mon-
teverde 33. — Franc. Cavalli 33. -*
Giac. Carissimi 34. — Marc. Ant.
Cestl 34. — Alessandro Scarlatti
34. — Verbreitung in Deutschland
36. -^ Opemtextbücher 37.
Operncomponisten ausser den Hof-
componisten 45 f.
Operntextdichtor 37. ^ ausser den
Hofpoeten 41 f.
Oratorium Entstehung aus der Kam-
mer-Cantate 35 f.
Oriandini L, Dichter 41.
Orsini Gaetano, Opernsänger 148.
170. 177. 224. 250. 240:
Oottl Matli., Tenorist 239.
Otto Friedr., Hornist 254.
Paobta Franz Graf 151.
Pacieri Gius., Comp. 46.
Paggioli Baldassaro, Altist 29.
PagiiardI G. M., Comp. 45.
Palestrina Pier Luigi 35 f. 118 f.
Paiotta Matteo, HofkapeUmeister 215.
223. 233.
Pamfiii Bened., Dichter 41.
Pancotti Ant., Altist 29. Hofkapell-
meister 50. 61. 75.
dei Pane Domen., Sopran 29.
Panizza Lucrezia, SKngerin 243.
Paolucci 6., über den Gradus 162.
ParlatI Piotro, Hofpoet 114. 116. 146.
172 f. 174. 189. 192. 202 f. 206 f.
208 ir. 211.
Pasquinl Bern., Comp. 46.
Pasquini Giov. Claudio, Hofpoet 174.
189. — sein Opemtext zu Don Chi-
Bciotte in corte della duch^ssa,
fälschlich dem P. Pariati zuge-
schrieben 190.
Passerini Franc, Dichter 41. Comp.46.
Pasterwitz G., über den Gradus 160 f.
Payer Cliristian, Tenor 171. 224. 239.
Payer Job. Bapt., Hoforganist 126. 236.
Pederzttoli J. P., Comp. 45.
Porgen Ford. Graf 151.
Pergen Joh. Bapt. Graf 151.
Pari Jaooppo, £rfinder der Oper 31 f.
Pernember F. K., Violinist 227. 248.
Perroni Giov., Violoncellist 86. 148.
227. 250.
PertusaU Cbrist Graf 151.
Petazzi Pletro, Sopran 230. 242.
Piani Giov. AnL 86. 149. 178.
Piani Tomaso, Violinist 246.
PIccinni Nie, über den Gradus 160 f.
Piccoiomini Ottav. Graf 151.
280
Register.
Pieliacher Ign., Bassist 237.
von Pilati Joh. Ant. 63.
Pio di Savoia, fiiDcipe Luigi 114.
150. Conflict mit Fux 165 f. — 187.
215. 217. 219.
Pitani Barbara, Sängerin 245 f.
Pistocchi Franc. Ant., Gesangschale
27flf.
Pistorini Baldatt., Bassist 29.
Piakai (Blagai) Gräfin 150.
Platzer Joh. Alb., Organist 16.
Pdck Ant., Bassist 237.
Pttllnitz Ludw. Baron, m^moires 82 f.
II Pomo d'oro, Oper 19. 38.
Porpora N. 29. 114. 270.
Porsilo Gius., Hofcompositor 96. 114.
144. 170. 172. 188. 223. 233. 269.
Praun Christoph, Bassist. 148. 171.
178. 224. 230. 237.
Prodiori Luc Antonio, Hofkapellmeist.
188. 215. 220. 223. 232.
do Pris Josquin 23.
Preyor Gottfr. , DomlEapellmeister 71.
Proglio Domen,, Sopr. 29.
Proskau Christ. Graf 151.
Protoo sui Rone, Oper von G. Bonon-
cini, Ouvertüre dazu von Fax 60.
de Prugkh Arnold 23.
Priistmann Ign., Scliüler des Fux 262.
POrk Wenzel, Org. 230.
Puttoanus Erycius 102.
Quantz Joh. Joach., über die Darstel-
lung der OperCostanza eFortesza
in Prag 147 ff. 149. 172.
Quellen der Forschung über Fux
im Vorworte.
Questenborg Adam Graf 150.
Rabutln Gräfin s. Sinzendorf.
Ragazzi Ang., Canon Fax zu Ehren 269.
Rajoia Ant., Violoncellist 227.
Ranucci Ott. 32.
Ratazzi Ang. 86.
Regnart Jacob 23.
Reinhard Franz, Violinist. 171. 230.
246.
Reinhard Georg 166 f. 170.
Reinhard Karl Math. 230.
Rotnhard Kilian, Concenmeister 74.
171. 234.
Remigio Don, Dichter 41.
Reutter Georg sen., Kapellmeister am
Dome von St. Stephan 71. 235.
Reutter Georg Jun. 188. 215. 219.
^23. 233.
Reutter Theresia s. Holzhauser.
RIccioni Ben., Bassist 29.
Richter Ant. Karl, Organist 223. 236.
Richter Ford. Tobias, Ho.forganist 45.
Riopei Jos., über den Gradus 160.
Renk Euch. Gottl., Leopold des Gros-
sen Leben 17 f.
Rodrano Riccardo, Dichter 41.
Rogenhofer (Schnautz) Anna Barb.
Sängerin 225. 243 f.
de Rore Clpriano 119.
Rosetter Joh. Otto, Violinist 246.
de Rossi Camilla 64.
ROssl Rocco, Dichter 42.
Rossi Wenzel, Hornist 254 f.
Rotal Karl Graf 151.
Rupprecht Hans Albr., Dichter 41.
Rusovsky Franz, Organist 230. 236.
Sabatini Pompeo, Sopran 29.
Salaburg Ludw. Graf 150.
Salimboni Fei., Sopran 225. 242.
Salm Kari Theodor.Fttrst.63.
Salm Karl Graf 151.
Salm Christiana Gräfin 151.
Salviati FIlippo, Violinist 219. 230.
248 f.
Sances Fellce, Kapellmeister 7. 16.
43. 232.
Sarti Domen., Sopran 29.
Sartorio Ant., Comp. 45.
de Sayve Lambert 23.
Sbarra Francesco, Dichter 24. über
Pomo d' oro 38. 40. ^
Register.
281
Searlatti Alett. 27. 29. 34 f. 46.
Scheibe Ad.^ über Cavalli 33. -* ttber
Fuz und Caldara 93. — über den
Gradus 162.
Schindler Geerg, Fagottist 256.
Schiegel, die Vermeinte Brüder 25 f.
Schmelzer Andr. Ant. 8.
Sehmeizer Jeh. Heinrich 7 f. 21. 44.
Schmelzer Pet. 246.
Schnautz Anna Barb. b. Rogenhefer.
Schnautz Anton, Contrabassist 227.
•251.
Schnautz Franz Peter, Vioioncelßst
250. 251.
Schnautz Joh. ign. 230.
Schnitzenbaum Joh. Joe., Schwieger-
vater des J. J. Fux 9.
Schnitzenbaum Clara Juliana, Braut
und Frau des J. J. Fux 9. 212.
Scfanitzenbaum Maria Anna, Schw&ge-
rin des J. J. Fux 10.
Schnitzenbaum Maria Theresia, Schwä-
gerin des J. J. Fux 10.
Schnitzenbaum Paul Ant., Schwager
des Fux 10.
Schnitzenbaum Ursula, Schwiegermut-
ter des J. J. Fux 10.
SchSnborn Friedr. Karl Graf 83.
SchOler des J. J. Fux 259 ff.
Schulz Joh. Ludw., Oboist 258.
Scirtonlano Alindo, Dichter 42.
Scooniant Regina, Sängerin 177. 225.
Seilern Graf 63.
Senetino, Sänger 28.
Sennfn Ludw. 23.
Serano Camilio, Dichter 41.
Serini Glut., Comp. 46.
Settier Erntt, Trompeter 255.
SInzendorf Sigm. Graf 166.
SinzendoH (Rabutin) Elitabeth Gräfin
63.
Solmisation und KirchentSne, Streit
darüber mit Joh. Mattheson 97 ff.
Stadimann , Viotin. 227. 230. 249 f.
Stampiglia Nunzio, Dichter 42.
Stampiglia Silvio, Ho^oct 41. 64. 192.
201.
Starhemberg Judith Gräfin 150.
Starhemberg ROdiger Graf 63.
Starhemberg Thomas, Graf 63.
Steffani Agott, Comp. 46.
Steinbrucicner Anton und Ignaz, Po-
saunisten 254.
Stella Pletro Marchese 150.
Stubenberg Jotef Graf 151.
Stradella, Sänger 27.
Stratoldo Anton Graf 151.
Sturmb Joh. Franz, Fagottist 255.
Sturmb Franz Mart. 256.
SutinI P., Dichter 41.
Tartini Glut, in Prag 146.
Telemann G. Ph. 98. 109. 159 f.
Teorbe, Saiteninstrument 226.
Thalmann Franz Dan. 50. 75.
Thurn Rota Gräfin 151.
Timmer Franz Jet., Violinist 247. Te-
norist 230. 238 f.
Tollini Domen., Sopran 117. 240.
Toti Pletro Franc, Sänger 28. Hof-
compos. 70. 75.
Tricarico Glut., Comp. 45.
Truchtett von Zeil Karl Robert Graf
151.
Tuma Franz , .Schüler des J. J. Fux
261.
Tychian, Comp. 45.
Utienghl C. M., Dichter 42.
Vaet Jacob 23.
Valentin! Giov., Eapellm. 16.
Vanadin! D. Ant. 140.
Ventura Domen., Balletmeister 42.
Verdina Pletro, Kapellmeister 16.
Vernio Giov. Bardi 30.
Vincenzi Joh., Sopran 171. 240 f.
Viola da gamba, Streichinstniment226.
VItali Giac, Sopran 242.
Vogler Abt, über den Gradus 162.
282
Register.
Wagenseii Georg Christ., Hofcomp.
215. 218. 223. 230. 233 f. Schüler
des Fux 262.
Weist 8llv. Leop. 147. 149.
Werdenberg Caeimir ßraf 151.
Wemdie Ant., Organist 237. Bassist
230. 238.
Westenrad Christ. Bar. 151.
Wien am £Dde des XVII. Jahrhun-
derts — sein Umfang — Architec-
tur — Sculptur 12 ff.
Wittmann Andr., Oboist 228. 258.
Weiler Ferd., Violinist 246.
Woller Jac. Jos. 230.
Woechitka Tob., Fagottist 256.
Ximenee Caval., Dichter 41.
Zacher J. Mich., Comp. 46. 71 i.
Zamponl Gins., Comp. 45.
Zarabeia Andr., Diehter 41. Comp. 46.
Zarlino 119.
Zeidier Max, Kapellmeister 269.
Zeitlinger 8eb. 170.
Zeienica Joh. Diem. 149. 260.
Zeno Apoetoio, Hofpoet 80 f. 113 f.
150. 152. 165. 172. 187. f. 192; 204.
Zlani Marc Anton., Vice - Hofkapell-
meister 50. 64. 74 f. 77 f. 86. 145,
269.
Zlani P. Ant., Comp. 45.
Ziiler Bernfa., Violinist 247.
Zinicen, Blasinstrument 226.
Zineendori Ant. Gräfin 151.
Zobur Jos. Graf 151.
j±.
Beilagen.
Beilage I.
Urkunden: Familien- and VermögensTerhftltnisse des i. i. Fux.
!• Trannngpsmatrikel der Pfarre zu den Schotten in Wien vom Jahre
1606. „Copulationen<* (vorhergeht „4. Juni«),
„Der Edle nndt Kunstreiche Herr Johann Joseph Fux, dessen
Grottshauss wohlbestellter Organist, wohnhafft in Schottenhoff, gebührtig in
Steyermark nimbt zu der Ehe die Edle Ehr- und Tugentreiche Jungfrau
Juliana Clara Schnitzenbaumin, gebührtig allhier wohnhafft in den
Winklerischen Hauss auff den alten Fleischmark, weyl. des Wohledlen undt.
Gestrengen Herrn Johann Joseph Schnitzenbaum N. Oe. Regierungs-Secre-
tarii undt Maria Vrsula dessen Ehefrau, so noch am Leben eheleibliche
Jungfr. Tochter.
Test. Hr. Andreas Anton Schmelzer,
Köm. Kays. Kammer-Musicus.
Hr. Bernardinus Tschuk,
Unter-Steyerhandler u. örundschreiber.
Hr. Paul Schmuderer,
des Innern Rathes und bilrgerl. Eisenhändler.
Hr. Conrad Scheffer,
Controlor in Kriegsrath.
■
t« Trauungsmatrikel der Dompfarre St. Stephan in Wien.
nCopnlatus 5. Juni 1696.
Der Wohl Edle vnd Kunstreiche Hr. Johann Joseph Fux, Orga-
nist bein Schotten Zu Hürtenfeldt in Steüermarkh gebürtig, mit der Edlen
Ehr vnd tugendsamen Jungfr. Clara Juliana Schnitzenbaumin weyl.
Hm. Johann Joseph Schnitzenbaum gewesten N. Oe. Regierungs-Secretarii
vndt Maria Ursula seiner Haussfrau Ehiiche Dochter. *<
Testes. Hr. Antoni Schmelzer, Hr. Bernardin Tschukh, Hr.
Paul Schmudterer, Hr. Conrad Scheffer.
Tax. a Scotensibus.
*
S« Aus dem Archive des k. k. Landesgerichtes in Wien.
„Wir Endtsgefertigte Bekennen Craft gegenwärtigen hiemit öffentlich,
wassmassen wir von wegen wayl. der Frauen Clara Juliana Fuxin,
gebomen Schnitzenbaumin, des Herrn Johann Joseph Fux Kay. Hof-Capell-
meisters Ehe-Consortin und unserer Frauen Schwester seel. betreffenden
286 Beil. I. 4.5.
Verlassenschaft zu ewigen Zeiten keine anfordemng stellen wollen*, £rclä-
ren uns hiemit gerichtlich demnach , das8 die diessfÜUige angelegte Spörr
hinwidemm ohne einzigen Bedenkhen hinweggenommen und obgedachten
Herrn Fux, als unsem Herrn Schwägern die Verlassenschaft gerichtlich ein-
geantwortet werden könne. Zu .Ifrkunde dessen unsere hierunter gestellte
Fertigung. Actum Wienn den 14. Augusti 1731."
(L. S.) Maria Anna Schnitzenbaumin,
Ihro Durchleicht Erzherzogin Maria Magdalena Camer-
dienerin.
(L. S.) MariaTheresiaSchnitzenbaumin,
bei Weyl. Ihro Höh. Elisabetha kön. Princessin von
Polen seel. Cammerdienerin.
(L. S.) Paul Anton Schnitzenbaum m./p.
Kay. Hof Cammer Concipist.
%• Erbserklärung des Joh. Jos. Fux nach dem Tode seiner Frau.
Archiv des k. k. Landesgerichtes in Wien.
Hoch, und Wohlgebohmer Reichss GraflF etc.
Gnädiger Herr 0. H. M.
Zufolge der nebenkommenden Auffleg vnd Verbscheidung A hab ich
mich auff die darinne mit lit. A hiebei B anliegenden Repudiation für uni-
versal Erben ab intestato zu meiner verstorbenen Ehewürthin Clara
Juliana Fuxin seel. Verlassenschaft sine beneficio legis et inventarii hie-
mit ordentlich erclären beynebens bitten sollen.
Euer E:(cel]enz geruhen diese Meine hiemit Thuende Erbs-Erklärung
gnädig zu acceptiren derselben protocoUando zu gedenkhen und Nunmehro
wegen eröffnung der Spörr auch Einantwortung der Verlassenschafift die be-
hörige Verwilligung abstö ergehen zu lassen, mich gehors. empfehlend
Euer Excellenz
gehors.
2048 Johann Joseph Fux m./p.
praes. 29. August 1731. Kay. Hof Capell Maister.
Bescheid.
Diese ErbserClärung bey der Oantzley aufzubehalten und denen In-
teressirten auf anlangen abschrifften zu ertheillen; annebenss will Hr. Oberst
Hof Marschall über die von deme ab intestato kommenden Erben beyge-
brachte schriftliche gefertigte repudiations erklärnng ddo. 14. Aug. inste-
henden Jahrs, so bey der Kantzley in origin. aufzubehalten in Eröffnung
der Spörr und Einandtwortung der Verlassenschaft gegen revers bewilligt
haben. Wien, den 29. Aug. 1731.
E. Martinitz m./p.
&• Nach dem im Archive des k. k. Landesgerichtes in Wien aufbe-
wahrten eigenhändig geschriebenen Originale.
,^prae8. 13. Februar 1741.
Beil. I. 5. 287
Letzter Wille.
Meines Bruders Petters hinterlassenen Sohn, alss meinem lieben
Vettern Matthaeo, welchen ich von kindheit auferzogen , legire ich die
güldene ketten sambt daran hangender Hedalia : Item alle meine Bücher,
Musicalisch- und ändere: femer alle musicalische Instrumenta, und dass
wenige gewehr. An Geld vermache Ihme Matthaeo Zehen Tausend Gulden
id est 10.000 fl. mit dem geding, dass er Matthaeus in seinem angefangenen
fltudio so wohl in litteris alss auch Musica sich embsig zu üeben fortfahre
und sich qualificirt zu machen trachte. Und weillen der knab annoch Mi-
norenis ist, so ernenne ich für dessen Gerhab qider Tutom der Rom. Kay.
May. Hof Cammer Concipisten Herrn Paul Anton Schnizenbaumb,
alss meinen liebsten H. Schwägern , dessen Integritet und Wohlgewogen-
heit gegen meine Famili von villen jähren Hero mir sattsamb bekant ist.
Wird derwegen ein Hochlöbl. Hof Marschallisch Gericht gehorsamb gebeten
Ihme Herrn Schnizenbaumb qua talem zu confirmiren. Meine Dienstbotten
-zu betreuen ,' überlasse der aequitet meinr bald Hernach zu declarenden
Universal Erbin, alss welche ermessen wird, was einem ieden neben der
gewändlichen klag nach proportion der Zeit und embsigkeit ihrer Dienste
ohne nachthail der Massae haereditariae und eignen Subsistenz könne ge-
reichet werden. Denen armen Häusern vermache ich dreissig Gulden, in
gleiche theil aus zu theilen.
Mein totter cörper solle nach Christlichem gebrauch auf St. Stephans
Freydhof doch ohne gepräng begraben , und zu meiner allerliebsten Ehe
Consortin beygeleget werden. Die anzahl deren Heiligen Messen für meine
arme Seelle , überlasse abermallen der Pietet meiner Universal -Erbin ; als
welche zwischen ihrer Schuldigkeit, gewissen und nptturfb zu ihrer ehr-
lichen Unterhaltung dass mitel zu ergreifen wissen wird.
Welches ich auch von dennen almusen, fUr andere arme ausser
-dennen armen Häusern wil verstandten Haben. Endlich setze ich zu meiner
Universal Erbin ein, von allen meinen übrigen vermögen, wie selbes Namen
Haben mage, nicht ausgenomen, meine liebe Maimb Eva Maria, des an-
fangs gesetzten legatarii Matthaei leibliche Schwester, ihres wohlverhaltens
Halber, lieb und trey, so selbe forderist nach ableiben meiner liebsten Ehe
Oonsortin seel. mir erwiesen Hat , doch mit dem beding , dass selbe ihren
Brueder Matthaeum , so lange es die Zeit leyden würd , bei sich behalten,
und sorg tragen, damit er Christlich erlich mit guten Siten erzogen werde,
auch sich erinnern ^olle , dass gleich wie Sie Eva Maria mit virthalb iahren
ihres alters an kindsstat von mir ist angenomen mit vätterlicher obsorg,
lieb und treu bis auf diese Stundt versorget worden, Sie auch dess sich er-
innernd Ihren Bruedem dergleichen thue, und ihme die Schwesterliche lieb
und treu solle lassen angedeyen.
In fahl aber mein Vetter Matthaeus wider ver Hoffen in der Minorenitet
mit Tott abgehen möchte, solle von dessen legat drey Tausend Gulden dessen
288 Beil. I. 6-9.
älteren Bruedern Sebastian oder in abgang dess seinen Bruedern,
welcher alssdann in rechtsamben besitz des Fuchsischen Haas zn HUrten-
feld in Steyer Markh in St. Mareyner Pfar gelegen , sein wurde, zuefallen :
dass übrige aber der Universal Erbin Eva Maria zu guten kommen solle.
Dass ist mein letzter Wille mit meiner aignen Hand aufgezeichnet,
deme in allen stucken solle naehgelebet werden.
Meine arme Seile endlich in die grundlose Barmherzigkeit Gottes
empfehlend übergibe Selbe in die Hände meines Erlesers. Den 5. Januarij
1732.«
(L. S.) Johann Joseph Fux,
Kay. Hof Capel Maister m/p.
Auf dem Umschlag:
„Lester Wille
mein
Johann Joseph Fux,
Kay. Hof Capel Maister m/p.«
•• WieÄer Diarium 1741 pag. 149.
„Den 14. Februarii«. Verstorbene.
^Der Wol-Edel-gestrenge Hr. Johann Joseph Fux, weil, der Rom.
Kays. Majest. Hof-Capellmeister, bei dem goldenen Bäm am alten Fleisch-
markt, alt 81 J.«
1. Commune von Wien, Todtenbeschaueramtsprotokoll 174. fol. 207.
„14. Februar. Der Wohl Edlgestrenge Herr Johann Joseph Fux,
Weyl. der Rom. Kay. Maytt. Hoff- Capellmeister ist beim golden Bäm am
alten Fleischmarkt an Hectica-fieber bscht. (beschaut) alt 81 Jahre."
9* Dom von St Stephan in Wien, Todtenprotokoll 1741 fol. 12 [be-
graben].
„15. Februar. Der fititl:] Herr Johann Joseph Fux, weyl. der
R. K. M. Hof-Capel Maister zu St. Stephan in die Kru£ften, grossgleuth 0 fl. |
1 Requiem 6 fl.«
O* Nach den Acten des k. k. Landesgerichtes in Wien erklärt sich
Eva Maria Fux auf Grund des Testamentes vom 7. Jänner 1732 unbedingt
zu Erbe des Nachlasses ihres Oheims des am 13. Februar 1741 verstorbe-
nen Joh. Jos. Fux.
Femer steht auf dem Original -Umschlag des Testamentes- von J. J.
Fux mit Bleistift geschrieben: „gestorben 13. Februar 1741«, ebenso auf
dem Originale des Testamentes: „praes. 13. Febraar 1741«.
Damit ist der Todestag des 13. Febraar 1741 vGllig sichergestellt
Aus allen diesen Angaben geht übereinstimmend hervor :
Joh. Jos. Fux ist gestorben 13. Februar 1741
., „ „ „ beschaut 14. .,
„„.,., beerdigt 15. ., .,
Beil.l. 10. U. 289
Fin.-Ministeriums- Archiv.
A, „Dem Capellmeister Hrn. Job. JosefFux an jährlichen 600 fl.
(adjuta) die 4. Quartalsgebühr 1737 laut Quittung IM) fl. (Anmerkung)
„Fernere Gebühr nemblich vom 1. J&nner 1738 bis Ende Juni 1740 ist der
Stadt-Banco verwiesen worden.
Vide die Lista fol. 101. <<
Bancalitats-Caineral-Zahlamts-Rechnung 1740 fol. 138.
B, „Aussgaab auf Claag- Gelder Ihro May. des Kaysers Hinterbliebenen
Hofstaatsbedienten.
„Herr JohannJosefFux Capellmeister laut Quittung 40 fl.*'
Banc. Cameral-Zahlamts-Reohnung 1743 fol. 317.
C, Fuxische Erben: „Int. dd. 25. Mai 1741 an die Minister.-Banco-De-
putation: mit des verstorbenen Hofkapellmeisters Joh. JosefFux nach-
gelassenen Erben seiner gehabten Hofbesoldnng und adjuta pr. jfihrl. 3100 fl.
bis den 14. Februar 1741 die Abrechnung zu pflegen.
An die Univ. Banco — ."
General Assign^tionsbuch von 1741 fol. 245.
Da Fux (in C) im Mai 1741 „verstorbener (nicht pensionierter) Hof-
kapellmeister'' genannt wird , und von seiner gehabten Hofbesoldung
und adjuta mit den Erben Abrechnung gepflogen werden soll ; da femer
noch im Jahre 1743 (nach B) den Erben die dem J. J. Fux für „Claag-Geld'<
40 Gulden ausbezahlt wird, als einem Ihro May. des Kaisers (Karl VI.
1 20.0ctober 1740) „hinterbliebenen Hofstaats-Bedienten •*; so scheint daraus
hervorzugehen , dass Fux nicht nur beim Tode des Kaisers als wirklich an-
gestellter galt) sondern auch später bis zu seinem Todestage 23. Fe-
bniar 1741) im Genüsse seiner Besoldung und seines Characters geblie-
ben ist.
tfl« Aus den Acten des Obersthofmarschallamtes, unadelige Abhand-
lungen Ur. 5006 im Archive des k. k. Landesgerichtes in Wien.
•
Erbserklärung der Eva Maria Fux nach Johann JosefFux'
Ableben.
Gnädigster Herr Obristhofmarschall etc.
„Nachdeme mein vielgeliebter Vetter Herr Johann Joseph Fux als
Weyl. Sr. Rom. Kay. und Kön. Cath. Maytt. glorwürdigster Gedächtnus
Seel. n^ichgelassene Hoff Capell Maister seel. den 13 diess M. dieses Zeitliche
mit dem Ewigen Leben verwechsslet und lauth seiner hier anliegenden
untern 5. Jenner 1732 verfasst letztwilligen Disposition A de puplicato 13
diess Monath mich als universal-Erbin eingesezet und benenet hat, als will
dann diese meines Vetters per Testamentum auf mich gediehene Verlassen-
schaft simpliciter et absque beneficio legis et Inventarij vergreifen und
solcher Gestalten mich als Erbin erclfiren.
Solchemnach Gelangt an Euer HochfUrstl. Durehleucht etc. mein De-
müthiges Anlangen und Bitten,
KbchtJ, J. J. Fax. 19
290 Beil.l. 12.13.
Dieselbe geruhen I*" diese meine ErbserclSrung gnädig zu aoceptiren
und dessen prothocollando zu gedenken, dann II* wegen Abthunng der
Spörr und Einantworthung der Verfassenschaft das behörige ergehii zu
lassen.
Mich empfehlend
Euer HochfÜrstl. Durchlaucht
praes. 21. Februar 1741. demttthige
Eua Maria Euxin.""
i %m Abhandlungs-Verlass.
„Bei der, von der zu Hungam und Böheimb Königl. May. Erzherzogin
zu Osterreich obristen Hofmarschall Ambt, zu Abhandlung Weyl. Johann
Joseph Fux, gewesten Kay. Hof-Capell Meisters seel. Verlassenschaft
angeordneten Bemittirung seynd auf beschehene Erfordenmg in der Ambts
Canzley erschienen : die in Testament eingesetzt — auch erclSrte Universal-
Erbin Eva Maria Fuxin durch ihren Bestellten D"!*" Ziegler aines: dann
Matthaeus Fux , U- J- Candidatüs andern TheiLls : Und ist in puncto ange-
Buohter Einantwortung der Verlassenschaft über die von beeden Theillen
vemohmen und von Weyssen Rath ad plenum referirte Nothdurften verao-
lasst worden :
Dass die von der Impetrantin eingelegte Quittungen wegen deren
abgestattete Legaten nebst des Mathaei Fux beigebrachten TaufPschein bei
der Canzley aufbehalten, Und Nachdeme derselbe wegen- des ihme per
Zehen Tausend Gulden angefallenen vetterlichen Erbtheiles mit seiner
Schwester verstanden zu seyn sich mündlich erkläret, solche Erklärung
schri£ftlich zur Canzley erleget; nach dessen Befolgung gegen Einlegung
des gewöhnlichen Revers, der Impetrantin ihres Vetters sei. Verlassenschaft
vermittels Eröfnung der Sperr eingeantwortet werden solle.
Wienn den 19. September 1741.
IS« Nach dem Urbar des Amtes Langegg , welches 1850* von der
Herschaft Stadel an das Bezirksgericht Weitz gelangte bestand 1797 die
Besitzung der ehmaLs Fuxischen Familie in Hirtenfeld aus einem
Viertel Bauemgrund sammt Wohn- und Wirthschafts- und Nebengebau
(Haus Nr. 50) und nachstehenden Grundstücken :
Aecker
16 Joch 9270 Klafter
Wiesen
3 „ 0 . „
Hutweiden
1 . 629
Wald
12 „ 171
Weingärten
1 . 184
zusammen 34 Joch 311 Q Klafter
und wurde im Jahre 1798 auf 500 fl., im Jahre 1838 auf 1000 fl. C. M., offen-
bar sehr niedrig, geschätzt.
Jacob Fuchs (Stammbaum 14) hinterliess bei seinem Tode (1797)
ausserdem ein Vermögen von 1017 fl. C. M.
Beil. I. 14.15. 291
Die Witwe desselben, Maria Fux geborne Griesl, heuratete 1799
den Bauer Jos. Hartner nnd Übertrug mit Ehevertrag die Hälfte des ihr
angefallenen Nachlasses nach ihrem ersten Gatten Jacob Fux , dabei auch
das Haus Nr. 50 in Hirtenfeld. In die andere Hälfte des Nachlasses theilten
sich die beiden Kinder des Jacob Fux , nämlich Johann Fux (Stammbaum
24) und Maria Fax (Stammbaum 25).
Im Jahre 1866 waren die Rechtsnachfolger Hartner noch im Besitze
des Hansses Nr. 50.
1 «» Wien. Diar. 10. April 1773.
Verstorbene den 6. April.
„Die wohledle Jgf. M. Josepha Fuchsin n. 455 bei St. Salrator alt
73 Jahre.«
[Sie war aber 77 Jahre alt, da sie 1696 geboren ist.]
iA« Aaszüge aus den Verlassenschaftsacten nach Jgfr. Maria Jo-
«ephaFu^in (f 6. April 1773) im Archive des k. k. Landesgerichtes in
Wien.
Aus dem Testamente derselben vom 5. März 1771.
„§. 5. für eine wöchentliche Stiftmesse in der Pfarre St. Marein für die
Faxische Freundschaft
§. 6. Legate den Geschwistern in Steiermark : Josefpux, Jacob
Fax, Elisabeth PuchmtUler geborne Fux, Katharina Leopoldin ge-
borne Fux, Magdalena Wolffin geborne Fux, und Anna Greimlin
geborne Fux, jedem 500 fl., zusammen 3000 fl. Im Substitutionsfalle deren
Kinder.
Des älteren verstorbenen Bruders Sebastian Fux hinterlassenen
4 Kindern folgende Legate: Dem Sebastian Fax und Andre Fux
jedem 1500 fl. ; ihren 2 Schwestern, deren Namen unbekannt, jeder 500 fl. ;
ihrer Mutter jetzt verehlichten Fleischhackerin 100 fl.
Meiner Freundschaft zu Hirtenfeld noch besonders 800 fl. diese bin ich
ihnen als ein Yermächtniss von meiner seel. Freile Maimb schuldig. Das In-
teresse habe ich immer richtig gesendet.
§. 12. Will ich die (Jungfrau; Josepham Pergerin (meine Firm-
godel) , welche ich von ihrer Kindheit an erzogen habe, und weil sie sich
jederzeit wohl aufgeführt hat, zu meiner wahren Universalerbin eingesetzt
haben.
Sie hat auch das Jus praesentandi für eine Weibsperson im S. Joann.
Nepomuceni-Spital hier, welches Recht ich und meine Freundschaft hatte,
diese aber weit abwesend ist.
Wien am 5. Merzen 1771.
Ignaz Stöckl von Gerburger m./p. Maria Fux m./p.
k. k. Hofrath, als Zeuge. Fran^Pachner m./p.
Phil, et Med. Dr. als Zeuge.
19*
292 Beil. I. 16—18.
!•« Im VennGgensbekenntnisde ist das Vermögen der Maria Fax
mit 25.138 fl.
angegeben ; die Legate nnd Steuern betrugen 14.988 y,
demnach blieben der Erbin 10.149 fl.
19« Empfangsbestätigung der Legatare nach dem Testa-
mente der Eva Maria Fux.
„Dass wir Endesbenannte diejenigen 800 fl., welche uns unsere geHeb-
teste Jungfrau Schwester und resp. Mume Maria Fuxin seel. zu Wien in ihrem
unterm 5. März 1771 errichteten und den 6. April 1773 bei einem löblichen
Wienerischen Stadt Magistrat publ. Testament §. 6** der Fachsischen
Freundschaft, mithin uns insgesammt als eine Vermächtniss von unserer
Fraule Mume , noch besonders legirt hat aus Händen der instituirten Uni-
versalerbin Jungfrau Josepha Pergerin baar, richtig und ohne Abzug em-
pfangen haben, solches bezeugen wür kraflt dieser Quittung, weilen wir aber
des Lesens und Schreibens unkundig sind, haben wir nachstehende
Herrn Zeugen gebethen statt unser zu unterschreiben und zu fertigen. Graz
den 20. May 1774.
X Joseph Fux. X Magdalena Wolfin, gebome
X KatharinaLeopoldin, geb. Fuxin hft. Oberflfiding. ün-
Fuxin. terth. in der Hinterleiten, Gley-
X Sebastian Fux. storf. Pfan*.
XAndreeFux. X M*ria Nostin, geb. Fuxin,
XElisabethFuxin. hft. Kieggerspurg unteith. zu
X Anna Greimlin, geb. Fuch- Prifing Sumereiner Pfarr.
sin herrsch. Herberstein. Un- X^l^^^^^th PuchmüUerin,
terth. zu Prunn. gebome Fuxin, hft. Mossen-
XJacobFux, hft. Stadl. unter- dorfunterthJ zu Langegg. ^
than und Bauer zu Hirtenfeld.
19* Stift brief über eine wöchentliche Messe in St. Marein nach
Bestimmung des Testamentes der Eva Maria Fux.
„Wir Joseph Georg Hörl Bürgermeister, wie auch der gesammte Bath
der k. k. Haupt- und Residenzstadt Wien geben hiemit jedermmanniglich
zu vernehmen, was maasen weil. Maria Fuxin seel. in ihrem den 6. Apr.
1773 bei uns als derselben rechtmässigen Abhandlungsinstanz eröffneten
Testament im 5. Abschnitt der Pfarre St. Marein in Steiermark beiläufig
2 Stunden ausser Graz zu einer wöchentlichen Heil. Mess auf einem priv.
Altar alle Montag für die sämmtliche verstorbene Fuxische Freundschaft xa
lesen 1000 fl. mit dem Beisatz vermachet habe , dass wenn diese Stiftmess
nicht angenommen, und für solches Quantum gar nicht gelesen werden
könnte deroselben Universal Erb (J ose fa Pergerin, bischöfl. Stiftbrief)
den Abgang und nöthigen Betrag daraufzuzahlen schuldig sein solle.'' Diese
Aufzahlung fand mit 300 fl. statt und die Stiftung wurde und blieb bis heute
(1866) wirksam.
Beil. I. 19.20. 293
„Solchemnach sind und zu ewiger Gedächtniss und Festhaltung dieser
gottgefälligen Stiftung 3 gleichlautende Ex. errichtet . . . eines davon der
milden Stiftungs-Comission , das 2** dem erwähnten Gotteshaus , das dritte
bei obgesagten Grundbuch zu den Stiftacten hinterlegt worden. Wien,
28. August 1774.«
10. Vererbung des Vermögens des Joh. Jos. Fux».
1. Joh. Jos. Fux (t 13. Februar 1741) setzt mit Testament vom
&. Jänner 1732 seine Nichte Eva Maria Fux zur üniversalerbin ein.
2. £vaMariaFux(t6. April 1 773 unverm&hlt) setzt mit Testament
vom 5. März 1771 die Jungfrau Josef a Perger zur Üniversalerbin und
Präsentantin der Stiftung Schnitzenbaum ein. (Der Stiftbrief Schnitzenbaum
ist vom 26. Juni 1750.)
3. Josefa Perger (f 17. October 1789 kinderlos) beuratet Sept.
1774 den gräfl. Kolowrath'soheu Koch später kOn. Hausinspeetor Johann
EliaerLink, und macht mit ihm 28. August 1774 einen Heuratsvertrag mit
wechselseitiger Erbseinsetzung, wodurch dieser nach dem Tode seiner
Frau ihr Vermögen erhält.
4. Joh. Elias Link (f 24. März 1792 kinderlos) henratet in zweiter
Ehe eine Jungfrau Maria Theresia Nimbfling (geb. 1761) 28. Juni
1790 und setzt diese mit Testament vom 2. November 1791 zur Universal-
erbin ein.
5. Maria Theresia Link, geb. Nimpfling (f in Gratz 1841 am
3. Februar), aus St. Peter in Steiermark, Tochter eines Tabakofficiers. Heu-
ratet 17 August 1793 in zweiter Ehe den Kaufinann Michael Anton
Constantin in Wien. Nach ihrem Tode (Februar 1841) erbt von ihr das
Präsentationsrecht
6. Josefa Jacklitsch, geb. Nimpfling, Schwester der vorigen und
Gattin des Primarwundarztes Dr. Andreas Jacklitsch in Gratz. Nach ihrem
Tode kam das Präsentationsrecht durch Testament an
7. Maria Josefa Nimpfling (fälschlich Jacklit seh genannt), un-
ehliche Tochter der vorigen. Nach deren Tode gelangt das ganze Erbe an
8. Jungfrau An-na Nimpfling, deren Cousine, Tochter eines
Gontrolors in St. Lamprecht (lebte noch Jänner 1867). Bei dieser letzten
ist noch das Präsentationsrecht zur Stiftung Schnitzenbaum.
%0. In den Urkunden, welche von Mitgliedern der FamllieSchniz-
zenbaum entweder ausgestellt und von denselben unterzeichnet wurden,
ebenso wenn sie in den Urkunden sich auf Verwandte ihrer Familie berufen,
bedienen sie sich niemals des Adelswortejs ,^y o n^ ; auch ist das Siegel, da&
sie ihrer Fertigung beidrttcken, kein adeliges, sondern eine Phantasiedevise,
einen Baum vorstellend ohne weitere adelige Embleme. Auffallend ist
jedoch, dass Gabr. Bucelinus in seiner Germania topo-chrono-
^ Die Daten tiad •immtlich nui Urkunde ii dea k. k. Landeag'erichti and der
Pfarre St. Stephan in Wien; yon Nr. S — 8 durch Organisten Sejdler in Gratz erhoben.
294
. Beil. I. 20. 31.
stemmatographica. fol. Ulmae 1678 pag. 525 in ^Leopold! I Imp.
Aulicorum Ministrorum Catalogo'' „Joannes Josephns de Schnitzenpaum*'^
als ersten Concipista des Niederösterreich. Kegimentes aufführt. Es ist der-
selbe Johann Joseph, der später Regier angssecretär wurde, 1683 starb und
der Vater der Frau des ELapellmeister J. J. Fux war. Noch mehr fallt es
auf, dass eine Schwester der letzten, MariaTheresiaSchnitzenbaum,
die eine Kammerdienerin einer Prinzessin von Polen war, 1749 starb, ihre
Verwandten Eva Maria Fux zur Erbin, deren Bruder Math. Theophilus Fux
mit einem Legat von 1000 fl. bedachte und eine Stiftung im Johannsspital
errichtete, in den amtlichen Acten, im Stiftbriefe, in der Todesanzeige
und in der Quittung des Math. Theophilus Fux, Fräulein MariaTheresia.
von Schnitzenbaum genannt wird. Nicht überall, aber je zuweilen wird
auch den Geschwistern derselben das Prädicat von beigelegt. Es fragt
sich daher: war die hier gemeinte Familie wirklich von Adel? — Die
Matrikel des öaterreicMschen Adels kennen den I^amen Schnitzenbaom
nicht : in Krain war nach Valvasor (Topogr. von Krain III. p. 112) ein schon
1679 erloschenes Rittergeschlecht dieses Namens, das von Kaiser Ferdi-
nand I. 1561 in den Freihermstand als „Schnitzenbaum Freiherm von
Sonegg'^ erhoben ward. Das passt durchaus nicht auf unsek-e Schnitzen-
baum, und wenn man femer erwägt, dass die Mehrzahl der letzten Schnit-
zenbaum Hofanstellungen hatten und sich des Adels gewiss bedient hätten,
wenn er ihnen de jure zugekommen wäre ; wenn femer das Höflichkeitswort
„von<< in Oesterreich im ganzen XIX. Jahrhundert (bis heute) und mehr als
wahrscheinlich schon im XVIII. Jahrhunderte allen Honoratioren beigelegt
wurde; so dürfte die grössere Wahrscheinlichkeit für die Ansicht sein,,
dass das Adelswort „von'' der Familie Schnitzenbaum nur als ein Act
der Höflichkeit, selbst in amtlichen Ausfertigungen, zu betrachten sei.
Itl. Stammbaum der Familie-Schnitzenbaum.
1. Josef,
n. o. Regierniig8~
t 19* Sept. 166.1.
Kinder erster EJlic.
2. Johann Josef,
Regier. -Secretär,
geb. 1«8],
t 5. Oet. 1683,
Term. mit MeriA
Ursula.
3. Joh. Gfeorg.
4. Anna Maria.
5. Clara Juliana,
geb. 1671,
t 8. Jiuai 1731,
verm. Fux
(kinderlos).
6. Maria Anna,
Kemzoerd. der
Erzh. Maria H&gd.,
t 16. Febr. 1736
(uDvermäiiU).
7. M. Theresia,
Kunmerd. der
Prinz, yon Polen,
geb. 1681,
t 19. Mai 1749
(unvermählt).
8. Paul Anton,
Hofkanun. • Oonelp.y
geb. 1676,
1 16. Märe 1740.
Beil.1. 22.83. 295
%
Commune von Wien, TodtenbeBchauunts-Protocoll (Vol. 49. Fol
245. V.) 1683. 5. October.
[2.] „Der Wohledelgestrenge Hr. Johann Joseph Schnitzen-
baum b, N. Oe. Regierungg Sepretarius ins Hm. Martin Todtenriederfaaus
in der Wohl Zeyl i»t an Rother Ruhr beBch.(aut) alt 52 J.*^
[5.] Wiener Diarium 1731 Nr. 46.
„1731, 8. Juni. Verstorbene."
„Dem Wohledel - Gestrengen Herrn Johann Joseph Fnx, Kais.
Hof- Capell- Meistern, s: Fr. Clara Jnliana, gebome Schntttzenbau^
merin bei dem goldenen Bäm am alten Fleischmark alt 60 J.*'
[6.J „Maria Anna Schnitzenbaum, Kammerdienerin der Erzher-
zogin Maria Magdalena , gestorben am 16. Febr. 1736.*' (Verlassenschafts-
acten im Archiv des k. k. Landesgerichtes in Wien.)
[7.] Wiener Diarium, 21. Mai 1749.
„Verstorbene den 19. Mai."
„Die Wol-£dle Frle. Maria Theres von Schnitze-nbaum im
Adelsburg H. bey unserm Herrn, alt 68 J."
[8.] Wiener Diarium, 19. M&rz 1740.
„Verstorbene den 17. Martii" (eigentlich: beschaut 17., gestorben
16. März. Verl. Acten).
„Der Woj-Edel-Gestrenge Hr. Paul Anton Schntttzenbaum,
Kais. Hofkammer-Concipist bey dem goldenen Bäm am alten Fleischmarkt,
alt 65 J.«
%%. Aus dem Testamente der Maria Theresia von Schnit-
zenbaumin (Stammb. Nr. 7), Wien 16. Sept. 1743.
„12**" Dem St. Joannis Nepomuc. Spittal zur Stifftung einer Weibsper-
sohn (vermache ich) 1500 fl., jedoch dass das Jus praesentandi oder das
Recht eine Persohn vorzustellen und hineinzubringen bey meiner Universal
Erbin und dessen anverwandten und befreunten zu allen Zeiten verbleiben.
13'"** meinen lieben Heren Vettern Matthaeo Theophilo Fux
1000 fl. sollte aber meine Universalerbin mit Tod abgehen (welches Grott
auf lang- und ville Jahre verschieben möge) od. mittels einer Heurath ihren
Standt verändern, so hat dieser obbemeldter mein Herr Vetter noch 1000 fl.
alss ein Ihme von mir gemachtes Legatum zu fordem.
16*'"* setze und ordne ich zur Universal Erbin meines zeitlichen Vermö-
gens meine liebe Jungfrau Maimb EvamMariamFuxin sage zur Uni-
versalerbin ein.
Wien den 16. Septembris 1743.
Maria Theresia schnitenzbaum.*'
Anmerkung. Nach dem Vermögensbekenntnisse belief sich der Nach-
lasB auf 12000 fl. Banco Obl. , davon die Legate abgezogen mit 8920 fl.
erübrigte für die Erbin ein Rest von 3080 fl.
ItS. Erklämng des Matthäus Theophil Fux in Klagenfurt, das
Legat der M. Theresia Schnitzenbaum betreffend. (Acten des Nachlasses
derselben im Archive des k. k. Landesgerichtes in Wien.)
296 Beil. I. 24.
„Ich zu Ende Gefertigter bekenne hiemit, dass ich nicht nur diejenige
1000 fl. welche meine Mämb Fräule Maria Theresia von Sohnitzenbaum
Boel. in Ihrem Testamente ddo. 16. September 1743 et pnbl. 19. Mai 1749
§. 13**" mir legirt hat richtig und bar empfangen habe , sondern ich erkläre
mich auch, dass die von vorgedacht meiner Frln. Mfimb. eingesetzte Univer-
salerbin und respective meine Schwester Eva Maria Fuxin wegen deren in
den bemelten Testament in praefato §. 13 in jenen Fall, wenn besagt meine
Schwester mit Tod abginge oder mittels heurath ihren Stand verändern
wurde, mir vermachten weiteren 1000 fl. eine Sicherstellung keineswegs mir
leisten dürfe So beschehen Olagenfurth den 6. Juny 1749.**
L. S. Matthaeus Theophilus Fux m./p.
Einleithnngs Rectifications Actuarius Registrator
und Protocollista in Kärnthen.
1t%. Stiftung der Maria Theresia von Schnitzenbaum (in den
Acten der k. k. Statthalterei in Wien).
Laut S tiftbrief es vom 26. Juni 1750 hat Frln. Maria Theresia Von
Schnitzenbaum in ihrem Testamente vom 16. September 1743 eine Stiftung
für eine erannte Weibsperson mit 1500 fl. in das St. Joannis-Nepomuceni-
Spital auf der Landstrasse in Wien mit täglich 9 kr. gemacht. Zur Präsen-
tation zn diesem Stiftungsplatze hat sie ihre eingesetzte Universalerbin Eva
Maria Fuxin und nach derselben hintritte ihre nächsten Anverwandten und
Befreundten zu allen Zeiten berufen.
Anmerkung. Nach Aufhebung des Klosters wurde die Stiftung. in eine
Betheilung auf die Hand umgestaltet, diese betrug (1866) 24V2 Kreuzer
täglich, und Präsentantin dazu war (1867) Jungfrau Anna Nimpfling
in Gratz, Tochter eines Controlors in St. Lamprecht.
Beilage II.
Urkunden : Anstellungen — Beförderungen — Beschwerden des J. J. Fux
— Reorganisierung der Hofkapelle.
t. 1698, 16. April. Arch. des Obersthofmeister- Amtes.
(„Vnterthftnigst geborsambstes Referat Hoffsachen betreffend in Wien
den 16. Aprilis 1698.)
„JoannesJosephus Fux Husicus Bringt gehorsambst ahn , dass
Ewer Kay. Maytt. iim wegen seiner compositionen in die Dienst aufgenohmen
haben, Bittet dahero Vnterthenigst in der Hoffstatt mit einer solchen Besol-
dung, wie es £wer Kay. Maytt. gdgst. gefallig sein wirdt, einzuverleiben.
Der Capelmaister berichtet , dass er auf dieses petitum Kein anderes
parere geben könne , als dass Ewer Kay. Maytt den Supplicanten wegen
seiner guetten Qualiteten Bereits in Dero Dienst mit 40 Thaler monathlicher
Besoldung aufgenohmen hetten.
Man wirdt Ewer Maytt. Befelch diessfalls erwartt«n, Ob, wieuill, Vnd
Von welcher Zeit man ihme seine Besoldung ausferttigen solle ?'^
(Eigenhändige Resolution des Kaisers :)
„„Weillen ich diesen Supplicanten als einen guetten
Virtuoso aus gewissen Yrsachen Zu meiner Musik auffzu-
nehmen resoluirt habe, als sollen Ihme Zur Besoldung
Monatlich 40 thaler oder 60 fl. von Anfang dieses Jahres
angewiesen werden.****
Bescheid :
„pro JanneJosephoFux. Ihro Kay. Mtt. haben den Supplicanten
alss einen guetten Virtuoso', auss gewissen Yrsachen zu dero Music mit
monatlicher 60 fi. Besoldung aufzunehmen gnädigst resoluirt, Welche das
Hoff-Controlorambt durch eine gewöhnliche Ordinanz von Anfang dieses
Jahres ihme an das Hoff-Zahlambt ausfertigen solle. Wien 16. Aprilis 1698.**
%. 1701. 27 Jan. Arch. des Obersthofmeister- Amtes.
Vortrag:
„Euer Kay. May. compositore. in musica JohanJacob (sie) F u c h s s
bittet allerunterthänigst, ihme seine Besoldung monatlicher vierzig Thaller,
mit zwanzig allergnädigst zu Verbesseren, auff dass er denen anderen
compositoribus gleich sey.**
„Der Capellmeister berichtet, dass der SuppUcant ein meritiertes
Subjectum Von gar guetten Qualitäten „„Vundt einer sonderbahrer Ge-
298 Beil. II. 2.3.
Hchicklichkeit sey, alles das jenige zu verrichten, was ihm au£fgetragen
wird, Vermeinet dahero, Wann Ewer Kay. May. es also allergnädigst gefällig
sey , dass die begerte 20 Thaller monatlich seiner Besoldung von An£Euig
Aprilis Vorigen Jahres zugelegt werden könnten, damit er dasienige, was
andere in seiner Sphaera haben, geniesse.**
Der Obrist HoflFmeister remittirt dieses Begehren zu Ewer. Kay. Maytt
resolution, Vnd wan deroselben gnädigst beliebig, den Supplicanten mit
einer Verbesserung zu Begnaden, von Wass für einer Zeit — Vundt ob mit
— oder ohne abbrach des ersten Quartals ihme die Besoldungs-Ordinanz
ausgefertigt werden solle?**
Res*. Caes'. (Eigenhändige Resolution des Kaisers.)
„„Weillen dieser Supplicant ein gutes Subjeotum ist,
Vnd wohl dienet, also solle Ihme die Besoldung monatlich
biss 60 Thaler in allem vermehrt werden."*^
Leopoldus m./p.
Bescheid :
„Dem hJupplicanten ist seine Besoldung mit 20 Thaler monatlich ver-
mehrt worden , dass er also 60 Thaler in allem zu geniessen haben solle,
dahero. der Hoff- Contralor darüber die Ordinanz Vom ersten Januari
vorigen Jahrs mit Abbruch des Quartals ausszufertigen hat. Den 27. Jan.
1701."
S. 1702, 19. August. Arch. des Obersthofmeister- Amtes.
Vortrag.
„JohannJosephFnx Compositore in musica hat seinen Vorgeben
nach Vmb Ewer Kay. Maytt. besser vnd ohne Verhindernus zu bedienen
seinen Posto bey den Scotten allhier quittirt, Wordurch ihme jährlichen
bis 400 fl. abgiengen, bittet dahero Aller- Vnterthänigst Ewer Kay. Maytt.
Wollen diesen seinen Verlust mit einer Besoldungs Verbesserung gnädigst
ersezen.
Hierauf vermeldet der Capelmaister, dass dieses Virtuos! talenta der-
gestidt bekannt vnd das motivum, so er anfihret so billig sey, dass er nicht
zweiflet, Ewer Kay. Maytt. werden sein aller Vnterthenigstes Ktten er-
hören , vnd seine Besoldung bis auf 80 Thaler vnd zwar Von anfang dieses
iahrs Monatlich vermehren.
Auss angefihrter Vrsach conformirt sich der Obrist Hoffinaister mit
dem Capelmaister, dass dem Supplicanten sein dermahlen geniessende Be-
soldung der 60 Thaler mit 20 Thaler Monatlich Vermehrt — Vnd dardurch,
wasB Ihme bei den Scotten abgehet, ersetzt werde, zumalen etwelche andere
musici auch so vüll geniessen, es Beruehet aber bey Ewer Kay. Maytt. Wass
Sie wegen der Verbesserung, alss Von Welcher Zeit solche anfangen solle,
allergnädigst befehlen werden.*'
(Eigenhändige Resolution des Kaisers :)
BeiLli. 4—6. 299
„„plaeet in Ansehung der verlasBenen 400 fl. vnd zwar
von anfang diese« iahres^ ''.
„Referat in Hoffsachen.
Wien den 19. Auguati 1702.«
%. 1711. 22. März. Arch. des Obersthofmeister- Amtes.
Hofresoltttiou. „Soiis 22. Martii 1711.
„ Johan Joseph Fuchs, Compositore in musica.
Ihre Kay. Mtt. haben vermög zurückstehender allergnädigster decre-
tirung, den Supplicanten die gnad gethan, vnd dessen Besoldung jälurlichen
biss 2000 fl. vermehret Weilen er nun anizo 1440 fl. hat y so bestehet die
Verbesserung in 560 fl. , welche der Hoff-Contralor dessen Besoldung zu*
schreiben ~ Vnd darüber die Ordinanz an das Hoff Zahlambt vom ersten
dieses lauffenden jahrs ausfertigen solle.«
ft. 1713 Arch. des Obersthofmeister- Amtes.
,Hoff-Prothocol in Parthey Sachen de Anno 1713.
Jovis 26. Januarij 1713. Joseph Fux.
Ihre Kay. May. haben den Joseph Fux alss Vice-Capelmaisteren
resolvirt vnd Ihme zur jährl. Besoldung Sechszeihnhundert Gulden
zugelegt, welche Ihme durch eine ordinanz an das Hoff Zahlambt vom
1. October des VIII. Jahrs (also 1708) ohne Abbruch des ersten Quartals
ausszufertigen seynd.«
6. 1715, 7. Febr. Arch. des Obersthofmeister-Amtes.
„Allerunterthenigst gehoraambs'tes Referat. Euer Kay. May. Vice
Capellmaister Johann JosephFuz allerunterthenigstes Begehren Vmb
die Erlangung der durch absterben de8S.Ziani erledigte Capellmeistersstelle
betr. Wienn den 7. Febr. 1715.
^Euer Kay. May. Vice Capellmeister Johann Joseph Fux (dessen
allerunterthenigstes Memoriale mit dem allergnädigsten Befehl darüber
gehörsambst zu referiren , mir Deroselben gehorsambsten Ob. Hoünaister
durch den Secretari Imbsen zugeschickt worden) bittet allerunterthenigst,
anstatt des Verstorbenen Marco Antonio Ziani für Ewr Kay. May. würkh-
liehen Capellmaister aufgenohmen zu werden,- mit dieser besonder aller-
höchster Kay. Gnad, dass wie Er jezo von Ewr Kay. May. alss Vice Capell-
maister Jährl. 1600 fl. vnd annebens alss Ihrer May. der Verwittibten Kay-
serin Amalia Capellmeister andere 1500 fl. — also in allem zu würkhhcher
Hoffbesoldung 3100 fl. angewisen hat, also Ihme solche bey der allergnä-
di^st gefalligster aufnähme für Ewr Kay. May. Capellmaister allermildist
placidirt werden mügten.
Nun seynd Ewr Kay. Mtt. dess allerunterthenigsten Supplicanten
Persohn, capacität und merita also allergnädigst bekandt, das man derent-
wegen auch das geringste femer zu allegiren für überflüssig haltet, dahero
es bey dessen allergnädigst resolvierender Aufnehmung blosshin auf die
300 Beil. II. 6—8.
Ihme darbe! zuzulegen seyende Hoffbesoldnug ankommet, in disem Be-
tracht , daBS derselb bey jez von Ewr Kay. May. zu einer seither alss Vice-
Capellmaister ynd zur anderer als Capellmaister von vor allerhöchst ged.
Verwittibter Kay. May. in allem Zu 3100 fl. genüssender doppelter Hoffbe-
soldung, Ymb jährl. 600 fl. mehreres , alss nit die alleinige Euer Kay. May.
ordinari Capellmaisters Besoldung von Jährl. 2500 fl. austraget, angewisen
hat, vnd solcher gstalten bey der Ihme widerfahrender Kay. Gnad der
wtlrkhlichen Anfhehmung mit besagter ordinari-Capellmeisters Besoldung
Ihme in utili Jährl. 600 fl. entgehen thätten, welch, besonderen Umbstand
man Ewr Kay. May. zur allermildesten Beherzigung gehorsambst anheimb
stellen solle , Vnd nur so vill , jedoch ohne Vnterthenigster Vorschreibung
darbey zu erinneren für Nöthig erachtet, dass im fall Ewr Kay. Mtt. dem
Supplicanten die jetzt obenerwehntermassen gnüssende 3100 fl. femer zu
uerwilligen allergnädigst geruhen, Ihme nur 2500 fl. alss dess Capellmaisters
ordinari Hoffbesoldung aussgeworffen , die übrige 600 fl. aber alss eine
neue adjuta nit auf den Dienst , sondern vor die Persohn in besonder Vmb
dadurch denen üblen Consequenzen vors Künfftig vorzubiegen, angewiesen
werden möge, alss warüber der allergnädigster Kay. Befehl gehorsambst
Erwartet wirdt"
(Eigenhändige Resolution des Kaisers.)
„Placet
Carlm./p.<*
•». Wiener Diarium Nr. 1205, 16. Homung 1715.
„Samstag, den 16. Homung. Nachdeme, bekanntermassen, derKidser-
liehe Capell-Maister, Herr Marco Antonio Ziani, dahier mit Tod abgegangen-,
Als haben Ihre Römisch-Kaiserlich- und Catholische Majestät, dero Vice-
Capellmaister , dann Ihrer Majestät der letzt - Verwittibten Kaiserin,
Wilhelmina Amalia, Capellmaister, Herm Johann Joseph Fuchs, die
erledigte Capellmaister-Stell, in allermildester Ansehung seiner langwirrig-
und unermttdet- treugehorsamst -geleisteten Diensten, wie nicht weniger
in der Music-Kunst erlangt-förtrefflicher Erfahrenheit , allergnädigst aufge-
tragen ; welchemnach heut allerhöchst-gedacht-Kaiserlich- und Catholischer
Majestät wtirklich geheimer Raht, und Obrist-Hof -Maister, Ihre Durchleucht
Herr Anton Florian, des heil. Rom. Reichs Fürst von und zu Liechtenstein,
Herzog zu Troppau und Jägeradorff etc , Ritter des goldenen Vliesses und
Grand von Spannien der ersten Class, den neuen Herrn Capellmaister, nach
zuvor abgelegter Eyds-Pflicht, den gesammten Herren Hofmnsicanten
gewöhnlichermassen vorgestellet.*'
9. 1715, 8. März. Arch. des Obersthofmeister- Amtes.
Decret.
„Johann Joseph Fux, gewesener Vice- nunmehr Neu-aufgenoh-
mener Capellmeister Besoldung und adjuta.
Beil. II. 9.10. 301
Ihro Kay. May. Vnser allergaMigster Herr haben den Supplicanten
an Statt ües jüngst Verstorbenen Ziani filr Dero Capelbneister nit allein
auff- und angenohmen, sondern demselben auch in ansehung der Innwerths
angezogener besonderer Vmbständen über die sonst gewohnliche Capell-
meisters Besoldung und Papiergeld von Jährl. 2500 fl. , annoch eine beson-
dere Adjuta von Jährl. 600 fl. (welche Jedoch ins Künftige zu keinem
£xempel vor andere angezogen werden solle) vom 1. April dises lauffenden
Jahrs allergnädigst placidirt, dass Er also von solchem dato vor Besoldung
Papier und adjuta in allem 3100 fl. zu geniessen habe, und der Hoff-Con-
tralor derentwegen ans Kay. Hoff-Zahlambt die gewöhnliche Ho£f-Ordouance
von gedachten 2500 fl. ohne — mit Abbruch des ersten Quartals aber über
die 600 fl. Adjuta vor selbigen aussfertigen solle.
p. Imprm.
Wien den 8. Martii 1715."
9. 1715, 18. März.
„Aller Vnthgst ghbstes Referat. Lunae 18. Martij 1715.
Capellmeister Johann Joseph Fnx Nachsehung des ersten Quar-
tals von der Adjuta von 600 fl.
In diesen besonderen Betracht, dass des Verstorbenen Capellmeisters
Ziani hinterlassene Wittib und £rben das Sterb-Quartal placidirt, und
derentwegen dem Supplicanten, ob Er schon vorhin an dessen Stelle auff-
genohmen worden, die darzu gehörige Besoldung mit benebens placidirten
Adjuta erst (?) vom 1. des zukünftigen monaths Aprilis aussgefertigt
worden , sollen demselben die gewöhnliche Hoifordonance von der Adjuta
sowohl alss Hoffbesoldung ohne abbruch des ersten Quartals aus Kay. Hoff
Zahlampt ausgefertigt werden.
Vom Kay. Obhfmstramte."
lO« 1721, 6. März. Arch. des Obersthofmeister- Amtes.
„Allerunterthänigst gehorsambstes Bitten Johann Joseph Fux
Hoff-Capellmaistem pr. Allergnädigste ausswerffung inberührter Kay.
Gnade betr.
Allerdurchleuchtigst-Grossmächtigst- und vnnberwündlichster Römi-
scher Kaysser, auch zu Hispanien, Hungam und Böheimb König, Ertzherzog
zu Gestenreich etc.
Allergnädigster Kaysser, König und Herr Herr etc.
Ich habe .die Gnade, Euer Kay. und Königl. Cath. May. und Dero
Durchleuchtigsten Ertzhause in das sechs und zweinzigste Jahr zu dienen,
in denen führgew^irten schweren Zeiten aber und bey meinen vielfaltigen
dispendiosen Krankheiten nicht allein keine Mitteln, zu dem nach meinem
ableiben benöthigten unterhalt der meinigen zusammen zu setzen, vermöget,
sondern auch mich in schulden stecken müssen; zumahlen nun bisshero
ausser der besoldung einige adjuta, wie vielle ander, ich niemahls genos-
sen habe und der zustandt meiner Krankheit solchergestalten zu nimbt,
302 Beil. II. 10.11.
dasB bei ohne deme erschöpiften Kräfften, dem Allerhöchsten es etwa ge-
fallig, meine tage in ktirtzen zu endigen.
Diesemnach Euer Kay. und Königl. C'ath. May. mich zu Füssen lege
mit der allerunterthftnigst gehoreambsten Bitte Selbde in Mildester ansehnng
meiner langjährig geleisteten Diensten , da auch mein Weib nach meinem
Todt einige Pension allerdemüthigst anzuhoffen hette, ein Capital, welches
80 viel Interesse, alss eine Pension jährlich betragen wurde, für ihre Subsi-
stenz äbwerffe, zu einer Kay. Gnade und abfertigung ausszuwerfen, und das
behörige darfiberhin aussfertigen zu lassen , Allergnädigst geruhen wollen,
womit ich gedacht mein armes Weib, so mir iederzeit mit sonderbahrer
Liebe und Treue alle Httlffe erzeiget hat, sambt der von meinem auch un-
bemittelten Bruder auferziehenden Tochter versorget zu wissen, in Lebzeit
annoch die consolation haben möge. Zu Allergnädigster Gewehrung dessen
mich allerunterthönigst-gehorsambst empfehle. Euer Kay. Kön. Oathol.
Maytt.
allerunterthänigst gehorsambster
Johann Joseph Fux
Hoff-Capellmaister.«
««•1721, 6. März.
Referat.
„Allerunterthänist gehorsambstes , mit Euer Kay. May. Hoff-Cammer
Pi'äsidenten , über verschiedene HoflF-Partheyen , Pensionen- und anderer
Extragnadengesuech concertirtes Referat.
Wien den 6. Martii 1721. Herunt. kommen d. 20. Martii
Expd. 23. Martii.«
„Wegen Ew. Kay. May. Hoff-Capellmeistem Johann JosephFux
welcher sich zu einer specialen Kay. Gnadt allerunterthänigst ausgebetten
hat, dass anstatt derjenigen nach dessen Todt vor seine nachlassende
Wittib gewöhnliche Gnadenpension Ihme noch bei Lebzeiten derselben
ertragnus in Capitali zur Kay. Gnadt und Abferttigung alleimildest auss-
geworffen werden möge, umb darmit sein Weib sowohl, alss die von
seinem leiblichen mittellosen Bruedern aulTerziehende Tochter consoliren
und versorgen zu können.
Von dieses »Supplicanten allerunterthänigsten Ansuchen findt sich ein
fast gleiches Exenipel vom Domenico Ventura gewest : Kay. HoflFtanzmei-
stern, bei dessen Lebzeiten vor die hinterlassende Wittib- und Tochter
von Wayl. Kay. Mtt. Leopoldo glorwürdigsten andenckens die gewöhnliche
gnadenpension wie aussgebetten , also , vnd zwar vor eine jede 300 fl, ; erst
nach dessen Todt den Anfang zu nehmen , ao. 1695 allergnädigst ausge-
worffen worden ist.
Seiner im Dienst letztgewesten zweyen Vorfahren alss des Dragfai
hinterlassener Wittib seynd zur Gnadenpension von Waylandt vor Aller-
höchst-Emannt-Kay. May. Leopoldo vor pension und Quartiergeld ad dies
vitae jährlich 800 fl. A* 1700 und des Ziani seinigen von Ew. Kay. Mtt. nit
Beil. II. 11.13. 303
allein 500 — sondern benebens seinem Bruedern Jährl. 300 fl. zu derglei-
chen Pension allermildest verwilligt , mithin des ein- wie andern geleistete
Dienste mit Jfihrl. 800 fl. post mortem recompensirt worden ; In welchen
gleichwie dieser Supplicant es üien beeden, in der Capacität und Fleiss
wo nit bevor, wenigst gleich gethan, also in deren Ansehung von £w. Kay.
Maj. allerhöchsten milde wegen seiner man eine gleiche gnaden Bezeugung
vor seine nachlassende Wittib in casum mortis fast zu vermuethen , dahero
in diesem betracht , dass die Wittib solche Jährl. 800 fl. auf 10 wo nitmehr
Jahren hinaus leicht gemessen könnte , kein Bedencken getragen hat , Ew.
Kay. May. vor den Supplicanten, als seiner langj&hrig und fleissiger Dienste
halber besonders meritierten Hoff-Oapellmeister dahin gehorsambst einzu-
rathen , dass Dirne ein vor allemahl ein Capital von 8000 fl. , Jedoch erst in
denen 4 ersteren Jahren , in Quartalsfristen zu bezahlen , eben so vill alss
die Pension von 800 fl. in 10 Jahren austragendt zur Kay. Gnadt und Ab-
fertigung allergnSdigst ausgeworfen werden möge.*'
(Resolution des Kaisers) :
„Placet"
Decret.
„Nachdeme Ihro Kay. und Königl. Cathol. May. Vnser Allergnfidigster
Herr etc. deroselben wttrkhlichem Hoff-Capell Meistern Johann Joseph
Fux in Ansehung solch seiner sowohl alss vorherig Vice-Hoff Capell-Meister
Trey-Eyffrig zu Dero Allergnfidigster Satisfaction geleisteter Dienste,
diese Allerhöchste Kay. Gnade verwilliget haben, dass selbigen anstatt der
nach dessen ableiben vor die hinterlassende Wittib sonst gewöhnlichen
Jährlichen Gnadenpension zur Gnad und Abfertigung, Ein vor allemal
8000 fl. in denen 4 ersten Jahren mit Jährl. 2000 fl. zahlbar gereicht werden
sollen , hat der Hoff-Contralor Ihme darflber die gebräuchige anweissung
also an seine Behörde ausszufertigen.
Per Imperatorem
Wien den 23 Martii 1721.«
i«. Finanz.-Min.-Arch. Erl. 27. Juni 1721.
„Demnach Ihro Rom. Kay. auch in Hispanien, Hungam vnd Bäheimb
Königl. May. Vnser Allergnädigster Herr etc. Deroselben würklichem Hof-
Capelhneistem Johann Joseph Fux, in ansehung solch seiner sowohl
alss vorherig Vice-Hof-Capellmaister Treu Eyifrig zu Dero Allergnädigsten
Satisfaction geleisteten Diensten diese Allerhöchste Kay. Gnade Verwilli-
get haben, dass selbigem, anstat der, nach dessen Ableiben vor die Hinter-
lassende Wittib sonst gewöhnlichen Gnaden Pension, Zur Gnad und
Abförttigung, Ein Vor allemahl Acht Tausend Gulden, in Dennen Vier
Erstem Jahren mit Jährlichen Zwey Tausend Gulden Zahlbar gereicht
werden sollen — Alss würdet solches Einer Löbl. Kay. Hof Cammer hiemit
in Frenndschafit intimiret , Dieselbe belieben möge ermelte 8000 fl. Vorbe-
riehrter Massen fflr besagten Fux gehörigen Orts anzuweissen , Inmassen
hieran beschichet Ihr. Rom. Kay. und Königl. Catholischen Mayestät Aller-
304 Beil. II. 13.14.
gnädigster Will vnnd Meinung. Actum Wien den Sechs und Zwainzigsten
Martii Anno Sibenzähenhundert Ein und Zwainzig.'^
Ant. Floh (?)
13« 1727. 3. Jänner. Arch. des Obersthofineister- Amtes.
„ Allerunterthanigst gehorsamstes Bitten Dero Hof - Capelmaisters
JohannJosephFux pr. Allergnädigste Verwilligung einer Gnadengabe
und derer abreichung ohne Tax betreffd.
£uer Kay. und Kön. Cath. May. haben in Anno 1721 über mein Aller-
unterthänigstes Bitten Allergnadigst zu resolviren geruhet, dass mir anstatt
der sonst gewöhnlich Jährlichen Gnaden-Pension, die meine Ehewürthin
nach meinem Ableiben anzuhoffen haben wurde Achttausend Gulden ge-
reichet werden sollten, welche ich auch in denen ausgesetzten vierjährigen
Terminen empfangen habe und fUr solche Allerhöchste Gnade mich aller-
unterthänigst gehorsamst bedanke •, Ob nun wohl mir zu grosser consolation
gereichet, dass besagt meine Ehewürthin hierunter nach meinem Todt ihres
Unterhalts versicheret seye, so liegt mir iedennoch ob, dahin furzudenken,
dass nachdeme ich von meinem verstorbenen unbemittelten Bruder einen
Sohn und eine Tochter als meine eigene Kinder angenommen habe , die-«
selbe nicht unversorget bleiben \ und zumahlen bey den Knaben ein solches
talentum vorscheinet, dass zu hoffen stehet, er werde durch die Studia und
andere nützliche exercitien die fahigkeit erlangen, hinkönftig zu Kay.
Diensten employeret werden zu können, weillen er aber erst das siebente
Jahr erreichet hat, folgsam ich bey meinem hohen alter mich nicht getrösten
kann, ihne selbst zu erziehen — wo hingegen nach meinem ableiben meine
geringe mittein zur education gedachten Knabens uixd zur Versorgung ob-
bemelter meines Bruders Tochter nicht auslangen wurden; Solchemnach
und auf dass meine langjährige Dienste auch meinen Freunden mit ange-
deyen mögen.
Euer Kay. und Königl. Cathol. May. mich zu Füssen lege mit der aller-
unterthänigsten Bitte , Dieselbe geruhen in allermildester ansehung meiner
Deroselben und Dero Durchleuchtigsten Erz Hauss von 32 Jahren hero
leistender allerunterthänigst-Treu-gehorsamsten Diensten mir eine Gnaden
Gabe allergnadigst zu verwiiligen und ohne Tax abreichen zu lassen. Zu
AUergnädigster Gewährung mich Allerunterthänigst gehorsamst empfehle
Euer Kay. und Königl. Cathol. May.
allerunterthänigst-gehorsamster
Johann Joseph Fux
Hoff-Capelmaister. *"
t«. Referat. Wien den 29. Aprilis 1727. exp. 10. Mai 1727.
„12" hat Euer Kay. May. Hoff-Ci^ellmeister Johann Joseph Fux
für die anstatt der Pension, so seine zukünfftige Wittib nach seinem Todt
zu hoffen gehabt haben würde, Ihme a*^ 1721 mit 8000 fl. in ausgesetzten
4jährigen Terminen allermildest angeschaffte und bereits abgeführte Gnad
Bell. II. 14. 305
sich alleninterth&ugBt bedanket, anbey aber gehorsambst gebetten, weilleii
er seinea Veratorbenen ohnbemittelten Bmders hinterlaaaene zwey Kinder,
einen Sohn und eine Tochter an Kindesstatt anffgenohmen bey aeinen albe-
reits habenden hohen alter aelbige -aelbst zu erziehen nicht Hoffen könne,
bevorab den Sohn , alss der erat 7 Jahr alt wäre , jedoch ein eolchea talen-
tum hätte, daaa aUerdinga zu hoffen, £r werde aich durch excolimng deren
Studien und anderen nützlichen ezercitien zu Kay. Dienaten mit der Zeit
fähig machen; nach aeinen dea Supplicanten Todt aber zur education dieaea
Knabens und Veraorgung deaaen obgedachter Schweater aeine geringe Mit-
tel nicht aualangen wtirden, daaa Ihme in anaehung 32jährigen Dienaten eine
Gnadengab allergnädigat verwilligt, und ohne Cameral-Tax und Abzug
abgereicht werden mögte damit aeine langjährige Dienate auch aeinen
Freunden mit angedeyen mögen.
Die gehorsbate Concertationa Ooon hat zwar dea Supplicanten be-
aondere, ganz offen kündige yirtü, nebet aeinen aeither a* 1698 (da Er alaa
ein guter Virtuoao und Compoaitore vom Anfang aelUgen Jahrea aufge-
nohmen worden) zu voUatändigfer Satiafaction geleiateten guten Dienaten
und andurch erworbenen Meriten gar wohl erkannt, wie auch, daaa zuweillen
deren veratorbenen Capellmeiaterdienate und meriten bey. und ihren
Wittiben , Kindern und angehörigen mit einer gröaaeren penaion allergnä-
digat erkant und belohnt worden, alaa nicht daa intereaae von obigem,
dem Supplicanten bereite a** 1721 allermildeat angewieaenen quanto deren
8000 fl. auatraget, alaa welchea auch gar zu 6 per 100 gerechnete mehrer
nicht alaa nur 480 fl. jährlicha abwirffet; maaaen 1* der Capellmeiater
a** 1674 in Anaehung aeiner dSjähr. Dienaten noch bey aeinen Lebzeiten
dieae Gnad erhalten, daaa die mit 60 fl. monatliche fltr 2 aeiner Söhne ge-
noaaenen Scholarengelter nach aeinen Todt für 5 aeinige Söhne dergeatalt
continüirt werden aollen, daaa 4 darvon jeder monatliche 10 fl., der fünfte
aber 20 fl. haben aollen, ao 720 fl. jährl. auaagetragen. 2* deaaen Succea-
aoria Johann Heinrich Schmelzer'a Wittib a* 1680 in Anaehung dea Ver-
atorbenen langwieriger guter Dienaten, für aich und ihre drey Kinder eben-
falla 720 fl. penaion zwar zu gleichen Theilen , jedoch dergeatalt auaage-
worffen worden, daaa einea etwa aterbenden Theill dem aerario gleich
wieder zurückfallen aollen ; 3* deaaen Nachfolgera Draghi Wittib a* 1700
wegen dea Veratorbenen 42jährigen Dienaten anatatt einea Quartiere 200 fl.
und pro penaione 600 fl. jährlicha ad diea vitae angewieaen, darvon auch
a* 1710 poat mortem matria der Tochter, die Halbacheid mit 400 fl. biaa zur
Standea Veränderung continüirt, alao auch von Ew. Kay. May. unterm
14. Febr. 1713 allergnädigat conflmiret; 4* aber dea letztveratorbenen
Capellmeiatera Ziani Dfenat, die doch nur 15 Jahr, daa iat a 1* Aprilia 1700
biaa gegen aelbige Zeit 1715 gedauret, nach deaaen Todt in der Wittib mit
500 fl. und in aeinen Hinterlaaa^nen mittelloaen Bruder mit 400 fl., alao in
totum mit 900 fl. penaion Jährlicha recompenairet worden.
Jedoch aber weilen 1" dem Supplicanten wegen aeiner langwierigen
guten Dienat nicht allein zur Veraorgung aeiner zukünfftigen Wittib , aon-
Köehel, J. J. Fax. 20
306 Beil. II. 14.
dern auch eben dieser seines mittelloss verstorbenen Brjiders aufferziehen-
den, anietzo dem Vernehmen nach schon genugsam erwachsenen, und bereits
heyrathsmässigen Tochter anff sein in Abschrifft anverwahrtes selbsteige-
nes Supplicatum sub D und das extractive anliegendes Concertations-Com-
mission^-Gutachten sub E eine so namhaffte Gnad und Abffertigung von
8000 fl. durch das sub dieta lit. £ ebenfalls befindliche Decretum bereits a'
1721 allergnüdigst verwilliget, angewiesen, und zu seinen bissherigen Ge-
nuss auch aussgezahlt worden, ohnerachtet es gleichwohl annoch ohngewiss
wäre, und auch noch zu dato ist, ob nach Gottes Willen Er, oder aber
seine Ehe-Consortin und Bruders Tochter vorauss sterben werde, weich-
letztem fallss der pensions Last auf Ew. Kay. May. nicht hätte kommen
können. 2* aber zu consideriren , dass die , auss diesem nach des supplici-
renden Capelhneisters selbst eigenem Verlangen, Ihme respectu seiner zu-
künfftigen Wittib- und Mahm zur Gnad vnd Abfertigung, wegen seiner lang-
wierigen Diensten bereits a* 1721 mit 8000 fl. angewiesenen Capitals, biss
anhero schon genossene , vnd annoch künfftighin biss zu seinem erfolgten
Todt, weiters ziehende Interesse von Jahr zu Jahr mehrers vergrössem,
3' aber dass , wann schon auch bey dem ktUifftigen Todesfall die Interesse
dieses Capitals das quantum deren, anderen Capellmeisters Wittiben und Er-
ben mit 800 fl. oder gar 900 fl. ehedessen allergnädigst placidirten pension,
noch nicht eiTeichen sollten, die Capitals Summ gleichwohl des Capellmei-
sters Erben, es möge bei seinem Todt eine Wittib vorhanden sein oder nicht,
ewig verbleibe, wo hingegen die pensiones bey deren Wittiben Absterbung,
oder jedoch sonst intra/^ertum tempus dem aerario wieder zurück- und an
heim fallen ; 4" der Supplicant seither a* 1715 da Er würcklicher Capellmeister
mit 3100 fl. jährlichen Genusses worden, jährl. 600 fl. mehrer, alss jemahls
ein seiniger Vorfahrer genossen , so in dieser 12jährigen Zeit mit znschla-
gung des Interesse wiederumb gegen 8000 fl. austraget; 5* diese neue
Gnadengab vbn dem Supplicanten pur allein zur Erziehung- und Versorgung
seines verstorbenen Bruders hinterlassener, von Ihme adoptirter zweyer
Kinder anbegehret wird, da doch die Tochter aniezo nicht mehr in consi-
deration kommen kann, weillen zu ihrer und der zukUnfftigen Wittib Ver-
sorgung bereits a* 1721 die 8000 fl. Gnad- und Abfertigung verwilliget wor-
den, wegen des adoptirten Knaben aber, alss welcher noch jüngst Todts
gefahrlich krank darnieder gelegen, es noch, dessen Jugend ohngehindert,
eben so wenig, alss wegen des Capellmeisters Ehe-Consortin und adoptirten
Tochter gewiss ist, ob und wer einer den andern überleben oder aber
vorsterben werde,
Abs hat bey solchen umbständen- und gegenwärtigen schweren con-
juncturen die gehbste concertations-Conmiission sich keineswegs getrauet,
zu des supplicirenden Capellmeisters allerunterth&nigst augesnchten, Ew.
Kuy. May. AUergnädigster Beurtheilung und Willkühr jedoch , tam ratione
temporis, quam quanti et modi, lediglich überlassender weiteren oder neuen
Gnaden Gaab allerunterthänigst einzurathen.
(Ohne Resolution des Kaisers.)
Beil. II. 15. 16. 307
t6. 1733, 9. April. Arch. des Obersthofmeister- Amtes.
„Alleranterthänigst gehorsambst bitten Dero Hoff-Capelbneisters
Johann Joseph Fnx.
Ener Kay. und Königl. Cathol. May. geprisene Milde veranlasset mich,
Deroselben allemnterthfinigst vorzutragen, wassgestalten, nachdeme durch
den mittellosen Stand meines in Nieder Steyermark zu Hirtenfeld haussässig
gewesten Bruders bewogen worden bin, von dessen nachgelassenen Sieben
Kindern zweye, nemlich einen unmtlndigen Sohn und eine Tochter als meine
eigene Kinder anzunehmen , ich zu dererselben guten erziehung, insonder-
heitlich um den Knaben, forderist in dem Studio latinitatis, dann auch in
der Musik auf dem Cymbalo zu unterrichten, bisshero nicht geringe Unkosten
aufgewendet habe ; wie zumahlen nun sotiianer Knab, nahmens Matthaeus,
bei welchen ein besonderes talentum hervorscheinet, erst das dreyzehente
jähr erreichet hat, mithin ich in betracht meines hohen alters , und allschon
sehr geschwächten leibskräfften, ihne selbst gänzlich zu erziehen, auch
keineswegs getrosten mag: nach meinem ableiben aber meine übrig blei-
bende, und durch die bekostung der erlittenen vielfältigen Krankheiten um
ein namhaftes geminderte mittein dahin nicht auslangen wurden, dass hier
von sowohl die von mir angenommene und annoch unversorgte obgedacht
meines verstorbenen Bruders Tochter ihren nOthigen unterhalt haben , als
auch der Knab Matthaeus seine Studia dergestalten, wie er darinfalls
biss hieher mit gutem progress angeführet worden ist , fortsetzen könnte ;
Solchemnach
Euer Kay. und König. Cath. May. mich zu ftissen lege , mit der aller-
unterthänigsten bitte, Dieselbe in allermildester ansehung meiner Ihroselben
und Dero Durchleuchtigsten Erzhaus als Musices Compositor, Vice- und
würklicher Capellmeister in das vierzigste Jahr leistenden allerunterthänigst
treugehorsamsten Diensten , mir zur letzten Gnade (massen Ew. Kay. und
Königl. Catholische May. nach meinem Tod niemand der meinigen um einige
Gnaden-gab mehr behelligen wirdet) ermelten von mir an ^indesstatt ange-
nommenen meines Bruders Sohn Matthaeo Fux , zu desto besserer prose-
quirung deren Studien , biss er sich zu einer Dienstelle fähig machen und
andurch aus höchster Kay. Clemenz zu seiner Versorgung gelangen möge,
jährlich etwas auszuwerfen, allergnädigst geruhen wollen. Zu allergnädig-
^ter Grewährung mich allerunterthänigst
gehorsamst empfehle
Johann Joseph Fux,
Hof-Capellmeister. ^
te« 1733, 29. Juli exp. 18. August.
Keferat des Obersthofmeister- Amtes und kaiserliche Resolution
29. Juli 1733. exp. 18. August.
„32'* hat mehr und ofTt wiederholter Hoff- Capell- Meister Johann
Joseph Fux, mittels einer allerunt. Bittschrifft angebracht, wie dass
er wegen MitUosen Stands seines in nieder Steur Marck behaust ge-
20*
308 Beil. II. 16—18.
we8t«n Bruders bewogen worden seye, von seinen nachgelassenen 7 Pu-
pillen einen ohnmQndigen Sohn Matthaeum und eine Tochter an Kindesstatt
aufzunehmen, und selbte alss seine eigene Kinder zu erziehen. Zumahlen er
nun auff Sie y forderist aber auff den Knaben , wegen seines guten Studij
latinitatis und zeigender progressen in cymbalo solche Unkosten auffge-
wendet hätte , dass Er die billige Beysorge tragen könte : es wurde nach
seinem bald bevorstehenden Todt , die durch solche unterweiss- und erzie-
hungstkosten und zuforderist durch alstäts erleidende ohnpasslichkeiten
sehr erschöpfte Mittel zu dieser seiner adoptirten Kindern benöthigten unter-
halt nicht hinlfinglich seyn; alss wollte Er Euer Kay. May. allerunterthanigst
gebetten haben; dass Allerhöchst Selbte, clementissimo intuitu, seiner alss
compositore , Vice - und würkl. Capellmeister in die 40 Jahr lang leisten-
der Diensten, wie auch dass nach seinem Tod niemand deren seinigen
Euer Kay. May. umb etwas behelligen werde , Ihme zur letzten gnad für
erdeuten (sie) seinen Sohn Mathaeum zu besserer prosequirung seiner
Studien eine jährL Gnadens Provision in so lang allergnädigst verwilligen
möchten biss selbter sich in stand, sein eignes Brod gewinnen zu können
auss allerhöchsten Kay. gnaden gesezet zu seyn sehen wurde.
Da dieses Snpplicantens aufhabende merita ohne deme sattsamb be-
kant seynd , hat die treu gehorsamste Concertations-Commision occasione
dieses seines petiti Euer Kay. May. nur so viel in unterthänigkeit zu erin-
nern : dass er A* 1715 einen Jährl. gehalt von 2500 fl., dann eine jährliche
Adjuta von 600 fl. sine consequentia pro successoribus und A* 1723 auss
£u. Kay. May. allerhöchsten Gnaden ein Capital von 8000 fl. auff einmal
überkommen, und anmit besagt: gehorsambst Commission zu glauben
ursach gegeben habe, dass Ihme Supplicanten gnad genug seyn könnte
wan Euer Kay. May. seinen adoptirten 13jährigen Sohn Matthaeo nicht
iezo gleich , sondern a die des Supplicirenden Capellmeisters erfolgenden
Todtfahls biss zu dess Knabens sich ergebender Yogtbahrkeit jährl. 400 fl.
allermildest zu verwilligen, ein allergnädigstes Belieben tragen würden."
(Eigenhändige Resolution des Kaisers:)
„„Soll ihm, was ein Scholar gehalt erhält geben wer-
den«^
1 ». Fin.-Min.-Hofprotokoll 1700. fol. 78.
„Fux Johann Joseph Kay. Musicus Compositor, remonstrirt
seine Etlich jährl. treu Eyffrige Hoffdienst, Mit gehors. Bitte Ihme einstens
mit einem Kay. Hoffqnartier in Gnaden anzusehen.
Bschaidt :
Wan der Supplicant auf ein würkl. vacirend, und seinen Dienst gezie-
mendes quartier künfftig zaigen würd, solle seiner vor auch gedacht wer-
den .dt. Wien den 29. Martii ao. 1700.«
19. Fin.-Min.-Hofprotokoll 1702. fol. 163.
„Fux Johann Joseph Kay. Musices Compositor sagt, dass er
schon einige Zeit ohne Quartier seye , mit gehors. Bitte , weillen er Ver-
Beir.ll. 19—21. 309
standten, dass in des Paul Kauz, Barbierer Hauss auf dem Neumarkht die
Frey Jahr negstens expiriren, Ihme hierinnea sein Quartier gnädig zu
assigniren.
Bschaidt :
Fiat y nach verflossenen Kay. Bau Frey Jahren , dem Kay. Hoffquar-
tiermaister Vnd hoffourier, hiemit auflfzulegen , wie gebetten etc. Wien den
7. Dec. So. 1702.
!•• Fin.-Min.-Hofprotokoll 1715. fol. 129.
Fux Johann Joseph Kay. Hoff Kappelmaister meldet , was ge-
stalten der Von Imbsen mit einen andern Hoff Qttier Versehen, undt ihme
sein vorheriges in der Weinburg in des Weyl. Martins gewesten Schnei-
dermeisters Hauss anständig wäre er also gehors. bittet , solches gdgst. zu
conferiren.
Beschaidt:
Fiat y den Kay. Hoff Qtiermeister und Hoffouriren auferlegt wie ge-
betten. Wien 20. Juli 1715.
AFz. Schwarzenberg."
Fin.-Min.-Hofprotokoll 1719. fol. 123.
,,Fux Johann Joseph Kay. Capelmaister bringet gehorsambst bey,
dass durch zeitliches Hinscheiden des Kay. Hoff Cammer - Rathes Hr. v.
Hayne sein Hoffquatier in den sogenannten goldenen Bern an alten Fleisch-
markht erledigt worden, und zumalen er in seinen in den Pockischen Hauss
in der Weihenburggassen nicht subsistiren kann , umb Weilen durch des
Nachbarn Gebau in den Eingang dass Liecht entzogen worden ist. Gelangt
des Supplicanten Vnterthänige Bitte ihme das obbenannt eröffnete Hoff-
quartier Vor andern gnädigst zu conferiren.
Beschaidt :
Den Kay. Hoffquatiermcister und Hofffourieren aufgelegen wie ge-
betten. Dat. Wien v. 23. October 1719.
AFz. Schwarzenberg."
■
«I. Fin.-Min.-Hofprotokoll 1741. fol. 22.
»Fux Joseph Hoff Capellmeisters Seel. Erben , bitten in Ansehung
ihres abgelebten Vetters seel. langjähr, treugeleisten Diensten ihnen den
Kön. Hoff. Qtiers-Genuss bis kiinfftigen Michaely zu verleyhen und gemes-
sen zu lassen.
Beschaidt :
Denen Supplicanten wird der ingebettene Kön. Hoff Qtiers Genus
(wegen übel entstehenden Cansequentien) bis ktinfitigen Greorgy instehen-
den Jahres hiemit gnädigst verwilligt. Act. Wienn, 8. Martii 1741.
HF. Auersperg.«
310 Beil. II. 33.33.
SS. Fin..Min.-£rl. 29. April 1741.
„Demnach Ihrer Rom.. Kay. aach in Hispanien, Hungam umd Bö-
heimb König. Cathol. May. Caroli 6*' unsersAllergnädigsten Herrn etc. Christ-
mildesten angedenckhens gewesten Hoff Capellmaister Johann Joseph
Fux dieses zeitliche geseegnet, Alss würdet solches Einer Löbl. Kay. Hin-
terlassenenHoff Cammer hiemit in Freundschafft intimirct. Dieselbe Belieben
möge mit Ermelten Fux nachgelassenen Erben seiner Jährlich per 3100 fl. ge-
habten Hoff Besoldung und Adjuta halber Bis den Vierzöhenden Februarij
inclusive gegenwärtigen Jahrs die gewöhnliche Abrechnung zu pflegen
gehörigen Orths anzudeutten , Massen hieran Beschichet Ihrer Kön. May.
unser Allergnädigsten Frauen Willen und Mainung^ Actum Wien den
Achtzöhenden Februarij Sibenzöhenhundert Ein und Vierzig."
Rudolph Gf. Zinzendorf m./p.
•
SS. 1725, 30. October (Copia).
Aussen : ^ An
Ihro Hochgräffi. Excellenz, den Hochgebohmen Herrn Sigmund
Rudolph des heil. Rom. Reichs Erb-Schatzmeister und G raffen von
Sinzendorff, Burggraffen zu Rheineck, ErbsQhenken in Österreich ob
der Enns etc. der Rom. Kay. May. Geheimben Rath, General-Feldmarsch^ill-
Lieutn. und Obristen Hoffineistem, grand d'Espagne und Ritter des gülde-
nen Yliesses vnterth. gehorsambstes Bitten
Johann Joseph Fux Kay. Hoff-Capellmeisters
pr. inberührt Gdge. protection betreff.*
Innen ;
„Hochgebohrner Reichs Graff. Gnädig Hochgebiettender Herr.
Obwohl Euer hochgräffl. Excellenz mit Klagen ungern behellige,
gleich dessen ungehindert verschiedener hierzu gehabten beweglichen Yr-
Sachen mich bisshero entschlagen habe, so kann jedoch, nachdeme mir
immer grössere Beeinträchtigung zugefÜget wird, nicht länger, und umb
so weniger an mich halten, Deroselben dasjenige, wormit mich beschweret
befinde, gehorsambst vorzustellen, alss auch dissfalls durch die hiebey-
liegende Instruction */. veranlasset werde, worinen articulo 13* enthalten ist:
dass wan der Capellmeister in einem oder anderen aggraviret wäre, den
Kay. Herrn Obrist-Hoff Meister umb abhelffliche Maass angehen solte,
Dahero der unterthänig. Zuuersicht bin, Ew. Hochgräffi. Excellenz diessen
Gehorsambsten Vortrag nachfolgend meiner Beschwerden Gnädig an-
gesehen werden. t
Von der Zeit an, dass des Herrn Principe Pio Ex' die Carica alss
Protector der Kay. Musique angetretten haben, wäre auss dem, von Der-
selben öfftermahlen gethanen Versuch, und allerhand eingriffen, die mit
stillschweigen übergehe, sattsamb abzunehmen, dass Ihre Absicht dahin
gerichtet, den Capellmeister zu unterdrucken, und dessen von verschiedenen
Kay. Majestäten befestigte, und in ruhigen Besiz hergebrachte Gerechtig-
keiten über den hauffen zu werffen ; wie den Hochgedacht Herrn Principe
Beil. II. 33. 311
Pio £z' mit der Ihro zuständigen Protection, und Besorgung des Ka^.
Theatri nicht znfriden, auch die direction der völligen Musique , die von
Niemand alss einem in arte perito der gebühr nach versehen werden kann,
wider den gebrauch an Sich zu ziehen trachten, und lauth hieran verwahr-
ter abschrifft eines mir iüngsthin zugeschickten bigliets Sich alss ein Capo
der ganzen Kay. Musique benennen, wohin gegen in obbemelter von Ihro
ELay. May. Leopolde Glorwtlrdigsten angedenkens herabgegebenen und von
der jetzt glorreichest Begierenden Kay. May. auff Mein einsmals besche-
hene allerunterth. anfrage, allergdst gutgeheissene Instruction eodem arti-
culo 13® die Capellmeister für Capi der Musique erkläret seynd, welcher
Ihnen zugeeigneter Character umb so mehr bekräftiget wird, als Sie Capell-
meister der gesambten Musique vorgestellet worden und der erstere beay-
diget ist: in dem ganzen enthalt aber iet^t besagter Instruction von dem
jeweiligen alss Protector der Musique angestellten CavaUer keine Meldung
gemacht ist. Allein zur Abfassung sothanen bigliets ist der anlass genom-
men worden, umb willen Ich dem Kay. Organisten Georg Reinhardt eine
Reisse nacher Prag zu thun, umb allda bey den heil. Joanne Nepomuceno
seine Andacht verrichten zu können, die bey mir angesuchte erlaubniss
gegeben h9be;.wie dan des Hm. Principe Pio £z* daiüber hin Ihre Andung
dergestalten bezeiget, dass Sie dem benannten Organisten dessentwegen
mit dem arrest gedroht haben, nicht zwar auss Eyffer für die Kay. Dienste,
die durch solche ab Wesenheit, indeme ein überfluss an Organisten dermals
vorhanden ist, nicht gelitten, sondern allein umb den Capellmeister hier-
unter zu kränken, alss ob derselbe derlei erlaubnuss zu ertheilen nicht be-
fugt wäre; da doch nicht allein ich alss 30jähriger Diener sondern noch
ältere Musici bei ihren gewissen bezeugen mögen, dass der Capellmeister,
oder in abgang dessen der YicerCapellnieister einem Musico auff eine kurze
Zeit zu verreissen, hat erlauben können, alss welchen am besten die Zeit
und gelegenheit bewusst ist, wie und wann solches ohne Nachtheil der Kay.
Dienste sich thun lasse. Ohne .Zweiffei auch auss dieser Vrsache, damit Ihro
Kay. May. mit dergleichen Kleinigkeiten nicht beunruhiget werden, und auff
das derienige, so die Musicos zur Schuldigkeit anhalten mus, ihnen auch
eine ergözlichkeit zu verstatten beuollmächtiget seye. Es möchte vielleicht
eingewendet werden, alle derley Vor- und eingriffe geschehen darumben,
weilen der Capellmeister nicht ieder zeit im stand seye, dem Dienst vor-
zustehen, welches Ich zwai* bekenne, und höchstens betaure, zu diessem
Zill imd ende aber und dessen Stelle zu vertretten ist derVice-Capellmeister
ein Mann von grosser Virtü und Capacität angestellet. Bey diesser der
Sache mir billig zu gemüth steigej^den Bewantnuss :
Gelangt an £w. Hochgräffl. Excellenz alss hoche Instanz mein unter-
thänig, gehorsamb- und angelegenstes Bitten, dieselbe geruehen die ge-
druckte Capellmeister in Dero hochen Schutz zu nehmen, und bey Ihro Kay.
May. ausszuwürcken, d<amit Sie Capellmeister bey Ihren alten zu Besorgung
des Kay. Dienstes so nothwendigen gerechtigkeiten gehandhabet werden,
und ich meines geringen orths von denen mir nachkommenden den üblen
^^^ Beil. II. 23.24.
nachklMg, d«. unter meinem M^^terio ein- so anderes abgebracht wor-
den, mcht z« be&hren habe. Solte aber Ihrer Kay. May. aUergdpit^ri^l
und wiUe seyn, d«« diese umbgekehrte administition ihren forSTn* haS
so unterwerflfe mich mit Tieffester Demuth Dero allergdgBten ^olun^'
;^e riSen'el;^ ''''"" ^^^'^ "'^'"«' Vorfahren fthigkeir^iÄ
«ze die Ihnen ertheilte praerogatiyen zu geniessen unwürdig seye- ob-
^^^l^^^'.'^T •'*"'*' -»'^««fe»-» - haben erachtl iTJch
Ätft f: h"*; ""^ ^^- "*^- «««""»^^rtb^rBt- «rehbst bittet«,
STh znlh f "' "^ ^' Gereehtiglceiten dem Capellmeiste;
h^lh w r 1 ""'^ «•»«re««met bleiben wurden, auff dass ich mich
J^^e TorTc,«" rr*';'"'^" "•""'■" "*"'^'*«"'« ''«^^'>*«" Zustand nicht
«ne morbhca ,on über die andere leyden mttsste, sondern die noch flbrigc
wenige Tage m gewünschter Ruhe beschliessen möge
Zu GnSdiger Gewehrung mich unterth. gehbst. empfehle
Euer HochgrSflI. Excellenz
unterth. gehorsambster
Johann Joseph Pux,
1 7QR an n . V „ .. ^"y- Hoff-Capellmeister.
1725. 30. Ootober. (Beil. zu ts.)
nCopia.
II Ppe Pio riy. dio". il Sig". M'~. di Cap". Gio". Gius-. Pux e le fa
«apere, come 1' Aug»-. Imp". commanda, che di qui avanti ninno dipendente
aeiia tes«. Musica possa assentarsi dal Ces«. Serviggio senza consaputa di
cm «crive, il quäle come Capo della Musica deve rendere conto all' Ang~ de
suoi subordinati, non avendo egli mai concesso il permesso ad alcuno di
pemottare faori, senza preventira consaputa e beneplacito della M". 8na il
dl cm ordine avendo adempito ecc/«
»«. Verhaltbefehle für die kais. Hofkapelle. (Abschrift in
dem InstrucHonsbuch des k. k. Obersthofmeister-Amtes.)
»?««>«, che voglio. siano sempre dal mio Maestro, o vice -Maestro
dl Cappella, e da' miei Musici inviolabilmente osservati.
l*. Che il Maestro, o vero in sua vece, o mancanza U vice-Maestro di
Cappella debba procurare in ogni miglior forma il mio buon servizio eon
insmuare la dovuta diligenza e pontualit* a' Musici.
2«. Che abbiano a cuore i di loro interessi et utili, con sollecitare ge-
neralmente le loro provisloni, e procurare particolarmente ancora quelle
grazie, che suol concedere la mia Clemenza a chi le merita o per distinzione
dl talento o per diligenza di servire senz» lasciarsi trasportare da parzialiti
m favore, o vero da passione verso di chi sia, accioche il mio servizio non
venga pregiudicato e la loro coscienza non resti aggravata.
3*. Che mantenghino bnona, sincera e cordiale amicizia con tutti li
Musici, onorando e rispettando ogn' uno.
4*. Che nascendo qualche disparere fra essi, o vero fra questi, e l'uno
e l'altro, debbano procurare, di componere tutto amichevolmente con
Beil. II. 34. 313
Cristiana eqniti, cercando, che resti pienamente soddisfatto, chi fosse
offeso.
5*. Che sia lor cura particolare 11 disporre delle composizioni, che si
devono produrre tanto in chiesa quanto in camera in conformitii del tempo
e del luogo, oome lo stimeranno piü a proposito p'er il mio Cesareo Servizio^
6*. Che ciaschednno de Musici debba pontualmente venire al buo Ser-
vizio ed a quell' ora, che gli sarä intimata, aspettando (come loro dovere)
il mio commodo , e che niuno di essi parta avanti che sia intieramente ter-
minata qua! si na funzione senza saputa del Maestro o vice -Maestro di
Cappella.
7*. Che quandof alcuno di essi fosse legitimamente impedito di venire
al suo servizio, debba farlo sapere al Maestro di Cappella, e -quello al vice-
Maestro, acciö possa V uno e V altro disponere le cose e rimediare alle man-
canze, che occorressero.
8*. Che ognuno de Musici debba senza contradizione accettare e can-
tare quella parte, che gli verrA data, senza riflettere a primo o secondo,
che cosi richiede il mio servizio e che lo commando assolutamente.
9*. Che tutti li Musici debbano cantare ne' ripieni ed al libro grande
di Cappella, acciochö il Servizio Divino (per quäle fb principalmente da'
miei Augnstissimi Antecessori instituita la Musica e da me mantenuta)
venga osservato col debito decore e possa meglio impraticarsi, chi non fosse
per il passato applicato a tale esercizio.
10*. Che debbuno li Musici in tutte le funzionl stare col debito ris-
pettD, ma particolarmente u quelle della Chiesa, con osservare la piü
profonda riverenza al Sacro hiogo e stare ben attenti, per rispondere pon-
tualmente al sacerdote celebrante quello che occoire, n6 divertirsi con dis-
corsi inutili, acciochö non succedatio scandali nel tanto importante servizio
di Dio.
11*. Che non sia lecito a veruno de' Musici mancare a Servizij ordinarij
Bul pretesto delle recite ; riserbando a me solo 1' arbitrio di dispensarli da
medemi alcuni giomi avanti 1' operazione, acciochö possano finire d'imparar
la parte e mettersi in ordine per tal funzione.
12*. Che gli Btromentisti tutti risarcischano la passata negligenza con
una esatta pontualitü nell' awenire e siano obligati a richiesta del Maestro
o vice-Maestro di Cappella impiegarsi in Cesareo servizio con ogni sorti di
stromenti, de' quali hanno prattica ; aneorche la loro ordinanza non esplichi,
che una sorte di stromento.
13*. Che coltivino fra essi una buona sincera cordialiti ed unione, col
portarsi vicendevolmente il dovuto rispetto e pratticar 1' istesso col Maestro
e vice-Maestro di Cappella come loro Capi da me istitiiitigli , e se acca-
desse mai alcun disgusto o mala sodisfazione fra essi, ed il Maestro o Vice-
Maestro di Cappella, debba, chi si trovasse aggravato, ricorrere al mio Mag-
giordomo Maggiore, che come loro Superiore havrä la piena autoritä di
componere le loro differenze e far ragione ad ogn' uno.
314 Beil. II. 25. 36.
14*. Che tutti qnesti punti vengano inviolabilmente osservati essendo
tale ü mio ordioe positivo ed espresso.
LeopolduB (I.;^
Sft. 1729, 23. Juni.
„Berichterstattung, Auf die Frag, ob für die Capellen ein Calcanten-
Adjunct nötig seye.
Weillen vor diesem die Dienste durch zwei Calcanten allein verrichtet
and erst 1717 Ihnen ein Adjunct, nemblich Ferdinand .Römer, ieziger
anderter Calcant mit 120 fl. zugegeben worden ist , scheinet dieser Dienst
unnötig zu sein.
Worauf gehorsambst geantwortet wird , dass dieser Calcanten Dienst
niemallen durch die Calcanten allein hat können verrichtet werden, sondern
iederzeit mit beyhilf ihrer geseelen.
Nun ist bekant dass die gesöllen nit immer bey einem Maister ver-
bleiben, sondern von einem zum andern wandern, mithin öffters neue leyt,
so keinen brauch wissen können, in die Capellen kommen seind ; auch, wie
bekant, die gesöllen gemeiniglich liederlich, und nachlässig seind. Ist fiir
gut und nöttig befunden worden, dass ein Orgimacher Adjunct mit der Or-
dinanz und geringer besoldung aufgenommen wurde, welcher, da indessen
der Calcant zum Tafeldienst zu richtet, und das Cimbalo stimmet, beständig
bey der Orgel bleibe, die blassbälge aufziehe, und, so ungefehr an der Orgel
etwas fellete , gleich es in meiner gegenwarth geschehen, er adjunct in in-
stant! gleich zu helffen wisse , und also nach und nach den Dienst und die
breuch lehre, damit er bey sich erreigneten fahl in die würkhliche Cal-
canten Steelle einrukhen könne : aus welchen dan auch abzunehmen ist,
dass zu Vertrettung der Calcanten-Adjuncten Steelle unumbgänglich em
Orgl Macher erfordert werde.
Und weillen das Sistema modernum musices von etlichen iahren her
sich fast verändert hat, und hirzue mehrere Musici erfordert werden, ist nit
zu bewundern , dass auch mehre Dienner für die Capellen nöttig befunden
worden; welches auch von dem Instrum enten-Diener und Lautenmacher-
Adjuncten zu verstehen ist.
Und dieses zu gehors. berichts erstattung
J. J. F. C. M.«
«e. 1733, 6. März.
(An Ferd. Graf Lamberg, Cavaglier Direttore della Ces. Musica.)
„An Ihro Hochgräfliche Excellenz !
Zufolg von £ur Hochgräfl. Excellenz in genaden an mich ergangenes
Decrets die Contraltisten Navetschanin und den Orgimacher Giovanni
Moy BÖ betreffend erstatte femer gehorsamben bericht, dass 1" mir wohl be-
wust seyn , dass er Moyse 2 Cimbala zu dem Prinz Pio habe hingestellet,
welche eine Zeit lang biss zu Deroselben abreiss von hir aldorten stehen
verbliben, nachgehends aber von Ihme Moyse widerumb abgehoUet, und
Beil. II. 37.28. 315
mithin niemahlen nach Hof gekommen seind nnd weillen dennallen bey Hof
an Cimbaln kein abgang ist; wan sich auch mitler Zeit einer eussero solte,
linde ich nicht , warumb die Hoforglmacher , welche weit feiner und besser
arbeiten, solten praeteriret werden, alss erachte unnöttig zu sein solchen
Cimbaln ferner nachforschen. 2" Die Navetshanin belangend habe selbe
abermahl angehöret und befunden, dass selbe nit allein eine ausgebige,
pastose und wohlkh'ngende stimbe habe, sondern auch bereits mit feiner
arth singe , dergestalten , dass sofern Ihro Kay. May. eine Scolarin aufzu-
nemen a. g. gesinet seind ; ist meine wenige mainung, es möchte diese Na-
vetshanin vor allen cindern umb so vil mehr a. g. erküsen werden , alss an
Altistinen ein merklicher Abgang sich befindet. So vil zu Vollziehung £ur
Hochgräfl. Excellenz befelch habe ich zu berichten nöttig befunden. Im
übrigen zu dero hohen genaden und prottection mich empfehlend
Euer Hochgräfl. Ezcellenz
unterthänig-gehorsamber
J. J. Fux
Capel Maister.^
S9. 1711, 3. Sept. Arch. des Obersthoüneistet-Amtes.
Die Königliche Majestät hatte befohlen, „dass man die Kay. HofsUtt
reduciren solle« und die Hof-Conferenz referirt an die Kaiserin-Regentin, in
welcher Weise diese Reducirung statthaben könnte und sagt in Hinsicht
der Hofmusiker:
„Denen Mosicis weren nur dieienigen zu behalten, welche die besten
seint, und allein zu dem Capeldienst erfordert werden, die übrige, wie auch
die Cantatricinen, Compositori, Vnd wass zu denen Theatris gehöret,
zu licentiiren."
«9. 1711, 11. Sept.
In dessen Folge ergieng folgender Auftrag an den Vice-Kapellmeister
Ziani.
„Dero auch hinterlassenen Vice-Capelmaisteren Marco-Antonio
Ziani hiemit anzudeuten, dass Er seiner biss dahero wohlgeleister Diensten,
Vie ingleichen die gesambte Kay. Musici, wie sie namen haben, vorderst die
Compositori, Cantatrici, Poeten und was zu denen theatris gebraucht
worden, hiemit in gnaden entlassen werden, dergestalt jedoch, dass Er Vnd
dieselbe Ihre Besoldungen , Adjuten und Pensionen biss end dieses lauffen-
den Monats 7^"' annoch zu gemessen haben „alssdann aber solche völlig
aufgebebt sein sollen , welches Ihme, Vice-Capelmeistem, vnd zugleich mit
dem beygebracht wird, auff dass er es gesambter Music vndt obspecificirten
darzu gehörigen Persohnen zu ihrer nac bricht ebenfallss intimire. Ueber
dieses da Ihro Kön. Mtt. Vnser Allergnädigster Herr dennoch mit einer
guter, wohleingerichter Music werden versehen sein müssen, so solle Er, von
iezgewesten entlassenen Musicis die beste, diensttauglichste vnd fleissigste
aufimerken iedoch nur allein so viel deren an vocalisten vnd instrumentisten
316 Beil. II. 29.30.
zur versehung des Capel- oder Eirchendiensts nothnrflftig vnd nit übeiflüssig
Tonnöthen seint, ynd solche beim Obristhoflfmeisterambt specificirter ein-
geben fUr uns.
Fürs änderte hinzusetzen , was einem ieden für eine zulängliche com-
petente Besoldung auszuwerffen were, wobey nicht anff die iez genossenen
theilss grosse , theils excessive, sonderen auff die bey vorigen Kaiseren ge-
nossenen Besoldung zu reflectiren. worzu fürs dritte zu diesser überleg- vnd
einrichtung er Vice Capelmaister einen bey der Music lang dienenden er-
fahrnen Mann, alss etwa den dispensatore delli concerti mnsicali Kilian
Rheinhard sich acyungiren kann.
£x o£f!cio
Wien den 11. 7^" 1711.«
US« 31. Dee. Archiv des Obersthofmeister- Amtes.
„Anfrag die Kay. Musieos betr. Wien den 31. Dec. 1712.
„Vber den von Ewer Kay. May tt. dero gehorsam bsten Obrist-Hoff-
maister-Ambt zugestehen Statum oder Specification derienigen Musicorum,
welche in Kay. Dienste \(ieder aufgenohmen worden. Hat man dero Capel-
maister die Lista zugeschickt, damit er wisse, welchen er künfftig femer
zum dienen- vnd welchen er nicht ansagen lassen solle.
Sonsten hat man auf erhaltenen allergnädigsten Befelch gleich ange-
fangen die Verordnung an das Hoff-Contralorambt wegen der einem ieden
allergnädigst ausgeworffenen Besoldung ergehen zu lassen, vnd ao fort die
Bezahlung an das Hoff Zahlambt, wie gewöhnlich anzuschaffen.
Weillen man nun bey ein vnd anderen noch einen anstandt gehabt, so
hat man sich über die von Ewer Kay. Ma3rtt. herausgegebene und wieder
hierbey ligende Lista mit Ewer Kay. Maytt. Obristen Kuchenmaistern
wegen der erläutterung vernohmen, der dan erkleret: 1" dass der Joseph
F u X Vice-Capelmeister mit der für denselben aussgesetzter Besoldung der
1600 fl. resolvirt worden, consequenter in der Lista alss Compositore aus-
zulöschen seye.« u. s. f.
SO« 1712. Von aussen: „Lista der Musicorum mit des Hm. Grafen
von Molart Gutachten.
„Vnmassgebig allerunterthänigster Vorschlag. Wie Ew. Kay. und
König. Maytt. Hoff-Music eingerichtet und stabilirt werden könnte.
„Gleichwie nicht allein die grosse confusion, in welcher Ew. Kay. imd
König. Maytt. Hoff-Music bis heuntigen tag stehet , und die daraus erfolgte
üble Bedienung Dero Allerhöchsten Person, sondem auch die diese Jahr
hero allzuhoch gestiegene Salarimng Dero Musicorum den billigen Anlas
geben, dass man bei Deroselben eine solche Einrichtung vor die Handt
nembe, damit ainerseits Ew. Kay. und Kön. Maytt. mit aller Ordnung und
Punctualitet alleranterthäüigist- bedienet anderseits aber die bisherige con-
fusion verhtiettet , und die so grosse Besoldungen restringirt werden , Also
hab ich auch an meinem Allerunterthänigsten orth für nöthig zu sein be-
B«ll. II. 30. 317
fanden, dass bey sothaner Einrichtung nachstehende puncta in AUergnä-
digste reflexion gezogen werden möchten , und zwar weillen 1* das Funda-
ment aller guetten Bedienung die Bichtige Bezahlung der Besoldungen ist,
ohne welcher kheiner zu seinem Dienst rechtschaffen angehalten werden
kann, allermassen dann bei zurückh gebliebener Bezahlung die Unordnun-
gen von Zeit zu Zeit dergestalten zuegenomben haben, dass man gleich-
samb gezwungen worden , unter der glorwUrdigisten Regierung Ihro Kay.
May. Leopoldi primi höchstseeligsten angedenckhens die Besoldung deren
Musicanten zu vergrösseren , oder mit adjuten das Gral Hpffzahl Ambt und
die geheime Kammer zu oneriren, dass weder eines noch das andere wegen
solch über die Maass erhöchten Besoldungen vnd Adjuten mit deren Be-
zahlungen mehr gefolgen khönnen , Alss wäre meines aller unterthänigsten
Dafürhaltens ftir Euer Kay. und König. May. Hoff. Music fürohin ein ge-
wisser fundus, aus welchem dieselbe quartaliter Richtig bezahlt werden
khönnte zu stabilim und zugleich
2*. allergäst zu verordnen, dass die völlige Music, und was darunter
gehörig ist, ins Khönfftig ihre Bezahlung bloss und allein anss Euer Kay.
und König. May. gral Hoffzahl ambt, und sonsten aus kheinem anderen
Ambt oder Cassa zu empfangen haben solle, als wordurch nicht allein die
Leichtlich sich ereignende doppelte- sondern auch in der Zeit die ungleiche
Bezahlungen verhiiettet und abgeschnitten werden khönnen, gestalten dan
öffteH geschechen ist, dass eben diejenige Musici, welche zum wenigsten ge-
diennet, aintweders umb ihrer importunitet willen , oder auch intüitu eines
regals vor allen andern und zuweillen wohl gahr anticipato bezahlt worden
seynt, die Jenige hingegen, welche ihre Dienste mit all- Schuldigsten Fleyss
und Eyfer praestirt, viell zeit lang haben zuewarthen miessen, welche
zahlungs- partialiteten aber mit deme von Selbsten cessim werden , wann
die Salarirung deren Musicanten aus dem gral. Hoff Zahl Ambt alleinig pri-
vadve bestritten = und von daraus einem ieden seine quartals Betragnus
zu gleicher Zeit, gleichwie es bishero die übliche observantz gewesen, ab-
gefUhret werden mues. Vnd dieses seynd die zwey Haubt-puncta, worauf
sowohl die reduction deren grossen Besoldungen, alss die khönfftige Ein-
richtung Selbsten i^othwendig ankhomben thuet: Und obwohlen
3'. Bey denen jenigen, welchen man Ihre grosse Besoldungen Schmöl-
lem und au deren statt ein wenigeres pro salario auswerffen wirdet /(so
zwar in der Wahrheit auch nicht unempfindlich ist) Verschiedene Ciagen und
lamentationes entstehen werden. So seynd doch all-solche Besoldungen von
etwelchen Musicis also Hoch getriben worden , dass Sie nicht allein unpro-
portionirt, sondern, wan Mir zu sagen allergnadigst erlaubt ist , wohlgahr
spropositirt gewesen; gestallten dan viell von denen Musicis Jährlich 4 bis
6000 fl. genossen, wohingegen andere Cavaglieri oder würkhliche Räthe
denen es doch mehr, alss einem Musico gebühret hätte, derley ergäbige Sa-
laria carim, und sich mit viell weniger begniegen lassen miessen, dahero
umb allem diesem abzuhelffen, denen Musicis bowohl Vocalisten, als Instru-
mentisten, welche Euer Kay. und König. May. aufs Neue aufzunehmben ent-
318 Beil. II. 30.
schlössen seynd, die Besoldungen gegen Cassier- und Aufhebung aller vor-
hin auss dem geheimben Cammer Zahl Ambt oder sonsten gehabten extra
adjuten nach jnhalt des zueligenden Status A allergnädigst determinirt, und
aussgeworfTen , annebens auch denen Altmeritirten Musicis Jubilatis und
Pensionarijs, deren ein- oder anderer noch bey Weyl. Kaysem Ferdinando
8* glorwürdigsten angedenckhens in Diensten gestanden ist, wie nicht weniger
denen armmen Wittwen und Kindern sowohl in ansehung ihrer respective
Männer und Vätter geleisten langwührigen Diensten, als zu forderist aus
angebohnier Clementz dieses Allerdurchleuchtigsten Erzhauses ihre pensio-
nes ad£xemplum beeder letztabgeleübtenKay.Mayttcn. Leopoldi et Josephi
glorwürdig^ter Gedächtnussen allermildreichist connnnirt werden khönten.
Mit welchem ausgeworffenen Salario dan bey Richtig fahlender Bezahlung
ein jedwederer gahr wohl zufrieden seyen , und davon auch Ehrlich leben
khan. Alles dieses nun wäre durch Euer Kay. und K^^nig. May. Obristen
Hoff Maister Ambt dem Capell Maister per Decretum zu notificiren, umb
damit sowohl diese , So in diensten behalten- als auch die jenige , welche
würkhlich licentzieret werden, sich darnach zu richten wissen, und solchem
Decreto unter ainsten zu inserim, dass man die Ausständte deren confirmirt-
und reformirten (umb das currens mit dem praeterito nicht zu vermischen)
auf einen sicheren fundum , gleichwie es nach dem zeittlichen Hintritt Ihro
Kay. May. Leopoldi Höchst Seligister gedächtnus beschechen ist, anweisen
wolle, auss welchem Fundo Sie mit gewissen Jährlichen ratis sucd^ssive
ihre völlige Consentirung überkhomben werden , Massen dan nicht billich,
ja wieder Euer Kay. und König. May. Allerhöchsten decoro wäre , wan die
Leuthe abgedankhet werden, und zugleich nicht auch ihren ausständigen
Lidlohn , welcher in allen geist- und Weltlichen Rechten vor allen anderen
Creditoribus die praecedentz hat , angewisener bekhomben sollten, zu des-
sen mehrerer Sicherheit aber sehr guett und Nutzlich wäre, wann Eur. Kay.
und König. May. Hoff-Cammer diesen fundum , wohin die Music mit ihrem
ansstandt assignirt werden khönte, Ehedessen denominim und ausfindig
machen thätte. Es entstehet aber occasione dieser Einrichtung
4*. die frag, wass filr einem termino erstlich diese Neue Einrichtung zu
nemben ? und wäre Ich disfahls der allemnterthänigisten meinung, dass man
die Besoldungen, wie nicht weniger auch die Pensiones nach dem Neuen
Fuess mit 1 October 1711 bis dahin die Völlige Music licentzirt worden ist,
anfangen solle. Im änderten aber, wass denen jenigen, welche nicht wieder-
umben aufgenomben, sondern völlig cassirt werden, für Ihre bishero geleiste
dienste ausszuwerffen seye ? glaubete ich unmassgebig, dass weillen die re-
forma nur auf etliche wenige Compositores, Vocalisten, Instrumentisten vnd
Tantzmeister ankhombet, denenselben ihre Besoldung vom 1 October 1711
bis auf diese Zeit der Reformation (jedoch dem neuen Grehalt nach) aller-
gnädigist khönte vergönnet, und in dem Decret an den Capell Maister bey-
genickhet werden, gestalten so gahr bey einem jeden Particular Herrn nach
seinem Todt denen Bedienten ein Halb- oder ganz Jährige Besoldung ge-
reichet zu werden pfleget.
Beil. II. 30. 319
5'. In was fhr einem Numero personarum aber die Mnsic sowohl von
Vocalisten als Instmmentisten znforderist zu der Ehre Gottes, zum decoro
Euer Kay. und König. May. und dero ergötzlichkeit in operen und derglei-
chen Mnsicalischen Festivitäten bestehen solle V zeiget ebenfalls der zueli-
gende Status individuaUter, und obwohlen zwar zu Bestreittung deren Kür-
chen-Diensten , wie selbe Euer Kay. und König. May. nach dem Stylo Ro-
mano des Canto fermo zu introducim allergnädigst intentioniret seyen, acht
Stimben per parte, absonderlich aber Sopran! und Bassi gahr wohl von-
nöthen wären, weillen öffters aintweders unpäs&lichkeit halber, oder aus
negligenz und Nachlässigkeit nicht alle zusamben khomben, und dahero, zu-
mahlen die Erste Stimb die voce acuta, die änderte aber das fnndament der
Music ist , Es sehr übel lautten wurdte , wan Sie von denen Mittl Stimben
überstigen werden sollte, allermassen dan Euer Kay. und König. Maytt,
wass zu dieser Arth deren Kürchen Diensten gehörig seye ? vom Selbsten
am allerbesten erkhennen, So khönte es nichts desto weniger doch mit
Sechs per parte und also zusamben mit 24 Stimben indessen bestritten wer-
den, wo vielleicht mit der Zeit ein paar Soprani und Bassi anfgenomben
werden, welche, wan Sie anch schon nicht die Beste wären, der Stimb nach
in dem ripieno dannoch viell ausgeben wurden.
Die Instmmentisten belangend, weillen in der Haubtsach wenig daran
gelegen ist, ob Einer mehr oder weniger gehalten wirdet, khönten ebener-
massen nach jnhalt des Status stehen verbleiben. Und zumahlen nun auch
unter diese Einrichtung der Mnsic die Scholam gehörig seynd, so habe
derenthalben Euer Kay. und König. May. allerunterthänigist ein rathen
wollen, dass ins Khönfftig khein Scholar anfgenomben werde. Er seye dan
ein solches Subjectnm vnd embsiger Knab , auss welchem Mittler Zeit ein
Stattlicher Virtuos zu hoffen, welches alles aber bishero wenig observirt
worden, und dahero auch geschechen ist, dass einige 20 Jahr lang Scholam
verbliben und unterdessen aintweders ihre Stimb mutirt, oder in der Instm-
mental Music also übel reussirt, dass Sie ihr Instmment stimben zu khönnen,
sich nicht einmal föhig gemachet haben. Bei Restabiliemng deren Tantz-
maistem, welche ebenfahls zu der Music gehören , wäre alleinig auf dieses
allergnädig^st zu reflectira, dass, weillen Inhalt der Specification oder Lista
Ihrer so viell vorhandten seynd und Selten etwas zu thuen haben, zwey aus
denenselben Euer Kay. und König. May. Knaben die lectiones geben, und
dieselbe also wohl und fleissig instruirn sollen, damit Sie Ejiaben auf denen
operen, gleichwie vorhin gewöhnlich wäre, auch Selbsten mit Dantzen
khönnen für eines, für das andere aber ist denen Dantz Maistem zuforderist
anzubefelchen , dass Sie , wan ein Ballet zu machen, sich der alten obser-
vantz halten, und nicht, wie bisshero beschechen, der Jenige, so den Ballet
machet, prätendiren solle, dass alle übrige , umb die lectiones zu nemben,
zu Ihm in sein Hauss khomben, als woraus nur unnöthige Competentzen
entstehen, in effectu aber Euer Kay. und König. May. bey allergnädigst
verlangender exhibirang deren operen in deren gusto gehembet werden
khönten. So viell nun Schliesslichen die Singerinnen und übrige Theatral-
320
Beil. IL 3L
Persohnen, welche in dem Statu speeifice benennet seynd, anlanget, benie-
het bey Euer Kay. und König. May. allergnädigister resolution, ob Sie diese
speeificirte Persohnen , sowohl in der Anzahl , alss auch dem Besoldung»
auswurff nach, allergnädigist zu confirmim auch sonsten dieses Allerunter-
thänigste £inrichtung8- project in einem und anderem zu approbim belie-
ben wollen. £s wirdet sich aber mittler Zeit von selbsten eysseren, wie in
einem und anderen vielleicht noch eine bessere Einrichtung gemachet wer-
den khönne. Vnd dieses ist , wass Ich hierinfahls zu Euer Kay. und König.
May. allerhöchsten Dienste derzeit in aller unterthänigisten devotion bey-
zubringen für nöttig erachtet habe, wobey mich dan auch allerunterthäni-
gist gehorsambst empfehle.
(Graf V. Molart.)"
81* 1712. Status, wie Euer Kay. und König. May. Ho
Sambt denen darzu gehörigen Partheyen und Pensionisten der
gnädigst stabilirt werden khönte.
fl,
Ceremoniarius:
N 400
Capellani:
6 zu 200 fl 1200
Capelldiener .... 240
Jung 36
Oratori-Diener:
N 120
Beicht-Vatter:
Sambt dessen Diener . . 336
Prediger:
N 100
Capell Maister:
Ziani ordinari Besoldung . 2000
Vor den Waagen und Pap-
pier 500
Vice Capellmaister:
Joseph Fux 1600
Compositores:
Carlo Badia 1440
Sopranisten:
Vicenzo Brutti .... 1800
Gio Batt. Vergelli . . . 1440
Dominico Tollini . . . 1800
Giovanni Vincenzi . . . 600
Altisten:
Salvator Mellini .... 1800
Gaetano Orsini
Loren zino (Masselli)
Tenoristen:
Silvio Garghetti .
Carlo Costa . .
Seb. Seydlinger .
Tomaso Bighelli .
Franc. Borosini
Tenor aus Catalonien
Bassisten:
Gio. Batt. Cativelli
Fr. Götzinger . .
Casp. Liedmayr .
Organisten:
Georg Reitter
Leopold Rommer
Georg Reinhardt
Theorbisten:
Francesco Contini
Cornetisten:
Leopold Promayr
Joh. Griessbacher
Concert-Maister:
Kilian Reinhardt .
dessen Adjunct .
Singerinen:
Lisi Badia . . .
ff-Music
Zeit aller-
fl.
. 1800
. 1080
. 1800
. 1440
. 900
. 720
, 1080
. 900
. 1080
. 780
900
. 900
. 540
. 900
. 1440
. 720
. 360
900
300
1800
BULII. Sl.
321
Cathar. Kapp- /sollen ab-
lerin . . < gedankt
Fmhewürthin ( werden
Maria Landim . . .
Violinisten:
Niclas Mattheis
Jacob Hofer
Andr. Abendt
Job. Frankb
Pet. Scbmelzer
Ferd. Peyer
Ferd. Lemberger
Jos. Frankh
Paul Alber
Franz Reinhardt
Job. Rosseder
Martin Woller
Karl Hartmann
Job. Alber . .
Seb. Gigl. . .
Jos. Fasching
Frz. Hintereder
Hamb . . .
Violonisten:
Andr. Freydig
Fichtl . . .
1 ans Catalonien.
Violon anss Catalonien
Violoncelli:
Jos. Malagadi . . .
Ant. Schnauz . . .
Job. Knunmer . .
Violoncello ans Catalonien
(jrambisten:
Frz. Schmidtbauer
Frz. Hueffnagel .
Fagottisten:
Frz. Sturmb . .
Carl Maillard . .
Martin Sturmb
Hauboisten:
l!>z.Gl&zl . . .
Rom. Gläzl . .
Job. Gabrieli . .
Köehel, J. J. Fox.
fl. fl.
Ludw. Schönn .... 500
400 2 Jkgerhormsten • - { ^^0
4000 Posaunisten:
Leopold Christian . . . 900
1440 „ ^ jqn« . . 600
900 Hanss Georg Christian . . 540
900 Christ. Chrisäan (Claudia) 540
720 Lautenist:
540 Bohr 210
720 Instrument-Diener:
720 Job. Schnautz u. Adjunet 690
540 Calcanten:
810 Ferd. Römer 360
900 Frz. Walter 360
900 Lautenmacher:
720 Ant. Rosch 400
540 Adjunet:
360 Johann Fux 180
360 Musicalische Trompe-
360 ter:
360 Seb. Nasotto 720
360 Thom.Bon 270
Reichh.E»gl 270
900 Tob. Andr. Perember . . 165
480 J. Georg Gortschek . . 135
N. Gessorka 135
Frz. Fomufsky .... 360
Frz. Jos. Holland . . . 540
900 Scholarn:
480 Karl Richter 360
360 Gottl. Mu£fat 360
Ant. Werndl 360
Wenger 360
720 Haan 360
720 Tanzmeister:
Claud. J. Apelshoffer . . 1200
900 Sim. P. La Motte ... 600
1080 Fz. Lang 500
540 Tob. Gumppenhueber . . 360
Frz. Jos. Selliers ... 360
720 Pet. Rigler 500
720 Aless. Pbillebois . . . 1500
540 Andr. Bruno 400
21
322
Theatral-Persohnen:
Gius. Briccio, Machin. . .
Secret. delle cose theatrali
Poeten:
Wällißcher Poet . . . .
Teutscher Poet TruUer .
Copist:
Mc. Ant. Maccarinelli . .
Musici Jubilati u. Pen-
sionisten:
P. Santi Garghetti
Gio. Batt. BonelH
Med. Bronzetti
Ran. Borrini . .
Georg Lautter
Fillö
Math. Decklmann
Oliviciani . . .
Gius. Galloni . .
Nie. Gelmini . .
Ant. Ferrini . .
Beil. II.
33.
fi.
fl.
Pel. Marcheselli . . .
300
400
Ant. Borosini sen. . .
440
500
G. Batt. Barbaretti . .
600
Hammer .....
540
1500
Jos. Hueffiiagel sen.
540
600
Ant. Salchi . . . ,
780
Mich. Ruckh ....
540
400
K. Schmidtbauer
540
Dom. Pera ....
240
Magi
. 360
1320
Manna
300
1440
Colm. Bamberger
100
600
Niederhausser .
60
1440
Witwen u. Kinder,
8€
540
Pensiones geniessen
300
16 Kinder von . .
100—400
900.
Summa:
600
Vorstehender Besoldungeii
i
1440
und Pensionen von
dei
•
900
Music und darzue gehöri-
600
gen Partheyen
•
. 99.227
Aus den Kirchenmeisteramts- Rechnungen der Dompi'arre
vonSt. Stephan in Wien, von den Jahren 1709 (älteste Rechnung). 1712.
1713. 1714. 1715.
1709. „Nicht weniger zalte ich Hrn. Fuxen auf erstge-
meltes 1709 Jahr solche Gebtthr vor seine 3 Knaben . . . 600 11. — kr.
„Dann habe ich auch dem Hm. Capelmaister Fux sein
Zimmer beyhilflf bezahlt 60 „ — .
Letztlich bezalte ich dem Hm. Capelmaister Fux das
vom 15. April bis 15. Oct. 1709 vor die Capelknaben vermög
Rathsverwilligung auf Vs J^i* gebührende InstractionsgebUr 37 „ 30 .,
(Mich. Zacher war in diesem Jahr Kapellmeister von St.
Stephan.)
[Die Rechnungen von 1710 und 1711 fehlen.]-
1712. „Entrichte die ordinäre Capelmaister Besoldung
und Kleydgelt pro anno 1712 (der Name nicht genannt) . . 324 „ — r
Verpflegung der 3 Knaben in das Capelhauss .... 600 „ — r
1713. „Bezalte dem Hrn. Capelmaister Fux umb Willen
der anno 1713 an den 6 Frauentagen gehaltenen Litaneyen
beim alten Gnadenbilde in der Kirchen die Gebühr mit . . 36 „ — .,
„Dem Hm. Capelmaister Fux wegen der Frau Salome
Siglbaum, Elisabett Millnerin, Veronica Kalchin und Caspar
Frankhen seel. quatcrabrischen Requiem pro anno 1713 . . 26 - — ^
Beil. II. 33. 323
„Hrn. Joh. Jos. Fax Capelmaister sein ordinari Besol-
dung und Kleydgelt pro 1713 324 fl. — kr.
„Mehr wegen den drey Capelknaben für dasselbe Jahr 600 „ — » .
(Georg Rentier war 1713 Organist bei St. Stephan.)
1714. „Entrichte dem Hm. Capelmaister Joh. Jos.
Fux seine Besoldung und Kleydgelt pro anno 1714 mit . . 324 „ — n
„Mehr wegen den 3 Knaben Verpflegungs Geld auf die-
ses Jahr 600 „ — „
„Dem Capelmaister Fux wegen der quatemberlichen
Kirchenmaister Requiem durch das ganze Jahr 1714 ... 26 „ -
1715. „Dem Hm. GeorgReiter Capellmeister Besol-
dung und Kleydgelt 324 „ -
Demselben die jährliche Verpflegsgebühr f^ 6 Knaben 1200 „ -
Demselben Instractionsgeld 75 „ -
T»
n
n
I. Aus dem „Sambier über Empfang und Ausgab^ (im Archiv der
Commune von Wien) 1696 bis 1715 ununterbrochen.
1696 bis 1711 gleiclüautend :
28. Febr. Hm. Mich. Zächeri, Capellmeister bei St. Ste-
phan für Salvatordienst 37 fl. 4 kr.
31. Aug. Demselben fttr dasselbe * . 37 „ 4 „
13. Nov. Demselben für Requiem 20„ — „
20. „ Demselben für Anniversarien 10 „ — „
24. Dec. Demselben für Rorate 33 „ — „
1712 dagegen :
28. Febr. Hm. Mich. Zacher, Capellmeister bei St. Stephan
für Salvatordienst . 37 „ 4 „
30. Juli. Demselben für die Musik 20 „ — „
27. Aug. Demselben für verfallenen Salvatordienst .... 37 „ 4 „
NB. 23. Nov. Hm. Joh. Jos. Fux, Capellmeister bei St. Ste-
phan für Anniversarien 10 „ — „
24. Dec. Demselben für Rorate 33 „ — „
1713.
28. Febr. Hm. Joh. Jos. Fux, Capellmeister bei St. Stephan
für Salvatordienst 37 „ 4 ,,
19. Aug. Demselben für Seel- und Lobämter . . . . 20 „ — ,,
eod. Demselben für Salvatordienst 37 „ 4 ,,
21. Oct. Demselben tilr 1 Requiem 40 „ — „
24. Nov. Demselben für Anniversarien 10 „ — ,.
20. Dec. Demselben für Rorate 33 „ — ^
1714.
27. Febr. Hrn. Joh. Jos. Fux, Capellmeister bei St. Stephan
filr Salvatordienst 37 „ 4 .,
1 Mich. ZXcher. f 30. Sept. 1712, 68 Jahr alt.
21*
324 Beil. IL 34.
31. Aug. Demselben für dasselbe 37 fl. 4 kr.
19. „ Demselben für Anniversarien 10 „ — „
29. Dec. Demselben für Rorate 33 „ — „
1715.
28. Febr. Hm. Job. Jos. Fux, Capellmeister bei St. Stephan
für Salvatordienst 37 „ 4 „
30. März. Hm. Job. Jos. Fux, Capellmeistem (sie) für 1
Requiem 40„ — „
NB. 31. Aug. Hm. Capellmeister bei St. Stephan (ungenannt)
für Salvatordienst 37 „ 4 „
NB. 16. Nov. Hm. Georg Reitter, Capellmeister bei St.
Stephan für Anniversarien 10 „ — „
NB. 28. Dec. Hm. Georg Reitter, Capellmeister bei St.
Stephan für Rorate 33 „ — „
8tt« Aus den Acten des Bürgermeisteramtes der Stadt Wien.
„Decret an Hm. Kirchenmaister bei St. Stephan wegen Separirung der
Capell Knaben und deren Verpflegung betreffend (Alt. Reg. =-r^
Vom Burgermaister vnd Rath der Statt Wienn wegen dem Herrn
Johann Georg Schmidt des aussem Rathss vnd verordneten Kürchenmaister
bei St. Stephan hiemit anzufügen. Vnd ist dem Selben ohne dem vorhin be-
kannt, wie dass der H. Michael Zacher Capellmaister allda auss vorhin
angebrachten Ursachen die tägliche Andacht MubIc bey dem Hung. Gnaden
bildt Vnser lieben Frawen beraits voriges Jahr schrifftlich resigniret
vnd solche hierauf dem H. Johann Joseph Fux Kays. Hoff-Musico und
Componisten von Anfang des Monaths Octob. zu versehen überlassen,
worüber danii verer veranlass und geschlossen worden, dass von denen
7 ordinary Cantorey Knaben der Hr. Zacher 4 behalten und die übrigen
drey der Hr. Fux zu sich nemben hingegen die untauglichen zuvolge der
negsthin den 21 Juny dis Jahrs ergangenen Verordnung aussgemustert und
an statt deren ainig andere von denen Sachsen, welche in dem Burgerspital
instmirt werden , heraussgenomben, und solches auch in das künftig in all-
weeg observirt werden solle. Wienn den 1. Juli 1706."
„Vom Burgermaister und Rath der Stadt Wien Erlass an den Kirchen-
maister bey St. Stephans Thumb.
Hiemit anzufügen, es habe eimelter Statt Rath geschlossen, dass bee-
den Herrn Capellenmaistem in erstbesagter Thumbkirchen, alss Herrn Jo-
hann Michael Zacher, und Herm Joh. JosephFux von d^nen alda aufge-
nohmenen oder vorhandenen sechs Capellknaben jeden drey in die kost
gegeben, und denenselben wegen jeden Knaben vor Kost, jährl. zwey khlay-
der, zuebuess Doctor, Medicamenten, Barbirer, Präceptor, Composition und
Instruction, wie auch Saiten und Spartitur geldt, wasch, Schueh, Strimpf,
Beil. II. 34. 325
hnt Leingewand und all andere Notturften , wie sie nahmen haben mögen
jährl. zwey hundert Gulden bezalt werden sollen.
Wirdt demnach Ihme Herrn Eirchenmaister hiemit anbefohlen , dass
er Eingangs ermelten beeden Hm. Capellmaistem solch aecordirtes kost-
gelt, wie auch dem Hrn. Fuxen wegen der drey Gapellknaben Zimmer bey
hilf Sechzig Gulden jährlich und zwar die Yert»flegung der jährl. austragen-
den 1200 fl. vom 1. April d. J. an, das Zimmergeld aber vom 1. Juli 1706 an
zu rechnen. Wien 1. Aug. 1707.''
„Vom Burgermaister und Rath der Statt Wien wegen dem Herrn Joh.
Joseph Fux Kays. Hoffund Capellmaister bei St. StephansThumb
und Pfarrkirchen allhier anzuzeigen*' (dass einige nachlässige
Instrumentalisten, „sowohl denen gewöhnlichen ordinary und extraordinary
Kürchendiensten und bey den Marianischen Gnadenbildt von Petsch^ zu
grösserem Fleisse vermahnt werden sollen.) — Wien 24. Oct. 1714.«
(Ein gleiches Decret erhielt auch „Capellmaister Reitter
Georg**.)
Beilage III.
J. Hattheson : Solmisationsstreit mit Fax — Beschuldigung des Fran-
cesco Conti.
Aus J. Mattheson, CriticaMusica U. Bd. pag. 185— 206 werden
hier die Briefe über Solmisation und Kirchentonarten mitgetheilt^
2 von J. J. Fox, ebensoviele von J. Mattheson, nebst des letzten Randglossen
zu den Briefen des ersten.
(xn.)
«
1« Die Ordnung, so im Orch. II. (d. i. dem „beschützten Orchester'')
mit AnfUhrung der Namen, nach dem Alphabet, gehalten worden, soll auch
hier beobachtet werden , und also haben wir nun zu sehen , was der S. T.
Eayserliche erste Kapellmeister dazu saget.
Monsieur.i
„Dass meinem Herrn hat belieben wollen, mich vndter diejenigen zu
„ setzen, dennen das beschützteOrchestrelst dedicirt worden, erstatte
„hiemit schuldigsten Danckh : weiUen aber weder das Orchestre, noch
„die Erfurterische Refutation mir iemahlen ins Gresicht gekommen, als kann
„ich auch mein Sentiment hürüber nit eröffnen; aber wohl mich höchst ver-
„wundem, das der arme , doch niemallen sattsamb gepriasene Guido Areti-
„nus , als deme Musica practica mehr schuldig als keinem Authori in der
„Welt, so lästerlich durch die Hächl gezogen wirdt, ich muss bekhennen,
„das ich mich hürüber nit ein wenige geörgert habe; indeme gewiss ist,
„das, wenn diese methode niehemallen erfunden worden wäre, die Musique,
„aufs wenigst die Singkunst ^, mit nichten so weit hätte können gebracht
„werden. Dan wo vor diesem Leute mit reufen ludicio durch uil Jahr, wegen
„der Beschwerlichkeit deren damallen üblichen Caracteren und obscuren
„Zeichen, nit haben hinkommen können, haben hernach durch die erfundene
„Scalam und das Edle ut, re, mi, fa, sol, la, die kleine Knaben durch etUche
^ In teuUchen Briefen weiset ein folchet Monsieur gar schlechten Respect, und
ist nur für inferiores.
^ Das ist, nach meinem Begriff, er habe sich gar nicht, auch nicht ein bisgeo,
gefirgert. Es soll aber wohl heissen: nicht wenig, non parum, i. e. multum: denn,
nicht ein wenig, bedeutet: ne panlulum quidem, i. e^ nihil.
^ Eine gute distinciion : denn die Singekunst ist nicht die ganse Music.
^
Beil. III. 1. 327
„Monat prestiren können, gleich es bim auf die heuntige stnndt die tagliche
„experienz lehret. Es ist nit in Abredt zn stellen, das successu temporis
„durch Vermischung des generis Diatonioi mit dem genere Cromatico,
„wegen zu folg dessen so vill sich eraignenden Semitonia, die mutation in
„etwass schwfir fallt, so gilt doch gleichwohl auch in diesem Fahl die Solmi-
„sation, weiUen alldort, wo die Semitonia nur per accidenz kommen, kein
„mutation gemacht, sondern durch die Stimme allein durch erhöher- oder
„emiedemng derselben geholfen wirdt. Durch Hinzusetzung eines Si zu
„dennen Aretinischen 6 Sylben, ist ia die Solmisation nit aufgehoben,
„(welches Ericio Puteano niehmallen in Willen wird gehabt haben) sondern
„wohl vermehret worden. Und wurde gedachter Puteanus an sein Si nim-
„mermehr gedacht haben, wan nit die Aretinische Sylben lehn darzu veran-
„lasset hätten; bleibt also dem ersten Erfinder allezeit sein gebierender
„Ruhm. Dass aber der Erfinder weiter criticirt wirdt, er hätte seine ezten-
„sion nit in Hexachordon, sondern in Heptachordon machen sollen, geschieht
„ihm auch meines Erachtenss, sehr Unrecht: indeme Pr Guido hierdurch nit
„so wohl die 6 intervalla musices ascendendo & descendendo hat lernen,
„als auch zuforderist die 6 Vocales, A, e, i, o, u, (als an welchen alles gele-
ngen ist) recht gut auszusprechen, vorstellen wollen. Auss diesem ist zu-
„schlüssen, das die alphabetischen Buchstaben A, be, ce, de, e, f , ge & c an-
„statt, ut, re, mi, fa, sol, la, in der Singkunst mit schlechten Grundt Kunten
„gebraucht werden. Deme der Numerus senarius zu wider ist der setze zwei
„Tetrachorda nach einander, so wird er eine ganze Octav aossmachen, e, g:
c defgaho
„Ut, re, mi, fa, ut, re, mi fa. Auss bishero angezogenen Ursachen ist Arentini
„Erfindung an allen Orten und Enden , alwo die Musique und Singkunst am
„meisten floriret, bis auf den heuntigen Tag allezeit behalten worden, und
„wirdt auch ins künfftig nimmermehr in Abschlag kommen weillen dessen
„gute Würkhung nit kan in Abredt gestellet werden. Man lese hiettber, wass
„Baronius von ihme schreibet. Kan also meiner Mainung nach auch einer,
„der die Musique durch das ut, re, mi, fa, sol, la, erlernet hat, gleichwohl
„ein Galant -homme sein. Ich bin gar kein Anbetter der superstitieusen
„ Antiquitet, doch wass durch so ville s«ßcula von vomembsten Maistem für
„gutt und recht behalten worden, biss nit wass bessers erfunden wirdt vene-
„rire ich auf alle weiss. Die 24. neue Modi haben auch gar keinen Grundt
„dann weillen Tonus oder modus nichts ist, als eine circolirende modulation
„intra limites octavsB , als folg^ notwendig , das so uill toni und nit mehr
„sein können, als offt gedachte modulation vermög dess Semitonii kan ver-
„ändert werden, welches nur 6. mahl geschehen kan. Und weillen eine jede
„Octave aus diesen Gen kan diuidiret werden Harmonicö und Aritmetic6;
„Harmonie^ mit der 4t in acuto; aritmetic6 mit der 4t in parte gr^ii, e. g:
„2, 3, 4. 4, 3, 2. alss das auss einer ieden Octau 2. toni entspringen, Auten-
„ticus und plagalis, müssen selbe also in 12. erwachsen: Die übrigen sind
„alle transpositi und müssen zu einem auss diesen 12. reduzirt werden. Da-
„hero ist in dess mir überschickhten Buchss Tabella linkher seits, 1. 2. 3. &
328 Beil. III. 8.
„c. de. modiB &c. nur ein einziger Ton Nr. 1 die andern Nr. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
„8. 9. 10. 11. 12. seind alle von dem ersten tranaponirt, weillen das semito-
„niam (ml fa darf ich nit sagen) allezeit die dritte vnd 7te stOll oocupirt. ein
„transponirter ton ist weder genere weder speoie diversus ab iUo a quo
„transponitur. Juxta Axioma Aristot. omne tale est semper taie, ubicunque
„ponatur. Dieses habe ich meinen Herrn wohlmainend übeschreibdn, vnd
„zu ferneren nachdenkhen tiberlassen, und anbey so wohl wegen dess mir
„Überschikhten Buchs als auch Dedication schuldiger massen mich bedankhen
„wohlen, als der ich bleibe
Meines Hochgeehrten Herrn
Dienst^gebnister
Johan Joseph Fux.
Wien den 4. Dec. 1717.
Aufschrift :
A Monsieur Monsieur J. Mattheson. Secr. du MinL Brit. & Vicair au
Chapitre d'Hambourgue present
ä
Hambourgue
an der Elbe ^
(xra.)
]i« Das erste, so wir hieraus zu lernen haben, ist die Wahrheit jenes
französischen Satzes : La colere & la prevention derangent terriblement la
Dialectique. D. i. der Zorn, (da man sich ärgert) bringt dieV ernunfft-
Lehre in eine abscheuliche Unordnung. Das andere ist die Kraft
des praetjudicii, dafür sich niemand genug hüten kan. Denn wenn das Vor-Ur-
theil bey uns veraltet, so ist keine Httlffe mehr. Da hält man nichts fttr
recht, als was uns ehmals gefallen hat. Da meynet man, es sey schimpflich,
jungem Leuten Gehör zu geben , und was ohne Bart erlernet worden, im
Alter zu verwerfen :
Vel quia nil rectum, nisi quod placuit sibi, ducunt:
Yel quia turpe putant parere minoribus : & qu»,
Imberbes didicere, senes perdenda fateri 3.
Daher ist es kein Wunder, dass wir die zierlichere, galantere Musik um-
sonst solchen Personen anbieten, die alle Zierlichkeit und auserlesene
HUlffs-Mittel von sich werffen, massen sie sich in der gemeinen und lausich-
ten Lehrart schon alzu lange Zeit herumgeweltzet habe. Sie wollen sich
auch keines bessern berichten lassen, von denen die es nicht mit ihren
Künsten halten, insonderheit leiden sie es nicht von jungem. Es gehet ihnen
schwer ein , dasjenige , so sie als Knaben in der Schule , mit vieler Mühe er-
^ Wir haben die gantze Schreib-Art hier beybehalten , so wie sie im Original
stehet.
^ Don, de Praest, Vet. Mus. p. 111.
Beil. IN. 3. 329
lernet, im Alter auf die Seite zu setzen, und zu bekennen, daM sie ihre Zeit
übel angewandt habend
(XIV.)
S* Inzwischen theile ich dem geneigten Leser meine, auf obigen,
den 15. December erhaltenen Brief, am 18. ejusd. ergangene Antwort von
Wort zu Wort allhie mit:
Hoch-£dler, insonders Hochgeehrter Herr Ober-Capellmeister.
„Zuförderst bin schuldig mich zu bedanken, dass £w. Hoch-£dl. sich
„die Mühe haben nehmen wollen, so hurtig auf meine depeche zu antworten :
„immassen mir mit deroselben dissensu mehr Ehre^ widerfiUirt, als mit dem
„consensn aller andern. Will mir aber die Erlaubniss ausbitten, etwas weni-
„ges darauf zu antworten.
„Ihren nie -sattsam- gepriesenen Aretinum, dem freylioh Musica illa
„quondam practica & puerilis vor 700 Jahren mehr schuldig war, als allen
„heutigen solmisatoribus insgesamt, hat niemand lästerlich dnreb die Hechel
„ziehen wollen, wie es meinem Hochgeehrten Herrn etwan im beschützten
„Orchester mag vorgekommen sein, und wie mich dessen Dero sonst ge-
kehrtes Schreiben vom 4. December mit etwas Verwunderung vergewissert.
„Es ist freylich an dem, dass diesem ehrlichen Patri die damals ver-
„grabene Singkunst (welche ich doch mit dem generalen Namen der Music«ß
„practioae nicht beehren mOgte) eine grosse Verpflichtung gehabt hat, weil
„er sie hervorgezogen , und ein wenig aus dem gröbsten gebracht haben
„mag 3; allein ich will hoffen, es sei auch dem sogenannten Erfinder seine
„ehmalige billige Forderung und Schuld in d^n gantzen sieben Seculis
„siebenhundeitfaltig, ja dermassen redlich bezahlt und abgetragen worden,
^dass sich einer vergebens bemühen dürfte, hac luce die vorgebene Bestau-
nten einzufordern; welche auch, wenn sie annoch illiquide vorhanden sein
„sollten, lange schon verjähret oder pnescribirt sein würden.
„Wenn denn nun meine Absicht eben nicht gewesen ist, den Aretinum
„eigentlich durch die Hechel zu ziehen (nam de mortuis bene) sondern viel-
„mehr zu weisen, dass er mit seiner Kunst und Erfindung, ein monumentum
„publicum verdienet habe, so sehe nicht, wie sich Ew. Hoch-Edl. davon so
„sonderlich haben ärgern mögen ; welches jedoch mit rechtem Leydwesen
^ ita miriuD est; elegaotioreni Muficam frustn üs oMrudinus, qui omnem ele-
gaotUni reapuoiit : qui in hac vnlg'ari ae aordkt« tamdiu Toloteti aunt. Nolunt etiam ab
ii« doc0ri, qui noB eandem quam sibi artem profitentut': praMertim ab juniorfbua. No-
lunt quae magno labore diutinoque tempore in ludls pueri «Hdicerant, ea provectiore«
dediseere, atque operam ae perdidiase confiteri. Id. ibid.
^ Wir baben dennoch vorhin, p. 85. de 59. veracbiedene Zeugniaee Ton gelehrten
Minnem wider des Aretinf ao sehr beacbriebene Verdienste angefUhret; abaonderlich
erinnere man eich, dass es beim lo Vossio heisse; Multa Guidoni perperam tribuuntur,
d. i. dem Aretino werden viele Erfindung mit Unrecht lugescbrieben. vid. pag. 157. b. T.
330 Beil. III. 3.
^vernehmen muss, da ich sonst gedacht habe, Deroselben alle Ehre und
^plaisir, mit Vorstellung der Wahrheit^ (nach meinem Begriff) und Beseu-
ffgung meiner Hochachtung zu erweisen.
„Dass solches meine wahre intention gewesen und noch sey, betheure
^höchlich.
„Es mag auch wohl seyn, wie Ew. Hoch-£dl. schreiben, dass, wenn es
n Aretinus nicht gethan hätte , die Singekunst (seiner Zeiten) schwerlich so
^weit gekommen seyn würde. Aber es steht doch nicht zu läugnen , dass,
„wenn es eben Aretinus nicht gethan hätte, es wohl ein anderer auch so
„gut, wo nicht besser, hätte verrichten kOnnen, ja, dass es, aller Wahr-
„scheinlichkeit nach, von Dunstan^ lange vorher geschehen sey.
Ich lasse nun so wohl diesem , als jenem , und einem jedem seine ver-
„diente Ehre gar gerne, nur die Sache an ihr selbst, mit den sechs Silben,
„hat so viel Unruhe und Verwirrung gestifftet, und ist so wenig hinreichend,
„bey heutigem genere Diatono-chromatico-enhannonio, dass es ein Jammer
„anzusehen ist, wenn sonst vemttnfftige und ansehnliche Leute sie treiben^
„ihr noch das Wort reden, und die Welt irre machen wollen.
„Dieses hat mich bewogen, das Ding ein wenig ridicul zu machen,
„und satyrisch abznmahlen, nicht denkend, dass dadurch das geringste
„Kind, geschweige weltberühmte Virtuosen, sollten noch könten geärgert
„werden; ich kan es auch unmüglich glauben, dass, was Ew. Hoch- Edl.
„deswegen an mich haben schreiben wollen , deroselben rechter Ernst sey;
„sondern stelle mir vielmehr vor, dass sie nur ihren Scherz,- unter einer
„ernsthaften Maske, mit ihrem Diener getrieben haben.
^ Ob ft benu montrer la veriU; si on ne preiid pas bien sou tems, eile sera i-e*
jet^e : il faut atteodre que lea hommea aoient degont^s de leur erreur. Mem. HUt. et
Grit. Octob. 1722. p. 05. Das beisst: Mhii möge mit der Wahrheit ipiten Tag: haben»
wenn die Zeit, solche zv sagen, nicht wohl in acht genommen wird, muss sie doch Ter-
worlTen bleiben. Man sollte warten, biss die Leute einen Eckel vor ihren Irrthfimem
bekfimen. (Da hätte man fein lange zu warten !)
^ Was halten wir uns aber noch beim D uns tan und dem zehnten Seculo auf, da
Zeugnisse vorhanden , dass schon in der Mitte des siebenden Jahrhunderts vom Pabst
Vitaliano ein Erz-Bischoif und ein Abt, gelehrte Musici,'ausdrilcklich nach England ge*
sandt worden , dass sie die Christen daselbst im Glauben stärkten , und die bereits in
Italien eingeftihrten Orgeln, samt vielen andern musicnlischen Instrumenten in den Kir-
chen bekannt machten, welches ad p. 85. big. T. zu mercken dienlich ist. Die Worte
meines Auctoris lauten ao: Hmc circa tempora, nimirum Annum 645. Papa Vitalianus,
natione Signinas ex oppido Volscorum, Tbeodoruni Archiepiscopum, & fladrianum Abba-
tem, viros omnis scienti« et eruditionis expertissimos, in Magnam Britanniam misit, nt
eo» (seil. Britannos) in fide Christiana perseverandos informarent. Is (Papa) OrguBU,
aliaque Instrumenta musicalia in ßcciesiis (Briiannicis) ad divinorum, sacrorumque cul-
tum primus ihstituit. Tho. Carve, Lyra Hibernica, p. 29. edit. 2. Sulzbaci. Das war 400
Jahr vor Aretino.
Beil. III. 3. 331
„Gesetzt aber es sei Enust; so ist wohl unstreitig, dass durcli die Pu-
nteanische Hinzusetzung der Sylbe Si zu des Aretini sechsen das ganze
^Sohnisations-Systema, wo nicht aufgehoben, doch auf solche Art verändert
„und verbessert worden, als etwan ein neu-aufgebautes Haus, dazu man von
„einem alten, niedergerissenem Gebäude noch einige Uiberbleibsel gebraucht
„und beibehalten. Dieses hat Erycius allerdings nicht nur im Sinn gehabt,
„sondern würklich und in der That pnestirt, wie seine Schrifften es klärlich
„bezeugen i.
„Wieder diese siebensylbichte Solmisation nun habe ich nicht nöthig er-
nachtet etwas einzuwenden; mein ganzer Discurs war nur auf die Marter-volle
^sechssylbiehte, und die daraus entspringende ungeheure Mutation, gerich-
„tet: Denselben habe das Valet Herzlich gerne ertheilen, und sie um desto
„lieber zur Buhe begleiten wollen, weil die tägliche Erfahrung, und eines
„jeden gesunde Vemunfft, hierin mit mir ttbereinstimmen müssen.
„Dass aber Aretin mit seinen 6 Sylben nicht so wohl die intervalla
„musica, als die 6. vocales (bei uns sind sie nur 5. im Gebrauch) hat recht
„aussprechen lehren wollen, wie M. H. Hr. schreibet, solches kan man sich
„gerne gefallen lassen; allein diese Sachen gehören zum Lesen, nicht zum
„Singen, und wäre gänzlich airpo^iov*j9ov, wenn einer daher argomentiren
„wollte. Ich mag den Syllogismum nur nicht in die Form bringen : der defect
„verräth sich so genug.
Sollte inzwischen diese Pronunciation die Hauptabsicht unsers Aretins
„gewesen seyn, so hätte derselbe ja nicht 6 Sylben nöthig gehabt , sondern
„das eine a mOgte immer ersparet worden seyn. Allein ich lasse es passiren,
„und frage nur, mit Erlaubniss: warum der Sylben nicht so wohl 7. als 6.
„haben seyn mögen? Da ja 7. diatonische intervalla in der Octave nicht
„geiäugnet werden können. Die Antwort wird ungezweifelt (wenn ich den
„Senarium nicht berühre) darauf hinauslauffen : weil der siebende sonus
„noch nicht Mode gewesen , und auf den Instrumenten noch keine rechte
„volle quintam gehabt.
„Da aber nunmehro, nicht nur dieser siebende diatonische Klang, son-
„dem auch ein jeder chi-omantischer, seine reine Quintam feUciter gefunden,
„und völlig in Mode gekommen, so fallen ja die 6. zu kurz, und ist viel be-
„quemer, jedem Klange seinen eigenen Namen bey zulegen, als 12. Tone
„mit 6. oder gar mit 4. abgelöseten Sylben, zu benennen.
„Für so einfältig wird man mich ja wohl nicht halten, dass ich nicht
„wissen sollte, wie aus zweyen Tetrachordis eine Octava zu machen sey.
„Ob solches aber mit den abgewechselten und wiederholten ut, re, mi. fa,
„oder mit einem anderen zulänglichen Hülffs-Mittel, geschehen müsse,
„darüber mögen die Schüler den Ausschlag geben. Es ist Sünde, Schande
„und Schade , dass verständige Komponisten ein Wört'gen solcher Possen
„halber verliehren sollen. Ich hätte nimmer daran gedacht, wenn man sich
^ Vid. cj. MusMlheniiiii, Cap. IX, p. 34. 32». & ex illa Oreh. 11. p. 325. s^.
332 Beil. III. 3.
„nicht zu mir gedrungen, und mit dem Ut an mir zum Ritter werden
„wollen.
„Aus den im beschützten Orchester sattsam -angezogen Ursachen aber
„ist es des Aretini Erfindung schon vor hundert Jahren , ob gleich nicht
„aller Ort und Enden, wo die prätendirte Musik auf solche Bttttelhaffte
„Weise getrieben, dennoch bey klugen und nachdenkenden Leuten, nach
„und nach, biss auf den heutigen Tag, gänzlich abgeschaffet worden, wird
„auch ganz gewiss ins künfftige immer mehr und mehr ins Abnehmen ge-
„rathen; weil man die Sache viel wohlfeiler haben kan, und die alte Leiter
„bei weitem nicht mehr zureichen will.
„Sonst kan M. H. Hm. versichern, dass ich seiner Ermahnung, den Ba-
„roniumi hierüber zu lesen, augenblicklich Folge leisten würde, wenn
„solches nicht schon längst zuvor geschehen wäre, so dass ich nicht nur
„diesen Auctorem, sondern wohl hundert dergleichen, darüber zu Rathe
„gezogen habe, ehe meine Feder einen einigen Strich gethan. Ich fahre
„auch noch in dieser lecture so munter^ eifrig und vorsichtig fort, als ob ich
„nichts anders zu thun hätte , und noch nicht das grosse A von der Music
„kennte ; wie es denn wohl eben nicht viel weiter mit mir gekommen sein
„mag, indem ich Je länger je mehr finde, was mir fehlet.
„£w. Hoch-Edl. Meynung, dass einer, der die Musik durch das Ut er-
„lernet hat, gleichwohl ein galant homme seyn könne, kan kein galant-
„homme in der Welt vernüniftig wiedersprechen. GOtt behüte mich, dass ich
„jemals sowas abgeschmacktes denke, vielweniger schreibe. Nein, mein Hoch-
„ geehrter Herr Ober-Capellmeieter, dahin gehen ja gar meine Gedancken
„nicht. Es mag einer durch ein Glass Wein, oder durch eine Pfeiffe Toback,
„zu seiner Kunst gelangen, das gilt mir gleich; wenn er nur was rechtes
„kan, ist er schon in diesem Stück ein braver Mann. Seimus, & hanc veniam
„damus, petimusque vicissim. Wenn nur ändern Theils zugestanden wird,
„dass einer, der weder sein Singen, noch sein Componiren, (Spieleu geht
„ohne dem nicht an) mittelst der Solmisation erlernet, eben so wohl ein
„guter Kerl seyn könne , als jener : so ist die Sache schon richtig. Dieses
„wird aber gleichfalls kein galant homme bestreiten wollen; ob es schon
„andre thnn und gethan haben. So lange behalten wir hier zu Lande
„auch, was die vornehmsten Meister, von so vielen Seculis her, für gut und
„recht gehalten haben, biss nns etwas bessers vorf&llt: und wenn dieses
„bessere ankömmt, wie es denn, GOtt Lob! alle Tage aufstösset, so lassen
„wir das alte immer fahren, wenns auch, von der SUndfluth her, durch Noam
„selbst, für gut und recht wäre erkennet, und eingeführet worden. Darnach
„fragen wir nichts.
„Wegen der Modorum mögte die Sache ein wenig wichtiger und
„emsthafftiger aussehen, als wegen der Solmisation. M. H. Hr. sagt schlecht
„weg: die 24. im Orchester angeführten Modi hätten gar keinen Grund. Ew.
1 Wer seine Anoal. ficclesiast. lesen will, vergesse des P. Psgi. Criticain nicht,
so wird er nutzen heben.
Beil. III. 8. 333
„Hoch-EdL beweisen es aber nicht; hingegen will und kann ich das Gegen-
„spiel ad ocnlom demonstriren , weil mir alle proportiones temperatae voll-
„ kommen bekannt sind, und ich nichts ohne Grund setze. Ich kOnte wohl
^mit eben der Leichtigkeit sagen , der Stephan-Thurn zu Wien hätte auch
„gar keinen Grund; allein wir wollen, mit ihrer Erlaubniss, die Argumente
„ein wenig untersuchen und beleuchten. Mein Grund ist mathematisch, und
„soll zu seiner Zeit öffentlich erscheinen i, hier ist der Raum zu enge.
„Modus ist ein circulirende Modulation intra limites Octavse. So lautet
„M. H. Hm. definitio , Daraus soll folgen, und zwar nothwendig, wie gesagt
„wird, dass so viel toni, und nicht mehr, seyu können, als offtgedachte Mo-
„dulation, vermöge des semitonii, kann ver&ndert werden: welches, Dero
„Meynung nach, nur sechs mahl geschehen kan.
„Diese Folge vermag keine Vemunfft zu begpreiffen und ist ganz me-
„taphysisch. So weiss ich auch noch nicht, womit die infallibilitas desjenigen
„musikalischen Lycurgi sich legitimiren könne, der da gesagt, dass die
„yerSndung der Stelle des semitonii auch die Veränderung der Modorum
„mache. Ich weiss wohl, dass es per traditionem, von des Boethi^ Zeiten
„her, so geglaubet worden, dass es sich auch damals hat hören lassen. Aber
„dieser Glaube und dieses Mährlein geben mir gar kein Grenügen: ich will
„rationes in experientia hodierna fundatast & approbatas haben; sonst ist
„alles nur Wind.
„Wolte man auch gleich obigen Vorsatz, oder die definitionem Modi,
„hingehen lassen, so kann doch weiter nichts daraus folgen, als etwan
„dieses, dass so viel Modi als Octaven sind. Und das ist auch nicht so gar
„unrecht; wenn nur die Terzien mit ins Spiel kommen, als an welchen fast
„alles gelegen , und wodurch die Zahl der Modorum hauptsächlich verdop-
„pelt wird.
^ Das ist in der Organisten-Probe xum UeberAuss geschehen, und kan in
der Vorbereitung gelesen werden.
^ Boethitts hat gleichwohl nie an die locationem semitonii gedacht: wer mirs
ans seinen Schrifllen welatfn kann, «oll ein gntes Triuck-Geld haben. Von Glareano
aber, lese man den Donium de Pr. Vet. Mus. p. £3. allwo er dessen Arbeit inntiles Gla-
reani Incnbrationea nennet nnd hinan aetset, in quibas doleo sane, totos Tiginti annos
ab eo oonsnntos. D. i. die Muhe sey gar annnts gewesen und an beklagen , dass der
Mann 20 Jahr daran gewendet, im Anfange des Trattato de Generi e Modi lieset Donius
diesem Glareano ebenfalls den Text. Salinas aber sagt ausdrücklich : Ks habe Giareanus
falsche Gründe gehabt, und sey mit dem Pranckimo in gleichen irrthnm verfallen, da sie
nehmiieb beyde gewihnet , man misse die Tone nach den Speciebns der 7. Octaven be-
trachten, umd nur nach der verschiedenen Stelle der hemltoniorum benrtheilen; da doch
alle Alten öffentlich .gesagt haben, dass der Unterschied nicht darin, sondern allein in
der flöhe nnd Tiefe, stecke. Des Salini» eigne Worte, die er L. IV. cap. 31. p. %2S
ffihret, stehen avf der allerletsten Seite der Organisten Probe und verdienen hiebey
nachgeschlagen «i werden.-
334 Beil. III. 3.
„Derowegen mögte jemand (con licenza) mit bessrem Fortgang seine
y^definitionem Modi solcher Grestalt einrichten : Modus est modulatio intra
^limites Octav» , mediante vel Ditono vel Semiditono. Und darauf wäre
„diese Schhiss-Rede zu bauen:
„Major: Quot Ditoni, tot Modi majores: quot vero Semiditoni, tot
sunt Modi minores.
„Minor: Atqui in Genere chromatico duodeeim sunt Ditoni in speeie,
totidemque Semiditoni.
„Conclusio: Ergo sunt viginti quatuor Modi in specie.
„Das schliesset richtig und ist einer von den Gründen, darauf die 24
„Modi wohl ruhen können, so lange die Scala nicht verbessert oder vermeh-
„ret wird; welches, weil es unnOthig ist, nimmer in dieser Welt mit succes
„geschehen wird. Weswegen nun solten meine Terzien nicht so viel gelten,
„als der alten ihr omnipotens-vermeyntes semitonium? anerwogeu jene bey
„aller heutigen modulation das factotum sind; dieses aber nicht mehr, als
„andere intervalla, zu sagen hat. Welches kein erfahrener Mensch streiten
„wird. Et hoc probat majorem ; minorem natura & instrumenta.
„Hiemächst setzet M. H. Hr. weil eine jede seiner sechs Oktaven har-
„monice&arithmetice kOnne dividirt werden, so erwtlchsen ans den 6. tonis
„Zwölffe, nemlich 6. authentici, und so viel plagales. 0! ich kan meine 24.
„eben also harmonice und arithmetice theilen, und wenn das was helffen
„soll, so werden ihrer gar 48 herauskommen. Allein, es thut wahrlich nichts
„zur Sache. Und mein! warum sollten auch nur 6 Oktaven also kOnnen
„dividirt werden? Wir leben ja, GOtt sei Dank I nicht mehr in der diatoni-
„ sehen Armuth, sondern haben ein chromatisches, temperirtes Basta vor
„uns, darin wir alle 12. intervalla Oktaven weiss so herrlich arithmetice und
„harmonice theilen können, dass es eine Lust ist. Welches keiner läugnen
„wird, der nur ein Ciavier oder monochordum von ferne erblicket.
„Ich setze Z. E. d e f g a h eis d. (re mi fa hätte ich schreiben sollen).
„Man sage mir doch, was das für ein Modus sei? Er findet sich nicht im
„Glareano, noch sonst wo. Dennoch ist eine reine Octave da, die arithmetice
„und harmonice kan dividirt werden, und die lieben semitonia liegen im
„andeiii imd siebenden Grad: welches ja eine Verändenmg ist, die noch
„unter den 6. bekannten alten Modis niemals vorgekommen. Darum muss
„gewiss der Satz weg fallen, dass das Semitonium (ich weiss wohl, dass es
„dem sogenannten natural! gilt) nur sechsmal könne verändert werden.
„Denn liier ist es zum siebendenmal aller Welt vor Augen, und eine Melodie
„gar natürlich daraus zu setzen. Hiebey behält auch das fUsohlich-angege-
„bene semitonium naturale nichts voraus: weil kein einziges semitonium
„unnatürlich ist.
„Ich wollte es über zwanzigmal verändern, wenns der Raum zuliesse,
„und drey biss vierfach in einer ordentlichen Octava anbringen, dabey auch
„mehrentheils so einrichten, dass die verlangte divisio beybehalten würde.
„Wenn ich aber M. H. Hrn. Schreiben werde drucken lassen, (wie ich zu
Beil. Hl. 8.
335
„meiner juBtification aller derjenigen Briefe thun muss , denen ich das be-
„schützte Orchester zugeeignet habe, damit die Welt aus dem pro & contra
„schliesse, wer Recht oder Unrecht hat) alsdenn will ich, mit GOttes HUlffe,
„in meiner Antwort diese vielfältigen Veränderungen mit diesem semitcnio
„ hinsetzen 1, und sine adjumento artis combinatori» zeigen, dass solche
„wenig oder nichts zu der Eigenschafft heutiger Modonim beytragen können.
^ Hier muss ich Wort htlten, und behaupten, dass, ausser den 6. Lagen der Se*
mitonien, in den alten Modis fictitiis, alwo sie diese Grade einnehmen: 3. 7. | 2. 6. |
1. 5. I 4. 7. I 3. 6. I 2. 8. I noch wenigstens 24. Verinderungen damit zn treffen sind:
die doch eben so wenig, afs jene, einen neuen Modum machen. Zum Versuch mag die
folgende Tabelle dienen ;
er
jr
ÖT
3
' 1. 4. d die f g as b c d.
1. 6. d dis f g a b c d.
1. 7. d dis f g a h eis d.
2. 4. c d dis fis g a h c.
2. 7. d e f g a h eis d.
3. 4. d e fls g as b c d.
3. 5. d e fis g a b 0 d.
4. 5. d e fis gis a b c d.
4. 6. de e fis gis a b c d.
5. 6. f. g a b eis d dis f.
5. 7. f g a h eis d e f.
6. 7. f. g a h eis dis e f.
'1. 3. 5. d dis fis g a b c d.
1. 8. 6. e f gis a h eis d e.
1.4. 5. d dis f gis a b c d.
1. 4» 6. d dis f gis a b c d.
1. 4. 7. d dis f gis a h eis d.
2. 3. 6. f. gis a b c d dis f.
2. 4. 6. d e f gi» a h c d.
2. 4. 7. f gis a h c d e f.
3. 6. 7. f g a b c dis e f.
4. 5. 7. c d e fis g as h c.
1. 4. 8. 6. d dis f gis a b eis d.
^ 2. 4w 5. 6. d e f gis a b eis d.
D. moll. Har. k Arith.
D. moll. H. A.
D. moll. U. A.
C« m. U.
D. m. U. A.
Ü. dur Arithm.
D. dur. Harm.
D. d. H.
D. d. H.
F. dur. per 6 & 3 dio.
F. d. eod. mod.
F. d. eod. mod.
ü. dur Ar. Sc H.
E. dur. A. Sc U.
D. moli. Harro.
D. m. fl.
D. m. H.
F. dur. H. & A.
D. m. H.
F. dur. H.
F. d. U. & A.
G. dur. H.
D. m. H.
H. m. H. &c. 3ec.
Nun gestehe ich zwar gerne, dass einige sehr wunderliche scal» hierunter be-
findlich sind, und sonderlich drey davon nicht per Quintam vel Quartani, sondern per
Sextam & Tertiam getheilet werden mögen. Inzwischen ist Iceine so seltsam , aus der
ich mir nicht getraute eine Melodie henronubringep : und viele sind überaus geschickt
dazu. Es geschiehet aber nur exercitii gratia , dass diese Tabelle hier eingerfickt wird,
damit man unter anderm daraus lerne, dass alle diese Veränderungen des Semitonii
keinen neuen Modnm machen, sondern die blossen Terxien, mittelst welchen die
12 Modi tonici verdoppelt werden, und eine xweyfache speciem bekommen.
336 Beil. Hl. 3,
„Was die gogenannten tonos transpositos anlanget, so ist hoffentlich
„Im beschützten Orchestre^ deswegen satisfaction gegeben, und wenn
„mans nur recht ansusehen beliebet, so wird schon erhellen, dass es nicht
„einer, sondeiii wirklich und wah]:haftig 24 verschiedene Tone sind, die in
„Tabella Modonim daselbst linker seits specificirt werden, und dass die
„temperirten claves dem Dinge ein ganz anders Aussehen geben, welchem
„zu Folge keine eigene species Octav» mit der andern in allem tiberein
„kommen kan; sondern vielmehr recht wesentlich, fiirmlich, augenscheinlich,
„handgreiflich und hörbar differiret, obgleich nicht gestritten worden, noch
„wird, dass, crassa Minerva loquendo, die 24 species, dem ersten Anblick
„nach, auf 2. genera reducirt werden können. Ich habe aber mit transponirten
„Tonen nichts zu thun, und will den terminum diesenfalls gar nicht erken-
„nen; sondern meine Gedanken gehen auf selbststandige, wesentliche und
„authenti^ue Tone, deren jeder seine eigene Figur, Zahl, Wirkung, Eigen-
„schafften und Kraffte besonders, und von allen andern in specie dennassen
„unterschieden, hat, dass es auch ein EJnd merken kan. Man muss dem Ge-
„hör^ in diesem Stttck mehr trauen, als dem zerbrechlichen raisonnement,
„wiewohl dieses ebenfalls auf meiner Seiten stehet, wie an seinem Orte', mit
„mathematischen Gründen, deutlich unwiederspreohlich demonstrirt werden
„solL Tale enim a tali potest differe quoad minus vel. majus &c. cum pace
„Aristo teils.
. „Dieses habe £w. Hoch-£dl. wiederum wohlmeynend, und mit aller
„Submission vor Deroselben grosse virtü, auch ohne der geringsten Lust
„zum Wiederreden, vielmehr ans ungemeiner Begierde Dero fernere Ge-
„dancken und ErlSntenmgen hierüber zu vernehmen, und davon bester-
„massefl zu profitiren, antworten wollen und sollen: der ich wahrhafftig
„hierunter nichts anders suche, als recht hinter die Sache zu kommen, und
„einmahl das Glück zu haben, dass mich ein solcher hochberühmter Mann,
„wie £w.Hoch-£dl. durch reine Vemunfftschlüsse, und unstreitige Erfahrung,
„der Wahrheit überzeugen möge. Wenn dieses geschieht, und ich Unrecht
„habe, will ich gerne alle meine Sätze öffentlich wiedemiffen, auch mich
„gar nicht entsehen, noch aufs neue wieder in die Schule zu gehen.
„Indessen thun mir Ew. Hoch-Edl. die Liebe sich selbst die justice;
„derMusic aber die Ehre, und senden mir einige particularia von ihrem
„Lebens-Lauff ein , damit solche in der zu edirenden Ehren -Pforte den
„vornehmsten Platz mit bekleiden mögen. Wenn Ihnen auch sonst dahinge-
„höriges aufstossen sollte, bitte gar schön um communication und Beistand
„zu solchem löblichen, der ganzen musikalischen Welt zu Ehren gereichen-
^ Auch vorDebnlich in der OryttDisteo^Probe.
^ ?(on magnopere refert, qae alt burmoBi» ratio, quam non approbat sensus. Et
ideo non approbat aeDattti .quia noo eTidentor percipit. ERASM. in A4ag. m. p.
435 sq.
^Solches ist bereiU in der Vorbereitung der Organislen- Probe, eeiC diesem
Brieff-Wecbtel, geacheben.
Beil. IH. 4. 337
^den Werke, mit der Versicherung, dass ioh eines jeden Verdienste, nach
^seiner Art, ohne einige Passion, zu schätzen wissen, auch mich übrigens
q willig belehren lassen werde, wo ich etwan geirrt haben sollte ; womit end-
nlich, um Entschuldigung dieser langen Epistal ersuchend, in aller Ergeben-
„heit mich Ew. Hoch-Edl. Gunst, Gewogenheit und Güte bestermassen
„empfehle und stets verharre
Hoch-Edler, insonders Hochgeehrter Hr. Ober- Gapellmeister
Ew. Hoch-Edl.
Dienstwilliger Diener
Mattheson.
Hamburg den 18. Dec. 1717.
P. S. Ich nehme mir die Freiheit Ew. Hoch-Edl. ein Exemplar meiner
Clavier-Arbeit hiebey ttberzusenden etc : etc :
Inscriptio
A Monsieur, Monsieur Fux, premier Maitre de Chapelle de S. M. J. &
Cathol. &c :
a Vienne sur le Danube."
(XV.)
^ Einige Wochen nach Abgang dieser Antwort, erhielte der Auetor
eine duplicam von dem Herrn Ober-Gapellmeister, folgenden Innhalts :
„Monsieur
„Hochgeehrter Herr Desselben Schreiben vom 18. Decemb. verflosse-
„nen Jahrs, sambt denen Glavir-8tükhe ist mir richtig zu Händen kommen,
„ich habe dieselbe dnrchsechen, und so vill ich in Kürze der Zeit habe ab-
„nemmen kOnnen, gar fein, artig, und von gutter invention befunden, vor
„welche ich schuldigen Danckh erstatte. Das dem Aretino und dessen rume
„in dem beschitzten Orchestre an verschiedenen Orthen zu hart geredet
„wird, ia in der Lobrede Menippi in Autorem, gar vor einen Atheisten pas-
„siren muss, weiss niemandt besser als M. H. und ist mir umb so vill weniger
„übel auszudeiten, das ich mich hürüber befirembdet habe, als in diesen Land-
„ten wegen der Beschwerlichkeit der Aretinischen Sylben sich niemand be-
„klaget, sondern im Gegenthaill deren gutte Würkhung täglich zu gehör
„kommet: indeme allhir Knaben von 9. und 10. Jahren zu ünden, welche
„die schwäriste stückhe all improuiso wekh singen, welches ia nitsein kunte,
„wan die Aretinische erfindung so voller iammer und Eilend wäre: Auch
„bleibt man in Italien, alwo ohne widerredt die vomembsten Singer hervor-
„ kommen, noch immer bey dieser methode; und weillen ii^ Hamburg nit die
„gantze musikalische Welt ist, und nur aldorten so beschwärlich ist, die
„singkunst auf solche weiss zu erlernen, so lass ichs gar gern geschehen,
„dass man alldorten das ut, re, nd, £a, sol, Ia, zu Grabe tragen möge. Wun-
„derlieh komt mir vor das M. Hr. schreibet, grosse Virtuosen sollen an der-
„ gleichen baggatellien nit einmal gedenkhen; ich halte M. Hr. vor einen
„solchen grossen Virtuosen , und gleichwohl hat er sich erniedrigen wollen
KöcAd, J. J. Fux. 22
338 Beil. m. i.
„darvon Bücher zu schreiben. Ich meines theils, als der ich an den grossen
^Nutzen dieser Erfindung zn zweiflen niehmallen CJrsache gehabt habe, hätte
„niehmallen daran gedacht. H. Hr. hat mir die Ehre gegeben, meine Mei-
„nung über das geschützte Orchestre zu vernemmen, diese habe ich ganz
„anfrichtig, in allen ernst ohne scherz Überschreiben wollen, wan man dar-
„mit nit zu frieden ist, kan man bey seiner Mainung verbleiben, ich bins gar
„wohl zu frieden. Die Gleichniss meiner Meinung von dennen modis mit
„dennen Stephanss Türen ist zimblich piquant. Ich bin sonst gewandt alzeit
„mehrer in Werkh darzn thuen als ich vorgibe; und kostete mir mein asser-
„tum, das die 24. modi keinen Grundt haben, gar kein Miehe dar vor die
„Augen zu legen, wan ich mit einem zu thun hfitte, der kein esclaue, und
„gar zu sehr eingenommen wäre von seiner aignen Mainung.
„Wann ein Singer mit einer Cantata bey einem Clavicymbel den
„Accompagnanten ersuchet, er möchte ihm, Bequemlichkeit halber seine
„Cantate e. g. aus dem C
b g ^^
ZL
ut, re, mi etc.
„um einen Ton höher transponiren e. g.
4
h'l -^
Ut, re, mi etc.
„wird hiedurch ein neuer Modus gemacht?^
„Woraus nothwendig erfolget, das die in dem beschizten Orchestre
„12. pnetendirte modi nur ein einziger seye, wie in beyligenden Zetl zu
„sehend, dise Prob ist Handtgreifflich, indeme in allen 12. Systematibus diser
„Octaven die toni uAd semitonia gleich eintreffen. Dass die modi allein aus
„dem genere Diatonico müssen genommen werden, ist dar. Dieses zu be-
„weisen ist vorher zu wissen, das die semitonia auf zweyerley weiss können
„gemacht werden: essentialiter und per accidenz. Essentialiter, wan die
„Kreuze oder b zu An&ngs deren Linien gesetzt werden, und mit einem
„aus dennen 6. modis naturalibus Diatonicis eintreffen, in welchen fahl Sie
„modi transpositi seind, und keinen neuen modnm zu machen vermögen.
„Per accidenz werden die semitonia gemacht , wan die Kreuz oder b in der
^ Auf lothtnen beylief^enden Zettel «tanden 1% actlae i« Noten deren ertte wv
cdefgahc. mit der Unterschriffl : ut, re, mi, fa, nt, re, ml, fa, wobey jederteit das
wertbe ml, fa eehwarfte Noten hatte, anf die Art wie aie iu der Org^aniaten- Probe 1. c.
▼orgeateflet worden. Die fibrigen 11. Scalae modorum m^jomm hatten eben die Unter-
fchrin, doch stand über einer jeden die Masse der Erhöhung oder Brni«dri|ning, Z. E.
i*isteaso modo d'iin mexo tnono piA alto kc. Und das siehet alles mit einander sehr
trAstlich aus.
Beil. III. 4. 339
„Mitten ungefehr zu Veränderung der modulation gesetst werden , als das
„Kreuz vor dem c, oder das b vor dem h, welche keinen Ton zu ändern ver-
„mögen, quia accidenz non mutat rei subatantiam. Und würde gar unge-
„reimbt sein, wenn ich e. g. aus dem D moll ein Stukh machte, und setzte
„per accidenz im c ein Kreuz, deswegen einen neuen modum zu formireu ;
„bey solchen Umbständen kundte man niemallen sagen: das Stuck ist auss
„diesem modo gemacht. Wan man aber das Kreuz im c essentialiter setzen,
„und dadurch einen neuen modum formiren wollte, ist wohl zu erwegen, ob
„dieser neue modus von solcher Wichtigkeit seye , dass man etwas neues
„wider derer alten Autoritet statuiren solte. Die modulation wurde es
„weisen, wie arm dieser neue modus (D moll mit dem Yorgesetzten Kreuz
„ins c) seyn wurdte. Wollte ich in das F als seiner tertia, moduliren, hätte
„das eis keinen Platz mehr. Wollte ich in das A , als seiner quinta , moduli-
„ren, und etwan eine Cadenz vom e ins a machen, wurd das eis einen üblen
„effect machen 1. Gesetzt, dato, non concesso, ich liesse dieses systema :
„defgahcisd, fiir einen modum gelten, so wäre dieser der erste und
„der abgesetzte im C der andere modus. Wo blieben denn die übrigen
„22. modi^? Ans welchem inconvenienti clar zu sehen ist, das die toni oder
„modi anf kein Weiss auf der tertia majori oder minori zu formiren seind,
„wie IeL Hr. vorgibt. Ich habe dieses etwas weitleifflger überschreiben
„wollen, umb M. Hr. auf bessere Gedankhen zu bringen, auss Beysorge
„M. Hr. mochte sonsten bey dennen der Musique recht kündigen eia
„schlechten Ruhm darvon tragen, welches mir sehr leydt seyn sollte, indeme
„M. Hr. sonsten wegen seiner besonderen Gelehrheit, und Eyfer gegen der
„lieben Musique ein besondere estime meritirt. Bitte sonsten mich zu ver-
„schonen mit Eintruckhung meiner unpolirten zweyer Briefen . . .^ meine
„Mainnng aber von der Solmisation und den modis kan der ganzen Welt
„bekannt seyn^. Bei diesen, meine Mamung anbelangend, soll es seine Be-
„wandniss haben, dann ich weder Zeit weder humor, noch iucliuatiou zu
„dergleichen strittigen Schreib- Art habe. Kan M. Hr. ich sonsten alhier ein
^ Wenn dietea Argument achlietst , «o sind 4. von den 6. alten modia in eben
der, i« in noch firgerer Verdamniss, alt Z. E. D moll mit dem h ; E rooll ohne fis ; F dur
ohne b; G dar ohne fis. Denn wer bei dem ersten, als Dorio, im P, als seiner Tertia,
moduliren will, der kann kein h gebrauchen; wer bey dem andern, als vermejnteu
Phrygio, nor im H, als seiner Quinta, modniiren will, der findet Tor dem F keinen Platz
mehr; der dritte, seilicet Lydias, kan kaum iu seiner chorda flnali, geschweige denn io
Sexta vel Quarta eine modulation, ohne b, anstellen; und hat es doch niebt. Wie will
auch der vierte, quasi Mizo-Lydius mit seinem f au rechte kommen? findet das wohl
Raum, wenn ich nur im D als Quinta, im H, als Tertia, im E, als Sexta, moduliren will ?
dann da muss lauter fis seyn.
^ Sie sind oben f. 14 in Lebens-GrÖsse dargestellt.
' Was hier fehlt wird mit Fleis« ausgelassen.
^ Wie kunte dieses besser geschehen, als ipsissimis verbis Fuxianis; doch mit
Weglassnng derjenigen Ausdriickungen, die eigentlich nicht zur Sache gehören.
2-2*
340 Beil. III. 5« 6.
„angenemmen Dienst erweisen, wolle man nur iVey mit mir befehlen, aU
„der ich bin und verbleibe
Meines Hochgeehrten Herrn
Dienstwilliger
Johann Joseph Fux.**
„Wienn den 12. Jan. 1718.
„P. S. Ich kundte vttü vortheilhafftiges für mich, von meinem Auf-
^khommen, unterschiedlichen Dienst-Verrichtungen Überschreiben, wan es
„nit wider die modestie wäre leibst meine elogia hervorzustreiohen : In-
„dessen seye mir genug, das ich wirdig geschätzt werde, CAROLI VL
„erster Capellmeister zu sein^.
(XVI.)
ft« Wir sehen hieraus, dass allerhand krumme Wege von denen gesucht
werden müssen, die auf dem geraden Wege fortzukommen sich nicht ge-
trauen. Diese Abwege sollen wir kennen lernen, so kümmern sie uns nicht.
Die erste Ausflucht in obigem Briefe betriflft den g^ten Menippum, als wenn
der Auetor Orchestrae verbunden wäre , einen pseudonymum zu vertheydi-
gen. Zweitens will man nicht verstehen, dass ein anders sey : de Sohmsatione
Bcribere, & contra Solmisationem scribere. Drittens werden mir ganz andere
Worte angedichtet, und die expressiones verdrehet. Viertens mnss sich die
•Hamburgische Musik spotten lassen. Fünftens kommen gar Scheltworte auf
den Plan. Sechstens wird tonorum locatio mit den semitoniis unbillig ver-
mischt. Siebendes entstehet ein unphilosophischer circulus, und Achtens
erscheinen ganz unzeitige Weissagungen. Ob dieses nun gute Gründe sind,
dadurch sich einer zur Solmisation und zu den alten Modis bewegen lassen
wird, mag die Welt urtheilen. Wir wollen sehen, wie sie in der Beantwortung
gerathen sind, und wie insonderheit das Postscriptum so abgefertiget worden,
dass sich die falsche Modestie hiniUhro nur gar verstecken mag.
(XVII.)
6* Hoch Edler etc :
Hoch V. vielgeehrter Hr. Ober-Capellmeister,
„MenippuB, dessen Sie in ihrem Briefe von 12. Jan. erwehnen, hat
„nichts weniger, als eine Lob-Rede, in Auctorem Orchestrae, gemacht; er
„hat nur blos einen eylfertigen Fluch, wider die Aretinische Solmisation
„und deren Verfechter, dergestalt ausgestossen, wie es ihm, als einem
„experto Ruperto, ums Herz gewesen ist. Dass er aber daneben den frommen
„Guidonem zum Atheisten ^ macht, solches rühret aus einem gelehrten Ver-
^ Die Aufschrifft dea Briefes ist der vorigen g^leicb, nur da«« es heisst: HHam-
bourgne an der Elbe.
^ Im in. Orcb. ist dennoch p. 787. & 788 snttsam erwiesen worden, duts dem
Aretin auch hierin «^ar nicht zu Tief, sondern wob! in wenig, geschehen ist.
Beil. III. 6. 341
^aehen her, das im blossen Namen steckt: weil nicht Gruido, sondern Petrus
n Arentinus, dafür passiret. Grosse Leute können auch fehlen, und hätte man
^den Innhalt des Carminis vor dem Druck überlegen können, würde es ohne
t, Zweifel geändert worden seyn. Inzwischen darff man mir anderer Leute
„Uibersichten, dabei ich keine Hand gehabt, desto weniger beymessen. —
„Um Verzeihung, mein Herr Ober-Capellmeister, ich habe keine Bücher
^von der Solmisation schreiben, sondern nur ein einziges Capitelgen
„wieder die Solmisation^ weil ich dazu genöthigt worden, im beschützten
„Orchestre, mit einrücken wollen; wie ungern, weiss ich am besten, und
„bezeuge es auch an mehr als einem Orte.
„So gebrauche ich femer keines Weges solche expressiones , wie
„M. Hr. mir voriiält, nehmlich: dass grosse Virtuosen nicht eintnal
„an dergleichen Bagatellien gedenken sollten; sondern meine
„Gedanken sind in diesen Worten abgefasst: Es ist Sünde, Schande
,^und Schade, dass verständige Componisteu ein Wörtgen,
„solcher Possen halber, verliehren sollen, c' est ik dire: mitder
„Frage, ob die Tone durch das abgelösete ut, re, mi, fa, oder durch ein an-
„deres, zulängKchers Hülffs-Mittel, ausgesprochen und benennet werden
„müssen? Dabei bleibe ich, und verlange gar nicht das prtedicatum eines
„grossen Virtuosen zu behaupten, importunus enim amat laudari; sondern
„verharre gern auf dem geraden Mittel- Wege: zumal da Hamburg ja nicht
„die ganze musicalische Welt ist , wie M. Hr. ziemlich verächtlich schreibt.
„Ich habe mir sonst sagen lassen, das gute Welsch-Land, ob es wohl einiger
„massen das vornehmste Seminarium musicum mit ist, könne sich doch
„dieses Titels der ganzen musikaiisohen Welt noch lange nicht anmassen :
„weil hinter dem Berge auch Leute wohnen , und so wohl in Teutschland
„als England hin und wieder (Franckreichs zu geschweigen) ein kleines,
„doch reiches und solides, musikalisches Pegn hervorraget, welches tusci
„turba impia vici noch niemals auf der Ca8traten*Land- Carte hat finden
„können. Ich erinnere mich hiebey der Worte des Monzambani, alias Puf-
^ Dut hiit ein reehtscbaffener TeuUcber, zumal bcy er^ng«n«r provocation, desto
mehr Ursache, weil man, id DurchlesttDi? alter Kirchen-Geschichte« nicht ohne Befrem-
^dao^, ersehen mass, wie so manohera ehrlichen Mann, dieser Schol-Possen halber, su
nahe geschehen ist. Z. E. A. I$d8. Ist xu LGbeck ein Rector gewesen, Namens Panera-
tius Cnigerius, ehmaliger Cantor Martinianas in Braunschweig, denselben bat das Lfibe-
kische Ministerium, anter andern, auch deswegen übel tractirt, ron den Kanseln ge-
scholten, Toro Abendmal verwiesen, und endlich gar vom Dienste gebracht, weil er das
•
ut, re, mi ke: ins », b, e, verSndert. Denn so schreibt der Reeensente Athenar. Lubec.
in Actis Erudif. lat. 17Z2. Oct. p. 499 »q. Querto, eum (Crugerium) in jus rocabant
(sacerdotes) ob novitatem musicam. Abrogarat enim Crugerius vetus illnd: ut, re kc
c^jusque in locum cani jusseral: a, b, c. Und also sieht man, wie schon vor hundert und
etlichen Dreyssig Jahren die solmisirende inqnisitores so gerne A, B, C Mirtjrer
machen mogten , selbige Lehrart aber eben so wenig haben* verlilgen können , als die
Jesuiten das Evangelium.
342 Beil. III. 6.
^fendorffs, da er in seinem Buche , de Imp. Kom. uns italiSnisirten
„Teutschen diesen artigen, obwohl stichelichten, Text lieset. Apnd transal-
npinos all quam prudentiie opinionem conciliat, vel de sumrois montibus
^fltaliam conspexisse. Wenn ich nun dieses an seinem Orte gestellet seyn
,, lasse, so gehet doch, hier zu Lande, in unsrer Barbarey, die Bede sehr
^starck, dass die Herrn Italiäner mehrentheils recht gute Puteanisten seyn
^sollen, und die ehrliche siebende Sylbe si, so wie auch die Herren Franzosen,
^anfalle Weise zur Erfflllong der Octava, hinzu setzen. Doch werde mich
„ein wenig weiter erkundigen, ehe ich es umstfindlicher bejahe.
„Mein Hochgeehrter Herr hat sonst in dieser Oorrespondenz mit einem
„zu thun gehabt, der nichts weniger, als ein Esclave, weder seiner eigenen
„noch andrer ungegrilndeten , Meynungist; der so frey gebohren, so frey
„lebet, und einer solchen freyen Nation dienet, dass bey ihm Sciaverey und
„Böhmische Dorffer, im gleichen Grad, unbekannte, fremde Dinge sind. Er
„hat auch neulich noch ein Buch gelesen , das heisst : la libertö de penser ;
„und ob er gleich mit dessen Auetori nicht in allen Stücken einig ist, so
„liebt er doch den Titel der Freyheit; deprecirt aber mit aller Macht den-
„ jenigen garstigen Namen, so M. Hr. ihm beylegen will: der, ob er zwar
„nichts minder als piqnant ist, doch, Tentsch zu sagen, etwas grob klinget.
„Sie haben mir die Ehre gethan , mein werther Herr Ober-CapeUmei-
„ster, und ihre Meynung wegen des beschützten Orchesters übergeschrieben;
„damit bin ich auch anitzo gantz gerne zu frieden, weil sie mich nunmehr
„in ihrem zweiten Briefe versichert, dass es in allem Ernst, und ohne Scherz,
„gemeynet sey. Ich will demnach weiter nichts von der Sache an diesem
„Orte beriihren, sondern meine Gedanken biss auf eine bequemre Gelegen-
„heit versparen, da wenigstens, wo nicht die gantze, doch die halbe, und
„zwar teutsche musikalische Welt urtheilen soll, wer eigentlich von uns ein
„wirklicher Sclave seiner alten Meinung sey, quis antiquum obtineat? Da-
„ selbst 1 und als denn wird auch die Frage völlig aufgelöset werden: Ob ein
„neuer Modas entstehe oder nicht, wenn ein Stück aus dem C ins D versetzt
„wird, etc: Es ist mir sonst lieb, dass der Herr Ober-Capellmeister uns die
..loeationem Semitonii, in allen 12. Systematibus (majoribus) so fein und
„artig, auf einen kleinen Zettel vorgeschrieben hat, auch den Unterschied
„inter ens & accidens dabey lehren wollen : man hat es noch hier zu Lande^
„auf die Art nicht gesehen, und weil die piece curieuse ist, werde um Er-
„laubniss bitten, sie mit in der Druck zu gebend ob ich gleich dabey, nach
„Ew. Hoch-Edl. Befehl, das anstössige in den von M. Hn. selbst sogenannten
„beyden unpolirten Briefen auszulassen besondere Sorge tragen werde, und
„bloss dero Meynung von der Solmisation und den Modis (die ja nach ge-
„ gebener eigenhändigen permission der gantzen Welt bekandt seyn mag)
„in gehörigen terminis zu entdecken gesinnet bin. Wenn ich aber solchem-
' Vid. OrguDisCen- Probe in der Vorbereitung p. 6.^ & seq.
^ E8 ist oben schon eine Bescbretbung' davon ertbeilet, die, in Ermanf^lung der
Noten, einiger mnssen zureicbt.
Beil. III. 6« 343
^nach nur ein Paar unpolirter Briefe von M. Hr. erhalten haben soll, so ver-
klangt mich ungemein, einen einzigen polirten zu sehen ; doch stehet dahin,
„ob £w. Hoch<£dl. mich damit bewürdigen wollen.
„Wo das Semitonium sitzet, das habe durch meines Hochgeehrten
„Herrn gütige Manuduction nun endlich begriffen, dass es nehmlich in allen
„12. Octaven meines systematis (majoris) gleich eintreffe; aber, dassEw.
„Hoeh-Edl. zu setzen belieben, die Tone thäten solches auch, das wird wohl
„ein kleines, durch anderweitige grosse virtü zu bedeckendes, Versehen
„seyn. Mandarffnur, unbeschwert, die tonos majores a minoribus unter-
„seheiden, so wird sich weisen, wie C und D so artig damit spielen. Perraro
„haec alea fallit : Diese Kunst geht fest
„Wenn aber die Modulatio, sie sey reich oder arm, de Modis eorumque
„distinctione den Ausspruch geben soll, was haben denn die Semitonia fllr
„ein unnöthiges Amt bekommen ? Circulus hie vero Musica indignus est.
„Falls mein Hochgeehrter Herr dasjenige Systema, wo die Semitonia
„im andern und siebenden Grade liegen (das ich nur zum Spass gemacht)
„für einen neuen Modum gelten Hesse, und früge denn in Ernst, non dato;
„sed concesso, wo die übrigen 22 blieben? so wollte ich darauf antworten i.
„Ich habe sie schon entworffen und dachte sie weiter auszuarbeiten; (i. e.
„mit exemplis zu erläutern) allein Horatius gerieth mir eben in die Hände,
„mit dem Vers in seiner VIII. Satyra:
Responsura tuo nunquam.est par fama labori.
„Ob ich übrigens schlechten oder krausen Ruhm, wegen meiner un-
„massgeblichen Gedancken, bei den recht- und schlecht-kundigen der Music,
„davon tragen werde, als worüber M. Hr. mit einem angemassten Leidwesen
„in antecessiun etwas bekümmert zu seyn scheinet, solches ist mir gleich-
„giltig : sintemal ich keiner von denen bin (mit Nazianzeno zu reden) quos
„magis movet gloria, quam amor bouL Genug, wenn mir, wegen des herz-
„lichen Eyfers für die liebe Music, eine besondere Achtung gehöret und
„gebühret; ob ich sie bekomme oder nicht, daran liegt blutwenig. Mein
„Wahlspruch ist dieser:
Un generoso cor s'appaga e gode
Di meritar, non d'ascoltar, la lode.
„Und hiebei mag es denn^in Gottes Namen, mit unserm kleinen Brief-
„weehsel über obgeregte Materien sein Bewen4en haben; dieweil ich meines
„Hochgeehrten Herrn Zeit , humeur und inclination bey Leibe nichts in den
„Weg zu legen gedenke, sondern mir immer die grosseste Ehre machen
„werde, mit aller Hochachtung zu ersterben
Ew. Hoch-Edl.
meines Hoch- und Vielgeehrten Herrn Ober-Gapellmeisters
gehorsamer Diener
Hamb. den 12. Febr. 1718. Matthesou.
^ Es ist solches oben sur Genüge geschehen, und iiUes mathematisch erwiesen
worden; mehr die Ohnmacht des Semitonii, als sonst etwas, ans Licht lu stellen. '
344 Beil. Hl. 6.
„P. S. Ich bitte M. H. hieinit nochmals auf das nachdrücklichste und
„inständigste, nicht eben mir, sondern vielmehr der hin und wieder unterge-
,, drückten Music, die unverweigerliche Ehre zu erweisen, und sowohl von
„andern dasigen Orten, als insonderheit von £w. Hoch-Edl. Aufkommen,
„Dignitaten, Einkommen, Rang, etc. solche facta & acta mitzutheilen, die
„gar mit keiner Modestie streiten, und veritatem, absque elogio, enthalten,
„auch hierauf (nehmiich auf diesen einzigen Punkt nur) eine kurze doch
„gewierige, hochgeneigte und baldige Antwort zu ertheilen; sintemal ob es
„gleich Ew. Hoch-Edl. Person gnug ist, dass sie würdig geschätzt werden,
„des unüberwindlichsten Romischen Kaysers CAROLI VI.
„erster und vornehmster Capellmeister zu seyn; so ist doch solches der ge-
nlehrten und curieusen Weit damit noch gar nicht genug, und sind Ew.
„Hoch-EdL als die gleichsam an der Spitze musikalischer Republick stehen,
„ex officio & vocatione verbunden, durch den Beytrag der Erzehlung ihrer
„rühmlichen Verrichtungen, besonderer Ehren-Steilen etc: dem Ansehen,
„dem leyderl an vielen Orten schrecklich-gefallenen Ansehen unsers aller-
„liebsten und alleredelsien Studii kräfftigst mit aufzuhelffen :
plerumque modestus
Occupat obscuri speciem : taciturnus acerbi.
„Wird mir diese Bitte (als welcher wegen ich, die Wahrheit zu sagen,
„eigentlich noch diesesmalil mit meinem Schreiben beschwerlich fallen muss;
„da es sonst wohl nachgeblieben wäre) wird mir, sage ich, dieses allerbil-
„ligste Begehren zum viertenmal abgeschlagen: so will ich vor der Welt
„entschuldiget seyn , wenn sie etwan sinistre von dergleichen misgünstigen
„Weigerungen urtheilen sollte.
„Ist es denn so was seltenes , seinen eigenen Lebens-Lanff selbst zu
„beschreiben? Hat es nicht der fundator Monarchie RomansB selbst derge-
„stalt gethan, dass es biss auf diese Stunde nützlich und löblich ist? Ich
„weiss zwar wohl, was Cicero Lib. V. ad Famil. Epist. 12. davon hält. Allein
„man kan ihm eine Menge gelehrter Leute, und unter andern, neuem, in-
„ Sonderheit Cardanum, Thuanum &c. entgegen setzen, die es mit gutem
„Glück gethan haben. Bussy ^ gehört hier oben an ; seine Gredanken sind
„recht edelmüthig, und verdienen billig Platz: Je parlerai (sagt er pag. 2.
„seiner Memoires) moi-mSme de moi , & je ne ferai pas comme ceux , qui
„pour avoir pretexte de faire leur panegyrique de leur histoire, reerivent
„sous des noms emprnntez: je ne serai ni assez vain, ni assez ridicule, pour
„me louer sans raison; mais aussi n'anrai-je pas une assez sötte honte, pour
„ne pas dire de moi des choses avantageuses quand ce seront des veritez.
„d. i. Ich werde selber von mir reden, und es denen nicht
„gleichthun, die ihren Leb ens -Lauf f unter entlehnten Namen
„abfassen, damit sie nur einen Vorwand bekommen, sich
^ Dieser Zusatz von Bussy, und die zweite Stelle des Taciti , befandeo sich nicht
im Original; ich habe sie aber, um das unnöthige Bedeeken desto besser zu heben,
hier mit eingerückt.
Beil. III. 7. 345
„eine Lob-Rede zu halteiif Ich heg^e keine solche lächerliche
„Einbildung, dass ich mich selber, ohne Ursache, rtthmen
„sollte; aber es wohnet mir auch keine solche alberne
„8chaam bey, dass ich etwas vortheilhafftes von mir zu
„melden Bedenken tragen sollte, wenn es die lautere Wahr-
„heit ist.
„ Jonsius recensirt die alten berühmten Leute , die sich selber ihr cur-
„riculum vitse gestellt haben, Lib. III. de Sciiptor. Uistor. Philosoph, cap. 2.
„§. 222. Vom Rutilio und Scauro sagt Tacitus, in yita Agric. cap. I. no. 3.
„dass ihre Beschreibungen, die sie sich mit eigner Hand verfertiget, nee
„citra fidem, nee obtrectationi, gewesen sind: das ist, sie haben weder un-.
„glaubliche Prahlereyen, noch verkleinerliche Dinge vorgebracht; man hat
„ihre £rzehlungen aufrichtig und so befunden, dass nichts dawider zu sagen
„gewesen. Es redet Tacitus I. c. von der damaligen löblichen Grewohnheit
„berühmter Männer, dass die meisten von ihnen ihr eigenes Leben selbst
„beschrieben haben ; nicht aus Hoffart, sondern aus fester Zuversicht ihres
„g^tes Wandels. Plerique suam ipsi vitam narrare liduciam potius morum,
„quam arrogantiam, arbitrati sunt. Zudem hat es hier ja noch eine ganz
„andere Bewandniss, und ist solchen Falls das beste Mittel, dass, ob gleich
„ein jeder seinen Lebens-Lauff selbst entwirfft, weil er solchen am besten
„kennet; dennoch sothane Beschreibungen, Wohlstands halber, einem drit-
„ten Mann, zur Bearbeitung und Herausgabe, überlassen werden. Wüste ich
„M. Hr. Verichtungen und Thaten so wohl, als er selbst, oder könnte die-
„ selbe aus Büchern erlernen, (vielleicht erfahre ich doch noch etwas) ich
„wollte gewiss nicht viel gute Worte darum verlieren; doch werden auch
„diese die letzten sein. Adio !
9* Johann Mattheson's Anschuldigung des kais. Hofcompositors
Francesco Conti.
Obwohl diese Angelegenheit seit ihrem Entstehen (1739) viel mehr
als ein Jahrhundert hinter sich hat , so rumort sie noch heutigen Tages in
musikgeschichtlichen Werken, so in der zweiten Auflage (1861) des vielver-
breiteten Werkes F. J. Fötis, Biographie universelle des musi-
ciens wie in dem verdienstvollen Handbuche der Musikgeschichte von
Arey von Dommer (1868). Beide nehmen von der Ehrenrettung Fran-
cesco Conti's durch Simon Molitor in der AUg. Mus. Zeitg. 1838
pag. 153 ff. keine Notiz, und da von Anschuldigungen, aueh wenn sie durch
und durch lügenhaft sind, immer etwas hängen bleibt, so soll hier der ganze
Sachverhalt in allen belastenden und entlastenden Stücken kurz aufgenom-
men und was aus amtlichen Urkunden in neuester Zeit hinzugekommen ist,
zusammengestellt werden.
Nicht leicht ist ein niedertrachtigeres Gewebe von Lügen mit ganz
erfundenem Detail, welche für viele als der Ausspruch einer Autorität, wofür
Mattheson galt, als wahr angenommen werden konnten, im günstigsten
Falle mit seltenem Leichtsinne , im schlimmeren als ein Ausfluss raffinierter
346 Beil. III. 8.
Bosheit in die Welt geschickt worden ids in diesem berüchtigten Handel.
Mattheson gibt in seinem vollkommenen Kapellmeister au , einen Brief aus
Regensburg vom 9. October 1730 erhalten zu haben, welcher die Scandal-
geschichte F. Conti's wegen thätlicher Beleidigung eines Priesters und der
darauf erfolgten Kirchenstrafe, des vierjährigen Kerkers auf dem Spielberge^
und der ewigen Verweisung aus den österreichischen Staaten mit minutiöser
Genauigkeit enthalten haben soll. War Mattheson damit mystificiert worden,
was nOthigte ihn denn, in einem Werke, wie der vollkommene Kapellmeister
war, eine solche Scandalgeschichte aufzunehmen? Allerdings, der schreib-
wttthige Mattheson findet überall und zu allem PUtz, und einer solchen
Verlockung konnte ein solcher Freund des Scandals nicht widerstehen. Seit
1730, wo diese Begebenheit sich zugetragen haben sollte, bis zur Heraus-
gabe des „Kapellmeisters^ im Jahre 1739, also durch volle neun Jahre
hfttte der Mann, der wie er sagt, „voll Hochachtung für dieses ungemeinen
Virtuosen (F. Conti) Verdienste als Tonmeister*^ überfliesst, Zeit genug
gehabt, von der Wahrheit jenes infamierenden Briefes sich zu überzeugen,
allein das „herzliche Mitleiden (! !) so er über Conti's Unglück und grosse
Sittenschwachheit empfindet" musste den elenden Tartüffe bestimmen , der
Welt, die nichts davon zu wissen begehrte, alle diese ehrenrührigen An-
schuldigungen aufzutischen; im entgegengesetzten Falle wäre freilich die
Welt um die schon fertigen schalen lateinischen Verse gekommen, die
„man" auf Conti gemacht hat. — Auch von der 1754 in Marpurgs krit.
Beitr. I. 219 ff. erschienenen Richtigstellung der Thatverhältnisso hätte der
alte hartgekochte Sünder Kenntniss nehmen können und sollen, allein
das war für einen Menschen mit Mattheson 's eherner Stime eine lächerliche
Zumuthung.
Dem Leser, welcher die nachfolgenden Actenstücke durchzugehen
Anstand nimmt, sei gleich hier erwähnt, dass Francesco Conti sich keines
Vergehens schuldig gemacht, dessen Sohn, Ignazio Conti, aber in der
Hitze eines Wortwechsels einen Priester thätlich beleidigt habe, worüber
er zum Kirchenbann verurtheilt, durch Abbitte auch hievon nach einem
Monat der Untersuchung Absolution erhielt. Alles übrige wegen Stehens
an der Kirchthüre, Festungsstrafe und Landesverweisung ist vollständig
Erdichtung.
8. Joh. Mattheson, vollk. Kapellmeister, p. 49, schreibt:
„§.46. Conti, der grosse, aber auch unglückselige Tonkünstler,
ehemals kais. Vice-Kapellmeister (!) ein in seiner Wissenschaft vortrefflicher
Mann, von dessen Fatalitäten ich bei dieser Gelegenheit einige glaubwürdige
Nachricht zu geben nicht umhin kann, war
§. 47. Die Hochachtung, so ich für dieses ungemeinen Virtuosen Ver-
dienste als Tonmeister trage, und die ein jeder, der solche Verdienste recht
einsiehet, mit mir hegen wird, sammt dem herzlichen Mitleiden, so ich über
sein Unglück und grosse Sittenschwachheit empfinde, werden mich ent-
schuldigen, dass ich hier einschalte den folgenden
Beil. III. 9. 347
§. 48. Auszug eines Briefes aus Regensburg vom 9. Öct. 1730: „Am
10. 8ept ist zu Wien der kais. Compositore di Musica Francesco Conti
vermöge des, von dasigem Consistorio über ihn erkannten Kirchenbannes^
vor die Thtir der Cathedralkirche zu St. Stephan gestellet worden. Es hat-
ten zwar Ihro kais. Maj. aus angebomen höchsten Milde das dreimalige
Stehen auf eines gesetzt; nachdem sich aber der Mann das erste Mal im Gre-
sichte vieler hundert Personen, sehr übel aufgeftihret, als ist derselbe den
17. Sept. zum andern Male, vor obgedachte Kirchthüre in einem langen
härenen Rock, so man ein Busskleid nennet, zwischen zwölf Rumorknech-
ten , die einen Kreis iim ihn geschlossen , mit einer brennenden schwarzen
Kerze in der Hand, eine Stunde lang gestellet worden, desgleichen auch am
24. dito geschehen soll. Seine Speise ist Wasser und Brot, so lange er unter
der geistlichen Obrigkeit stehet; nach üebergebung aber an die weltliche
soll derselbe dem von ihm geschlagenen Geistlichen 1000 Gulden
Schmerzengeld und noch alle Unkosten bezahlen, sodann vier Jahre auf dem
Spielberge sitzen und nachgehends auf ewig aus den östr. Landen verwie-
sen werden ; die weil er als er zum ersten Male vor der Kirche nthüre gestan-
den eine so grobe und ärgerliche Unverschämtheit gebraucht. Vorgemeld-
ter Hofcompositeur ist darum zu solcher Strafe verurtheilt worden, dass er
an einen weltlich. Geistlichen gewaltthätig Hand geleget und selbigen mit
vielen Schlägen übel tractieret hat. Es ist folgendes Epigramma auf ihn ge-
macht worden.
Non ea Musa bona est, nee Musica composuisti
Quam Conti, tactus nam fuit ille gravis:
Et Bassus nimium crassus, neque consona clavis:
Perpetuo nigras hinc geris ergo Notas.''
^0 weit Ehren Mattheson's Anschuldigung.
•• Joh. Joach. Quantz in Marpurg krit. Beitr. (1754) I. 219 f.
sagt gelegentlich der Schilderung der Oper Costanza e Fortezza von Fux:
„Ich bediene mich dieser Gelegenheit, diesen braven Mann (Fran-
cesco Conti) gegen die sogenannte glaubwürdige Nachricht aus Regens-
burg vom 10. Oct. 1730, mit welcher Hr. Legationsrath Mattheson hinter-
gangen worden , und die S. 40 des vollkommenen Kapellmeisters einge-
schaltet ist zu retten. Es war nicht dieser Conti, sondern sein Sohn,
der den Geistlichen geschlagen hatte, und deswegen die dort beschriebene
Kirchenbusse thun musste. Die Übrigen Umstände sind wahr. Weil dieser
Sohn damals unter den sogenannten kais. Hofscholaren war und sich auf
die Composition legte, so hat es leicht geschelien können, das3 man ihn mit
dem Vater verwechselt hat. Ausser glaubwürdigen Zeugen, die damals in
Wien anwesend gewesen sind und beide gekannt haben , ist auch dieses ein
sicherer Beweis, dass es der Vater nicht gewesen sein könne, weil er im
Cameval 1732 die auf dem kais. Theater aufgeführte Oper Issipile in Musik
gebracht, welches man mit dem in Wien gedruckten Buche dieser Oper
allzeit beweisen kann. Dem Sohne ist die Landesverweisung erlassen wor-
348 Beil. III.- 10.11.
den. Er ist nach der Grefangenschaft wieder nach Wien gegangen , kommt
aber dem Vater in musikalischen Verdiensten in geringstem nicht bei. Man
nennt ihn insgemein Contini.*'
flO* Simon Molitor, Ehrenrettung des weiland kais. Hofcompo-
siteurs in Wien Francesco Conti gegen eine in Mattheson's Voll-
kommenen Kapellmeister überlieferte ehrenrührige Anecdote. [A. Mus. Ztg.
1838. p. 153 ff.]
„Ignazio Conti, kais. sogen. Hofscholar — Sohn des kai8..Hofcom-
positeurs Francesco Conti — zur Zeit des Vorfalles 31 Jahre alt, gerieth
zu Anfang des Monats August 1730 mit einem Geistlichen aus Sicilien,
Namens Steffano Bertoni, in einen Worstreit, in dem er sich so weit verga&s,
den letztern thätlich zu mishandeln. Dieser forderte ihn vor das geistliche
Gericht, welches nach gepflogener Verhandlung über den Ignazio dem
kanon. Rechte gemäss, den Kirchenbann aussprach , von welchem derselbe
jedoch schon am 18. Sept. auf seine demüthige Bitte die Absolution er-
langte. Ignazio Conti war übrigens gegen geleistete Bürgschaft während
der Untersuchung auf freiem Fusse, und es kommt herv^or, dass gegen den-
selben das brachium seculare nicht aufgerufen worden war. ^
Alles übrige von Mattheson angeführte ist reine Erfindung.
11. Ignazio Conti erscheint in den Hofschematismen ununter-
brochen von 1721 bis'l760, namentlich auch in den Jahren 1731, 1732, 1733,
1734 als kais. Hofscholar. Wäre er wegen eines schweren Vergehens zu
mehrjähriger Geföngnissstrafe vemrtheilt und gefangen gehalten worden,
so würde er in den Hofschematismen sicher nicht als Hofschoiar fortgefiihrt
worden sein. Man hatte daher auch von Seite des Hofes diesem unbeson-
nenen Streiche des heissblUtigen Italieners keine besondere Bedeutung bei-
gelegt, da überdies schon vom Jahre 1733 durch mehrere aufeinanderfol-
gende Jahre Serenaden und Oratorien seiner Composition aufgefiihrt wur-
den, und Fux denselben im Jahre 1739 (Beil. VI. 257) zum Titular-Hofcompo-
sitor vorgeschlagen hatte. — Auch auf den noch lebenden Vater muss dieses
Ereigniss keinen nachhaltigen Eindruck gemacht haben, denn in dessen Te-
stament vom 2. Juli 1732 wird sein Sohn Ignaz ohne Bemerkung mit den
Worten zum Universalerben eingesetzt : „8® Istituisco, facio e nomino e vo-
glio, che sia mio erede universale vero e legitimo il d** mio carissimo
figlio Ignazio 'Conti.** — Am Schlüsse heisst es amtlich: „Gegenwärtiges
Testament ist im Beisein des eingesetzten Universalerben Ignaz Conti
und des Julii Consojno eröffnet worden." Wien 19. Juli 1732 (L. Ger. Arch.
in Wien Test. ^
Alle diese Behelfe zusammengenommen, sollte man meinen, können
genügen, die grundlose Beschuldigung des Francesco Conti durch Joh. Mat-
theson filr alle Zeiten darzuthun. — Allein man hat Belege zu dem Worte
des Dichters: L'homme est de feu pour le mensonge, il est de glace pour
la v6rit6.
Beilage IV.
Zum Gradus ad Paroassum — DedicationeD.
!• Der vollständige Titel dieses berühmten Werkes lautet:
Gradus adParnassum, sive Manuductio ad Compositionem Musicae
Regulärem Methodo novl, ac certa, nondum antö tarn exacto ordine in lucem
edita: Elaborata a Joanne JosephoFux, Sacrae Caesareae, ac Regiae
Catholicae Majestatis Caroli VI. Romanorum Imperatoris Supremo Cbori
praefecto. Viennae Austriae, Typis Joannis Petri Van Ghelen, Sac. Caes.
Regiaeque Catholicae Majestatis Aulae-Typhographi, 1725.
Es ist in Folio, die Notenbeispiele mit beweglichen 'lypen gedruckt,
enthält 280 paginierte und 6 nic)it-paginierte Seiten. Einigen Exemplaren
ist ein Titelkupfer beigegeben, den Musenberg vorstellend mit Stufen, auf
deren oberster ein Jüngling, mit einem Buche im Arme, von Apollo mit
einem Lorberkranze gekrönt wird, während die Musen sich in verschiedenen
Entfernungen gruppieren.
Das Buch eröffnet mit folgender Dedicationan den Kaiser Karl VI.
gerichtet.
Augustissimo, Invictissimo ac Potentissimo Principi Carolo VI., Ro-
manorum Imperatori.
Auguste Caesar *
Si flumina ad Oceanum , unde originem trahunt , cursum suum reflec-
tunt : si terra rore matutino madefacta eundem humorem , tanquam in grati
animi tesseram, ad aethera denuo mittit ; quo alias Opusculum hoc se vertat,
nisi ad Te Auguste Caesar? Tuum enim est jure Dominii ; quia partus
clientis. Tuum